Livereview: Rage - Serenity - Vanish

18. Februar 2020, Pratteln – Z7
By Tinu
Drei Bands können ab und zu ein bisschen viel sein, auch wenn man die Gedanken aus wirtschaftlichen Gründen nachvollziehen kann. Ob man dabei nun auf eher artfremde Kombinationen steht oder dann doch eher bei musikalischen Gemeinsamkeiten, bleibt wohl immer die Gretchen-Frage. Die Zusammenstellung von Rage, die eher im metallischen Universum mit Rush-Affinitäten unterwegs sind, mit den beiden Vortruppen, die eher den symphonischen und progressiven Pfad abdecken, bot zumindest für Musikgeniesser jeglicher Farbgestaltung ein buntes Bild an Tönen und Klängen.

Vanish

Zuerst stand die Stuttgarter-Combo Vanish auf der Bühne. Wie bei jeder Truppe an diesem Abend, kamen die Keyboards vom Band. Sind sie eher dezent eingestreut, kann man darüber noch hinweg sehen. Üben sie aber ein dominantes Element aus, wirkt es komisch. Bassist Andreas schien seine Vorliebe für Steve Harris (Iron Maiden) auszuleben und hielt seinen Bass immer wieder wie ein Maschinengewehr. Sänger Bastian versuchte mit seinem cleanen Gesang, der ab und an aber auch ein bisschen "unsicher" klang, die Begeisterung der Besucher auf seine Seite zu ziehen. Die Ansage "habt ihr Bock auf ein geiles Metal-Konzert? Wir auch!", konnten die Besucher jedoch ebenso wenig bewegen wie: "schön, dass ihr so grosse Lücken lässt, dann wird es auch nicht zu heiss" oder "gigantisch! Das gibts nur beim Metal, seine Wurst mit Pommes zu essen und Metal zu sehen". Die Truppe bekam einen Höfflichkeitsapplaus, und an Ende des Gigs blieb bei den Wenigsten was von diesem Prog Metal hängen. Schön war hingegen, dass sich alle drei Truppen nach ihren Auftritten den Fans beim Merch-Stand für Fotos und Autogramme (oder wie es Rage-Gitarrist Marcos sagte: "Zum Austausch von Telefonnummern") zur Verfügung stellten.


Serenity
Symphonischer Metal mit feinem Gesang und gegrowlten Parts, das bot das Quartett aus Österreich. Optisch eine einheitliche Truppe, der man die musikalische Umsetzung ansah. Der Sound mit leichten progressiven Elementen lebt klar von den Ansagen Georgs. Ist der Hüne erstmals in Fahrt, ist er nicht mehr zu bremsen. Und sei es nur, weil er zwei Besuchern ein Bier anbot, die ziemlich gelangweilt vor der Bühne standen. "Z7, ich hoffe es geht euch gut. Keine Ahnung was heute Abend los ist? Hat die Fussball-Nati ein Spiel? Danke an euch, die ihr da seid und ich denke, ihr dürft euch selber applaudieren", kommentierte der Shouter den geringen Aufmarsch des Publikums. Dies hielt ihn aber nicht davon an, zuerst am Gitter des Fotograbens und dann wenig später den Weg ins Publikum unter seine Füsse zu nehmen und mitten in den Besuchern zu singen. Serenity konnten die Anwesenden mit zunehmender Spielzeit mehr und mehr auf ihre Seite ziehen: "Es freut uns, sehr viele Serenity-Shirts zu sehen und dass unser Album bei euch auf Platz 33 in die Charts eingestiegen ist. Dafür könnte ich glatt «Ig schänke dir mis Härz» singen", bemerkte Georg und holte sich so zusätzliche Sympathie-Bonuspunkte. Auch wenn den Rage-Fans der Sound nicht unbedingt zusagte, Georg zog sie mit seinem spitzbübischen und "eleganten" Humor alle auf seine Seite.


Rage
Dann war es Zeit für den Headliner, der trotz der Erkältung vom singenden Bassisten Peter «Peavy» Wagner einen super Job ablieferte. Man merkt den Jungs von Tour zu Tour an, dass sie noch näher zusammen gewachsen sind und spürt diese Verbindung aus blindem musikalischem Verständnis, Freundschaft und um die Fans zu kämpfen. Was bei den letzten Tourneen, zusammen mit Victor Smolski, nicht mehr an der Tagesordnung war. Der Spass scheint dem Trio seit fünf Jahren aus dem Allerwertesten, wie auch die Dankbarkeit von Schlagzeuger Lucky und Gitarrist Marcos, dass sie bei Rage spielen dürfen. Während der Riffgott und filigrane Saitenderwisch bescheiden und mit einem devoten Unterton zu Publikum sagte: "Big respect. No one plays like Manni Schmidt. He plays like a God! So I'm trying to do my best, but if I fuck up, please be nice to me! If I play the song right, get fucking crazy!" und einen der ersten Gitarristen von Rage würdigte. Marcos kackte nicht ab (selbst beim virtuosen Solopart hatte man das Gefühl, Manni stehe auf der Bühne) und das Publikum drehte völlig am Rad.

Die Jungs würdigten das Vermächtnis der vorherigen Line-ups mit sehr viel Respekt, Herz, Seele und Leidenschaft. Speziell der Zeit zwischen 1988 und 1996 zollten die beiden "Neuen" ihren Tribut und hatten mit Bandgründer Peavy den wahren Bandleader in den eigenen Reihen. Die Riffs wie auch die solistischen Ausflüge und das Powerdrumming passten perfekt. Marcos spielte mit viel Wucht, aber auch Gefühl in den Fingern und war einmal mehr ein begnadeter Sänger, als er «Heaven And Hell» von Black Sabbath anstimmte und man das Gefühl hatte, Ronnie James Dio stehe auf der Bühne. Selbige wurde dreidimensional dekoriert und stand ganz im Zeichen des neuen Covers von «Wings Of Rage». Marcos stand zuerst mit einem Kapuzen-Umhang auf der Bühne. Daneben stand Peavy mit einem "Kostüm", das an einen nuklearen Film aus den achtziger Jahren erinnerte.

«Pratteln schlaft nicht ein, lasst was hören. Es wird wohl Zeit, dass wir ein paar alte Klassiker spielen! Der nächste Song… Da warst du… Wann bist du geboren?», fragte Peavy seinen Gitarristen. "1995", die lapidare Antwort, worauf der Bassist konterte: "Stimmt, der nächste Track stammt aus dem Jahr 1993". «Refuge» wurde um einen Reggae artigen Mittelpart erweitert und leitete eine Zeitreise ein, die mit «Shame On You» («Trapped», 1992) und «Invisible Horizons» («Secrets In A Weird World», 1989) ergänzt wurden. Ganz weit zurück gings mit «Don't Fear The Winter» aus dem Jahre 1988 und der dazugehörenden Ansage: "Einen haben wir noch, der nicht fehlen darf!". Rage spielten keine Ballade, sondern gaben Vollgas und hatten nur mit dem «13»-Track «Heartblood» eine "gemässigtere" Nummer am Start. Die Spielweise entwickelte sich mit diesem Trio nun in eine bedeutend erdigere und rockigere Richtung. Somit geht Mister Wagner mit seinen Jungs den Weg zurück, den er einst ging und welcher die Truppe erfolgreich machte. Klar durfte die Smoslki-Ära nicht fehlen und mit dem schon erwähnten «Heartblood», dem vom Film «Der Schuh des Manitus» bekannten «Straight To Hell», sowie «Set This World On Fire» wurde auch diese Epoche in das Set integriert. Im Zentrum standen jedoch die Frühzeit wie auch die Lieder des aktuellen Line-ups. Die beiden Titelsongs von «The Devil Strikes Back» und «Season Of The Black» und vier Stücke des neuen Albums «Wings Of Rage» (der Titelsong, «True», «Chasing The Twilight Zone» und «Let Them Rest In Peace») passten perfekt.

Das Schöne an Rage ist, dass verloren gegangene Merkmale wieder zurück gekommen sind. Spielfreude, Spielwitz und Schalk (Marcos mit verschränkten Armen: "Are they playing fault? This is not the department of the Metal Police. Come on, this is Metal!"). Es ist sehr schön, Peavy wieder grinsend und enthusiastisch auf der Bühne zu sehen. Vielleicht sind die Songs nicht immer auf den Punkt/Ton perfekt gespielt. Dafür mit viel Hingabe, Herz und Seele. Das ist Musik, die lebt und nicht klinisch kaputt gespielt wird, aber trotzdem tight, perfekt und virtuos vorgetragen wurde. Danke für ein ergreifendes Konzert und hoffentlich bald mehr davon!

Setliste: «True», «Chasing The Twilight Zone», «Shadow Out Of Time», «The Devil Strikes Back», «Deep In The Blackest Hole», «Until I Die», «Set This World On Fire», «Wings Of Rage», «Heartblood», «Season Of The Black», «Refuge», «Shame On You», «Invisible Horizons», «Let Them Rest In Peace», «Don't Fear The Winter» - «Straight To Hell», «Higher Than The Sky (mit Medley Princess Of The Night (Saxon)-Heaven And Hell (Black Sabbath)-7th Son Of A 7th Son (Iron Maiden)-Fear Of The Dark (Iron Maiden)»