Ein ganz starkes zweier Package besuchte uns
mit Rage und Freedom Call mitte April im Z7. Dieser Meinung waren
auch die rund 800 Personen, die in den Metal-Palast gepilgert waren,
um sich von den beiden Gruppen verwöhnen zu lassen. Und obwohl Rage
auf eine viel längere Dienstzeit zurück blicken können, hatte ich
den ganzen Abend den Eindruck, dass die Mehrheit vor allem wegen
Freedom Call gekommen war. Aber lest selbst: Freedom Call sind
Gewinner im Vergleich mit AC/DC und Rage mit Dream Theater, wenn die
jeweils gemeinsam unterwegs wären.
Freedom Call
Eigentlich stand ja der ganze Abend unter dem Banner des Heavy
Metal's und von daher hätten sich die beiden Bands und ihre Konzerte
auch nicht all zu sehr unterscheiden sollen. So dachte ich im
Vorfeld und wurde dann eines Besseren belehrt. Freedom Call legten
mit "Warrior" schon mal mächtig los und brachten die Stimmug im
Publikum vom ersten Ton an zum Kochen. Und dieses Kochen sollte auch
bis zum Ende nicht mehr abbrechen. Die Band nutzte ihre beachtliche
Spielzeit
von 70 Minuten und zeigte, was eine wirklich gute Live-Band
ausmacht: Guter Sound, viel Bewegung auf der Bühne, zum Teil an der
Grenze zum Kitsch übertriebene Gestiken, viel Begeisterung und
natürlich grandiose, aber im Vergleich zu Rage eher einfach
gestrickte Songs. Freedom Call sind eine der Party-Metal Bands
schlechthin. Da stört es auch nicht, dass gewisse Texte eher platt
daher kommen. Spass ist angesagt und den hatten wohl die Meisten der
Anwesenden. Immer wieder wurden Mitsing- und Mitklatsch-Passagen
eingebaut, welche dankbar angenommen wurden. Die beiden neuen
Bandmitglieder an Bass und Gitarre schienen ebenfalls schon sehr
integriert zu sein, und posten und musizierten, sodass man durchaus
von einer geschlossenen Einheit reden konnte. Von den Songs her
waren alle vier bisherigen Alben angemessen vertreten, auch wenn ich
persönlich den Überhammer-Song "The quest" schmerzlich vermisste. Na
ja, den guck' ich mir jetzt jeden Tag auf der "Wacken 03-DVD" an...
- Sowieso hätte die Band ohne Weiteres noch länger spielen können.
Nach dem grandiosen "Freedom Call" war aber erst mal Schluss, bevor
mit "Hymn to the brave" die einzige Zugabe gespielt wurde und die
Band unter tosendem Applaus die Bühne verliess. Freedom Call legten
die Stimmungsmesslatte für Rage enorm hoch, die diese anschliessend
noch zu toppen versuchten. Einziges Manko bei Freedom Call waren
höchstens die kleinen Spielfehler, die sich vor allem bei Chris
immer wieder einschlichen. Aber wer will sich bei dieser grandiosen
Live-Band schon beschweren?!!
Set-Liste Freedom Call: "Warrior", "We are one", "Hero nation", "Hunting
high and low", "Metal invasion", "Tears of Taragon", "Anotherd day",
"Mother earth", "Warriors of the light", "Ocean", "Land of light", "Freedom
Call", "Hymn to the brave".
Rage
Wer absolut perfekt gespielte Lieder wollte, kam sowieso
anschliessend bei Rage auf seine Kosten. Ob es nun das beste Rage
Line-Up ist, kann ich nicht beurteilen, weil ich die Band nur in
dieser Besetzung live gesehen habe. Klar ist aber, dass einem
Schlagzeuger wie Mike Terrana so schnell keiner was nach macht. Auch
Gitarrist Victor Smolski kann man ohne mit den Augen zu zwinkern zu
einem der weltweit Besten zählen, der sich auch von einem Uli John
Roth nicht verstecken muss. Was dieser Junge auf seiner Gitarre
hinzaubert, ist unglaublich. So unglaublich, dass auch die Stimmung
im Publikum darunter leidet. Zumindest war die Euphorie beim
Rage-Auftritt viel schwächer als bei Freedom Call. Erklären kann man
sich das vielleicht mit einem Vergleich. Stellt Euch vor, Dream
Theater würden gemeinsam mit AC/DC auf Tour gehen. AC/DC mit ihren
einfach gestrickten Mitgeh-Songs und Dream Theater mit ihren langen,
sehr durchdachten und komplizierten Liedern. Beides sind
Weltklasse-Bands, die aber ganz verschiedene Stimmungen erzeugen.
Rage waren an diesem Abend also die Techniker, die mit "Speak of the
dead" vom neuen Album, "No fear" und "Down", kräftig loslegten und
für einzelne Grund zum Stagediven waren. Auch cTurn the page", "Im
crucified" und "Straight to hell" (göttlich!) zogen in diese
Richtung, bevor's eher früh im Set schon das Drum-Solo von Mike
Terrana gab. Zwei weitere Songs danach wurde es ruhig und Bassist
und Sänger Peavy kündigte an, dass sie jetzt die komplette "Suite
Lingua Mortis" vom neuen Album spielen würden. Eine stimmungsvolle
Lightshow und klassische Klänge ab Konserve läuteten diese ein,
bevor die Band einstieg und vor allem Victor Smolski an der Gitarre
sein Talent zur Schau stellen konnte. Leider litt vor allem der
erste Teil an einer Schwäche, die früher bei der "Lingua Mortis"-LP
noch nicht da war. Die klassischen Instrumente waren zu sehr im
Hintergrund und verhinderten ein gleichberechtigtes Dasein beider
Elemente, das zum Markenzeichen von Lingua Mortis und von "XIII"
geworden ist. Erst im zweiten Teil der Suite wurde das Orchester auf
Band lauter, schade! Abgeschlossen wurde das Ganze durch einen
langen Solo-Part von Victor. In Zukunft wäre es toll, wenn Rage uns
wieder mit Orchester beehren würden, Material für Band und Orchester
hat man mittlerweile ja genug. So aber hinterliess dieses Stück bei
mir einen eher zwiespältigen Eindruck. Mit "War of
worlds"
und "Human Metal" zeigten Rage anschliessend nochmals, was sie
Geschwindigkeits-mässig drauf haben, bevor mit dem obligaten
Klassiker "Dont fear the winter", der letzte Song vor den Zugaben
gespielt wurde. Dieser bestand dann aus der deutschen Version von
"Vollmond" vom neuen Album und durch "Higher than the sky".
"Vollmond" dürfte sich in nächster Zeit zum Klassiker entwickeln und
überzeugt nicht nur durch ein tolles Arrangement, sonder beweist
auch, dass Rage auf Deutsch Klasse klingen. Schon lange ein
Klassiker ist "Higher than the sky". Und so ist es mir unerklärlich,
wieso das "For those about to rock" von Rage, also das obligate
Abschlusslied von jedem Rage-Konzert, diesmal absolut daneben ging.
Abschlusslied bedeutet, dass erst danach Schluss ist und nicht schon
während dem Lied. Die langen, lauten, sich fast unendlich
wiederholenden Publikums-Chöre des Refrains waren diesmal
ungewöhnlich schwach, und so wurde das Stück von einem leicht
genervten Peavy vorzeitig beendet. Ein schwacher Schluss für ein
ansonsten gutes Konzert das sich von der Liederauswahl sehr vom
letzten Konzert unterschied, was ich sehr positiv finde. Allerdings
mussten sich Rage klar von den als "Schrecken der
Headliner"-Bekannten Freedom Call geschlagen geben. Vielleicht
könnte man nächstes Jahr auch einfach die Rollen tauschen, also Rage
als Vorgruppe mit beachtlicher Spielzeit und Freedom Call als
Hauptgruppe. Der Logik eines Konzertabends, bei dem sich die
Stimmung bis zum Finale steigert, würde das eher gerecht.
Nichtsdestotrotz war es ein toller Abend, der mir wohl noch lange in
Erinnerung bleiben wird.
Set-Liste Rage: "Speak of the dead", "No fear", "Down", "Turn the
page", "I'm crucified", "Straigt to hell", "Drum-Solo Mike", "Faster
than hell", "Baby, I'm your nightmare", "Suite Lingua Mortis (Morituri
the salutant)", "Prelude of souls", "Innocent", "Depression", "No
regrets", "Confusion", "Black, Beauty"), "Gitarren-Solo Victor",
"War of worlds", "Human Metal", "Don't fear the winter" / Zugaben:
"Vollmond" und "Higher than the sky".
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