Wer als Fan harter Mucke auch die progressive Seite mag, kommt
keinesfalls an Queensrÿche vorbei. Die Frage ist nur, von welchen
Jahrgängen wir ausgehen. Meiner Generation war es halt vergönnt, die
Anfänge und die Blütezeit der Amerikaner aus Seattle mitzuerleben.
Wer aber zwanzig Jahre jünger ist, also zum Beispiel den Jahrgang
1984 trägt und damit just dann auf die Welt gekommen ist, als ein
Album mit dem Titel «The Warning» veröffentlicht wurde, dürfte erst
in der Phase um die Jahrtausendwende herum auf die Geoff Tate & Co.
gestossen und nicht wirklich begeistert gewesen sein. Die einstige
Supergroup war kompositorisch in eine Sackgasse geraten und
versuchte zunächst mit einem reichlich uninspirierten Nachfolger des
Jahrhundert-Epos «Operation Mindcrime» wieder Boden gut zu machen.
Das gelang nicht, warf aber immerhin eine kultige Festival-Tour ab,
wo gleich beide Epen am Stück durchgespielt wurden. Besserung trat
erst 2009 mit «American Soldier» ein, doch der erhoffte Neuanfang
wurde es nicht, zumal sich dann die Band mit Geoff und/oder
umgekehrt überwarf. Folge davon war der unvermeidliche Split im
Frühsommer 2012 und die Tatsache, dass es zur Zeit zwei Combos mit
dem gleichen Namen gibt. Wie lange noch, werden Anwälte erst im
nächsten Jahr entscheiden. Bis dahin sind/waren beide Gruppe live
unterwegs und gemessen an den aktuellen Alben ist der Ur-Sänger
immer noch Lichtjahre weg von dem, was den Erfolg der ersten vier
Alben begründete und steht eh irgendwie schon eine Weile neben den
Schuhen!
Queensrÿche
Schon die erste Ankündigung im Frühling versetzte die Anhängerschaft
in helle Aufregung: Queensrÿche kommen in den Aargau, genauer ins
Städtchen Aarburg und gastieren für das einzige Schweizer Konzert im
„Moonwalker Club“! Man musste sich wirklich zuerst ein paar Mal die
Augen reiben, um das glauben zu können. Wobei es aber nicht so ist,
dass nicht schon andere Szene-Grössen wie Nazareth oder Uriah Heep
sowie viele andere bekannte Bands und Musiker dagewesen wären.
Seattles Finest hätte man aber nicht wirklich hier erwartet. Dass
man sich dann aber promobedingt noch ein paar Monate gedulden
musste, schmälerte die Freude nicht im Geringsten, im Gegenteil.
Anfangs Juni kam ja die neue erste Scheibe der Ära Todd La Torre auf
den Markt und man wollte zuerst in der Heimat die Werbetrommel dafür
richtig schlagen, respektive die ganze Sache entsprechend pushen.
Ende Oktober war es dann aber endlich soweit: Todd und seine neuen Band-Buddies Michael Wilton (g), Eddie Jackson (b), Scott
Rockenfield (d) und Parker Lundgren (g) enterten die Bühne des
ausverkauften Moonwalker zu Aarburg und das anwesende Publikum wurde
in der Folge Zeuge einer regelrechten Wiederauferstehung. Ein erster
Blick auf die Setliste liess Altfans jetzt schon frohlocken, denn
der Opener war in der Tat «Queen Of The Reich»!! Das musste man sich
wirklich auf der Zunge zergehen lassen, denn wie lange hatte man den
Oberkracher nicht mehr live zu Gehör bekommen?! Es war wirklich
geschichtsträchtig, was da gerade losgetreten wurde. Die Band
spielte von Anfang an tight auf und Todd La Torre gab sich dabei
nicht die kleinste Blösse. Dass dieser seinem Vorgänger weitgehend
ähnlich ist, darf getrost als die gleiche glückliche Fügung
bezeichnet werden, wie sie Judas Priest zwischen 1997 und 2003 mit
Tim „Ripper“ Owens fanden. Ich stand die ganze Zeit über direkt vor
der Bühne (in dieser
Location gibt es nämlich keine Abschrankungen)
und so stand die ganze Band näher bei den Fans als jemals zurvor in
der Schweiz. Ich musste mir wirklich schier in den Hintern kneifen
um mich zu vergewissern, dass ich nicht am Träumen war. Und nun gab
es kein Halten mehr und selbst das Fehlen einer Support-Band war
schon jetzt absolut kein Thema mehr.
«Speak» und «Walking In The Shadows» gingen ebenso runter wie Öl.
Die Tour, die unter dem Banner „Return To History» lief, zeigte eine
Band, die wieder mit massig Freude spielte und einen Sänger, der als
Fan nun seine Lieblingssongs gleich selber performen kann. Vom 84er
Kult-Debüt «The Warning» kamen nicht weniger als sechs Songs, also
gleich zwei Drittel des ursprünglichen Original-Albums! Da meine
Trommelfelle im Verlauf der Jahre „etwas geschädigt“ wurden und ich
seitdem einen „Mini-Tinnitus“ spazieren fahre, gibt es für mich
eigentlich keine Gigs mehr ohne entsprechend eingesetzten Ohrschutz.
Bei «Warning» musste ich aber wieder einmal eine Ausnahme machen und
alles so zu sagen in mich aufsaugen. Headbangend in der vordersten
Reihe und lauthals den Refrain mitsingend…, was gibt es Schöneres
für einen Metalhead?! Es war einfach nur genial und die Fans gingen
ab wie ein Zäpfchen. Das neue selbstbetitelte Studioalbum kam
natürlich auch zu Ehren und dabei zeigte sich, dass dieses Material
schon ganz ordentlich daher kommt und sich gut inmitten all der
Klassiker anstellte. Von «Operation Mindcrime» hätte man natürlich
gerne noch etwas mehr gehört, aber das war zu erwarten, dass hier
nur ein paar Perlen zum Zuge kommen werden, wobei es letztlich dann
doch immerhin vier waren. Die Frage zum Schluss stellte sich also,
was «Empire» abwerfen und ob «Silent Lucidity» dabei sein würde oder
nicht. Letzteres war schliesslich schnell beantwortet, da die erste
Reihe ja einige der Bühnensetlisten direkt vor sich liegen hatte.
Mir persönlich hat eine der besten Rock-Balladen dieses Planeten
schon irgendwie gefehlt, aber mit «Take Hold The Flame» wurde das
begeisterte Aarburger Publikum noch ein letztes Mal aus der Reserve
gelockt und dann war das Ganze nach etwa 105 Minuten leider bereits
vorbei. Was blieb, war die Gewissheit, dass man soeben dem
überzeugenden Aufbäumen einer Legende beiwohnen durfte und noch
lange daran zurück denken wird. Das Tourshirt wird dieses einzige
Schweizer Konzert dieses Jahres in die Welt hinaus tragen und es
bleibt zu hoffen, dass wir die Jungs bald wieder sehen und hören
werden. A propos Sound: Es brauchte zuerst eine gewisse Zeit, bis es
wirklich passte, doch dann war alles in Butter und meine Ohrstöpsel
„leider“ mehrheitlich trotzdem wieder drin.
Setliste: «Queen Of The Reich» - «Speak» - «Walk In The Shadows» - «The
Whisper» - «En Force» - «Child Of Fire» - «Warning» - «X2 (Intro)» -
«Where Dreams Go To Die» - «Midnight Lullaby (Intro)» - «A World
Without» - «Guitar Solo (Michael Wilton and Parker Lundgren)» - «The
Needle Lies» - «NM 156» - «Roads To Madness» - «Fallout» - «My Empty
Room» - «Eyes Of A Stranger» - «Empire» -- «Jet City Woman» - «Take
Hold Of The Flame».
|
|