Drei Bands können ab und zu ein bisschen viel sein, auch
wenn man die Gedanken aus wirtschaftlichen Gründen nachvollziehen
kann. Ob man dabei nun auf eher artfremde Kombinationen steht oder
dann doch eher bei musikalischen Gemeinsamkeiten, bleibt wohl immer
die Gretchen-Frage. Die Zusammenstellung von Rage, die eher im
metallischen Universum mit Rush-Affinitäten unterwegs sind, mit den
beiden Vortruppen, die eher den symphonischen und progressiven Pfad
abdecken, bot zumindest für Musikgeniesser jeglicher Farbgestaltung
ein buntes Bild an Tönen und Klängen.
Vanish
Zuerst stand die Stuttgarter-Combo Vanish auf der Bühne. Wie bei
jeder Truppe an diesem Abend, kamen die Keyboards vom Band. Sind sie
eher dezent eingestreut, kann man darüber noch hinweg sehen. Üben sie
aber ein dominantes Element aus, wirkt es komisch. Bassist Andreas
schien seine Vorliebe für Steve Harris (Iron Maiden) auszuleben und
hielt seinen Bass immer wieder wie ein Maschinengewehr. Sänger
Bastian versuchte mit seinem cleanen Gesang, der ab und an aber auch
ein bisschen "unsicher" klang, die Begeisterung der Besucher auf
seine Seite zu ziehen. Die Ansage "habt ihr Bock auf ein geiles
Metal-Konzert? Wir auch!", konnten die Besucher jedoch ebenso wenig bewegen
wie: "schön, dass ihr so grosse Lücken lässt, dann wird es auch
nicht zu heiss" oder "gigantisch! Das gibts nur beim Metal,
seine Wurst mit Pommes zu essen und Metal zu sehen". Die Truppe
bekam einen Höfflichkeitsapplaus, und an Ende des Gigs blieb bei den
Wenigsten was von diesem Prog Metal hängen. Schön war hingegen, dass
sich alle drei Truppen nach ihren Auftritten den Fans beim Merch-Stand
für Fotos und Autogramme (oder wie es Rage-Gitarrist Marcos sagte: "Zum Austausch
von Telefonnummern") zur Verfügung stellten.
Serenity
Symphonischer Metal mit feinem Gesang und gegrowlten Parts, das bot
das Quartett aus Österreich. Optisch eine einheitliche Truppe, der
man die musikalische Umsetzung ansah. Der Sound mit leichten
progressiven Elementen lebt klar von den Ansagen Georgs. Ist der
Hüne erstmals in Fahrt, ist er nicht mehr zu bremsen. Und sei es
nur, weil er zwei Besuchern ein Bier anbot, die ziemlich gelangweilt
vor der Bühne standen. "Z7, ich hoffe es geht euch gut. Keine Ahnung
was heute Abend los ist? Hat die Fussball-Nati ein Spiel? Danke an
euch, die ihr da seid und ich denke, ihr dürft euch selber
applaudieren", kommentierte der Shouter den geringen Aufmarsch des
Publikums. Dies hielt ihn aber nicht davon an, zuerst am Gitter des
Fotograbens und dann wenig später den Weg ins Publikum unter seine
Füsse zu nehmen und mitten in den Besuchern zu singen. Serenity
konnten die Anwesenden mit zunehmender Spielzeit mehr und mehr auf
ihre Seite ziehen: "Es freut uns, sehr viele Serenity-Shirts zu
sehen und dass unser Album bei euch auf Platz 33 in die Charts
eingestiegen ist. Dafür könnte ich glatt «Ig schänke dir mis Härz»
singen", bemerkte Georg und holte sich so zusätzliche
Sympathie-Bonuspunkte. Auch wenn den Rage-Fans der Sound nicht
unbedingt zusagte, Georg zog sie mit seinem spitzbübischen
und "eleganten" Humor alle auf seine Seite.
Rage
Dann war es Zeit für den Headliner, der trotz der Erkältung vom
singenden Bassisten Peter «Peavy» Wagner einen super Job ablieferte.
Man merkt den Jungs von Tour zu Tour an, dass sie noch näher
zusammen gewachsen sind und spürt diese Verbindung aus blindem
musikalischem Verständnis, Freundschaft und um die Fans zu kämpfen.
Was bei den letzten Tourneen, zusammen mit Victor Smolski, nicht
mehr an der Tagesordnung war. Der Spass scheint dem Trio seit fünf
Jahren aus dem Allerwertesten, wie auch die Dankbarkeit von
Schlagzeuger Lucky und Gitarrist Marcos, dass sie bei Rage spielen
dürfen. Während der Riffgott und filigrane Saitenderwisch bescheiden
und mit einem devoten Unterton zu Publikum sagte: "Big respect. No
one plays like Manni Schmidt. He plays like a God! So I'm trying to
do my best, but if I fuck up, please be nice to me! If I play the
song right, get fucking crazy!" und einen der ersten Gitarristen von
Rage würdigte. Marcos kackte nicht ab (selbst beim virtuosen
Solopart hatte man das Gefühl, Manni stehe auf der Bühne) und das
Publikum drehte völlig am Rad.
Die Jungs würdigten das
Vermächtnis der vorherigen Line-ups mit sehr viel Respekt, Herz,
Seele und Leidenschaft. Speziell der Zeit zwischen 1988 und 1996
zollten die beiden "Neuen" ihren Tribut und hatten mit Bandgründer
Peavy den wahren Bandleader in den eigenen Reihen. Die Riffs wie
auch die solistischen Ausflüge und das Powerdrumming passten perfekt.
Marcos spielte mit viel Wucht, aber auch Gefühl in den Fingern und
war einmal mehr ein begnadeter Sänger, als er «Heaven And Hell» von
Black Sabbath anstimmte und man das Gefühl hatte, Ronnie James Dio
stehe auf der Bühne. Selbige wurde dreidimensional dekoriert und
stand ganz im Zeichen des neuen Covers von «Wings Of Rage». Marcos
stand zuerst mit einem Kapuzen-Umhang auf der Bühne. Daneben stand
Peavy mit einem "Kostüm", das an einen nuklearen Film aus den
achtziger Jahren erinnerte.
«Pratteln
schlaft nicht ein, lasst was hören. Es wird wohl Zeit, dass wir ein
paar alte Klassiker spielen! Der nächste Song… Da warst du… Wann
bist du geboren?», fragte Peavy seinen Gitarristen. "1995", die
lapidare Antwort, worauf der Bassist konterte: "Stimmt, der nächste
Track stammt aus dem Jahr 1993". «Refuge» wurde um einen Reggae
artigen Mittelpart erweitert und leitete eine Zeitreise ein, die mit
«Shame On You» («Trapped», 1992) und «Invisible Horizons» («Secrets
In A Weird World», 1989) ergänzt wurden. Ganz weit zurück gings mit
«Don't Fear The Winter» aus dem Jahre 1988 und der dazugehörenden
Ansage: "Einen haben wir noch, der nicht fehlen darf!". Rage spielten
keine Ballade, sondern gaben Vollgas und hatten nur mit dem «13»-Track
«Heartblood» eine "gemässigtere" Nummer am Start. Die Spielweise
entwickelte sich mit diesem Trio nun in eine bedeutend erdigere und
rockigere Richtung. Somit geht Mister Wagner mit seinen Jungs den
Weg zurück, den er einst ging und welcher die Truppe erfolgreich
machte. Klar durfte die Smoslki-Ära nicht fehlen und mit dem schon
erwähnten «Heartblood», dem vom Film «Der Schuh des Manitus»
bekannten «Straight To Hell», sowie «Set This World On Fire» wurde
auch diese Epoche in das Set integriert. Im Zentrum standen jedoch die
Frühzeit wie auch die Lieder des aktuellen Line-ups. Die beiden
Titelsongs von «The Devil Strikes Back» und «Season Of The Black»
und vier Stücke des neuen Albums «Wings Of Rage» (der Titelsong,
«True», «Chasing The Twilight Zone» und «Let Them Rest In Peace»)
passten perfekt.
Das Schöne an Rage ist, dass verloren
gegangene Merkmale wieder zurück gekommen sind. Spielfreude,
Spielwitz und Schalk (Marcos mit verschränkten Armen: "Are they playing
fault? This is not the department of the Metal Police. Come on, this
is Metal!"). Es ist sehr schön, Peavy wieder grinsend und
enthusiastisch auf der Bühne zu sehen. Vielleicht sind die Songs
nicht immer auf den Punkt/Ton perfekt gespielt. Dafür mit viel
Hingabe, Herz und Seele. Das ist Musik, die lebt und nicht klinisch
kaputt gespielt wird, aber trotzdem tight, perfekt und virtuos
vorgetragen wurde. Danke für ein ergreifendes Konzert und
hoffentlich bald mehr davon!
Setliste: «True», «Chasing
The Twilight Zone», «Shadow Out Of Time», «The Devil Strikes Back»,
«Deep In The Blackest Hole», «Until I Die», «Set This World On
Fire», «Wings Of Rage», «Heartblood», «Season Of The Black»,
«Refuge», «Shame On You», «Invisible Horizons», «Let Them Rest In
Peace», «Don't Fear The Winter» - «Straight To Hell», «Higher Than
The Sky (mit Medley Princess Of The Night (Saxon)-Heaven And Hell
(Black Sabbath)-7th Son Of A 7th Son (Iron Maiden)-Fear Of The Dark
(Iron Maiden)»
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