Livereview: Pristine - The Legendary

19. September 2017, Aarau – KiFF (Foyer)
By Rockslave
Am Vorabend des letzten (?) Schweizer Konzertes der Rolling Stones im Zürcher Letzigrund-Stadion standen in Aarau im Foyer des KiFF die norwegischen Retro-Rocker Pristine um die charismatische Power-Frontfrau Heidi Solheim auf dem Programm. Im Gegensatz zum Altherren-Club mit ihren überteuerten Ticketpreisen, war das Interesse der Fans am heutigen Ereignis zum Fremdschämen tief! Gerade mal etwas über zwanzig Nasen (!) sahen selbst im kleinen Foyer wie ein schlechter Witz aus, aber was will man machen? Ich selber, da zuvor noch gar nie (!!) an einem Club-Konzert im KiFF zugegen, dachte zuerst, dass es im grossen Saal oben wohl schon nicht gerade eng werden würde, aber die verschlossene Türe zeigte unmissverständlich an, dass heute Abend bedeutend kleinere Brötchen gebacken werden. Wieder unten angekommen, offenbarte sich mir dann die eben geschilderte Situation, doch an einem gewöhnlichen Dienstagabend lag halt nicht mehr drin. Trotzdem bot sich dem anwesenden Völklein die einmalige Chance, einen wenigstens musikalisch intensiven Auftritt von Pristine erleben zu können. The Legendary als Support kamen hingegen ziemlich lau rüber.

The Legendary

Ich muss zugeben, dass ich von der 2014 gegründeten Supportband aus München vorher noch nie was gehört hatte. Im Zentrum der optisch völlig uneinheitlichen Band steht Gitarrist und Leadsänger Torsten Rock, welch kreativer Nachname! Der wesentliche Punkt oder besser das Augenmerk der Gruppen-Darstellung liegt ebenso beim Frontmann, der mit seinem goldenen Glitzeranzug und Cowbow-Hut wie eine fleischgewordene Disco-Kugel aussah. Dazu kam noch seine stattliche Grösse, die kaum auf der Bühne Platz fand. Nach eigenen Angaben zelebrieren The Legendary den guten alten Rock’n’Roll mit Vibes von gutem altem Hardrock und Classic Stoner Rock. Letzteres würde ja auf eine energetische Performance hinweisen, doch dem war beileibe nicht so. Das bayrische Quartett kam trotz dem sichtlich bemühten Glitzer-Torsten reichlich altbacken bis mitunter ziemlich blutleer rüber. Die Eigenkompositionen zündeten überhaupt nicht und liefen auf Dauer völlig uninspiriert ins Leere. Die technischen Fähigkeiten waren soweit ganz in Ordnung, aber hier fehlte einiges an Biss und Attitüde. Da sich zu Beginn nur etwa gegen 15 Leute (!!) im Raum verloren, verhallte der erste Auftritt des Abends vollends im Niemandsland. Obwohl keinerlei Covers gespielt wurden, hätte eine schmissige Version irgendeines Rock-Klassikers vielleicht noch ein klein bisschen was reissen können. Mitleid empfand ich jedoch nicht, denn dafür agierte die Band als Ganzes viel zu schwach und rechtfertigte ihren Namen in keinster Weise! Das war kaum mehr als halbwegs gepflegte Langeweile!

Setliste: «Rocket Ship» - «Half A Devil» - «The Path» - «Sazerac Woman» - «The Dirt» - «Let's Get A Little High» - «Tomorrow» - «Kissin' Kate» - «Shot In The Dark» - «Hardrock Hotel» - «Gallows Tree» - «If I Was A Girl».


Pristine
Ganz anders präsentierte sich danach der Headliner aus Norwegen, obwohl sich Pristine zu Beginn ihres Auftrittes sicher auch fragten, wo denn da das Publikum abgeblieben ist. Allerdings liess sich Leadsängerin Heidi Solheim profimässig rein gar nichts anmerken und zeigte sich, zusammen mit ihren Jungs, von Anfang in bester Laune wie motiviert bis in die Fingerspitzen. Ich hatte sogleich das Gefühl, dass die Band auch nur für mich ganz alleine eine energetische Show runter reissen würde! Da war nichts Affektiertes oder Aufgesetztes, im Gegenteil. Trotz der wirklich kleinen Bühne fand auch die Hammond-Orgel von Gastmusiker Benjamin Mørk Platz, und so war sichergestellt, dass der Pristine-Sound vollumfänglich zur Geltung kommen kann. Das bewies dann bereits der Opener «The Rebel Song» vom neuen Album «Ninja», das nur gerade ein Jahr nach der Hammerscheibe «Reboot» erschienen ist. Die Befürchtung, dass dies womöglich ein Schnellschuss geworden ist, bewahrheitete sich zum Glück nicht, auch wenn darauf kein weiterer Psychedelic Rock Killer-Track wie «The Middlemen» zu finden ist. Frontfrau Heidi, gekleidet in ein blaues wie auffälligen Kleid im Style der Seventies, legte sich ab den ersten Gesangsstrophen voll ins Zeug und begeisterte mit ihrer Hammerstimme auf der ganzen Linie. Die musikalische Reise ins Reich des Retro Rock war erneut zum Niederknien geil, und man konnte nur den Kopf darüber schütteln, wie vor dieser unanständig spärlichen Kulisse ein ganzer Strand voll leuchtender Perlen vor die Säue geworfen wurde. In dieser Stil-Ecke mögen die Blues Pills, die ich nota bene ebenso toll finde, kommerziell klar erfolgreicher sein, aber wenn es um das Feeling geht, haben Pristine die Nase eindeutig vorne. Die prägnanten Hammond-Orgel Einschübe zu «Reboot» sowie die töften Riffs und leidenschaftlich gespielten Soli von Gitarrist Espen Elverum Jakobsen, die teils, wie bei «No Regret», herrlich im Teich von Pink Floyd fischen, erzeugen ohne Unterlass Gänsehaut-Schübe vom Feinsten. Die Variationen der Songs entlang dem roten Faden dieser Ausnahmeband halten das hohe Niveau zu jedem Zeitpunkt aufrecht. Der einzige persönliche Wermuts-Tropfen war nur das Ausbleiben von «The Middlemen», meines absoluten Lieblingssongs, der mich bei jedem Anhören völlig abheben lässt. Mit dem schmissigen «Bootie Call» beendeten Pristine eines der besten Konzerte, das ich in diesem Jahr gesehen und gehört habe. Möge der sympathischen Band aus Oslo/Tromsø noch eine lange und erfolgreiche Karriere beschert sein!

Setliste: «The Rebel Song» - «California» - «All Of My Love» - «Lois Lane» - «Reboot» - «The Parade» - «Ghost Chase» - «One Good Reason» - «No Regret» - «Ninja» - «Sophia» - «Derek» -- «Carry Your Own Weight» - «Bootie Call».