Am Vorabend des letzten (?) Schweizer Konzertes der Rolling
Stones im Zürcher Letzigrund-Stadion standen in Aarau im Foyer des
KiFF die norwegischen Retro-Rocker Pristine um die charismatische
Power-Frontfrau Heidi Solheim auf dem Programm. Im Gegensatz zum
Altherren-Club mit ihren überteuerten Ticketpreisen, war das
Interesse der Fans am heutigen Ereignis zum Fremdschämen tief!
Gerade mal etwas über zwanzig Nasen (!) sahen selbst im kleinen
Foyer wie ein schlechter Witz aus, aber was will man machen? Ich
selber, da zuvor noch gar nie (!!) an einem Club-Konzert im KiFF
zugegen, dachte zuerst, dass es im grossen Saal oben wohl schon
nicht gerade eng werden würde, aber die verschlossene Türe zeigte
unmissverständlich an, dass heute Abend bedeutend kleinere Brötchen
gebacken werden. Wieder unten angekommen, offenbarte sich mir dann
die eben geschilderte Situation, doch an einem gewöhnlichen
Dienstagabend lag halt nicht mehr drin. Trotzdem bot sich dem
anwesenden Völklein die einmalige Chance, einen wenigstens
musikalisch intensiven Auftritt von Pristine erleben zu können. The
Legendary als Support kamen hingegen ziemlich lau rüber.
The
Legendary Ich muss zugeben, dass ich von der 2014
gegründeten Supportband aus München vorher noch nie was gehört
hatte. Im Zentrum der optisch völlig uneinheitlichen Band steht
Gitarrist und Leadsänger Torsten Rock, welch kreativer Nachname! Der
wesentliche Punkt oder besser das Augenmerk der Gruppen-Darstellung
liegt ebenso beim Frontmann, der mit seinem goldenen Glitzeranzug
und Cowbow-Hut wie
eine
fleischgewordene Disco-Kugel aussah. Dazu kam noch seine stattliche
Grösse, die kaum auf der Bühne Platz fand. Nach eigenen Angaben
zelebrieren The Legendary den guten alten Rock’n’Roll mit Vibes von
gutem altem Hardrock und Classic Stoner Rock. Letzteres würde ja auf
eine energetische Performance hinweisen, doch dem war beileibe nicht
so. Das bayrische Quartett kam trotz dem sichtlich bemühten
Glitzer-Torsten reichlich altbacken bis mitunter ziemlich blutleer
rüber. Die Eigenkompositionen zündeten überhaupt nicht und liefen
auf Dauer völlig uninspiriert ins Leere. Die technischen Fähigkeiten
waren soweit ganz in Ordnung, aber hier fehlte einiges an Biss und
Attitüde. Da sich zu Beginn nur etwa gegen 15 Leute (!!) im Raum
verloren, verhallte der erste Auftritt des Abends vollends im
Niemandsland. Obwohl keinerlei Covers gespielt wurden, hätte eine
schmissige Version irgendeines Rock-Klassikers vielleicht noch ein
klein bisschen was reissen können. Mitleid empfand ich jedoch nicht,
denn dafür agierte die Band als Ganzes viel zu schwach und
rechtfertigte ihren Namen in keinster Weise! Das war kaum mehr als
halbwegs gepflegte Langeweile!
Setliste: «Rocket Ship» -
«Half A Devil» - «The Path» - «Sazerac Woman» - «The Dirt» - «Let's
Get A Little High» - «Tomorrow» - «Kissin' Kate» - «Shot In The
Dark» - «Hardrock Hotel» - «Gallows Tree» - «If I Was A Girl».
Pristine
Ganz anders präsentierte sich danach der Headliner aus Norwegen,
obwohl sich Pristine zu Beginn ihres Auftrittes sicher auch fragten,
wo denn da das Publikum abgeblieben ist. Allerdings liess sich
Leadsängerin Heidi Solheim profimässig rein gar nichts anmerken und
zeigte sich, zusammen mit ihren Jungs, von Anfang in bester Laune
wie motiviert bis in die Fingerspitzen. Ich hatte sogleich das
Gefühl, dass die Band auch nur für mich ganz alleine eine
energetische Show runter reissen würde! Da war nichts Affektiertes
oder Aufgesetztes, im Gegenteil. Trotz der wirklich kleinen Bühne
fand auch die Hammond-Orgel von Gastmusiker Benjamin Mørk Platz, und
so war sichergestellt, dass der Pristine-Sound vollumfänglich zur
Geltung kommen kann. Das bewies dann bereits der Opener «The Rebel
Song» vom neuen Album «Ninja», das nur gerade ein Jahr nach der
Hammerscheibe «Reboot» erschienen ist. Die Befürchtung, dass dies
womöglich ein Schnellschuss geworden ist, bewahrheitete sich zum
Glück nicht, auch wenn darauf kein weiterer Psychedelic Rock
Killer-Track wie «The Middlemen» zu finden ist. Frontfrau Heidi,
gekleidet in
ein
blaues wie auffälligen Kleid im Style der Seventies, legte sich ab
den ersten Gesangsstrophen voll ins Zeug und begeisterte mit ihrer
Hammerstimme auf der ganzen Linie. Die musikalische Reise ins Reich
des Retro Rock war erneut zum Niederknien geil, und man konnte nur
den Kopf darüber schütteln, wie vor dieser unanständig spärlichen
Kulisse ein ganzer Strand voll leuchtender Perlen vor die Säue
geworfen wurde. In dieser Stil-Ecke mögen die Blues Pills, die ich
nota bene ebenso toll finde, kommerziell klar erfolgreicher sein,
aber wenn es um das Feeling geht, haben Pristine die Nase eindeutig
vorne. Die prägnanten Hammond-Orgel Einschübe zu «Reboot» sowie die
töften Riffs und leidenschaftlich gespielten Soli von Gitarrist
Espen Elverum Jakobsen, die teils, wie bei «No Regret», herrlich im
Teich von Pink Floyd fischen, erzeugen ohne Unterlass
Gänsehaut-Schübe vom Feinsten. Die Variationen der Songs entlang dem
roten Faden dieser Ausnahmeband halten das hohe Niveau zu jedem
Zeitpunkt aufrecht. Der einzige persönliche Wermuts-Tropfen war nur
das Ausbleiben von «The Middlemen», meines absoluten Lieblingssongs,
der mich bei jedem Anhören völlig abheben lässt. Mit dem schmissigen
«Bootie Call» beendeten Pristine eines der besten Konzerte, das ich
in diesem Jahr gesehen und gehört habe. Möge der sympathischen Band
aus Oslo/Tromsø noch eine lange und erfolgreiche Karriere beschert
sein!
Setliste: «The Rebel Song» - «California» - «All Of My
Love» - «Lois Lane» - «Reboot» - «The Parade» - «Ghost Chase» - «One
Good Reason» - «No Regret» - «Ninja» - «Sophia» - «Derek» -- «Carry
Your Own Weight» - «Bootie Call».
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