Eigentlich wollte ich ja nur friedlich ein
paar kühle Weizen kippen, zum geschmeidig machen eine Sportzigarette
schmauchen, meinen neuen Gehörschutz einem praktischen Feldtest
unterziehen und in aller Ruhe den graupligen Sonntag mit unser aller
Sonnenschein, sprich ein bisschen Metal, ausklingen lassen, aber
sicherlich nicht auch noch ein Review über diesen Abend schreiben.
Aber erstens kommt es ja bekanntlich anders und zweitens als man
denkt. Darum kam ich der (kurzfristigen) Einladung von Manu
(Nächtlich Thränet) gerne nach und begab mich spontan und ohne
jegliche Vorahnungen ins Soundcave nach Uster. Das Wetter wurde von
offiziellen Stellen zwar als ‚kalte Scheisse’ eingestuft, aber des
Metallers Herz fängt ja dann erst gerade an, sich zu erwärmen (A
propos: Es ist ja ein weit verbreiteter Irrglaube, dass auch Black
Metaller im Winter frieren. Sie zittern nur aus Wut, weil es nicht
noch kälter ist... Aber das nur ganz am Rande). Bei meinem
Eintreffen um ca. 21:15 waren...
Nächtlich Thränet
... bereits heftig am Gas geben und boten dem knapp in
Fussballmannschaftsstärke vorhandenen Publikum in ihrer gewohnt
sympathisch-snobistischen Manier ihre brachialen, durchgeknallten
Kompositionen dar. Die Stimmung war wahrscheinlich auch wegen der
mageren Zuschauerkulisse sehr locker, man hatte das Gefühl an einer
öffentlichen Hauptprobe dabei zu sein und dem Entsprechend
kurzweilig und familiär gestaltete sich auch ihr Auftritt. Zum
ersten Mal mit dabei war auch der neue Basser, der sich zwar noch
vornehmlich im Hintergrund aufhielt, aber durch einen soliden
Teppich zu überzeugen wusste. Trommelschlumpf Villiger hatte wohl
einmal mehr vorgängig eine Atomuhr gefressen und nagelte sich
supertight durch "Casanova" und alle anderen Tracks, deren Titel ich
selbstverständlich bereits wieder vergessen habe („höre den Kalk
rieseln, isch schwör'…“). Das Gitarrenduo Egli/Fürer wusste mit
seinen einmalig kranken Riffs und Soli das Auge/Ohr auf sich zu
ziehen und vor allem Egli war so herrlich verstrahlt, dass ich mich
bis jetzt wundere, warum die anwesenden Damen der Schöpfung dem
guten Mann keine BH's zugeworfen haben. Bischof würgte in gewohnter
Manier gekonnt souverän das Mikro und scherzte mit dem Volk herum.
Für mich ist er immer noch einer der besten Sänger im heftigen
CH-Metier. Viel zu schnell war’s dann auch schon wieder vorbei und
nach einer längeren Umbaupause (unter anderem Umbau des Schlagzeugs
auf Linkshänder) betraten die Black Metaller von...
Knowhere
... die Bühne. Man merkte der Truppe die Live-Routine der
letztjährigen Tour mit Necrophobic an, und darum gab’s am
Soundgewand der detailverliebten Songs auch überhaupt nix zu
bemängeln. Wer der Band unkundig ist, wird sich nach dem ersten
Blick auf die Bühne jedoch erst mal fragen, wo zum Geier das
Gekreische her kommt. Denn obschon die beiden Gitarristen Zappi und
Fuhli sowie Bassistin Arlette die Front bilden, ist augenscheinlich
kein Mikrophon vorhanden. Des Rätsels Lösung ist nicht Gesang aus
der Konserve, sondern Rhythmusmaschine Kov, der neben der
überraschend sauberen Fellgerberei auch für den Gesang zuständig
ist. Immer wieder chapeau, Kollege! Ihr melodiöser, progressiver
Stil wird des Öfteren von unerwarteten Passagen aufgelockert, wie
z.B. einem Ska-ähnlichen Einschub beim Titeltrack der aktuellen (und
äusserst hörenswerten) Langrille „The Mascot“. Zwei der NT-Musiker
liessen sich auch nicht lange bitten und legten vor der Bühne einen
mehr als sehenswerten Tango auf’s Parkett, der sich gewaschen hatte,
absolut köstlich (und ich ohne Kamera, verf+*ç%&!)! Auch bei
Knowhere war die Stimmung auf dem Grat zwischen
sympathisch-entspannt und unterhaltsam (ja, auch Black Metal darf
zum Feiern einladen), und Vortänzerin Arlette war sich nicht zu
schade, den anwesenden Burschen eine Steilvorlage in Sachen
Körperbewegung zu präsentieren. Ein rundum gelungener Auftritt, der
mich positiv überraschte und zu überzeugen wusste. Müsste eigentlich
nur noch ein agiler Frontmann dazustossen, und die Chose dürfte noch
einen weiteren Gang zulegen.
Da ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich bereits ein paar isotonische
Getränke intus hatte und mir mindestens 99% der bekannten
teutonischen Thrash Bands eh am (fast) Nichtvorhandenen vorbeigehen,
wäre ich beinahe verfrüht abgehauen und hätte infolgedessen den
inakzeptablen Fehler begangen, ...
Reckless Tide
... zu verpassen! Ich kann zwar normalerweise mit dem vor old
schooliger Pathetik triefenden, selbstbeweihräucherungsschwangeren
Stil unserer Nachbarn aus dem grossen Kanton im Norden überhaupt
nichts anfangen, aber was dieses Sextett zu fortgeschrittener Stunde
abgeliefert hat, war beste Unterhaltung und Tanzbeinanimierung
galore! Wie sich später aufklärte, sind Reckless Tide die
Gesamtsieger des ersten Wacken Metal Battle 2004, staubten dazumal
den Deal mit Armageddon Records ab und sind aktuell gerade auf Tour,
um ihr neues Album „Helleraser“ auch live-technisch zu promoten. Die
klassische Quintett-Besetzung plus einem zweiten Sänger ist
jedenfalls schon mal einen zweiten Hingucker/-hörer wert. Und wenn
die eine Gitarre dazu noch mit einer leckeren Amazone bestückt ist,
korrigiert man(n) ohne grössere Gewissensbisse seinen gerade
festgelegten Heimkehrplan um plus einen Gig mehr nach oben. "Barjunge,
bitte noch ein Weizen!". Zum mehr als gelungenen Auftritt verhalf
auch der plötzlich extrem druckvolle und transparente Sound (für
mich zumindest, die neuen Ohrstöpsel sind ihr Geld wahrlich wert),
alle Instrumente gut hörbar und verpackt in einem fetten Brett, so
soll ein Live-Sound sein! Manche Kritiker könnten der Band zwar
vorwerfen, dass in punkto Orginalität kein Blumentopf gewonnen
werden dürfte (und dem muss ich in gewisser Weise auch zustimmen),
jedoch verpacken die fünf Krieger und die blonde Amazone gut
Abgehangenes in moderne, atemfrische Verpackungen, legen einen
zusätzlichen Schuss Spielfreude drauf plus als Schmankerl eine
astreine, tighte und sympathische Darbietung. Faire Sache. Für mich
nahezu perfekter Gute-Laune-Thrash, der die nötige Power aber nicht
vermissen lässt und schlussendlich auch dank den beiden
charismatischen und amüsanten Sängern/ Luftgitarrevirtuosen nichts
anderes als Spass macht. Ein Kreator-Cover und diverse über das Set
verteilte, angespielte Iron Maiden-Klassiker gaben dann noch
endgültig Salz in die Suppe, und die Mannschaft war sich auch nicht
zu schade, trotz dünnst gesäten Zuschauerreihen nach dem regulären
Set (und massig Zugabe-Geschreie seitens des Publikums) nochmals die
Bretter zu entern und abzudrücken, als ob das Lokal ausverkauft
gewesen wäre. Der Dank war enthusiastischer Applaus und das Wissen,
ein paar Fans dazugewonnen zu haben die ihren Namen mit einem
Funkeln in den Augen weiter verbreiten werden. Hoffentlich seid Ihr
bald mal wieder bei uns im Schokoland, Reckless Tiders, weil so
macht Ausgehen richtig Freude.
Abschliessend will ich allen Lesern einfach einmal mehr das Besuchen
der nicht gerade wenigen Untergrund-Gigs ans Herz legen. Denn wie
ich selbst an diesem Abend werdet auch ihr dann und wann auf eine
Perle von einer Band stossen und ermöglicht so ganz nebenbei mit
eurem persönlichen Erscheinen unsere geliebte Szene am Leben zu
erhalten. Scheissegal, ob ihr wegen der Bands eure knochigen oder
fetten Ärsche von der Couch erhebt, die Veranstaltungsplätze mit
eurem hemmungslosen Getränkekonsum unterstützt, danach wieder ein
paar Anektoten mehr zu erzählen habt oder schlicht auf geselliges
Zusammensein steht, aber der Untergrund steht und fällt mit Euch.
Hellelujah!
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