Was mal als Idee aufkam und flugs in die Tat umgesetzt wurde, hat
sich mittlerweile zu einem festen Event gemausert, der offenbar
immer mehr Zustimmung findet. Die Kombination zwischen Klassik und
Rock ist ja an sich nichts Neues, aber immer eine Frage der
Umsetzung. Fakt ist auch, dass es durchaus ein Zielpublikum gibt,
das notabene mit dieser Musik aufgewachsen ist, respektive diese in
jungen Jahren kennen und lieben gelernt hat. Was liegt da näher, als
eine dezentere, sprich nicht so heftige Form zu suchen, die es gar
fertig bringt, auch laufend mehr junge Fans zu erreichen, die dabei
nicht selten auch ihre Eltern mit im Schlepptau haben. Für mich war
es nach 2010 (am gleichen Ort wie heute Abend) und letztes Jahr in
Basel bereits die dritte «Rock Meets Classic» Night. Abermals (wie
2011) war Deep Purple Frontmann Ian Gillan als quasi Headliner
verpflichtet worden. Begleitet wurde er heuer von Jimi Jamison (Ex-Survivor),
Robin Beck, Chris Thompson (Ex-Manfred Mann's Earth Band) und Steve
Lukather (Toto). Somit fand meine letztjährige, abschliessende
Bemerkung in Sachen Lineup so zu sagen Gehör. Das Ganze wurde
musikalisch wiederum vom gleichen Klassik-Orchester und der Mat
Sinner Band eingerahmt. Mit von der Partie war natürlich auch wieder
Gitarrist Alex Beyrodt, der so zum zweiten Mal allabendlich seinem
Idol Ritchie Blackmore frönen durfte.
Intro / Auftakt mit dem Orchester
Pünktlich um 20.00 Uhr gingen die Lichter in der komplett bestuhlten
und dem Vernehmen nach ausverkauften Halle aus. Das "Bohemian
Symphony Orchestra Prague" unter der Leitung von Bernard Fabunjan
ging in Stellung und brachte erstmal einen Ausschnitt aus Maurice
Ravel's «Bolerò», das fliessend in den Van Halen Smasher «Jump»
überging. Die Leadvocals übernahm ein mir bislang unbekannter Typ
namens Sascha Krebs, der nebst schauspielerischen Fähigkeiten und
Engagements als Sprecher vor allem viel Erfahrung als
Musical-Darsteller hat. Den Guitar Solopart hatte Oliver Hartmann
inne, der nebst seiner eigenen Band ja auch bei Avantasia mit dabei
ist und auf der RMC-Tour somit der Sidekick von Alex Beyrodt sein
durfte. Das Ganze hörte sich soweit noch recht flott an, aber dass
die Wahl des Openers auf «Jump» fiel, überraschte doch etwas. Die
Orchesterversion schlug sich jedoch tapfer und machte Appetit auf
den weiteren Verlauf des Programms.
Songs: «Bolerò» - «Jump».
Jimi Jamison
Die Ouvertüre des Starreigens oblag dem ehemaligen Frontmann von
Survivor, der, wie alle anderen Gäste des Abends, durch Bassist Mat
Sinner angesagt wurde. Als erster Song erklang «Burning Heart», ein
bekannter Hit, der zum Film «Rocky IV» geschrieben
wurde und 1986 in
der Schweiz gar eine Nummer 1 absetzte. Nachdem Jimi seine
Stimmbänder relativ rasch auf Betriebstemperatur bringen konnte,
konnte er seine immer noch tadellose Gesangsstimme voll aktivieren.
«Didn't Know It Was Love» von 1988 kam darauf ebenso gut und das mit
akustischer Gitarre untermalte «The Search Is Over» (1984) liess
keinen Zweifel darüber aufkommen, wie guter Melodic Pop Rock daher
kommen muss. Survivor wurden eigentlich in der öffentlichen
Wahrnehmung lange Zeit auf ihren Überhit «The Eye Of The Tiger»
reduziert. Dabei ging zumindest in Europa etwas unter, was für eine
geile Melodic Rock Band das mal war. Eine weitere Stärke von
Survivor waren/sind Herzschmerz-Balladen vom Feinsten und so eine
brachte Jimi mit «The Search is Over». Zur Überraschung und Freude
des bereits gut gelaunten Publikums kam Herr Jamison von der Bühne
runter und zog singend eine Runde durch den bestuhlten Bereich der
Halle. Als letzter Song kam dann natürlich das allseits erwartete
"Auge des Tigers" (übrigens auf dem Soundtrack von Rocky III zu
finden) und sorgte für den ersten Grossapplaus dieses Events.
Songs: «Burning Heart» - «Didn't Know It Was Love» - «The Search is
Over» - «I Can't Hold Back» - «Eye Of The Tiger».
Robin Beck
Wer dachte, dass die kleine Sängerin mit der grossen Stimme
irgendwie nicht hierhin passt, hatte wohl bloss «First Time», ihren
einzigen, grossen Hit von 1988 im Kopf. In der Tat musste sie
deswegen mit dem Nimbus eines "One Hit Wonders" leben. Die Frau von
House Of Lords Frontmann James Christian hat aber seit 1979 bis 2007
sieben Alben veröffentlicht und dabei mehrheitlich lupenreinen AOR
abgeliefert. Robin kam freudestrahlend und mit aufgesetztem Hut auf
die Bühne und legte mit «Hide Your Heart» ab dem zweiten Album
«Trouble Or Nothin'» (1989) los. Ihre schöne, kräftige Stimme kam
glasklar rüber und ihre Ausstrahlung war echt beeindruckend. Es
folgte «Tears In The Rain» (ebenso von 1989) und auch dieser Song
erfüllte alle Anforderungen an einen schönen Rocksong. Hierzu
schälte sich dann eine gross gewachsene, blonde und sehr nett
anzuschauende Geigerin aus dem Orchester heraus und solierte
zwischen Oliver und Alex. Inzwischen ohne Hut intonierte Robin dann
beim dritten Song bereits ihren Überhit und spätestens jetzt hatten
dann auch die letzten Besucher heraus gefunden, wo sie die Frau Beck
hintun mussten. Hierzu erreichte die Stimmung im Publikum den
Höhepunkt und man hätte sehr gerne noch mehr davon gehabt, doch nach
etwas mehr als nur einer Viertelstunde war das Gastspiel der
sympathischen Amerikanerin auch schon wieder vorbei. Dies kam
eigentlich einer leisen Enttäuschung gleich, denn in Europa hatte
Robin Beck klar mehr Erfolg als in der Heimat einheimsen können.
Songs: «Hide Your Heart» - «Tears In The Rain» - «First Time».
Chris Thompson
Ein guter Teil des Publikums der «Rock Meets Classic» Tour 2012
dürfte sich wohl speziell auf den ehemaligen Frontmann der Manfred
Mann's Earth Band gefreut haben, so auch ich! Und dies sogar
ausgesprochen, denn meine letzte (Konzert-) Begegnung mit Chris geht
zurück bis ins Jahr 1986, wo Manfred Mann und seine Jungs noch das
Hallenstadion in Zürich auszuverkaufen vermochten! Seither hat sich
die unabdingbare Charakterstimme in den letzten Jahren trotz ein
paar Solo-Alben und weiteren Szene Engagements in der öffentlichen
Wahrnehmung eher rar gemacht, wenn man mal von ein paar
Live-Auftritten mit einer eigenen Tourband und den Studio-Credits
für die MMEB-Alben «Soft Vengeance» (1996) «2006» (2004) absieht.
Der Zahn der Zeit nagte augenscheinlich auch an Herrn Thompson, der
aber grundsätzlich sehr fit wie agil wirkte und eigentlich bloss
kein Haupthaar mehr spazieren führt. Bevor dieser nun die Bühne in
Sursee betrat, intonierte das Orchester noch die «Peer Gynt Suite»,
die brav von den Sitzplätzen aus beklatscht wurde. Viel lauter fiel
der Applaus natürlich aus, als Chris vor das Mikrophon trat. Als er
dann aus voller Kehle die bekannte Melodie von «The Voice» anfing zu
singen, schauten sich einige Leute verdutzt an und sagten sich (wie
ich) "hey, das ist doch der Hit von John Farnham"! Chris konnte sich
wohl jeweils ein verstecktes Grinsen nicht verkneifen und nahm
gleich nach dem Lied Stellung dazu, indem er die allgemeine
Verwunderung sogleich auflöste. Wer sich über diesen Song wundere,
den doch John Farnham vor langer Zeit (1986) mal gesungen habe,
nehme zur Kenntnis dass dieser eben aus seiner Feder stamme! Als
dann Keyboarder Jimmy Kresic das bekannte Orgel-Intro von «Davy's On
The Road Again» anfing zu spielen, musste man bloss noch die Augen
schliessen und hatte sofort das legendäre MMEB-Album «Watch» von
1978 vor dem geistigen Auge. Da kamen gleich wohlige Erinnerungen an
manche Jugend-Disco auf, und der gute Chris hatte es voll drauf,
zappelte auf der ganzen Bühne rum und trieb sein Publikum
fortwährend an. «Blinded By The Light» animierte zum Mitsingen und
Alex Beyrodt lieferte ein paar feine Soli dazu ab. Kaum war der
Kult-Sänger auf Betriebstemperatur, verkündete der legendäre
Rausschmeisser «The Mighty Quinn» leider bereits das Ende des Parts
mit Chris Thompson. Knapp an Zeit, aber hammergeil. Danach gab es
eine Pause von rund 30 Minuten, die an sich nicht zwingend nötig
gewesen wäre, aber kollektiver Harndrang und aufmunitionierte
Verpflegungsstände begrüssten diese.
Songs: «The Voice» - «Davy's On The Road Again» - «Blinded By The
Light» - «The Mighty Quinn».
Steve Lukather
Ob nun mit seiner angestammten Band Toto oder als Solo-Künstler ist
Gitarrist Steve Lukather, der übrigens auch über eine tolle
Gesangsstimme verfügt, ein Schwergewicht der Szene. Darum gebührte
ihm der Platz als Co-Headliner dieser Tour ohne Wenn und Aber. Dass
ihm in den letzten Jahren seine Solo-Sachen eher mehr Freude
bereitet haben als zum ungezählten Mal die immer und immer wieder
geforderten Toto-Hits zu spielen, war hier und jetzt kein Thema. Es
war sehr wohl klar, was die Leute bei «Rock Meets Classic»
erwarteten und sie kriegten es auch! «Rosanna» als grammygekrönter
Blockbuster machte den Anfang und dass der etatmässige Primal Fear
Shouter Ralf Scheepers, der sonst brav im Chörlein (unter anderem
mit Amanda Somerville) stand, die Zweitstrophen sang, war alleine
schon ein Bild für die Götter! Mit George Harrison's «While My
Guitar Gently Weeps» konnte Steve dann noch sein instrumentales
Können als Gitarrist aufblitzen lassen und spielte einfach
traumhaft. Dieser bekannte Song wurde ja schon vielen anderen
Musikern wie Carlos Santana, Eric Clapton, Jake Shimabukuro (auf der
Ukulele!!) oder von The Travelling Wilburys interpretiert. Bei
Letzteren spielte ja Prince mal live mit und lieferte ein
unglaubliches Solo ab. Oliver bediente
dann auch eine akustische
Gitarre, während Amanda derweil noch Lead-Vocals beisteuerte. Bei «Africa»
gab es dann kein Halten mehr auf den Sitzen und plötzlich stand die
Halle wirklich Kopf. Steve Lukather machte dabei gute Miene zum
"Bösen Spiel" und zockte die Toto-Evergreens mit Spass und Freude
runter. Auch wenn es die Band Toto ja offiziell nicht mehr gibt,
wurden noch Live-Auftritte absolviert, zuletzt im Sommer 2011. Das
Interesse an und die Beliebtheit von Toto sind immer noch deutlich
zu spüren. Die Amis hatten ja den Ruf, bei ihren Konzerten so präzis
zu spielen, dass man kaum von der Studio-Version abwich und dazu den
perfekten Sound ablieferte. «I'll Be Over You» als exzellente
Zuckerballade aus der Mitte der 80er hörte sich zusammen mit dem
Orchester schlicht grandios an und war eine perfekte Hommage an die
Liebe und das Verliebtsein. Gerade bei dieser Musik von Toto war die
Verschmelzung mit dem Klassik-Orchester optimal und man hätte so
noch manchen, weiteren Hit gerne gehört. Doch die Zeit war begrenzt
und darum markierten die ersten Piano-Klänge von Jimmy Kresic und
dem unsterblichen Riff von «Hold The Line» bereits den Höhepunkt und
Schluss zugleich. Die Stimmung hierzu war ausgelassen und es wurde
auch kräftig mitgeklatscht. Die weiblichen Leadvocals bestritt die
rassige Tiffany Krikland, die, wie Amanda Somerville, auch schon
letztes Jahr mit dabei war. Der eigene Auftritt von Steve Lukather
war nun vorbei, doch er sollte schon bald wieder auf der Bühne
stehen.
Songs: «Rosanna» - «While My Guitar Gently Weeps» - «Africa» - «I'll
Be Over You» - «Hold The Line».
Ian Gillan
Man hält es fast nicht für möglich, aber im kommenden Sommer wird
der Frontmann von Deep Purple 67 Jahre alt und dann werden es
unfassbare 40 Jahre (!!) her sein, seit in Tokyo Aufnahmen für eines
der bekanntesten und besten Live-Alben ever, nämlich «Made In Japan»
ent-standen. Deep Purple begleiten mich schon seit meiner Jugend,
sind meine erklärte Lieblingsband und hätte mir jemand im Juli 1985
im Hallenstadion bei der Reunion-Tour den heutigen Tag voraus-gesagt,
hätte ich das sicher nicht geglaubt. Und nun stand ich also da und
durfte mit meiner Kamera Tuchfühlung zu einem meiner
Lieblingsmusiker aufneh-men. Das war schlicht "priceless" und wird
dereinst mal, sollte ich meine eigenen Memoiren verfassen, mit
Bestimmtheit erwähnt. Ian Gillan sah man sein Alter indes überhaupt
nicht an, präsentierte sich rank und schlank und war top drauf. Auch
das gesamte Orchester war nach dem zuvor intonierten Intermezzo mit
«Childs Anthem» wieder bereit und die beiden Gitarristen, im
Speziellen Alex Beyrodt, waren ebenfalls ready, und so wurde der
Headliner-Lokomotive mit «Highway Star» tüchtig eingeheizt.
Natürlich höre ich die Band lieber alleine, aber Deep Purple haben
ja unlängst in Montreux wieder demonstriert, dass sich ihre Musik
überzeugend mit einem klassischen Background umsetzen lässt. In
diesem Genuss kam auch das «RMC-Publikum in Sursee. Mit «Knocking In
Your Backdoor» und «Perfect Strangers» folgten zwei Klassiker, die
ebenso gut in Szene gesetzt wurden. Allerdings waren die künstlichen
Synthie-Klänge von Jimmy Kresic meilenweit von einer echten Hammond
entfernt, doch damit musste man halt leben. Ian Gillan's Stimme war
an diesem Abend in guter Form und er bestens gelaunt. So witzelte er
jeweils etwas herum und verabreichte den Fans ein Müsterchen seines
britischen Humors. Doch lieber hörte man ihn singen und das gelang
mit der Kult-Ballade «When A Blind Man Cries» vorzüglich. Alex
Beyrodt durfte hierzu dann ein weiteres, feines Solo anbringen. Mein
persönliches Highlight war allerdings klar «Woman From Tokyo», wo
ich zu geschlossenen Augen und Millimeter-Gänsehaut in andere
Sphären abdriftete. Überhaupt einer meiner Lieblingssongs von Purple,
der live in voller Länge erst in der Ära Steve Morse ab 1995
Tatsache wurde. Ritchie Blackmore spielte auf der 93er-Tour jeweils
nur den Anfang und ging dann immer über zu «Paint It Black». Auch
wenn der "Man in Black" nicht leibhaftig zugegen war, so verströmte
Alex dessen Spirit mit entsprechenden Posen und Soli in rauen
Mengen. Zu «Hush» war dann definitiv der Bär los in der Stadthalle
und manch ein anwesender Fan von Gotthard wird sich dabei wehmütig
an die letzte Tour mit Steve Lee (R.I.P.) erinnert haben, als dieser
Song am gleichen Ort performt wurde. Nicht fehlen durfte zum Schluss
natürlich der Jahrhundert-Smasher «Smoke On The Water», zu dem sich
alle Protagonisten des heutigen Konzert-Abends gemeinsam auf die
Bühne begaben und aus voller Kehle mitsangen. Steve Lukather spielte
dabei die Leads und es fiel mir sofort auf, dass er das Hauptriff,
wie es Herr Blackmore seinerzeit vorgemacht hatte, mit zwei Fingern
zupfte und das Ganze deshalb genau so daher kam, wie es musste. Das
Fazit zum Schluss fiel überraschend positiv aus und das Fortbestehen
dieses erfolgreichen Events hängt nun ganz davon ab, ob sich künftig
weitere Acts mit entsprechendem Palmares finden werden.
Songs: «Highway Star» - «Knocking At Your Backdoor» - «Perfect
Strangers» - «When A Blind Man Cries» - «Woman From Tokyo» - «Hush»
- «Smoke On The Water».
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