Die Ankündigung dieses Events war noch Ende letzten Jahres
aufgetaucht und weckte sogleich mein Interesse. Allerdings konnte
ich mir das Ganze zu Beginn nicht richtig vorstellen. Darüber hinaus
setzte ich ein mindestens mittleres Fragezeichen zum ehemaligen
Foreigner Frontmann Lou Gramm, der längere Zeit gesundheitlich
ziemlich angeschlagen war. Das letzte Solo-Werk der Lou Gramm Band
bestätigte zudem überdeutlich, dass die kreativen Höhenflüge
definitiv der Vergangenheit angehören. Für heute Abend war das
Programm dann mehr oder weniger gesetzt, sprich es würden wohl
jeweils ein paar altbekannte Hits wie Heuler zum Besten gegeben.
Überraschenderweise zeigte sich Lou dazu in soweit recht guter Form!
Weniger motiviert schien mir Dan McCafferty zu agieren, während sich
Bobby Kimball kaum eine Blösse gab. Nebst dem klassischen Orchester
aus Prag stand auch noch eine richtige Band auf der grossen Bühne
der Stadthalle, dessen musikalischer Leiter kein Geringerer als
Primal Fear/Sinner Bassist Mat Sinner war und von seinem
Band-Kollegen Henny Wolter begleitet wurde. Wenn das kein Grund zur
Freude war?!!
Dan McCafferty (Nazareth)
Die überaus gut gefüllte und komplett gestuhlte Halle (!) war
bereit, als der Frontmann von Nazareth die Bühne nach der Ansage von
Mat Sinner mit ein paar Minuten Verspätung betrat. Das Intro (Toto's
«Childs Anthem») wurde vom "Bohemian Symphony Orchestra Prague"
(Leitung Philipp Maier) als Erstes gespielt, ehe es dann fliessend
in den Opener «Dream On» überging. Das mutete für den
Verfasser
dieser Zeilen allerdings ziemlich komisch an, denn so hat bisher
wohl noch keine einzige Naz-Show angefangen! Doch der heutige Abend
stand ja unter dem Motto «Rock Meets Classic», was das Ganze
natürlich veränderte. «Hair Of The Dog» kam danach etwas
"schmissiger" daher, wenn man das so sagen darf. Das Publikum
applaudierte brav und Dan, der jedoch irgendwie neben den Schuhen
stand und reichlich unmotiviert wirkte, kalauerte derweil noch ein
wenig herum. Erst bei «Love Hurts» wachte die Halle zumindest ein
Stück weit auf und es war mindestens ein Anflug von Stimmung
auszumachen. «This Flight Tonight» geriet anständig und war klar das
Highlight des ersten Gaststars des Abends. Ein kurzer Blick auf die
Armbanduhr verriet darauf, dass gerade mal erst eine knappe, halbe
Stunde vorbei war. Also kaum war das Publikum "warm", gehörte der
erste Teil bereits zur Geschichts-schreibung. Soundmässig war es, wie
bereits erwähnt, nicht gerade heftig, dafür aber transparent und
ausgewogen. Die RMC-Band steuerte derweil und deutlich gedämpft den
elektrischen Part bei, was aber insgesamt ganz gut klang. Von etwas
weiter hinten betrachtet, offenbarte sich die grosse Bühne dann erst
so richtig und auch das üppig eingesetzte Licht hinterliess ein
tolles Bild. Als sich die dicken Trockeneis-Schwaden am Schluss
wieder verzogen hatten, war die Reihe am zweiten Sänger des Abends.
Setliste: «Intro (Orchestra)» - «Dream On» - «Hair Of The Dog» -
«Holiday» - «Love Hurts» - «This Flight Tonight».
Bobby Kimball (Toto)
Hinterliess sein Vorgänger gerade eben ein weitgehend emotionsloses
Bild, spürte man bei Bobby Kimball von der ersten Sekunde an, dass
er voll da war. Nach dem Intro folgte mit «Girl Goodbye» gleich eine
fetzige Nummer und ich musste mir eingestehen, dass ich den Song
nicht auf Anhieb erkannte. Sprich auch nicht wusste, dass dieser,
wie der Smasher «Hold The Line», auf dem legendären 78er Debüt-Album
von Toto zu finden ist. Bobby performte indes ebenso fünf Songs in
seinem Solo-Teil und riss das Publikum locker mit. Nebst der
superben Stimme glänzte auch sein zwischenzeitliches Piano-Spiel und
liess einen mindestens teilweise den unverwüstlichen Sir Elton John
in Erinnerung rufen. Da Mastermind Steve Lukather (g) die Band Toto
2008 ja offiziell aufgelöst hat, sind viele Leute seither quasi auf
Live-Entzug und deshalb bekamen die eingefleischten Fans der
einstigen Supergroup natürlich auch die beiden Riesen-Welthits «Rosanna»
und «Africa» zu hören. Ergänzend zum Orchester und der Band standen
noch drei Background-Sängerinnen auf der Bühne, unter ihnen Amanda
Somerville, die bekanntlich bei Avantasia und Epica mitgewirkt hat.
Somit präsentierte sich dieser Bereich ebenso professionell wie der
Rest der anwesenden MusikerInnen. Wie so oft bei gestuhlten Events,
braucht es den entscheidenden Moment, bis sich die ersten Leute, vom
Rhythmus angesteckt und klatschend, erheben. Einer "La-Ola-Welle"
gleich stand auch heute Abend plötzlich alles auf den Füssen und wer
dann noch was vom Geschehen auf der Bühne mitkriegen wollte, musste
zwangsläufig mitziehen. Bobby nahm diese Reakionen natürlich mit
Freude auf und tat alles dafür, dass dies möglichst lange so blieb.
Das Highlight, nämlich «Hold The Line», folgte natürlich erst am
Schluss und trotz Orchester lag das Ganze ziemlich nahe am Original.
Henny Wolter freute sich derweil sicher auf das bekannte Hauptriff,
wo er wenigtens ein paar Mal richtig in die Saiten hauen konnte. Leider
war danach schon Schluss und mancheiner hatte sich wohl wehmütig
gewünscht, diese zeitlosen Songs nochmals von der echten Band hören
zu können.
Setliste: «Intro» - «Girl Goodbye» - «Rosanna» - «I Will Remember/I'll
Be Over You» - «Africa» - «Hold The Line».
Und nun gab es eine kurze Pause von etwa 15 Minuten, die es aber
eigentlich nicht wirklich gebraucht hätte. Die Standbetreiber mit
den
Esswaren und Getränken sahen das freilich anders und erfreuten
sich am fliessenden Geldstrom der fleissig anstehenden Leute. Ein
Gong wie man ihn vergleichsweise vom Kino her kennt, lockte das
Publikum schliesslich wieder zurück an seine Plätze. Kaum hatte sich
das Gewusel gelegt, war "Ladies Time" angesagt. Die drei Mädels,
sonst immer dezent im Hintergrund agierend, begaben sich jetzt nach
vorne an den Bühnenrand und zelebrierten mit «Alone» eine der
besseren Nummern von Heart und stiessen mit ihrer stimmlich
powervollen Darbietung auf helle Begeisterung. Da wäre locker noch
mehr drin gelegen, aber das Programm war gesetzt und die Fans von
Foreigner in freudiger Erwartung. Dass nun eigentlich der Höhepunkt
anstand, war aber nicht voraussehbar und durfte deshalb als dicke
Überraschung des Abends verbucht werden.
Lou Gramm
Und nun war ich wirklich gespannt wie ein Flitzebogen, denn seit Lou
Gramm 1990 das erste Mal und 2003 (nach dem Comeback von 1994) das
zweite Mal bei Foreigner ausstieg, gehörte die alte Besetzung
definitiv zur Musikgeschichte. Die aktuelle Formation, wo
Gitarrist/Sänger Mick Jones noch das einzig verbliebene Ur-Mitglied
markiert, erfreut sich mit dem brillanten Ex-Hurricane Sänger Kelly
Hansen am wieder gewonnenen Interesse von alten wie neuen Fans.
Nachdem sich Lou Gramm mitte der 90er einer schweren
Hirntumor-Operation unterziehen musste, erholte er sich recht gut
davon und begleitete seine alte Band nochmals zu einer letzten
US-Tournee, eher er sich dann ab 2004 seiner Solo-Karriere widmete.
Diese kam aber nicht wirklich in die Gänge und das letztjährige,
selbstbetitelte Comeback-Album war bis auf wenige Ausnahmen weit weg
von dem, was dieser Klasse-Sänger mal ablieferte. Dazu kommt noch
das ganze, christliche Gedöns, welches vor allem textlich Spuren
hinterlässt und auf Dauer schlicht nervt. Klar hat der Mann ein
zweites Leben geschenkt erhalten, was aber mehr dem fähigen
Chirurgen als dem lieben Gott zu verdanken ist. Sichtlich gelitten
und medikamentös bedingt hat aber die einst so charakteristische und
schneidige Stimme. Leider muss man sagen, aber Lou machte wenigstens
das Beste draus und startete mit einem vertretbaren «Cold As Ice»,
dem das Intro von «Urgent» voraus ging. Da natürlich auch Herr Gramm
"nur" fünf Songs vortragen durfte, folgte im Anschluss mit «Waiting
For A Girl Like You» eine der besten Balladen die je geschrieben
wurde und in meiner Jugend einige Male von Bedeutung war. Während
die gesangliche Leistung hier wirklich ansprechend war, offenbarte «Juke
Box Hero» deutlich, was heute nicht mehr geht. Die in diesem Rahmen
halt arg gedämpfte Version rettete den Sänger jedoch vor allfälligem
Ungemach. «Dirty White Boy» und «I Wanna Know What Love Is», die
wohl schönste Liebes-Ballade der Welt, sorgten derweil für einen
auch applausmässig versöhnlichen Abschluss und zeigten vor allem
einen gut gelaunten Lou Gramm, dem dieser Auftritt sichtlich Spass
bereitete. Kaum von der Bühne runter, sollte er für das Finale bald
wieder zurück kehren.
Setliste: «Intro Urgent» - «Cold As Ice» - «Waiting For A Girl Like
You» - «Juke Box Hero» - «Dirty White Boy» - «I Wanna Know What Love
Is».
Finale (Dan McCafferty/Bobby Kimball/Lou Gramm)
Den drei berühmten Tenören Plácido Domingo, Luciano Pavarotti (R.I.P.)
und José Carreras gleich, kamen die drei Herren nochmals gemeinsam
auf die Bühne zurück und intonierten das Schluss-Medley, das mit «Razamanaz»
(Nazareth) begann, in «I'll Supply The Love» (Toto) überging und
schliesslich mit «Hot Blooded» endete. Dazu gaben alle Akteure auf
der Bühne nochmals alles, die Effekt- und Light-Worker tat es ihnen
gleich und hüllten die Stadthalle ein letztes Mal mit vollem Sound
und opulentem Licht ein. Die Netto-Spielzeit von 90 Minuten war für
so einen Event allerdings eher etwas knapp bemessen, aber das
Grundkonzept könnte sich durchaus für weitere Veranstaltungen dieser
Art empfehlen. Lassen wir uns also überraschen, wer die nächsten
drei Herren zwischen 50 und 60 Jahren sein werden, die dafür
gewonnen werden können! Wie wäre es mal mit David Coverdale
(Whitesnake), Robert Plant (Led Zeppelin) und Steven Tyler (Aerosmith)?
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