Sind wir mal ehrlich: Manowar waren mal gut, richtig gut sogar!
Mit «Battle Hymns», «Kings Of Metal» oder «Hail To England» haben
die Amis in den 80ern unsterbliche True-Metal-Scheiben gegossen, die
an Reinheit und Stahlgehalt selten bis gar nie überboten wurden.
Lange ists her und heute sind die selbsternannten Könige nur noch
ein Schatten ihrer selbst. 2008 ist man sich nun sicher, einen Grund
für diesen Abrutsch gefunden zu haben: der Weggang von Ross The
Boss! Als erster Mann an der Klampfe hat der eher unscheinbare Herr
den Sound und auch das Songwritting von Joey DeMaio's Mannen nicht
wenig mitgeprägt. Mit «New Metal Leader» debütierte dieses Jahr
seine Solo-Kapelle und zwar mit einer Scheibe, die ohne Weiteres als
eines der Highlights dieses CD-Jahres betrachtet werden darf. Um
seinen metallischen Führungsanspruch geltend zu machen begab sich
der Gitarrist Ende November auf Tour und beehrte auch die Schweiz
mit einer exzellenten Saitendarbietung, von welcher man natürlich
auch den einen oder anderen Manowar-Klassiker erwarten durfte. Mit
von der Partie waren dabei Mat Sinner's Sinner, bekannter als
Bassist von den Priest-Jüngern Primal Fear. Die Deutschen machten
dabei Ross The Boss seinen Titel gleich streitig, waren sie im Z7
doch die inoffiziellen Headliner. Und auch wenn an diesem Abend
lediglich 50 Nasen den Weg nach Pratteln fanden, so sorgte dieser
true Doppelschlag mit den Kölnern Gun Barrel als Starthilfe für eine
waschechte Metalparty im kleinsten, intimsten Kreise.
Gun Barrel
Krisenbewältigung auf kölsch: Nachdem man sich mit dem alten Sänger
zerworfen hatte, stellte sich kurz vor Tourbeginn auch der gewählte
Ersatz als nicht zumutbar heraus und so stand man eine gute Woche
vor Abreise ohne Fronter da. Detlef Konrath nennt sich der
Liverettern, der dankenswerter Weise die Kanonengürtel aus dem
Schlamassel zog und einsprang. Dass der Herr also noch das eine oder
andere Mal den Text spicken musste ist also mehr als verständlich
und wurde auch im Z7 von keinem übel genommen. Wie sollte man auch,
wenn sich die Old-School-Biker ansonsten in perfekter Verfassung
präsentierten und trotz Besucherarmut keine Sekunde daran zu denken
schien, Abstriche zu machen. Das Saitenduo Kintgen/Tanzius konnte
die wenigen Anwesenden mit klassischen Posen, Spiel- und
Bewegungsfreude auf seine Seite ziehen und Drummer Toni Pinciroli
dreschte auf seine Felle ein, als gelte es diese in klitzekleine
Stücke zu zerhauen. Hat man dann noch so coole Nummern wie «Mr.
Devil» oder «Outlaw Invasion» (das Titelstück vom gleichnamigen,
aktuellen Langeisen) in petto, so kann auch der eine oder andere
Vorbeisinger von Rettungsboie Konrath die Stimmung nicht trüben. Da
freut man sich doch, dass Gun Barrel auch ihren Abschlusskracher
ernst nehmen und bald wieder durch die Clubs tingeln werden: See you
«On The Road Again»!
Setlist: Front Killers – Roll Of The Dice – Mr. Devil – Fear Of My
Fear – Lonely Rider – Outlaw Invasion – On The Road Again
Sinner
Auch wenn Primal Fear in der Vergangenheit mit Scheiben wie «Black
Sun» (2002), «Devil's Ground» (2004) oder dem aktuellen «New
Religion» (2007) mehr Beachtung einheimsen konnten, so wird für
Blondschopf Mat Sinner wohl immer die seit den frühen 80ern aktive
und nach ihm benannte Kapelle
Sinner den Grossteil seines
Rockerherzens ausfüllen. Erdiger und rifforientierter als Primal
Fear zelebriert Sinner dabei auch als Sänger pursten Heavy Metal mit
Bikerattitüde, was man das Z7 mit dem Titeltrack des aktuellen
Rundlings «Crash And Burn» gleich spüren liess. Auch die Sündiger
liessen sich dabei nicht vom Fanmangel kleinkriegen: Während Mat ans
Mikro gebunden meist nur an einer Stelle posen bzw. Bangen konnte,
flitzte das Klampfenduo bestehend aus Leadgitarrist Henny Wolter und
Christoph Leim über die ganze Bühne und sprang auch schon mal von
Verstärkern herunter. Da die gemeinsame Tour mit Ross The Boss wohl
oder übel ihr Ende nehmen würde, so sollte man richtig feiern. Das
dachten wohl auch Sinner und liessen gleich neben dem Schlagzeug von
Kessler Klaus Sperling ihre ganz eigene Bar aufmachen, die sie und
andere des Tourtrosses mit nicht jugendfreien Substanzen versorgte.
Ausgelassen war also die Stimmung auf der Bühne, genauso aber auch
davor: Nach dem Motto «wenn schon, denn schon!» frassen die
Anwesenden Mr. Sinner aus der Hand, klatschten, sangen, tobten zu
100 % mit, sei es bei neueren Tracks wie «Break The Silence» und dem
mit exzessivem Gitarrensolo ausgestatteten «Heart Of Darkness»
(welches die unbeschäftigten Bandmitglieder kurzerhand für eine
weitere Barvisite nutzen) oder natürlich auch beo älteren
Glanztaten, wie sie mit «Born To Rock» oder dem immer und immer
wieder Laune machenden «Danger Zone» vertreten waren. Dass dabei
noch zwei Damen aus dem Publikum die ganze Show aus einem
ungewohnten Blickwinkel, nämlich von der Bühnenbar aus begutachten
dürfen, ist nur ein weiteres Amuesement neben den üblichen
Singalongs und von einem überfröhlichen Mat vorgetragenen
Plaudereien zwsichen den Songs. Billy Idol's «Rebel Yell» hatten die
guten Sinner schon 1986 auf «Comin' Out Fighting» mit fetten Riffs
unterlegt und auch über 20 Jahre später stellt das Cover einen
gelungenen Schlusspunkt einer ausgelassenen, über 90 Minuten
dauernden Show dar, welche mit dem aktuellen «Revolution» und dem
unverzichtbaren «Germany Rocks» (was in der Version «Pratteln Rocks»
nur mässig funktionierte) dann endgültig der Vergangenheit angehört.
In Sachen Stimmung und Authentizität werden Sinner also wohl immer
Primal Fear den Rang ablaufen, auch wenn Herr Schepers sicherlich
der begabtere Sänger sein mag.
Setlist: Crash And Burn – Connection – Lost In A Minute – Born To
Rock – Break The Silence – Danger Zone – Heart Of Darkness – Knife
In My Heart – The Dog – Judgement Day – Fist To Face – Rebel Yell -
Revolution – Germany Rocks
Ross The Boss
Dass es der true Saitenhexer Ross The Boss darauf schwer haben
würde, mit einer so beschwingten Darbietung mithalten zu können, lag
auf der Hand. Denn auch wenn der unscheinbare Ami in den 80ern
wegweisenden Edelstahl mitschmiedete, seit seiner Trennung von
Manowar 1988 trat Herr Friedmann (so sein bürgerlicher Name)
lediglich mit einigen Gastbeiträgen (u.a.für Majesty und Dawnrider)
ins metallische Rampenlicht. Seine seit Ewigkeiten existierende
Truppe The Dictators konnte das ja nie wirklich erreichen. Dennoch:
Mit der ersten Scheibe seiner Solo-Truppe schickt sich der Boss
wirklich an,
der «New Metal Leader» zu werden – zumindest im
traditionellen, truen Sektor. Stilecht wurde dabei mit pompösen
Intro eröffnet, gefolgt vom energetischen Debü-Opener «Blood Of
Knives». Unterstützt wurde der Ex-Kriegsmann von einer handvoll
deutscher Söldner, die früher unter dem Banner ''Men Of War''
ebengenau seinem alten Arbeitgeber Tribut zollten. Technisch also
einwandfrei dargeboten, fehlte auf der Bühne vor allem eins: Action.
Auch wenn Fronter Patrick Fuchs sowohl gesanglich als auch
performatorisch alles gab, poste, rannte und gestikulierte was das
Zeug hielt, genauso wie Basser Carsten Kettering, so sackte man in
Sachen Bühnenpräsenz doch vernehmlich gegen Sinner ab. Ob dies an
der ersten kurzen Dauer liegt, während welcher Ross The Boss
existieren oder doch die jetzt noch geringere Anzahl Fans sich
bemerkbar machte, bleibt unbeantwortet. Fakt ist jedoch, dass vor
allem der eigentlich im Fokus stehende Ross The Boss himself lieber
am Bühnenrand stand, als mit grossem Trara auf sich aufmerksam zu
machen. Auch wenn dies optisch nicht das Gelbe vom Ei bedeutete, so
kam jeder noch Anwesende zumindest akustisch voll auf seine Kosten.
Songs wie «Death And Glory», «Plague Of Lies» oder das exotische
«Matador» sind schlicht True Metal Hymnen, wie sie Manowar seit
Jahren nicht mehr hinbekommen haben, nämlich angereichert mit einem
Schuss Rock'n'Roll und dem unverzichtbaren Umstand, dass Ross The
Boss sich selbst merklich weniger wichtig nimmt als seine alten
Mitstreiter DeMaio oder Adams. Riffkracher wie «We Will Kill» oder
zum Mitsingen perfekt geformte Spasshymnen wie «May The Gods Be With
You» machten jedenfalls auch dem Publikum Freude und animierten zum
Mitmachen. Dies wiederum liess Mr. Boss allmählich auftauen, sodass
der unscheinbare Ami sich im Verlauf der Show vermehrt an den
Bühnenrand stellte, wenn er seine beeindruckende Fingerfertigkeiten
vom Stapel liess. Die paar Leute, die an diesem Abend mit Manowar-Shirts angereist waren (u.a. aus dem Wallis) kamen dann auch
noch auf ihre Kosten: Mit «Kill With Power» und «Hail To England»
manifestierte Ross unter euphorischen Publikumsreaktionen, dass
weder ein David Shankle noch ein Karl Logan ihm je haben und werden
das Wasser reichen können. Sänger Patrick Fuchs machte dabei eine
eben so grandiose Figur, vermischte den klassischen
Eric-Adams-Gesang mit einer frischen Tobias-Sammet-Färbung und zog
sich so bewundernswert aus einer unmöglich scheinenden Aufgabe, kann
man Erics doch bei aller Legendendestruktion nicht absprechen, einer
der besten Shouter ever zu sein. Da die Uhr zu diesem Zeitpunkt
schon nach 23.00 Uhr stand, wurden die Zugaben bis auf «I Got The
Right»gestrichen. Zu diesem Song gesellte sich dafür noch einmal die
gesamte Tourbelegschaft (ausser Mr. Sinner selber) auf die Bühne und
half mit Backingvocals tatkräftig mit, dieser Doppelheadlinertour
ein denkwürdiges Ende zu bereiten. So fand eine überzeugende, wenn
auch nicht umwerfende Show ihr Ende, die aber Hoffnung für die
Zukunft bringt, dass mit Ross The Boss einerseits wieder Material
auf eine CD gepresst werden wird, welches das Prädikat Manowar
verdient hat und somit die ''echten'' Manowar in Zugzwang bringen
könnte, anstatt Grosstuerei wieder mal an die Musik zu denken.
Tragischerweise dem Rotstift zum Opfer gefallen sind übrigens: «Hail
And Kill» & «Falling One By One».
Setlist: Intro – Blood Of Knives – Death And Glory – Plague Of Lies
– God Of Dying – Matador – We Will Kill – May The Gods Be With You –
Constantine's Sword – Kill With Power – Hail To England – Immortal
Son - I Got The Right
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