Wenn einer eine Reise tut… Dann kann es schon auch mal passieren,
dass man nicht wie geplant ankommt. So geschehen im Falle von
Queensrÿche, welche am Mittwoch, 24. Juni, eine Strecke von nicht
ganz 500 Km von Langquaid bei München nach Pratteln zurückzulegen
hatten. Was eigentlich in etwas mehr als vier Stunden zu schaffen
sein sollte, das dauert eben seine Zeit, wenn einem irgendwo in der
Pampas draussen der Bus liegen bleibt. Die Folgen davon: Queensrÿche
kamen anstatt irgendwann am Nachmittag erst um 20.15 Uhr abends an,
während ihre etwas fehl am Platz wirkende Vorband Fatal Smile aus
Schweden schon auf der Bühne stand. Da man nicht im eigentlichen
Tourbus, sondern in einem normalen Reisebus als Ersatz anreisen
musste, konnte nicht alles mitgenommen werden, so dass die
Prog-Rocker um Geoff Tate nach einem provisorischen, sich aber doch
in die Länge ziehenden Soundcheck eine musikalisch zwar solide Show
hinlegten, dabei aber ohne Bühnendekor und irgendwelchen anderen
Krimskrams auskommen mussten. Die Setlist des Abends bestand dabei
aus drei Teilen, wobei der erste aus in den letzten Jahren zu kurz
gekommenen Songs von „Rage For Order“, der zweite aus Nummern der
neuen Platte „American Soldier“ und der dritte aus Klassikern von
„Empire“ zusammengesetzt war. Dass Part 1 und insbesondere auch der
letzte sowieso begeistern würde, war klar. Doch wie würde das schon
starke, aber noch nicht so verinnerlichte neue Material im ziemlich
vollen Z7 ankommen?
Fatal Smile
Fungieren Vorbands und Support-Acts normalerweise als Anheizer,
welche das Publikum schon mal in die richtige Stimmung bringen, so
hatten die Schweden Fatal Smile an diesem Abend eher die Aufgabe
gefasst, Zeit zu überbrücken, was ihnen leider nur mässig gelang.
Schuld daran war aber nicht eine durchzogene Performance oder
ähnliches, sondern viel mehr das Genre, welchem das Quartett frönte:
dem Glam Rock. Denn während ca. 99% der Anwesenden sich auf die
durchdachten und hochstehenden Texte und Klangwelten von Queensrÿche
freuten, lieferten Fatal Smile praktisch das absolute Gegenteil
davon ab: Simple Songs mit viel Gepose, dazu Lyrics über – na, was
schon - Sex, Drugs & Rock'n'Roll. Und so konnten sich die vier
Nordeuropäer noch so verrenken, konnten noch so schweisstreibend
performen, irgendwie sprang der berüchtigte Funke einfach nicht
über. Da halfen auch die eigenen Special Effects wie Rauchsäulen,
Blaulichter und die bei betrunkenen Mengen wohl gut funktionierenden
Stampfer „Too Far Down“, „Out Of My Head“ oder „S.O.B.“ nicht. Und
wer dann noch einen Song im Gepäck hat, der sogar für Glam-Rocker
mit der Zeile „I'm not hip, motherfucker“ einfach zu lächerlich ist,
der muss sich nicht wundern, wenn er von einem Prog-Publikum gerade
mal Höflichkeitsapplaus erntet; und man fragt sich, warum zur Hölle
Fatal Smile trotz Zeitproblemen ganze 45 Minuten die Rockstars
spielen durften.
Queensrÿche
Danach hiess es warten, warten, und - hat man sich zur Ablenkung mal
ein Bier geholt - wieder warten. Man hört einen ins Mikro schreien,
dann wieder jemanden eine Gitarrensaite anschlagen. Optisch wird auf
der Bühne kaum was verändert, ist die blutrote Bühnendekor Fatal
Smile's mal weggeräumt. Dennoch dauerte es eine mühsame runde
Stunde, bis das Saallicht erlosch und ein mystisches Intro die
Prog-Institution aus Seattle ankündigte, welche mit Alben wie
„Empire“ (1990) oder „Operation: Mindcrime“ (1988) Metalgeschichte
schrieb. Mit den ersten Akkorden von „Neue Regel“ wurde dann der
erste Teil des Sets eröffnet, welcher ausschliesslich aus Songs des
legendären „Rage For Order“-Albums von 1986 bestand. Überraschend
klar perlte dabei der Sound aus den Boxen, und ebenso überraschend
wirkte die Spielfreude der Band. Geoff Tate tänzelte mit
Sonnenbrille und in Hut, Hemd und Veste gekleidet als dandyhafter
Showman herum, während sich insbesondere der neue Mann an der Axt,
Parker Lundgren, durch agiles Stage-Acting und einen klassischen
Queensrÿche-Gitarrensound hervortat und zusammen mit Michael Wilton
wunderbar harmonierte. Schon nach dem ersten Song war also klar,
dass die Kündigung des exzentrischen Mike Stone nichts anderes als
ein Glücksfall war. Mit „The Whisper“, „Screaming In Digital“ und „I
Dream In Infrared“ jagte ein Übersong den nächsten, doch erst mit
„Walk In The Shadows“ kam zum ersten Mal Bewegung bzw. Mitsingen ins
Publikum.
Es mochte an den Verzögerungen liegen (immerhin zeigte die
Uhr schon auf 22.30 Uhr) oder daran, dass „Rage For Order“ in den Setlists der letzten Jahre eher etwas stiefmütterlich behandelt
worden war, doch zu mehr als ordentlichem Applaus konnte sich das
Publikum meist nicht bewegen. Das von Tate eindrücklich emotional
gesungene - überhaupt machte der endlich wieder mit langen Haaren
bestückte Fronter einen stimmlich überzeugenden Eindruck – „I Will
Remember“ riss bis auf einige Mitsingwillige auch nicht viel mehr.
Mit Blitzlicht und Kriegs- bzw. Sturmklängen ab Band wurde dann die
„American Soldier“-Runde eingeläutet. Dass Queensrÿche mit dieser
Scheibe wieder zu alter Stärke
zurückfanden, darüber bestand im Z7
wohl Einigkeit. Doch würden die etwas sperrigen Songs ohne visuelle
Untermalung, wie man sie von anderen Shows auf Youtube bestaunen
konnte, auch wirklich mitreissen können? Der CD-Opener „Sliver“
jedenfalls überzeugte, während Tate der Nummer „The Killer“ mit der
Ansage, er widme den Song seinem Vater, welcher in Vietnam gekämpft
hatte, eine sentimentale Note verlieh. Musikalisch verzichtete man
dabei auf die vom Album bekannten Einspieler von Interviews, welche
Tate im Vorfeld des Albums mit unzähligen Soldaten aus den
verschiedensten Kriegen gemacht hatte. Ob gewollt oder durch die
Buspanne dazu gezwungen, die Songs funktionierten auch so, und dem
müden Publikum schien es auch ohne grosses Mitmachen zu gefallen.
Optisch konnte man dabei mit der imposanten Z7-Lightshow, welche
voll aufgefahren wurde, die fehlenden Bildschirme, auf welchen bei
den übrigen Shows Videoeinspieler liefen, wenigstens teilweise
kompensieren. Nach dem elegischen „If I Were King“ und „Man Down“
konnte vor allem „A Dead Man's Word“ überzeugen, bei welchem Geoff
sein Sopran-Saxophon auspackte und der Mann an den Tasten nach vorne
kam, um mit ihm im Duett zu singen. Dennoch: Obwohl die Songs gegen
die beiden anderen Suiten nicht wirklich abfielen, tat sich das
Publikum schwer, mit zu machen, was insbesondere im Kontrast zu der
wirklich spielfreudigen Band auf der Bühne als Stimmungskiller
wirkte.
Anders zeigten sich die Anwesenden im nächsten und letzten
Teil: „Empire“ galt und gilt immer noch als das Queensrÿche-Album
mit der grössten Hit-Dichte, und so verwunderte es nicht, dass sich
das Publikum schon mit dem Intro von „Best I Can“ von einer ganz
anderen Seite zeigte. Endlich wurde mitgesungen, mitgeklatscht und
so etwas wie Freude gezeigt. „The Thin Line“ schlug in die gleiche
Kerbe, wobei Geoff wiederum ein glänzendes Saxophon zückte. Danach
konnte es der Herr mit der speziellen und immer noch hervorragenden
Stimme nicht lassen, in einem kleinen Dialog die gute, alte Zeit
heraufzubeschwören, über LPs und MCs zu sinnieren, bevor die Show
mit der Mitsing-Ballade „Silent Lucidity“ und dem fulminanten
„Empire“ ein zwar umjubeltes, aber viel zu kurzes Ende fand. Da es
nun auch schon nach halb zwölf war, hätten die weggelassenen „Anybody
Listening?“ und „Jet City Woman“ den Braten auch nicht mehr fett
gemacht. Alles in allem ein souveräner Auftritt, was man ja nicht
von jeder Show von Queensrÿche sagen kann. Man denke nur an den
durchzogenen, letzten Auftritt der Nordamerikaner am Rocksound
Festival 2008. Warum dabei aber das Publikum einen solch faden
Eindruck hinterliess, das kann immer noch nicht beantwortet werden.
Genauso wenig die Frage, warum weder vor noch nach der Show jemand
von der Band oder vom Z7 auf die Idee kam, dem ausharrenden Publikum
den Grund für die Verspätung mitzuteilen und zu erklären. Trotz
cooler Setlist und musikalisch einwandfreier Darbietung blieb so
doch ein fahler Beigeschmack, den Geoff Tate und seine Mannen
hoffentlich bald bei einem erneuten Besuch wegzuspülen vermögen.
Setlist: „Neue Regel“ – „The Whisper“ – „Screaming In Digital“ – „I
Dream In Infrared“ – „Walk In The Shadows“ – „I Will Remember“ – „Sliver“
– „The Killer“ – „If I Were King“ – „Man Down“ – „A Dead Man's Word“
– „Best I Can“ – „The Thin Line“ – „Silent Lucidity“ – „Empire“
|
|