Nachdem der Sänger Sven Friedrich
und der Gitarrist Norman Selbig im Jahre 2000 die Tätigkeit der Gruppe
Dreadful Shadows beendet hatten (in der Zwischenzeit wurde die Band
wiederbelebt, sogar mit den Originalmitgliedern), gründeten sie eine
neue Band namens Zeraphine, und schon seit 10 Jahren geben sie einen
Hit nach dem anderen im Rahmen des neuen Projektes, und viele von denen
können gleich nach der ersten Anhörung zum Ohrwurm werden! Diese hoch
anerkannten Melodiemeister faszinieren nicht nur Anhänger der so
genannten Gothicszene, sondern auch andere Kreise der Zuhörer. Die
Möglichkeit, die bekannten Hits von Zeraphine nicht nur im Live-Format
zu hören, sondern auch mitsingen zu dürfen, bereitet Spass. Deswegen
durfte man eine solche Chance nicht verpassen!
Ausserdem trat auf der gleichen Szene an diesem Abend
auch die legendäre Band Qntal auf, deren erfolgreiche Experimente in
Vermischung der mittelalterlichen Melodien mit moderner elektronischen
Musik mehrmals eine angenehme Überraschung bei den Anhänger dieses
Genres bereiteten. Aber ich war echt überrascht, dass Zeraphine zuerst
auftraten, und nur gegen 22.00 Uhr erschienen Qntal auf der Bühne. Ich
glaubte, dass Qntal an Anfang des Konzertes singen sollten. Aber wie
man mit eigenen Augen feststellen konnte, hatten die Organisatoren
die richtige, vorteilhafte Reihenfolge der Auftritte ausgewählt. Zuerst
-
Tanzrhythmen und lyrische Motive, und danach Meditation zu mystischen
Melodien! Und das alles im grossen Saal des Dynamo - einer der besten
Hallen von Zürich!
Zeraphine
Punkt halb neuen erschienen die Musiker von Zeraphine
auf der Bühne. Ich unterstreiche, dass in den 90er Jahren die Dreadful
Shadows zu den bekanntesten Bands der Gothic Rock-Szene gehörten und
Verehrung verdienten. Deswegen war es nicht sonderlich erstaunlich,
dass
dem Duo Sven und Norman es ohne Hilfe der Vorgruppen und dem Anheizen
gelang, blitzschnell den Kontakt mit den Zuschauern aufzunehmen, denn
sie hatten so eine grosse Erfahrung in Live-Konzerten! Sven war
ziemlich
redselig und tanzte charmant zum Rhythmus des einen oder andern
Liedes. Ab und zu scherzte er und dabei sehr zur Situation passend. Die
Musik von
Zeraphine enthält in sich ziemlich viele elektronische Keyboardparts,
und Sven sprach sogar aus Spass mit der Apparatur, als ob diese eine
der
unsichtbaren und körperlosen Teilnehmer der Band wäre: «Geist des
elektronischen Keyboardspielers: Dreadful Shadow». Das verlieh dem
Auftritt einen besonderen Charme! Die Zuhörer der vorderen Reihen
tanzten sehr energievoll, aber mit dem Singen war es anders. Sven
versuchte, die Zuschauer zum Singen wenigstens des bekanntesten Liedes
„Sterne sehen“ zu animieren, aber meiner Meinung nach hatten die
Wenigen,
die mitsangen, ihre Aufgabe nicht erfüllt. Vor dem Lied
«Remaining Desires» machte Sven noch einen Versuch, die Zürcher zum
Singen zu bringen und gab ihnen Gesangsunterricht, in dem er alle bat,
wenigstens die leichte Melodie des Refrains mitzusingen: die Zuschauer
sangen faul „Oh-Uh-Oh“. Nur nach diesem Trick gelang es dem Saal,
dieses Lied gemeinsam mit der Band zum Erklingen zu bringen. Die Gruppe
bereitete eine lange Setliste, die 18 Lieder aus allen Alben enthielt,
vor, und trat 90 Minuten lang auf. Aber die Zeit verging sehr schnell,
und die Musiker verliessen die Bühne nach der betrüblichen Komposition
«Wenn du gehst». Aber sollte das Konzert mit so einer traurigen
Stimmung beendet werden? Natürlich war es anders: Die Fans konnten die
Band nicht einfach so ziehen lassen. Sie fingen an zu applaudieren
und verlangten von den Musikern eine Zugabe. Als Resultat erschien der
Bassist mit seiner 5-saitigen Bassgitarre auf der Bühne und berichtete,
dass alle zurück kehren werden. Danach kamen die Kollegen dazu und
sangen da
capo noch zwei Lieder aus späterer Schaffensphase. Und nur danach
konnten
Zeraphine die Bühne endgültig verlassen.
Setliste: «No Tears» - «The Stream» - «Be My Rain» - «Louisa» - «Fang
mich» - «Toxic Skies» - «Rain Falls» - «Die Wirklichkeit» -
«Siamesische
Einsamkeit» - «No More Doubts» - «Try» - «Still» - «Inside Your Arms“,
„I'll Follow You» - «Sterne Sehen» - «Remaining Desires» - «New Year's
Day» - «Wenn Du Gehst“, Encore: „Die Macht in Dir» - «I Will Be There».
QNTAL
Vor dem Auftritt von Qntal wurde die Bühne umgebaut.
Auf sie wurde das dreistöckige Keyboard von Philipp "Fil" Groth -
Elektroniker und Programmierer der Band - und auch ein paar Ständer und
Halter für antike Streichinstrumente, die einer der Bandgründer, und
zwar Gitarrist Michael Popp, spielte, aufgestellt. In der Bühnenmitte
stand ein niedriger Rundtisch mit Satindecke, auf der sich die ziemlich
grosse Flöte der Hauptvokalistin Sigrid "Syrah" Hausen befand. Links
vom
Tisch hing die Geige der Backgroundsängerin Mariko am speziellen
Ständer. Sie schloss sich der Gruppe vor nicht allzu langer Zeit, und
zwar 2010, an. Ich war erstaunt, dass die Band jetzt zwei Sängerinnen
hat, denn da die Gruppe schon seit langer Zeit keine neuen Alben
heraus gegeben hatte (das Letzte wurde 2008 veröffentlicht), verfolgte
ich ihre Tätigkeit nicht weiter. In der hinteren Ecke der Bühne stand
das Theremin. Nach allen Vorbereitungen nahm Michael den Platz neben
ihm ein und machte ein paar magische Bewegungen mit den Händen um die
Antenne, und eine stetig anschwellende Welle brach über die Zuschauer herein. Zu
diesen Klängen des Theremins kam Syrah in gemächlichem Tempo auf die
Bühne. Die Gewänder der Sängerinnen beeindruckten mich tief. Syrah
hatte ein langes, rotes Atlaskleid an, und über dem Kleid trug sie
einen noch längeren Cardigan mit sehr weiten Ärmeln. Mariko kleidete
sich für den Auftritt hingegen so ein, dass sich etwas Gemeinsames mit
japanischen Kimonos ergab. Die Beiden sahen sagenhaft aus! Aber die
Männer
waren auch ziemlich ausserordentlich angezogen. Der antike Oberrock und
das Hemd mit der prächtigen Hemdkrause von Michael machten auf mich
mächtig Eindruck. Die Sängerinnen bewegten sich theatralisch, und
es glich einem Schritttanz im Takt der Musik. Syrahs Bewegungen waren
besonders ausdruckshaft: Sie war während des Auftritts wie in einem
Trancezustand. Die Band hatte alles Mögliche getan, um die Zuschauer
ins
tiefste Mittelalter, in die Zeit der fahrenden Spielleute, die mit
ihrer Kunst Stadtleute amüsierten, zu entführen. Auf der Setliste war
«Name der Rosa» zu finden, die uns zum Schaffenswerk eines bekannten
italienischen Philosophen/Wissenschaftlers namens Umberto Eco führte.
Aus seiner Feder stammte der Roman über das Leben im mittelalterlichem
Kloster, «Il nome della rosa», der zum Meisterstück der
Gegenwartsliteratur wurde. Das alles hatte Syrah den Zuschauern
erzählt, bevor man zu singen anfing. Die Setliste war einfach
ausgezeichnet, Syrah sang auf mehrere Sprachen, unter anderem auch auf
alten europäischen Mundarten und spielte ab und zu Flöte. Michael
spielte abwechselnd Gitarre, alte Lielle und Tar. Ihre Aufgabe der
Mitnahme der Zuschauer ins Mittelalter hatten Qntal sehr gut
erfüllt! Ich hoffe aber trotzdem, in kommender Zukunft neue Lieder
dieser Ausnahmegruppe hören zu können.
Setliste: «Translucida» - «Palestinalied» - «Dulcis Amor» - «Schnee» -
«Glacies» - «Name der Rose» - «Departir» - «Sumer» - «Nihil» - «Entre
Gratum» - «Veni» - «Ad Mortem Festinamus».
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