Das Z7 lockte am 1. März mit einem speziellen Leckerbissen für
alle Pagan Fans. Vier Bands, zum Preis von einer, darunter Helheim,
die zu den Mitbegründern des Viking Metals gehören, Taake, ein
weiteres, metallisches Urgestein aus dem hohen Norden, Moonsorrow –
feinste finnische Folklore im Metalgewand – und als besonderes
Sahnehäubchen, die irischen Jungs von Primordial. Das Publikum an
diesem Abend war von angenehmer Gelassenheit und Reife und die Bands
traten entspannt und routiniert auf. Im Z7 fühle ich mich gleich wie
zuhause, wenn ich an der Wand den vertrauten Dezibelmesser rot
blinken sehe. Immer verdammt nahe an der Grenze von 100 Dezibel. 98,
99.5, fällt nun auf 96. Vorne spielt...
...Helheim
Mit gröhlenden, rauchigen Stimmen durchtränkter Metal dröhnt durch.
Stets begleitet vom zuverlässigen Double-Beat des Schlagzeugs und
konstant sägenden Gitarren. Hinter, neben, vor mir fliegen die Haare
wild im Kreis. Es ist bereits der fünfte Song, doch niemand um mich
herum zeigt Anzeichen von Erschöpfung. Für mich ist es eine fremde
Welt. Der Sänger trägt ein Kettenhemd, die Lyrics verstehe ich nicht
und die Riffs erkenne ich zwar wieder, doch sie werden anders
gespielt. Hören sich eigenartig, ja fremd an. Es ist meine
persönliche Helheim Premiere. Und ja, Viking Metal ist eine gute
Klassifizierung für Helheim. Hat was. Doch wer jetzt Metal im Stile
von Amon Amarth erwartet, der sei gewarnt, Helheim hat mit Amon
Amarth wenig zu tun. Eher spielen sie eine Urversion davon, eine
dunklere, weitaus mehr an Death Metal erinnernde… Doch das nächste
Lied ist auch schon anders. Gemächlicher, akzentuierter. Anscheinend
können die Jungs auf ein grosses Repertoire an Liedern zurückgreifen
und haben im Verlauf ihrer Karriere auch schon mal das eine oder
andere Experiment gewagt. Jetzt geht’s zurück zum vorherigen
Rhythmus, ein konstanter, treibender Rhythmus, der mit dem
Schlagzeug vielleicht an Pauken einer dieser Langboote der Vikinger
erinnert. „Zugabe! Zugabe!“, wird gebrüllt, nur auf Norwegisch, wie
mir später erklärt wird. Die Jungs auf der Bühne lächeln. Das haben
sie jetzt nicht erwartet. Sie revanchieren sich mit einer
Coverversion von „The Ace of Spades“ von Motörhead, perfekt
ausgeführt, nur die Stimme dunkler und rauchiger als im Original.
Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Und vorbei ist der Spuk. Die
Masse löst sich langsam auf. Zigarettenpause. Das Z7 ist vielleicht
zu zwei Drittel voll, aber es ist ja noch früh. 19.30 und es stehen
noch weitere Bands an. An der Reihe ist...
...Taake >>>
Taake beginnt schon mal recht theatralisch. Ein Kettenhemd wie der
Frontsänger von Helheim, das geht ja noch, aber die Schminke, die
Taake auffahren, erinnert eher an eine zerlaufene Version von Kiss.
Naja, wer’s mag. Vom Sound her lange nicht so mitreissend wie die
Vorgänger, hat der fehlende Enthusiasmus um mich herum eine
Erklärung. Nur vereinzelt werden die Köpfe geschüttelt, obwohl sich
der Frontmann der Band alle Mühe gibt, das Publikum zu unterhalten.
Mehrmals hüllt er sich in die norwegische Flagge ein, rennt von
rechts nach links, brüllt, keucht, schreit die Lyrics herunter, doch
mein sachunkundiges Ohr ist nicht beeindruckt. Wie störendes
Rauschen nehme ich den Sound wahr. Die Gitarrist spielt ja zwar
schon ansprechende Riffs, das Schlagzeug überzeugt, auf sich alleine
gestellt, aber in der Mitte scheint sich der Sound nicht zu treffen,
ist zu verwaschen, zu wenig pointiert. Sie sind erst beim dritten
Lied, doch die Zeit scheint sich irgendwie in die Länge zu dehnen.
Die Lieder kommen mir länger und länger vor. Zumindest sehe ich ein
paar selig strahlende Gesichter, die die Lyrics mit vollem
Enthusiasmus und Sachkunde wiedergeben, vielleicht ist Taake ja
wirklich nicht für alle gedacht, nur für ein paar wenige Getreuen.
Als dann der Vorhang fällt, nicht ohne eine obligatorische Zugabe zu
spielen, setze ich meine Hoffnung nun auf...
...Moonsorrow
Etwas wachrütteln, das käme wohl jedem im Z7 Recht. Moonsorrow
beginnt mit viel Atmosphäre, viel Aufbau, bis sie dann – alle
zusammen – gleichzeitig drauf los hauen. Schnell ist Taake vergessen
und ich konzentriere mich nur noch auf die Jungs mit dem
blutüberströmten Frontmann. Ein gut genährter, blutiger Ville Sorvali zieht die Aufmerksamkeit auf sich, dessen Bruder weiter
hinten am Keyboard steht, der übrigens sonst Dienst bei Fintroll
verrichtet. Was für ein Unterschied zu Taake. Im Publikum wird
mitgegrölt, was das Zeugs hält, ob das jetzt die Lyrics sind, oder
einfach nur sinnloses Gegröhle, kann ich nicht sagen, aber ich mache
mit, schreie bei den intensiveren Parts zusammen mit dem
aufgewühlten Publikum und – es macht ein Höllenspass. Langsam
scheint sich das Publikum und der Abend wieder aufzuwärmen.
Inhaltlich erinnert die Band schwer an Finntroll, nur eben etwas
langsamer und melodischer. Haare peitschen an mein Gesicht und beim
Rundumblick merke ich, dass sich das Z7 mittlerweile fast vollkommen
gefüllt hat. Die Nachzügler aus Frankreich, Deutschland und dem Rest
der Schweiz sind eingetroffen. Vorne erklärt Frontmann und Bassist
Ville Sorvali, was mit Bischöfen und ihren Missionaren geschah, als
sie versuchten, brave finnische Heiden zu bekehren. „Sie wurden
ermordet!“, schreit er ins Mikrofon und lautes Gegröhle antwortet
ihm. Ich mache auch mit, schliesslich bin ich heut Abend Teil davon.
Dann legt die Band mit „Köyliönjärven jäällä“, wie ich mir den
Songnamen später habe sagen lassen, einen weiteren Zahn zu. Es
bildet sich sogar ein kleiner Circle-Pit, der aber nicht lange
Bestand hat. Zu eingesessen und abgeklärt ist das Publikum, um da
noch übermässig rumzutollen. Sehr angenehm. Und damit ist jetzt die
Zeit gekommen für...
...Primordial
Das Licht ist noch aus. Der Sänger steht zuvorderst. Blick mit
grimmiger Miene gen Publikum, im Hintergrund das Intro von „Dark
Song“. Noch spielt nur die Aufnahme, besser gesagt, nur die Stimme
des Sängers, die aus den Boxen dringt. Als dann der Refrain kommt,
gehen die Lichter an, während die Band mit Wucht und einer stimmigen
Gitarrenwand starten. Primordial sind schon auf CD gut, aber richtig
zu erfahren sind sie wohl nur live. Nur live erreichen sie ihre
volle Tiefe an Emotionen und Melancholie, die das Z7 kurzerhand in
eine keltische Kathedrale, voll eifriger Headbangender Jünger
verwandelt. Die Texte handeln von Schmerz, vom Schicksal, von der
Unabänderbarkeit der Dinge und verlorener Liebe. Alan Averill, der
Frontmann beherrscht das Publikum mit seinem strengen Blick, als
wäre er ein Priester und die Zuschauermenge klebt an seinen Lippen
wie gläubige Jünger. Primordial machen wirklich Spass. Auf der Bühne
bewegen sich die Jungs aus Irland nicht gross, lieber konzentrieren
sie sich auf ihre Musik, mit Ausnahme des Frontmanns natürlich.
Hingerissen vom Sound vergisst man kurz die eigenen Wurzeln, wähnt
sich schon selbst ein Ire, bereit, sich ihrer Sache anzuschliessen,
egal was sie anstreben. Irgendwann, mitten im Konzert fällt dem
Sänger ein Rowdy auf, streng weist er ihn zurecht, er solle, mit
was
auch immer, aufhören und droht gar „I’m gonna fucking kill you“, was
er aber umgehend mit „just kidding“ entschärft. Der Stimmung tut
dies keinen Abbruch, im Gegenteil. Überhaupt verbindet sich die Band
unglaublich gut mit dem Publikum, wird mit akkurater Wiedergabe der
Lyrics belohnt und man merkt, die Band und das Publikum haben eine
gute Zeit, mich inbegriffen. Insgesamt spielen sie mehr als
eineinhalb Stunden, schon fast eine Ausnahme, heutzutage. Alan
fordert das Publikum auf, die beiden Zugaben zu bestimmen, indem sie
die Songtitel so laut wie möglich rufen sollen. Es ist schon nach
zwölf, doch sie spielen immer noch weiter. Dann verabschieden sich
die Jungs aus Irland und verlassen gelassen die Bühne und ich bleibe
zurück, mit einem wohligen Gefühl im Bauch, während die Masse um
mich herum zum Ausgang drängt. Jetzt schnell noch einen Met holen
gehen und ein weiterer schöner Abend im Z7 geht zu Ende.
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