Livereview: Queensrÿche - Fatal Smile
24. Juni 2009, Pratteln Z7
By Kissi   Pics by: Stefan (Z7)
Wenn einer eine Reise tut… Dann kann es schon auch mal passieren, dass man nicht wie geplant ankommt. So geschehen im Falle von Queensrÿche, welche am Mittwoch, 24. Juni, eine Strecke von nicht ganz 500 Km von Langquaid bei München nach Pratteln zurückzulegen hatten. Was eigentlich in etwas mehr als vier Stunden zu schaffen sein sollte, das dauert eben seine Zeit, wenn einem irgendwo in der Pampas draussen der Bus liegen bleibt. Die Folgen davon: Queensrÿche kamen anstatt irgendwann am Nachmittag erst um 20.15 Uhr abends an, während ihre etwas fehl am Platz wirkende Vorband Fatal Smile aus Schweden schon auf der Bühne stand. Da man nicht im eigentlichen Tourbus, sondern in einem normalen Reisebus als Ersatz anreisen musste, konnte nicht alles mitgenommen werden, so dass die Prog-Rocker um Geoff Tate nach einem provisorischen, sich aber doch in die Länge ziehenden Soundcheck eine musikalisch zwar solide Show hinlegten, dabei aber ohne Bühnendekor und irgendwelchen anderen Krimskrams auskommen mussten. Die Setlist des Abends bestand dabei aus drei Teilen, wobei der erste aus in den letzten Jahren zu kurz gekommenen Songs von „Rage For Order“, der zweite aus Nummern der neuen Platte „American Soldier“ und der dritte aus Klassikern von „Empire“ zusammengesetzt war. Dass Part 1 und insbesondere auch der letzte sowieso begeistern würde, war klar. Doch wie würde das schon starke, aber noch nicht so verinnerlichte neue Material im ziemlich vollen Z7 ankommen?

Fatal Smile
Fungieren Vorbands und Support-Acts normalerweise als Anheizer, welche das Publikum schon mal in die richtige Stimmung bringen, so hatten die Schweden Fatal Smile an diesem Abend eher die Aufgabe gefasst, Zeit zu überbrücken, was ihnen leider nur mässig gelang. Schuld daran war aber nicht eine durchzogene Performance oder ähnliches, sondern viel mehr das Genre, welchem das Quartett frönte: dem Glam Rock. Denn während ca. 99% der Anwesenden sich auf die durchdachten und hochstehenden Texte und Klangwelten von Queensrÿche freuten, lieferten Fatal Smile praktisch das absolute Gegenteil davon ab: Simple Songs mit viel Gepose, dazu Lyrics über – na, was schon - Sex, Drugs & Rock'n'Roll. Und so konnten sich die vier Nordeuropäer noch so verrenken, konnten noch so schweisstreibend performen, irgendwie sprang der berüchtigte Funke einfach nicht über. Da halfen auch die eigenen Special Effects wie Rauchsäulen, Blaulichter und die bei betrunkenen Mengen wohl gut funktionierenden Stampfer „Too Far Down“, „Out Of My Head“ oder „S.O.B.“ nicht. Und wer dann noch einen Song im Gepäck hat, der sogar für Glam-Rocker mit der Zeile „I'm not hip, motherfucker“ einfach zu lächerlich ist, der muss sich nicht wundern, wenn er von einem Prog-Publikum gerade mal Höflichkeitsapplaus erntet; und man fragt sich, warum zur Hölle Fatal Smile trotz Zeitproblemen ganze 45 Minuten die Rockstars spielen durften.

Queensrÿche
Danach hiess es warten, warten, und - hat man sich zur Ablenkung mal ein Bier geholt - wieder warten. Man hört einen ins Mikro schreien, dann wieder jemanden eine Gitarrensaite anschlagen. Optisch wird auf der Bühne kaum was verändert, ist die blutrote Bühnendekor Fatal Smile's mal weggeräumt. Dennoch dauerte es eine mühsame runde Stunde, bis das Saallicht erlosch und ein mystisches Intro die Prog-Institution aus Seattle ankündigte, welche mit Alben wie „Empire“ (1990) oder „Operation: Mindcrime“ (1988) Metalgeschichte schrieb. Mit den ersten Akkorden von „Neue Regel“ wurde dann der erste Teil des Sets eröffnet, welcher ausschliesslich aus Songs des legendären „Rage For Order“-Albums von 1986 bestand. Überraschend klar perlte dabei der Sound aus den Boxen, und ebenso überraschend wirkte die Spielfreude der Band. Geoff Tate tänzelte mit Sonnenbrille und in Hut, Hemd und Veste gekleidet als dandyhafter Showman herum, während sich insbesondere der neue Mann an der Axt, Parker Lundgren, durch agiles Stage-Acting und einen klassischen Queensrÿche-Gitarrensound hervortat und zusammen mit Michael Wilton wunderbar harmonierte. Schon nach dem ersten Song war also klar, dass die Kündigung des exzentrischen Mike Stone nichts anderes als ein Glücksfall war. Mit „The Whisper“, „Screaming In Digital“ und „I Dream In Infrared“ jagte ein Übersong den nächsten, doch erst mit „Walk In The Shadows“ kam zum ersten Mal Bewegung bzw. Mitsingen ins Publikum.

Es mochte an den Verzögerungen liegen (immerhin zeigte die Uhr schon auf 22.30 Uhr) oder daran, dass „Rage For Order“ in den Setlists der letzten Jahre eher etwas stiefmütterlich behandelt worden war, doch zu mehr als ordentlichem Applaus konnte sich das Publikum meist nicht bewegen. Das von Tate eindrücklich emotional gesungene - überhaupt machte der endlich wieder mit langen Haaren bestückte Fronter einen stimmlich überzeugenden Eindruck – „I Will Remember“ riss bis auf einige Mitsingwillige auch nicht viel mehr. Mit Blitzlicht und Kriegs- bzw. Sturmklängen ab Band wurde dann die „American Soldier“-Runde eingeläutet. Dass Queensrÿche mit dieser Scheibe wieder zu alter Stärke zurückfanden, darüber bestand im Z7 wohl Einigkeit. Doch würden die etwas sperrigen Songs ohne visuelle Untermalung, wie man sie von anderen Shows auf Youtube bestaunen konnte, auch wirklich mitreissen können? Der CD-Opener „Sliver“ jedenfalls überzeugte, während Tate der Nummer „The Killer“ mit der Ansage, er widme den Song seinem Vater, welcher in Vietnam gekämpft hatte, eine sentimentale Note verlieh. Musikalisch verzichtete man dabei auf die vom Album bekannten Einspieler von Interviews, welche Tate im Vorfeld des Albums mit unzähligen Soldaten aus den verschiedensten Kriegen gemacht hatte. Ob gewollt oder durch die Buspanne dazu gezwungen, die Songs funktionierten auch so, und dem müden Publikum schien es auch ohne grosses Mitmachen zu gefallen. Optisch konnte man dabei mit der imposanten Z7-Lightshow, welche voll aufgefahren wurde, die fehlenden Bildschirme, auf welchen bei den übrigen Shows Videoeinspieler liefen, wenigstens teilweise kompensieren. Nach dem elegischen „If I Were King“ und „Man Down“ konnte vor allem „A Dead Man's Word“ überzeugen, bei welchem Geoff sein Sopran-Saxophon auspackte und der Mann an den Tasten nach vorne kam, um mit ihm im Duett zu singen. Dennoch: Obwohl die Songs gegen die beiden anderen Suiten nicht wirklich abfielen, tat sich das Publikum schwer, mit zu machen, was insbesondere im Kontrast zu der wirklich spielfreudigen Band auf der Bühne als Stimmungskiller wirkte.

Anders zeigten sich die Anwesenden im nächsten und letzten Teil: „Empire“ galt und gilt immer noch als das Queensrÿche-Album mit der grössten Hit-Dichte, und so verwunderte es nicht, dass sich das Publikum schon mit dem Intro von „Best I Can“ von einer ganz anderen Seite zeigte. Endlich wurde mitgesungen, mitgeklatscht und so etwas wie Freude gezeigt. „The Thin Line“ schlug in die gleiche Kerbe, wobei Geoff wiederum ein glänzendes Saxophon zückte. Danach konnte es der Herr mit der speziellen und immer noch hervorragenden Stimme nicht lassen, in einem kleinen Dialog die gute, alte Zeit heraufzubeschwören, über LPs und MCs zu sinnieren, bevor die Show mit der Mitsing-Ballade „Silent Lucidity“ und dem fulminanten „Empire“ ein zwar umjubeltes, aber viel zu kurzes Ende fand. Da es nun auch schon nach halb zwölf war, hätten die weggelassenen „Anybody Listening?“ und „Jet City Woman“ den Braten auch nicht mehr fett gemacht. Alles in allem ein souveräner Auftritt, was man ja nicht von jeder Show von Queensrÿche sagen kann. Man denke nur an den durchzogenen, letzten Auftritt der Nordamerikaner am Rocksound Festival 2008. Warum dabei aber das Publikum einen solch faden Eindruck hinterliess, das kann immer noch nicht beantwortet werden. Genauso wenig die Frage, warum weder vor noch nach der Show jemand von der Band oder vom Z7 auf die Idee kam, dem ausharrenden Publikum den Grund für die Verspätung mitzuteilen und zu erklären. Trotz cooler Setlist und musikalisch einwandfreier Darbietung blieb so doch ein fahler Beigeschmack, den Geoff Tate und seine Mannen hoffentlich bald bei einem erneuten Besuch wegzuspülen vermögen.

Setlist: „Neue Regel“ – „The Whisper“ – „Screaming In Digital“ – „I Dream In Infrared“ – „Walk In The Shadows“ – „I Will Remember“ – „Sliver“ – „The Killer“ – „If I Were King“ – „Man Down“ – „A Dead Man's Word“ – „Best I Can“ – „The Thin Line“ – „Silent Lucidity“ – „Empire“