Livereview: Primordial - Moonsorrow - Taake - Helheim

01. März 2013, Pratteln - Z7
By Michel A.
Das Z7 lockte am 1. März mit einem speziellen Leckerbissen für alle Pagan Fans. Vier Bands, zum Preis von einer, darunter Helheim, die zu den Mitbegründern des Viking Metals gehören, Taake, ein weiteres, metallisches Urgestein aus dem hohen Norden, Moonsorrow – feinste finnische Folklore im Metalgewand – und als besonderes Sahnehäubchen, die irischen Jungs von Primordial. Das Publikum an diesem Abend war von angenehmer Gelassenheit und Reife und die Bands traten entspannt und routiniert auf. Im Z7 fühle ich mich gleich wie zuhause, wenn ich an der Wand den vertrauten Dezibelmesser rot blinken sehe. Immer verdammt nahe an der Grenze von 100 Dezibel. 98, 99.5, fällt nun auf 96. Vorne spielt...

...Helheim

Mit gröhlenden, rauchigen Stimmen durchtränkter Metal dröhnt durch. Stets begleitet vom zuverlässigen Double-Beat des Schlagzeugs und konstant sägenden Gitarren. Hinter, neben, vor mir fliegen die Haare wild im Kreis. Es ist bereits der fünfte Song, doch niemand um mich herum zeigt Anzeichen von Erschöpfung. Für mich ist es eine fremde Welt. Der Sänger trägt ein Kettenhemd, die Lyrics verstehe ich nicht und die Riffs erkenne ich zwar wieder, doch sie werden anders gespielt. Hören sich eigenartig, ja fremd an. Es ist meine persönliche Helheim Premiere. Und ja, Viking Metal ist eine gute Klassifizierung für Helheim. Hat was. Doch wer jetzt Metal im Stile von Amon Amarth erwartet, der sei gewarnt, Helheim hat mit Amon Amarth wenig zu tun. Eher spielen sie eine Urversion davon, eine dunklere, weitaus mehr an Death Metal erinnernde… Doch das nächste Lied ist auch schon anders. Gemächlicher, akzentuierter. Anscheinend können die Jungs auf ein grosses Repertoire an Liedern zurückgreifen und haben im Verlauf ihrer Karriere auch schon mal das eine oder andere Experiment gewagt. Jetzt geht’s zurück zum vorherigen Rhythmus, ein konstanter, treibender Rhythmus, der mit dem Schlagzeug vielleicht an Pauken einer dieser Langboote der Vikinger erinnert. „Zugabe! Zugabe!“, wird gebrüllt, nur auf Norwegisch, wie mir später erklärt wird. Die Jungs auf der Bühne lächeln. Das haben sie jetzt nicht erwartet. Sie revanchieren sich mit einer Coverversion von „The Ace of Spades“ von Motörhead, perfekt ausgeführt, nur die Stimme dunkler und rauchiger als im Original. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Und vorbei ist der Spuk. Die Masse löst sich langsam auf. Zigarettenpause. Das Z7 ist vielleicht zu zwei Drittel voll, aber es ist ja noch früh. 19.30 und es stehen noch weitere Bands an. An der Reihe ist...

...Taake >>>
Taake beginnt schon mal recht theatralisch. Ein Kettenhemd wie der Frontsänger von Helheim, das geht ja noch, aber die Schminke, die Taake auffahren, erinnert eher an eine zerlaufene Version von Kiss. Naja, wer’s mag. Vom Sound her lange nicht so mitreissend wie die Vorgänger, hat der fehlende Enthusiasmus um mich herum eine Erklärung. Nur vereinzelt werden die Köpfe geschüttelt, obwohl sich der Frontmann der Band alle Mühe gibt, das Publikum zu unterhalten. Mehrmals hüllt er sich in die norwegische Flagge ein, rennt von rechts nach links, brüllt, keucht, schreit die Lyrics herunter, doch mein sachunkundiges Ohr ist nicht beeindruckt. Wie störendes Rauschen nehme ich den Sound wahr. Die Gitarrist spielt ja zwar schon ansprechende Riffs, das Schlagzeug überzeugt, auf sich alleine gestellt, aber in der Mitte scheint sich der Sound nicht zu treffen, ist zu verwaschen, zu wenig pointiert. Sie sind erst beim dritten Lied, doch die Zeit scheint sich irgendwie in die Länge zu dehnen. Die Lieder kommen mir länger und länger vor. Zumindest sehe ich ein paar selig strahlende Gesichter, die die Lyrics mit vollem Enthusiasmus und Sachkunde wiedergeben, vielleicht ist Taake ja wirklich nicht für alle gedacht, nur für ein paar wenige Getreuen. Als dann der Vorhang fällt, nicht ohne eine obligatorische Zugabe zu spielen, setze ich meine Hoffnung nun auf...

...Moonsorrow
Etwas wachrütteln, das käme wohl jedem im Z7 Recht. Moonsorrow beginnt mit viel Atmosphäre, viel Aufbau, bis sie dann – alle zusammen – gleichzeitig drauf los hauen. Schnell ist Taake vergessen und ich konzentriere mich nur noch auf die Jungs mit dem blutüberströmten Frontmann. Ein gut genährter, blutiger Ville Sorvali zieht die Aufmerksamkeit auf sich, dessen Bruder weiter hinten am Keyboard steht, der übrigens sonst Dienst bei Fintroll verrichtet. Was für ein Unterschied zu Taake. Im Publikum wird mitgegrölt, was das Zeugs hält, ob das jetzt die Lyrics sind, oder einfach nur sinnloses Gegröhle, kann ich nicht sagen, aber ich mache mit, schreie bei den intensiveren Parts zusammen mit dem aufgewühlten Publikum und – es macht ein Höllenspass. Langsam scheint sich das Publikum und der Abend wieder aufzuwärmen. Inhaltlich erinnert die Band schwer an Finntroll, nur eben etwas langsamer und melodischer. Haare peitschen an mein Gesicht und beim Rundumblick merke ich, dass sich das Z7 mittlerweile fast vollkommen gefüllt hat. Die Nachzügler aus Frankreich, Deutschland und dem Rest der Schweiz sind eingetroffen. Vorne erklärt Frontmann und Bassist Ville Sorvali, was mit Bischöfen und ihren Missionaren geschah, als sie versuchten, brave finnische Heiden zu bekehren. „Sie wurden ermordet!“, schreit er ins Mikrofon und lautes Gegröhle antwortet ihm. Ich mache auch mit, schliesslich bin ich heut Abend Teil davon. Dann legt die Band mit „Köyliönjärven jäällä“, wie ich mir den Songnamen später habe sagen lassen, einen weiteren Zahn zu. Es bildet sich sogar ein kleiner Circle-Pit, der aber nicht lange Bestand hat. Zu eingesessen und abgeklärt ist das Publikum, um da noch übermässig rumzutollen. Sehr angenehm. Und damit ist jetzt die Zeit gekommen für...

...Primordial
Das Licht ist noch aus. Der Sänger steht zuvorderst. Blick mit grimmiger Miene gen Publikum, im Hintergrund das Intro von „Dark Song“. Noch spielt nur die Aufnahme, besser gesagt, nur die Stimme des Sängers, die aus den Boxen dringt. Als dann der Refrain kommt, gehen die Lichter an, während die Band mit Wucht und einer stimmigen Gitarrenwand starten. Primordial sind schon auf CD gut, aber richtig zu erfahren sind sie wohl nur live. Nur live erreichen sie ihre volle Tiefe an Emotionen und Melancholie, die das Z7 kurzerhand in eine keltische Kathedrale, voll eifriger Headbangender Jünger verwandelt. Die Texte handeln von Schmerz, vom Schicksal, von der Unabänderbarkeit der Dinge und verlorener Liebe. Alan Averill, der Frontmann beherrscht das Publikum mit seinem strengen Blick, als wäre er ein Priester und die Zuschauermenge klebt an seinen Lippen wie gläubige Jünger. Primordial machen wirklich Spass. Auf der Bühne bewegen sich die Jungs aus Irland nicht gross, lieber konzentrieren sie sich auf ihre Musik, mit Ausnahme des Frontmanns natürlich. Hingerissen vom Sound vergisst man kurz die eigenen Wurzeln, wähnt sich schon selbst ein Ire, bereit, sich ihrer Sache anzuschliessen, egal was sie anstreben. Irgendwann, mitten im Konzert fällt dem Sänger ein Rowdy auf, streng weist er ihn zurecht, er solle, mit was auch immer, aufhören und droht gar „I’m gonna fucking kill you“, was er aber umgehend mit „just kidding“ entschärft. Der Stimmung tut dies keinen Abbruch, im Gegenteil. Überhaupt verbindet sich die Band unglaublich gut mit dem Publikum, wird mit akkurater Wiedergabe der Lyrics belohnt und man merkt, die Band und das Publikum haben eine gute Zeit, mich inbegriffen. Insgesamt spielen sie mehr als eineinhalb Stunden, schon fast eine Ausnahme, heutzutage. Alan fordert das Publikum auf, die beiden Zugaben zu bestimmen, indem sie die Songtitel so laut wie möglich rufen sollen. Es ist schon nach zwölf, doch sie spielen immer noch weiter. Dann verabschieden sich die Jungs aus Irland und verlassen gelassen die Bühne und ich bleibe zurück, mit einem wohligen Gefühl im Bauch, während die Masse um mich herum zum Ausgang drängt. Jetzt schnell noch einen Met holen gehen und ein weiterer schöner Abend im Z7 geht zu Ende.