Fast auf den Tag vor einem Jahr, genau am
17. Januar 2010, war
ich in Sursee zum gleich-namigen Anlass vor Ort. Damals konnte ich
mir die ganze Sache noch nicht so richtig vorstellen, obwohl die
Verschmelzung von Klassik und Rock/Metal seit Deep Purple, Metallica
oder den Scorpions ja nun wirklich nichts Neues ist. Was für den
einen Betrachter eher anbiedernd wirkte, vermochte aber einem
zahlreich aufmarschierten Publikum auf der anderen Seite sehr wohl
zu gefallen.
Auf diese Idee musste man ja auch erst mal kommen,
gleich einige
klingende Namen mit unbestrittener Musik-Historie im Rücken dazu zu
bewegen, sich diesem Format zu stellen. Das Risiko wurde auf jeden
Fall belohnt und manche Fans, die sich altersmässig überwie-gend
zwischen 30 und 60 tummelten, hätte man sonst wohl nicht zwingend
dazu gebracht, sich das anzuschauen. Bei den insgesamt vier
Schweizer Konzerten in Genf, Sursee, Zürich und Basel wäre auch
Steve Lee (R.I.P.) von Gotthard dabei gewesen. An seiner Stelle
sprang Marc Storace (Krokus) kurzfristig ein und machte seine Sache
gut.
Band und Orchester
"Never change a running team" heisst es bekanntlich und wenn eine
Konstellation von Erfolg umgeben ist, sollte man dabei bleiben. Das
dachte sich auch Bandleader Mat Sinner, der sonst die tiefen Töne
bei Primal Fear, seiner eigenen Band Sinner und unzähligen anderen
Combos und Projekten anschlägt. Als Gitarrist konnte diesmal und zu
meiner grossen Freunde kein Geringerer als Alex Beyrodt (Voodoo
Circle, Silent Force, Primal Fear) verpflichtet werden, der den
mittlerweile auch bei Primal Fear ausgestiegenen Henny Wolter (Ex-Thunderhead)
ersetzte. Die ganze Truppe, ergänzt um weitere, mir namentlich nicht
bekannte
Musiker,
nennt sich die "RMC-Band" und wird vom "Bohe-mian Symphony Orchestra
Prague" unter der Leitung von Dirigent Philipp Maier (Direktor des
UAE Philharmonic Orchestra in Dubai) begleitet. Weiter gehört ein
gemischter Chor dazu, bei dem in erster Linie zwei Namen heraus
stechen: Amanda Somerville (Avantasia, Kiske) und der PF-Front-mann
Ralf Scheepers himself! Letzterer stand ganz unscheinbar und brav im
Chörchen drin und wurde wohl kaum erkannt. Obwohl man eigentlich
erst mit dem letztjährigen Anlass so richtig von diesem
Konzert-Event Notiz nahm, war es heuer bereits die vierte Auflage.
Mit «Childs Anthem» als Opener des Abends in Basel, respektive einem
Stück von Toto, spielte man sich so zu sagen zuerst mal etwas ein,
ehe der erste Gaststar des Abends angekündigt wurde.
Dan McCafferty (Nazareth)
Wie im Jahr zuvor, eröffnete wiederum der Mann mit der, neben Rod
Stewart, unverkennbarsten Reibeisenstimme des ganzen Music-Business
den Sänger-Reigen. Der Frontmann von Nazareth, die sich 2008 mit «The
Newz» endlich auch wieder
albummässig
zurück meldeten und im Februar 2011 mit ganz neuen Songs aufwarten
werden, hat seiner charakteristischen Stimme in all den Jahrzehnten
auf zahllosen Bühnen der Welt kaum Erholung gegönnt. So kann es dann
halt jeweilen vor-kommen, dass sich die Gesangsleistung mitunter hart
an der Grenze bewegt. Für den letzten Schweizer Auftritt wünschte
ich mir genau dies nicht und oh Wunder, wurden meine "Gebete"
erhört. Der Kuschelrock-Klassiker «Dream On» legte die Hürden nicht
zu hoch an, was dem nachfolgenden «Hair Of The Dog» gleich zugute
kam. Dass dann gleich «Love Hurts» anschloss, war in diesem Rahmen
absolut nachvollziehbar und auch hier gab sich Herr McCafferty keine
Blösse. Kaum warm, bedeutete «This Flight Tonight» leider schon
Endstation. Da das Gezeigte aber keine wirklichen Schwächen aufwies,
stimmte dies für die kommende Tour ab Februar zuversichtlich.
Beglei-tet von einem kräftigen Schlussapplaus machte sich Dan als
Erster vom Acker, bis er dann zum Schlusssong wieder zurück kehren
sollte.
Songs: «Dream On» - «Hair Of The Dog» - «Love Hurts» - «This Flight
Tonight».
Bohemian Symphony Orchestra Prague / Amanda Somerville
Im grossen Festsaal des Messegebäudes 1, wo unter anderem stets die
alljährliche, mehrtägige «AVO-Session» über die Bühne geht, war
natürlich der
ganze
Saal gestuhlt und leider längst nicht vollständig belegt. Inklusive
(dem heute Abend geschlossenen) Balkon würden in dieser Location
maximal 2'000 Leute Platz finden. Etwa geschätzte knapp 1'000
Besucher dürften es schliesslich gewesen sein. Diese erlebten dann
quasi als Intermezzo Maurice Ravels «Boléro» in seiner ganzen Länge.
Ich persönlich musste mich dazu schon arg in Geduld üben und setzte
mich währenddessen auf irgend-einen, leeren Stuhl. Das Orchester
folgte kon-zentriert seinem Dirigenten und liess keinen Zweifel
darüber aufkommen, dass hier sicher keine Stümper am Werk sind. Nach
dem Ausklingen des auf-brandenden Applauses löste sich Lady Amanda
Somerville aus der Chorreihe, kam vorne an den Bühnenrand und gab
darauf mit ihrer schönen und klaren wie kräftigen Stimme den
Heart-Hit «Alone» zum besten. Das klang dermassen gut, dass man es
kaum vom Original unterscheiden konnte und man gerne noch mehr davon
gehört hätte.
Stück/Song: «Boléro» - «Alone».
Lou Gramm
Auf vielfachen Wunsch der "RMC"-Fans trat nun der ehemalige
Frontmann von Foreigner auf die Bühne. Obwohl sein ehemaliger
Bandkumpel und Bandchef Mick Jones die Band (mit Sänger Kelly
Hansen) weiterhin erfolgreich am Leben erhält, geniesst der
Original-Sänger immer noch viele Sympathien. Bezüglich der Songs
konnte man erahnen, welche kommen würden, aber das war eigentlich
bei der
Dichte an Hits unwichtig. Prompt folgte mit «Urgent» bereits einer
der besten Rocksongs der Geschichte, der in der Orchesterfassung
eine gute Figur machte. Die gesangliche Leistung von Lou Gramm, der
seit dem 1997 operierten Gehirntumor nie mehr ganz an sein früheres
Level anknüpfen konnte, konnte sich absolut sehen und hören lassen.
Auch «Hot Blooded» vermochte zu gefallen und beim kultigen
Schmachtfetzen «I Want To Know What Love Is» konnte man mit dem
Orchester und der Band hinten dran eh nichts mehr falsch machen,
grandios! Last but not least liess «Juke Box Hero» so manche
Jugenderinnerung hochkommen und machte einem gleichzeitig bewusst,
wie "alt" man inzwischen geworden ist. Die ersten Standing Ovations
zum Schluss deuteten an, dass diese Darbietung auch das nächste Mal
nicht fehlen darf!
Songs: «Urgent» - «Cold As Ice» - «Hot Blooded» - «I Want To Know
What Love Is» - «Juke Box Hero».
Etwa um 21.10 Uhr verkündete Mat Sinner eine Pause, bevor es dann
mit Les Holroyd, der einen Leadstimme von Barclay James Harvest
(neben John Lees) weiter gehen sollte. Um 21.30 Uhr ging das Licht
im Festsaal wieder aus und die Bühne bevölkerte sich für den zweiten
Teil von «Rock Meets Classic». Und war ich wie auf Nadeln, was jetzt
folgen würde! Der Grund dafür war ein wirklich desaströses Konzert,
das ich von BJH im Juli 2009 unweit meines Wohnortes, nämlich in
Kestenholz anlässlich des Openairs "Sunset at St. Peter" gesehen
hatte. Der gute Les war damals sowas von scheisse, dass ich mich
jetzt kaum getraute hin zu hören. Doch es sollte zur grossen
Überraschung ganz anders heraus kommen!
Les Holroyd
Leute in meinem Alter, also zwischen 40 und 50 Jahren, kennen mit
Sicherheit Songs von Barclay James Harvest und wenn es auch nur ein
einziger ist. Ich habe die Band schon immer gemocht und diese fand ihren
festen Platz bei mir und zwar locker zwischen AC/DC, Deep Purple, Metallica
und so weiter. Wie bei Supertramp verfügten BJH über zwei
Leadsänger, die sich dann irgendwann mal zerstritten und darum ist
aktuell auch John Lees unter dem BJH-Banner unterwegs. Schade
eigentlich, aber Tatsache. Der inzwischen sichtlich ergraute Les kam
gut gelaunt auf die
Bühne
und stimmte gleich «Ring Of Changes» an. Zu meiner Freude sang er im
Vergleich zu dem was ich zuletzt von ihm gehört hatte, ziemlich gut!
Der erfreuliche Ersteindruck wurde danach auch bei «Life Is For
Living» bestätigt. Die Krönung des viel zu kurzen Auftrittes
besorgte eine beeindruckende Version von «Hymn», einer der
bekanntesten BJH-Songs. Der Festsaal wurde nun seinem Namen gerecht
und das Publikum erhob sich zunehmend von den Sitzen. Begeistert
wurden die legendären "Hey"-Rufe lautstark erwidert, sodass man
darob echt eine Gänsehaut kriegte! Das war es..., genau so hatte ich
mir das vorgestellt und eigentlich davon nicht zu träumen gewagt.
Ein sichtlich bewegter Les Holroyd bedankte sich für die bisher klar
lautesten Reaktionen an diesem Abend und auch hier hätte man dem
Briten noch sehr gerne länger zugehört.
Songs: «Ring Of Changes» - «Life Is For Living» - «Hymn».
Marc Storace
Und nun folgte der Grund, warum alle anderen Sänger weniger Songs
performen durften: Marc Storace! Der Krokus Frontmann sprang spontan
für den verstorbenen Freund Steve Lee (R.I.P.) ein. Der ehemalige
Sänger von Gotthard war auf dieser Tour exklusiv für die Schweizer
Konzerte gebucht worden. Es sollte leider nicht mehr dazu kommen.
Mit "unserem" Marc wurde jedoch ein absolut adäquater Ersatz
gefunden,
der
die Lücke wenn nicht schliessen, dann ganz sicher füllen konnte. Für
Krokus eigentlich undenkbar, wurde «Screaming In The Night» als
Opener gewählt und ent-wickelte zusammen mit Band und Orchester eine
zuvor nicht gekannte Stimmung. Der Wechsel zu «Bedside Radio» war
dann fast ein wenig abrupt, aber das Publikum bewies hierzu
bemerkenswerte Mitsing-Qualitäten. Dann kam der schwierigste Part
des ganzen Abends: Marc Storace sang und widmete den Gotthard-Song «Heaven»
dem viel zu früh und so tragisch verstorbenen Ausnahmesänger. Die
gesangliche Anteilnahme konnte man regelrecht fühlen und manch einer
(ich eingeschlossen) bekam dabei feuchte Augen. Marc rang nach dem
Song mit der Fassung und das vollständig erhobene Publikum klatschte
minutenlang. Ein sehr andächtiger Moment, der trotz der vierten
Auflage auf-richtig und nicht aufgesetzt wirkte. Zum Schluss liess
man es dann mit dem Song nochmals richtig krachen, der normalweise
zuoberst in der Setliste steht: «Long Stick Goes Boom»! Alex Beyrodt
schien diesen Klassiker ebenfalls zu mögen und schrammte die Riffs
kraftvoll runter. Die Zeit zerrann wie Schnee an der Sonne und dann
war nur noch einer übrig.
Songs: «Screaming In The Night» - «Bedside Radio» - «Heaven» - «Long
Stick Goes Boom».
Ian Gillan
Deep Purple war ja die erste Band überhaupt, die bereits 1969 das
berühmte "Concerto for Group and Orchestra" in London uraufgeführt
hatte. 1999, also 30 Jahre später wurde das Ganze zum Jubiläum
nochmals reaktiviert und man ging gar auf Tour damit. Die späteren
Ergüsse von Metallica und den
Scorpions
waren also nicht mit dem siebten Weltwunder vergleichbar, sondern
einfach jeweils die eigene Version oder Interpretation dessen, was
Ian Gillan und seine Kumpels schon längst abgehakt hatten. Nun
findet die Geschichte ihre Fortsetzung, denn die heutigen Songs,
also die ab dem 72er Meilenstein «Machine Head» wurden vorher ja nie
mit Orchester dargeboten. Der Auftakt zum Finale mit «Highway Star»
war einfach geil und von jetzt an war Gitarrist Alex Beyrodt wie
elektrisiert und wandelte bei seinen töften Soli auf den Spuren des
"Man in black" Ritchie Blackmore. Gillan, körperlich fit, wenn auch
bald etwas zu hager, gab sich keine Blösse und rundete das eh schon
gute Bild seiner Vorgänger weiter ab. «Strange Kind Of Woman» kam
hammermässig daher und «Perfect Strangers» wirkte mit dem Orchester
noch eindringlicher. Ian's Widmung an Steve Lee (R.I.P.) konnte mit
«When A Blind Man Cries» eigentlich nicht besser zum Ausdruck
gebracht werden. Mit «Black Night» wurden schliesslich die
vorletzten Mitsingkräfte mobilisiert, ehe der finale Schlag mit
«Smoke On The Water» eingeläutet wurde. Dazu kamen nochmals alle
Protagonisten dieses abermals überzeugenden Konzertabends auf die
Bühne und ver-wandelten den Festsaal ein letztes Mal in ein
veritables Tollhaus. Es ist wirklich schade, dass man nicht "sold
out" hat vermelden können, denn die "Rock Meets Classic" Ausgabe von
2011 hätte das klar verdient gehabt. Mal sehen, wie diese Reihe
fortgeführt wird, respektive ob sich das Ganze in dieser Form auch
weiterhin halten kann. In Sachen Besetzung gäbe es da schon noch ein
paar andere Kandidaten.
Songs: «Highway Star» - «Strange Kind Of Woman» - «Perfect Strangers»
- «When A Blind Man Cries» - «Black Night» -- «Smoke On The Water».
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