Als wenn das Jahr 2011 nicht schon gespickt gewesen wäre mit
hochkarätigen Bands und Anlässen in der Schweiz, langte der Monat
der Dezember nochmals kräftig zu. Das dürfte die Betreiber des
Zürcher Hallenstadions ebenso gefreut haben, denn gleich zwei Tage
hintereinander "sold out" bei zwei unterschiedlichen Headlinern
vermelden zu können, passiert nicht alle Tage. Den Auftakt machten
Rammstein, die sich gerade auf der «Made in Germany»-Tour befanden
und im Gegensatz zur "Liebe ist für alle da"-Tour vor zwei Jahren
nun mit einer "Best-of"-Setliste aufwarteten. Das Ganze war
natürlich wiederum eingebettet in eine oberfette Bühnen-Show, die
nebst sattem Licht und viel Trockeneisnebel vor allem vom Element
Feuer dominiert wurde. Dazu gab es noch ein paar weitere Einlagen,
die man so schon mal gesehen hatte und gänzlich Neues. Somit durfte
sich das Publikum getrost auf eine tolle Performance von Herrn
Lindemann mit Gefolge freuen. Im Vorprogramm standen Deathstars aus
Schweden, die mit «The Greatest Hits On Earth» auch eine neue "Best-of"-Scheibe
mit im Gepäck hatten.
Deathstars
Ohne das Faible für die Stakkato-Riffs von Rammstein wäre ich wohl
kaum bis gar nicht auf Deathstars gestossen. Diese Gemeinsamkeit
macht aber nur einen Teil aus, denn die durchdringenden Melodien des
dominanten Synthie-Sounds plus die eigentümliche Stimme von Sänger
Andreas "Whiplasher Bernadotte" Bergh bilden hier den grossen
Unterschied. Stilistisch wird diese Mucke von der Band selber als
Death Glam oder Russian Death Pop bezeichnet und ist von
Leder-Outfits und schwarzer Schminke begleitet. Einer der ersten
Songs, der mir sogleich gefiel, war «Chertograd» vom Album «Night
Electric Night» (2009). Irgendwann später mal kam dann auch noch «Termination
Bliss» (2006, Re-Release 2008) als ältere Scheibe dazu. Darum gefiel
mir dieses Tour-Package entsprechend sehr gut, obwohl sich
Combichrist auf der letzten Rammstein-Tour (und heuer in
Nordamerika) mit ihrem rhythmusbetonten Aggro-Noise perfekt in Szene
setzen konnten. Darum war ich jetzt zweifach gespannt, denn erstens
hatte ich die Schweden bis anhin noch nie live gesehen und zweitens
nahm es mich Wunder, wie sich die Band präsentiert und die
Reaktionen des Publikums sein werden. Zu meiner Überraschung war ich
der einzige Fotograph (!), der sich am heutigen Abend auch für die
Vorgruppe interessierte. Somit "gehörte" der Fotograben mir ganz
alleine, spricht Metal Factory! Niemand wuselte mir also nervend vor
der Kamera rum oder schubste mich durch die Gegend. So sollte es
eigentlich immer sein. Pünktlich um 20.00 Uhr ging das Licht im
Hallenstadion aus und
den Auftakt machte «Blitzkrieg», das sich von
der Rhythmik her stark nach dem Headliner anhörte. Der Sound war ok,
wenn auch etwas zu leise, dafür gewährte man der Support-Band
bereits ganz ordentliches Licht und die zwischendurch gerade nach
oben schiessenden Trockeneis-Fontänen sahen echt geil aus.
Deathstars spielten nicht unerwartet alles Songs, die bis auf «Night
Electric Night» auch auf dem neuen Best-Of Longplayer zu finden
sind. Die Performance und die Optik gefielen mir gut, doch das
Publikum nahm leider kaum Notiz davon. Ein paar "Scream!"-Aufrufe
vom Whiplasher wurden nur sehr zögerlich erwidert, was jedoch nicht
wirklich überraschte, zumindest in der Deutschschweiz. Wäre dieses
Konzert in Genf gewesen, hätte der Zuspruch garantiert anders
ausgesehen. Deshalb verhallten die circa 35 Minuten ziemlich rasch
wieder. Aus meiner Sicht trotzdem ein guter Auftritt, obwohl aus
technischen Gründen alle Synthie-Klänge ab Band kamen. Darüber
hinaus weisen die Songs mehrheitlich das gleiche Strickmuster auf,
was mit der Zeit dann halt etwas eintönig daher kommt.
Setliste: «Blitzkrieg» - «Semi-Automatic» - «The Mark Of The Gun» -
«Chertograd» - «Metal» - «Tongues» - «Night Electric Night» - «Blood
Stains Blondes» - «Death Dies Hard».
Rammstein
Das Konzert war Monate im Voraus komplett ausverkauft und über den
abermals skandalös abgelaufenen Ticket-Verkauf will ich mich gar
nicht erst auslassen. Das ist nämlich ein oberabnervendes
Dauer-Thema bei angesagten Acts in der Schweiz, und es wird verdammt
nochmal einfach Zeit, dass hier endlich eingeschritten wird und der
stets unmittelbar nachfolgenden, unfairen Abzocke über
Auktions-Portale wie Ricardo oder eBay definitiv der Riegel
geschoben wird! Dazu kam noch, dass effektiv gefälschte Tickets im
Umlauf waren, was die Angelegenheit noch betrüblicher machte.
Glücklich schätzen konnten sich also alle, die über ein gültiges
Stück bedrucktes Papier verfügten und das Hallenstadion innert
kurzer Zeit locker auffüllten. Auch die VIP-Logen waren dicht
besetzt und Zürich somit bereit für Rammstein! Bevor der absolut
passende Opener «Sonne» schon mal den ersten Vorgeschmack dessen
lieferte, was noch alles danach kommen sollte, war die Inszenierung
des Einzugs der Band in die Halle und auf die Bühne schlicht
filmreif! Hoch über den Köpfen der Fans hing nämlich in
Längsrichtung (zur Bühne hin) eine mächtige Traverse, die erst mal
langsam runter gelassen wurde. Dazu gingen daran bereits die ersten
paar kleineren Pyros los und aus zahlreichen, später sichtbaren
Gasflaschen wurden Trockeneis-Fontänen abgeschossen. Gleissende
Verfolger-Spots, die plötzlich mitten ins Publikum gerichtet wurden,
deuteten dann an, dass alle Bandmembers zuerst den Weg durch ihre
Fans hindurch nehmen mussten, um zu ohrenbetäubendem Jubel auf die
Plattform zu gelangen, die sich nachher auf die Höhe der Traverse
anhob. Das Bild dort mit senkrecht zur Decke gehenden Lichtsäulen
war schlicht grandios und erinnerte an einen Science Fiction-Film
inklusive Raumschiff. Fehlten eigentlich nur noch die
Ausserirdischen, von denen sich zumindest der total glitzern
gekleidete Tastenmann Flake kaum unterschied. Als Fackelmann ging
Bassist
Oliver Riedel auf der Traverse voraus, gefolgt von seinen
Kollegen, in Richtung Bühne. Flake hatte eine angesengte Schweizer
Fahne (wenn auch im falschen Rechteckformat) dabei und Schlagzeuger
Christoph Schneider eine mit dem Rammstein Emblem. Auf der Bühne
angekommen, stellten sich die Musiker zuerst mal auf, respektive hin
und als dann Till Lindemann anfing zu zählen, stand das Inferno kurz
bevor.
Begleitet von massivem Flutlicht und den ersten grossen Gasflammen
legten Rammstein, wie bereits erwähnt, mit «Sonne» volle Pulle los.
Die Halle schien förmlich zu explodieren und alle gaben sich
begeistert der "neuen deutschen Härte" hin. Mit «Wollt ihr das Bett
in Flammen sehen?» folgte der erste von insgesamt sieben (!) Songs,
die schon auf der 99er-DCD «Live in Berlin» zu finden waren. Von den
insgesamt sechs Studioalben zwischen 1995 und 2009 wurden alle
mehrfach berücksichtigt, ausser «Rosenrot» (2005), das lediglich
«Mann gegen Mann» abwarf. Nichtsdestotrotz war die «Made in Germany»
Auswahl natürlich vom Feinsten, ausser dass dafür natürlich einige
Songs vom aktuellen Longplayer «Liebe ist für alle da» über die
Klinge springen mussten, die im Mai auf der Tour durch Nordamerika
noch gespielt wurden. Doch ein Blick auf die unten stehende,
komplette Setliste konstatiert, dass wohl kaum jemand nicht damit
zufrieden gewesen wäre. Nebst der Musik, die voll rein knallte,
wurde eine der, wenn nicht die spektakulärste Licht- und Feuershow
geboten, die es zur Zeit überhaupt zu sehen gibt! Was schon fast
beängstigend anmutete, war die auch weiter hinten in der Halle
deutlich spürbare Wärme der grossen Gasflammen-Säulen und das nicht
etwa zeitversetzt! Das lässt erahnen, dass diese Darbietung vom
Ablauf her total abgesichert sein muss, respektive Frontmann Till
zum Beispiel nicht plötzlich unsicher sein darf, wo er gerade hin zu
stehen hat! Christian Lorenz alias Flake hatte es da leichter,
obwohl er sich zu seinem Laufband unter den Füssen oft "gehend an
Ort" einrichtete. Weitere Gimmicks waren natürlich der "geröstete"
Flake im grossen Kessel bei «Mein Teil» und die vom verkleideten
Drummer Christoph Schneider vor sich her getrie-benen, auf den Knien
kriechenden Kollegen an Hundeketten, die so über die Traverse auf
die kleine Plattform gelangten (wo sie ja am Anfang schon standen)
und dort «Bück Dich», inklusive nackten Arschbacken von Flake und
dem (wohl mit Wasser) abspritzenden Gummi-Penis von Till (sehr zur
"Freude" der Fans drum herum) zum Besten gaben. Man liess also
nichts aus, was die Band gleichzeitig bekannt und bei gewissen
Leuten in Verruf gebracht hat. Aber dies kümmert Rammstein schon
lange nicht mehr und ein Song wie «Ohne dich» (immer noch auf der
Plattform) bewies schliesslich, dass es auch ohne Feuer wie derbe
Texte geht und man damit sogar eine melancholische Note verströmen
kann. Das war dann auch gleichzeitig das Ende der regulären Show.
Nun standen die Zugaben auf dem Programm und davon gab es insgesamt
gleich deren fünf! «Mein Herz brennt» brachte nebst einer fetten
Leuchtfackel vor allem wieder viel Licht und Trockeneis, während
«Amerika» am Schluss mit einem voluminösen Plastik-Schnippselregen
den Anfang des Grauens für die Putzmannschaft des Hallenstadions
einläutete, da tags
darauf ja die Red Hot Chili Peppers Einzug
hielten. Rammstein in Reinkultur folgte darauf mit einem schlicht
bombastischen «Ich will», das frenetisch bejubelt und aus vollen
Kehlen mitgesungen wurde. Hierzu reicht meine Beschreibung nicht
annähernd aus, das muss man selber gesehen und gehört haben. Und
wieder räumte das Sextett das Feld, um noch ein letztes Mal für
«Engel» (mit Till und den Feuer speienden Pyro-Flügeln) und zu «Pussy»
alles zu geben, inklusive der überdimensionalen Schaumkanone. Nach
zwei Stunden bester Unterhaltung war das Zürcher Publikum schier
geplättet und hätte das geniale Konzert gleich nochmals erleben
wollen. Dass die sechs Musiker sich am Schluss noch alle eine Weile
lang einseitig niederkniend von ihrem begeisterten Publikum
verabschiedeten, war schon fast zu viel des Guten, denn was die
Ostdeutschen auch auf dieser Tour (die letzte war ja ebenfalls der
Oberhammer!) abermals geboten haben, war allererste Sahne. Das
augenzwinkernde Sahne-häubchen lieferte allerdings Till Lindemann zum
Schluss, und das fast unfreiwillig komisch, bevor die Band definitiv
von der Bühne ging: "Die Schweiz, die mögen wir ja sehr..., wir
tragen unser Geld hierher, danke schön für'n Abend!" - Die Schweiz
sagt auch brav "danke schön" und freut sich jetzt schon auf den
nächsten Besuch, der hoffentlich nicht allzu lang auf sich warten
lässt.
Setliste: «Sonne» - «Wollt ihr das Bett in Flammen sehen?» - «Keine
Lust» - «Sehnsucht» - «Asche zu Asche» - «Feuer frei!» - « Mutter» -
«Mein Teil» - «Du riechst so gut» - «Links 2-3-4» - «Du hast» -
«Haifisch» - «Bück Dich» - «Mann gegen Mann» - «Ohne dich» -- «Mein
Herz brennt» - «Amerika» - «Ich will» --- «Engel» - «Pussy».
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