Die Open-Air Saison war bis anhin eine regnerische
Angelegenheit. Versoff doch zum Beispiel das Sonisphere in Luzern am
Freitag völlig im Regen und trübte den Auftritt von Iron Maiden. Die
Regenmassen liessen den Boden in der Innerschweiz am folgenden
Samstag sehr matschig erscheinen. Dies hielt aber einige Fans nicht
davon ab, sich förmlich in der braunen Sauce zu suhlen. Auch das
«Rock The Ring» musste am Freitagabend kurzzeitig unterbrochen
werden, als die Regenmassen den Auftritt von Queen beeinträchtigten. Am
Samstag schien durchwegs die Sonne, ausser dass Petrus nochmals
kurzzeitig bei der Show von Europe seine Blase entleeren musste. Die
freitäglichen Regengüsse liessen meine Karre am Samstag dann
gleich mal absaufen, als ich auf den Parkplatz, sprich die Wiese,
eingewiesen wurde. Schnell eilten aber Festivalbesucher herbei und
halfen, meine Familienkarosse aus dem Dreck zu befreien. An dieser
Stelle herzlichen Dank an die unbekannten Heinzelmännchen!
Ansonsten blieb aber der Samstag, wie schon erwähnt, fast
regenfrei und liess die 10'000 Besucher mal locker eine tolle Party
feiern.
Tempesta
Der zweite Festivaltag wurde von den helvetischen Tempesta eröffnet.
Nun ja, nicht ganz, denn vorher stand Manu Burkart vom Duo Divertimento
auf der Bühne und kündete die Truppe an, bei welcher er wenig später
sogar selber in die Saiten griff. Manu ist nicht nur ein
ausgezeichneter Entertainer und Komiker, sondern auch eine kleine
Wildsau auf der Bühne («Hinwil!!! Düredräie!!!!!!»). Der
Unterhaltungswert wurde jedenfalls sehr gross geschrieben. Ansonsten
rockten Tempesta flott nach vorne los. Auch wenn das Material nicht
das Level oder die Hitdichte von den nachfolgenden Shakra, Gotthard
oder Krokus erreicht, um mal bei den einheimischen, musikalischen
Vergleichen zu bleiben, so wippte das Standbein beim Publikum artig
mit. Ob Tempesta nun eine Truppe für die grosse Bühne ist, muss
jeder für sich selber beantworten. Zumindest in einem Club kann der
Vierer durchaus über sich hinaus wachsen. Im Vergleich mit den
nachfolgenden Truppen wurde aber sehr schnell deutlich, wieso
Tempesta diesen Tag eröffneten.
Shakra
Was danach folgte glich einem kleinen Heimspiel. Satz, Game, Sieg!
Shakra rockten Hinwil und Hinwil liess sich von den Emmentalern
rocken. Man kann über den Spruch "Hinwil, ihr sid huere geil!"
denken was man will, für die einen ist die Aussage von Sänger Mark
Fox das ultimative Evangelium, für die anderen nach dem zweiten Mal
peinlich. Eins ist aber sicher, dass diese Message aus dem Herzen
kommt und den nach wie vor bei seinen Ansagen fast scheu
erscheinenden Shouter sehr ehrlich rüberkommen lässt. Wie auch beim
Foto, welches er mit seinem Handy machte… Facebook lässt grüssen.
Fakt ist aber auch, dass Mark der nach wie vor beste Sänger für das
Quintett ist. Mit seiner leicht krächzenden Stimme verkörpert er den
Rock'n'Roll wie kein anderer und verleiht Liedern wie «Hello»,
«High Noon», «Trapped», «Wild And Hungry» oder «Rising High» das
passende Flair. Optisch gesehen war es nicht nur Mark, der sehr viel
auf dem Laufsteg ins Publikum zu sehen war, sondern auch Dominique
Pfister am Bass, der mit
seiner
Performance immer mehr Platz für sich beansprucht. Etwas zurückhaltender als
auch schon präsentierte sich Rhythmusgitarrist Thomas Muster, der
aber mit einem breiten Grinsen auf der Bühne stand und den Auftritt
sichtlich genoss. Ebenso wie Thom Blunier, der seine Leads in die
Nachmittagssonne haute und mit seinen Grimassen, sowie den
solistischen Darbietungen zusätzliche Dramaturgie verlieh. Roger
Tanner war derweilen das, was er immer ist. Ein verdammtes Uhrwerk
an seinem Drum. Shakra spielten in meinen Augen viel zu früh,
nutzten aber ihre Spielzeit für einen wahrlich sensationellen Gig
und boten einen sehr interessanten Querschnitt ihrer Karriere, bei
dem vier Tracks des neuen Album «High Noon» gespielt wurden. Über der
Truppe thronte der grosse Eulen-Kopf des letzten Werks und
überwachte diesen in die Geschichtsbücher eingehenden Gig. Alleine der
Applaus nach «Ashes To Ashes» und «Trapped» war Beweis genug für die
Bedeutung dieses Konzertes.
Setliste: «Hello» - «Nothing
To Lose» - «Raise Your Hands» - «High Noon» - «Life Is Now» - «Ashes To
Ashes» - «Trapped» - «Wild And Hungry» - «Rising High»
Uriah Heep
Nach Shakra erschien es mir extrem schwer, den Publikumsjubel auf dem
gleichen Level zu halten. Auch wenn der Erfolg Shakras nicht erreicht
wurde, so wollten unzählige das Set der englischen Hardrocker
geniessen. Dass dabei das Durch-schnittsalter der Besucher gleich mal
in die Höhe schoss, war ebenso klar, wie dass Uriah Heep mit «Lady In
Black» einen unsterblichen Klassiker spielen würden. Die alten
Herren hatten sichtlich Spass, allen voran der kanadische Sänger
Bernie Shaw, der mit einer unglaublichen Ausstrahlung die Stage
betrat und mit seiner sympathischen Art alle auf seine Seite zog.
Die Setliste hatte es auch bei Uriah Heep in sich. Der Fünfer baute
neue Lieder des letzten Albums «Outsider» ein und verband diese mit
zahlreichen Klassikern der Heep-Geschichte. Ob dann bei «July
Morning» Bernie ganz vorne auf dem Laufsteg sass und den Text sang,
Gitarrist Mick Box mit seinen magischen Händen auf oder über den
Saiten wandelte, Keyboarder Phil Lanzon nicht nur mit seinen
Backingvocals glänzte, Bassist Dave Rimmer optisch fast wie ein
Fremdkörper wirkte und besser in eine Sleaze-Band passen
würde
oder Trommler Russell Gilbrook sein Schlagzeug fast zu Kleinholz
zertrümmerte, über all dem stand nur eines: S.P.A.S.S.!
«Wollen sie alle mit uns singen? Fantastisch!» fragte der Kanadier
mit leichtem britischen Akzent, fehlerlosem Deutsch und breiten
Grinsen das Publikum, um dann in den wohl grössten Klassiker
einzusteigen. «Lady In Black» wie auch «Easy Living» beendeten eine
extrem tolle Show, bei der leider der Sound leider zu dumpf aus den Boxen
kam und so dem Konzert das Flair raubte. Trotzdem zeigten die alten
Herren allen Jungspunden, wie man Hardrock richtig spielt, was die
elementaren Teile zu einem erfolgreichen Gig sind und wie man das
Publikum beherzt in die Show miteinbezieht. Nach der Show von Uriah
Heep zogen neun Pilatus Porter PC-7 ihre Kreise am Himmel und
überzeugten mit einer absolut tollen Flugshow die Besucher des Rock
The Rings.
Setliste: «Gypsy» - «Look At Yourself» -
«The Law» - «Sunrise» - «Stealin'» - «One Minute» - «July Morning» -
«Lady In Black» - «Easy Livin'».
Shinedown
Mit Shinedown änderte sich die musikalische Richtung schlagartig.
Man ging weg vom traditionellen Rock und räumte der neuen Härte den
Weg frei. Analog wie letztes Jahr mit Five Finger Death Punch, wurde
nun mit einer Mischung aus
melodischer
Härte und modernen Sounds gerockt und das Publikum, speziell das
Jüngere, begeistert. Was in den Staaten auf einer Erfolgswelle
reitet, scheint sich auch in Europa zu bestätigen. Trotzdem, es
reicht nicht aus, wenn Sänger Brent Smith mit einem unzerstörbaren
Charisma versucht, ruhig auf der Bühne zu stehen. Dies bleibt
alleine Gene Simmons von Kiss und Tom Araya von Slayer vorbehalten
mit einer solchen Aktion, Riesenfanreaktionen einzuheimsen. Auch
wenn Brent wie ein zum Sprung bereiter Panther auf der Bühne steht,
sich mit einem erhabenen Grinsen der Reaktionen des jungen Publikums
bewusst ist, beim älteren Semester verliert dies eindeutig an
Durchschlagskraft. Ebenso wie auch die Songs, die in meinen Ohren
mit zunehmender Spielzeit völlig austauschbar und monoton wirkten.
Auch wenn ich mit meiner Meinung vielleicht sehr alleine dastehe,
aber die Faszination für die Band hat mich absolut nicht gepackt und
ich bin mir sicher, dass ich so schnell keine Show von Shinedowm Show mehr
erleben werde.
Europe präsentierten dann, was man sich von den
Schweden erhoffte. Eine Hammershow von einer der besten Live-Bands.
Dies insbesondere dank der erneut starken Performance von Sänger
Joey Tempest, der über die ganze Bühne sprintete, dabei immer wieder
mit Bassist John Levén sowie Gitarrist John Norum poste und wie in den
guten alten 80er-Jahren seinen weissen Mikrofonständer um die
eigene Achse wirbelte. Auch wenn der Sound im Vergleich zu Shinedown
schon fast dünn erklang, spürte man die unglaubliche Magie von
Mister Norum, wenn er in die Saiten greift. Er war noch nie der
grosse Entertainer, sondern hält sich lieber im Hintergrund auf.
Dort ist sein Platz bei all seinen Effektgeräten und Pedalen, die er
für seine unglaubliche Leistung braucht. Ist es das fantastische
Solo beim aus allen Kehlen laut mitgesungenen Smash-Hit «The Final
Countdown», das rockige fette Riff bei «Hole In My Pocket», die
fast schon metallischen Parts bei «Wasted Time» oder die rockigen
Elemente bei «Days Of Rock'n'Roll», John begeisterte alle. Von jung
zu alt, vom Rocker zum Thrasher oder vom Männlein zum Weiblein. Er
ist einer der letzten, wahren Gitarren-Helden, der aber nie an
seinem Ego scheitern würde, sondern seine Genialität songdienlich
allen
zur
Verfügung stellt. «Grüezi zäme», begrüsste Joey das Publikum, das
kollektiv auf den Auftritt von Europe wartete. «Händers guet?»,
wollte Mister Tempest in fast akzentfreiem Schwyzerdütsch vom
Publikum wissen und das laute Geschrei liess grundsätzlich nur eine
Antwort zu. JA!
Die Setliste bestand zu einem grossen Teil
aus dem erfolgreichsten Album der Nordländer. Logisch, denn mit
«Rock The Night», «Cherokee» und dem Titelsong von «The Final
Countdown» kann man nichts falsch machen, und wohl jeder schien die
dazugehörenden Riffs oder Refrains in- und auswendig zu kennen. Dass
Europe aber weitaus mehr zu bieten haben, als nur auf den Keyboards
aufgebaute Evergreens zu spielen, beweist das Quintett schon seit
Jahren. Alleine eine schwere Nummer wie «Last Look At Eden» oder der
harte Opener «War Of Kings» zeigen die ehemals falsch betitelten
Plüschrocker in der Welt beheimatet, die sie schon mit den ersten
beiden Werken betraten. Kerniger Hardrock, der auf tollen Melodien
aufbaut und mit vielen kleinen Finessen bestückt ist. Auch wenn der
Regen wieder einsetzte, tobte Joey über die Bühne und kaum jemand
verliess seinen Platz vor der Stage. Grinsend nahm dies Joey mit
dem Bewusstsein zur Kenntnis, dass er sich auf die Europe-Fans
verlassen kann. Für Mister Tempest war es auch nicht irgendeine
weitere
Show, sondern eine, bei der er um jeden Besucher kämpfte und nicht
ruhte, bevor der letzte Ton gespielt war. Mit «Enjoy the Scorpions!
Thank you! Beautiful! God bless you and see you soon!»,
verabschiedete sich ein völlig durchnässter Joey, zusammen mit seinen
Jungs, von der Bühne. Dies war eine Bandleistung in der Keyboarder
Mic Michaeli ebenso wichtig ist, wie Joey und John oder die fette
Rhythmusmaschine mit Mister Levén und Trommler Ian Haugland. Wer das
"Rock The Ring" nicht besuchte, hat am 16. November 2016 die
Möglichkeit, Europe auf ihrer «30th Anniversary The Final Countdown»
Tour zu sehen.
Scorpions Der Headliner an
diesem Samstagabend bot die gewohnt tolle Performance mit einer
unglaublichen Video-Show, die vor, hinter und unter dem Drumriser
von Mikkey Dee das Set wuchtig unterstützte. Mickey Dee? Ja, der
ehemalige Motörhead-Trommler ersetzte James Kottak, der aus
gesundheitlichen Gründen nicht auftreten konnte. Auch wenn James mit
seiner verrückten Art und dem amerikanischen Power-Drumming,
inklusive seiner wilden Show mit seinen Drumsticks bei den Scorpions
schwer weg zu denken ist..., was Mister Dee an diesem Abend bot, war
eine unglaubliche, powervolle und arschtretende Performance. Der
typische Drive und die erneut bemerkenswerte Power wurde nicht erst
bei «Dynamite», «Blackout» oder der
Eröffnungsnummer
«Going Out With A Bang» klar. Auch bei den eher stampfenden Momenten
wie «The Zoo» oder den fetzigeren Teilen von «Big City Nights» und
dem Abschluss «Rock You Like A Hurricane», Mikkey haute mit einem
extrem breiten Grinsen auf sein Arbeitswerkzeug ein, dass man sich
schon fast wünschte, dass er das stechende Spinnentier niemals
verlassen wird…
Ein weiterer Aktivposten war Rudolf Schenker.
Mit seiner Gestik, seinem Grinsen, seinen Sprüngen und seiner
Rastlosigkeit durchlebt der Hannoveraner wahrscheinlich seinen
x-ten Frühling. Seine 68 Lenze sieht man dem Gitarristen kaum an, und
anhand seiner agilen Präsentation geht man eher von einem spritzigen
Mittedreissiger aus. Da bleibt Sologitarrist Matthias Jabs ein
kleines bisschen ruhiger. Der sieben Jahre jüngere Saitenteufel
genoss den Auftritt sichtlich. Selten habe ich Mister Jabs mit einem
dermassen breiten und zufriedenen Grinsen gesehen (was nicht
bedeuten soll, dass er sonst nicht grinst!). Selbst sein
solistischer Ausflug bei «Delicate Dance» war nochmals eine Spur
riffiger, angriffiger und virtuoser und nicht nur deswegen gehört er
in meinen Augen nach wie vor zu den unterbewertetsten
Saitenakrobaten. Sänger Klaus Meine sang erneut auf einem sehr hohen
Level. Seine 68 Jahre sieht man den Shouter eher an als Rudolf.
Trotzdem bewegte sich Klaus sehr viel, animierte unaufhörlich das
Publikum und verkündete nicht ohne Stolz, dass sie damals in der
Krautrock-Zeit niemals damit gerechnet hätten, dermassen erfolgreich
zu werden und dass sie heute auf dieser tollen Bühne vor diesem
fantastischen Publikum spielen könnten. Man lasse es sich auf der
Zunge zergehen… Die Scorpions existieren schon seit fünfzig Jahren,
also somit einem halben Jahrhundert! Somit ist die Truppe
länger im Geschäft, als ich auf der Welt, und wer seit
fünf Jahrzehnten noch immer die Festivals und die grösseren Hallen auf
der ganzen Welt als Headliner besteigt, dem darf man zurecht einfach
mal mit grossem Respekt applaudieren.
Die Show, im Vergleich
zum Auftritt vom 28. November 2015, bot ziemlich das Gleiche
bezüglich der Videosequenzen und der Setliste. Abgesehen davon, dass
das Balladen-Medley und «In The Line Of Fire» dem verkürzten
Zeitrahmen zum Opfer fiel. Dafür bauten die Deutschen mit «No One
Like You» einer ihrer erfolgreichsten Radio-Songs ein. Das Set
wirkte extrem homogen, bot mit dem Drum-Solo eine sehr gute
Abwechslung, was bei Schlagzeugsolos nicht immer der Fall ist und
war logischerweise mit vielen Songs der äusserst erfolgreichen
80er-Zeit gefüllt. Dass dabei halt der eine oder andere Hit über
Bord geschmissen werden musste, ist leider klar. Ganz ehrlich, welche
andere
Band kann es sich erlauben, Klassiker wie «Tease Me, Please Me»,
«Rhythm Of Love», «Bad Boys Running Wild» und Balladen wie «When The
Smoke Is Going Down» oder «Holiday» in der Kiste zu lassen? Eben!
Die Scorpions boten wie gewohnt eine hammergeile Performance mit
vielen passenden Videosequenzen und einer fantastischen Lichtshow.
Zu Recht liessen sich die Herren nach der Show feiern, und auch wenn
die Musiker sicher nicht mehr die Jüngsten sind, diese Leistung muss
ihnen zuerst einmal eine andere Truppe nachmachen!
Setliste:
«Going Out With A Bang» - «Make It Real» - «The Zoo» -
«Coast To Coast» - «Top Of The Bill/Steamrock Fever/Speedy's
Coming/Catch Your Train» - «We Build This House» - «Delicate Dance»,
«Wind Of Change» - «Rock'n'Roll Band» - «Dynamite» - «Drum-Solo Mikkey
Dee» - «Blackout» - «No One Like You» -- «Big City Nights» - «Still
Loving You» - «Rock You Like A Hurricane».
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