Livereview: Roger Waters - The Wall

11. September 2013, Zürich – Letzigrund Stadion
By Liane P. (lia) & Rockslave (rsl) - All Pics by Liane P.

Ganz nach dem Motto „noch grösser und noch spektakulärer“ kam eines der Gründungsmitglieder der legendären Art Rock Formation Pink Floyd zurück nach Zürich, um den Auftritt im Hallenstation von 2011 zu toppen. Roger Waters marschierte (im wahrsten Sinne des Wortes!) gleich mal mit einer gut doppelt so gross aufgebauten Mauer im Letzigrund Stadion ein und lockte knapp 40‘000 Besucher an.


Ich konnte das Spektakel bereits im August diesen Jahres in Frankfurt bestaunen und das aus der zweiten Reihe, direkt vor der Bühne. Dort war der Innenraum der Commerzbank Arena bestuhlt, was für diese Art von Veranstaltung für mich einen absoluten Mehrwert bot. Auch kann diese Arena für jede Wetterlage angepasst werden. Es hätte Katzen regnen können – kein Problem! Das hat das Letzi leider nicht zu bieten. Bei Nieselregen, unangenehmer Kälte und eingeschränkter Sicht im Innenraum, da nicht bestuhlt, war für mich das Erlebnis in Zürich mit dem in Frankfurt nicht zu vergleichen. Aber ich würde mal sagen, das sind Neuzeit Luxus Probleme! Blickt man ins Jahr 1979 zurück, da wurde das Album „The Wall“ ursprünglich veröffentlicht, konnte damals die Liveshow nur an ausgewählten Orten wie zum Beispiel London aufgeführt werden, da die Show viel zu gigantisch gewesen ist. „The Wall“ ist unglaublich komplex und geht über die reine Musik hinaus. Ein Gesamtkunstwerk mit einer tiefgründigen Message. Der mittlerweile 70jährige Roger Waters hatte damals die Idee, eine überdimensionale Mauer zu errichten, um seine Entfremdung zu Gott und der Welt zum Ausdruck zu bringen. Was man hier anhand von Surround-Sound, Musik und Bildern umgesetzt hat, sucht Seinesgleichen. Auch über 30 Jahre später kommt mir nichts in den Sinn, wer oder was der Inszenierung dieses musikalischen Hörspiels das Wasser reichen könnte. Und ja Ihr werdet staunen, dass Liane das sagt: Auch nicht ein Steven Wilson! (lia)



Unverhofft kommt oft besagt ein Sprichwort und das sollte sich heute Abend auch bewahrheiten. Ein paar Stunden zuvor erhielten wir von Metal Factory nämlich eine zweite Akkreditierung, da sich ein Kollege kurzfristig abgemeldet hatte. Das hiess also Liane in Front mit der Kamera und meine Wenigkeit konnte sich zu einem gedeckten Sitzplatz begeben. Das war, in Anbetracht der eher schlechten Wettervorhersage, natürlich absolut chefmässig. Für ein anderes Konzert mit deutlich kleinerer Bühne als der von heute Abend, wäre der Platz, hoch oben rechts im Sektor „A“, nicht wirklich ideal gewesen. Für die Monster-Bühne von «The Wall» hingegen schon, denn so war die Sicht von der Seite her komplett frei! Die Show, die vor zwei Jahren im Hallenstadion stattfand, war schon grandios und ich als mitunter grosser Fan von Pink Floyd schwelgte in anderen Sphären, da es lange Zeit nicht danach aussah, das wohl bekannteste Konzeptalbum jemals live zu sehen. 1980 war es mir nicht möglich…, zu weit weg und viel zu teuer. Gleiches galt für Berlin im Sommer 1990. Dass «The Wall» nun nochmals und mit grosser Wahrscheinlichkeit das letzte Mal überhaupt aufgeführt werden würde, liess ein Fernbleiben keinesfalls zu. Dass es dann in Zürich gerade noch der 11. September, also genau zwölf Jahre nach dem Anschlag in New York war, hinterliess jedoch keine entsprechende Reaktion darauf. Etwa zwanzig Minuten später als angekündigt, also erst gegen 20.20 Uhr ging es los. Dies wohl auch, dass möglichst viele der Zuschauer im Stadion drin waren. Nach einem kurzen Intro «Outside The Wall» ging es dann natürlich mit dem Opener «In The Flesh», dicht gefolgt von «The Thin Ice» und «Another Brick In The Wall (Part I)» los. Mit den grossflächigen Projektionen auf die Wand, die von Anfang an Stück für Stück durch Helfert weiter hoch gezogen wurde, bekam man bald einmal mit, wie gigantisch dieser Aufbau war! Breitenmässig wurde alles ausgenutzt, was das Letzi hergab und dürfte mit Sicherheit die grösste Produktion gewesen sein, die je in der Schweiz unter freiem Himmel aufgebaut worden war. Roger Waters, der fünf Tage zuvor in Düsseldorf seinen 70. Geburtstag feiern konnte, wirkte drahtig und fit. Unterstützt durch eine grosse Begleitband, wurde das Kultalbum von 1979 in seiner ganzen Länge gespielt. Während sich der Sound laufend verbesserte, konnte das Wetter nicht ganz dagegen halten. Der insgesamt zum Glück nur dezent einsetzende Nieselregen tat der Stimmung allerdings keinen Abbruch.

Von mir aus hätte es die Pause eigentlich gar nicht gebraucht, aber das Catering rings herum war sicher nicht unglücklich darüber. Da der von mir mit Mass getrunkene Gerstensaft nicht übermässig auf die Harnblase schlug, respektive drückte, blieb ich schön ruhig auf meinem Plätzchen sitzen und beobachtete völlig relaxed das Gewusel um mich herum. Nach etwa gut 25 Minuten gingen die Lichter im Stadion wieder aus und es folgte der zweite Teil der Monster-Show, die nun wandmässig voll aufgebaut darauf wartete, dass sich etwas tut. Nach dem genialen «Hey You» folgte die nicht minder geile Überleitung «Is There Anybody Out There?» hin zu «Nobody Home», wo sich die Mauer wieder öffnete und Roger Waters in der berühmten kleinen Stube auf einem Sofa sitzt, während im Hintergrund der Fernseher läuft. Überhaupt folgten nun die eigentlich besten Songs von «The Wall», allen voran das grandiose wie unerreichbare «Comfortably Numb», wo Tourgitarrist Dave Kilminster beim Solo erstaunlich nahe auf den Spuren von Ur-Gitarrist David Gilmour wandelte. Nebst der Gänsehaut, die dieser Übersong immer wieder auslöst, fehlten mir hier aber die bombastischen Showelemente, die Pink Floyd zum Beispiel auf der Tour von 1988/1989 zeigten. Nichtsdestotrotz war dies der unbestrittene Höhepunkt, der schliesslich nur noch von «Run Like Hell» aufgewogen wurde. Insgesamt wurde optisch abermals das volle Brett aufgefahren und ich möchte gar nicht wissen, wie viel Strom dieses Konzert letztlich verbraucht hat. Zum Schluss stürzte die Mauer showgerecht ein und gab das Bild auf die ganze Band frei, die sich, akustisch spielend, vom begeisterten Publikum nach rund 110 bis 115 Minuten reiner Spielzeit verabschiedete. Klar wäre das Ganze, zelebriert von der originalen Band noch reizvoller gewesen, aber mit dem Tod von Keyboarder Richard Wright starb 2008 gleichzeitig auch das Ur-Lineup von Pink Floyd und der jahrelange Zwist zwischen den Alphatieren Waters und Gilmour hält leider für die Ewigkeit. Schön war es dennoch und ohne Zweifel geschichtsträchtig. Etwas Vergleichbares wird es so eh nie mehr geben und wer heute Abend dabei war, wird die Erinnerung daran ewiglich behalten und bestimmt nicht in Vergessenheit geraten lassen. (rsl)



Setliste:
Set 1 - «Outside The Wall (Intro)» - «In The Flesh?» - «The Thin Ice» - «Another Brick In The Wall (Part I)» - «The Happiest Days Of Our Lives» - «Another Brick In The Wall (Part II) » - «The Ballad Of Jean Charles de Menezes ("Another Brick in the Wall - Part 2, Reprise")» - «Mother» - «Goodbye Blue Sky» - «Empty Spaces» - «What Shall We Do Now? » - «Young Lust» - «One Of My Turns» - «Don't Leave Me Now» - «Another Brick In The Wall (Part III)» - «The Last Few Bricks» - «Goodbye Cruel World».

Pause: Circa 25 Minuten

Set 2 - «Hey You» - «Is There Anybody Out There?» - «Nobody Home» - «Vera» - «Bring The Boys Back Home» - «Comfortably Numb» - «The Show Must Go On» - «In The Flesh» - «Run Like Hell» - «Waiting For The Worms» - «Stop» - «The Trial» - «Outside the Wall».