Livereview: Ross The Boss - Sinner - Gun Barrel
23.11.08 Z7 Pratteln
by Kissi
Sind wir mal ehrlich: Manowar waren mal gut, richtig gut sogar! Mit «Battle Hymns», «Kings Of Metal» oder «Hail To England» haben die Amis in den 80ern unsterbliche True-Metal-Scheiben gegossen, die an Reinheit und Stahlgehalt selten bis gar nie überboten wurden. Lange ists her und heute sind die selbsternannten Könige nur noch ein Schatten ihrer selbst. 2008 ist man sich nun sicher, einen Grund für diesen Abrutsch gefunden zu haben: der Weggang von Ross The Boss! Als erster Mann an der Klampfe hat der eher unscheinbare Herr den Sound und auch das Songwritting von Joey DeMaio's Mannen nicht wenig mitgeprägt. Mit «New Metal Leader» debütierte dieses Jahr seine Solo-Kapelle und zwar mit einer Scheibe, die ohne Weiteres als eines der Highlights dieses CD-Jahres betrachtet werden darf. Um seinen metallischen Führungsanspruch geltend zu machen begab sich der Gitarrist Ende November auf Tour und beehrte auch die Schweiz mit einer exzellenten Saitendarbietung, von welcher man natürlich auch den einen oder anderen Manowar-Klassiker erwarten durfte. Mit von der Partie waren dabei Mat Sinner's Sinner, bekannter als Bassist von den Priest-Jüngern Primal Fear. Die Deutschen machten dabei Ross The Boss seinen Titel gleich streitig, waren sie im Z7 doch die inoffiziellen Headliner. Und auch wenn an diesem Abend lediglich 50 Nasen den Weg nach Pratteln fanden, so sorgte dieser true Doppelschlag mit den Kölnern Gun Barrel als Starthilfe für eine waschechte Metalparty im kleinsten, intimsten Kreise.

Gun Barrel
Krisenbewältigung auf kölsch: Nachdem man sich mit dem alten Sänger zerworfen hatte, stellte sich kurz vor Tourbeginn auch der gewählte Ersatz als nicht zumutbar heraus und so stand man eine gute Woche vor Abreise ohne Fronter da. Detlef Konrath nennt sich der Liverettern, der dankenswerter Weise die Kanonengürtel aus dem Schlamassel zog und einsprang. Dass der Herr also noch das eine oder andere Mal den Text spicken musste ist also mehr als verständlich und wurde auch im Z7 von keinem übel genommen. Wie sollte man auch, wenn sich die Old-School-Biker ansonsten in perfekter Verfassung präsentierten und trotz Besucherarmut keine Sekunde daran zu denken schien, Abstriche zu machen. Das Saitenduo Kintgen/Tanzius konnte die wenigen Anwesenden mit klassischen Posen, Spiel- und Bewegungsfreude auf seine Seite ziehen und Drummer Toni Pinciroli dreschte auf seine Felle ein, als gelte es diese in klitzekleine Stücke zu zerhauen. Hat man dann noch so coole Nummern wie «Mr. Devil» oder «Outlaw Invasion» (das Titelstück vom gleichnamigen, aktuellen Langeisen) in petto, so kann auch der eine oder andere Vorbeisinger von Rettungsboie Konrath die Stimmung nicht trüben. Da freut man sich doch, dass Gun Barrel auch ihren Abschlusskracher ernst nehmen und bald wieder durch die Clubs tingeln werden: See you «On The Road Again»!

Setlist: Front Killers – Roll Of The Dice – Mr. Devil – Fear Of My Fear – Lonely Rider – Outlaw Invasion – On The Road Again

Sinner
Auch wenn Primal Fear in der Vergangenheit mit Scheiben wie «Black Sun» (2002), «Devil's Ground» (2004) oder dem aktuellen «New Religion» (2007) mehr Beachtung einheimsen konnten, so wird für Blondschopf Mat Sinner wohl immer die seit den frühen 80ern aktive und nach ihm benannte Kapelle Sinner den Grossteil seines Rockerherzens ausfüllen. Erdiger und rifforientierter als Primal Fear zelebriert Sinner dabei auch als Sänger pursten Heavy Metal mit Bikerattitüde, was man das Z7 mit dem Titeltrack des aktuellen Rundlings «Crash And Burn» gleich spüren liess. Auch die Sündiger liessen sich dabei nicht vom Fanmangel kleinkriegen: Während Mat ans Mikro gebunden meist nur an einer Stelle posen bzw. Bangen konnte, flitzte das Klampfenduo bestehend aus Leadgitarrist Henny Wolter und Christoph Leim über die ganze Bühne und sprang auch schon mal von Verstärkern herunter. Da die gemeinsame Tour mit Ross The Boss wohl oder übel ihr Ende nehmen würde, so sollte man richtig feiern. Das dachten wohl auch Sinner und liessen gleich neben dem Schlagzeug von Kessler Klaus Sperling ihre ganz eigene Bar aufmachen, die sie und andere des Tourtrosses mit nicht jugendfreien Substanzen versorgte. Ausgelassen war also die Stimmung auf der Bühne, genauso aber auch davor: Nach dem Motto «wenn schon, denn schon!» frassen die Anwesenden Mr. Sinner aus der Hand, klatschten, sangen, tobten zu 100 % mit, sei es bei neueren Tracks wie «Break The Silence» und dem mit exzessivem Gitarrensolo ausgestatteten «Heart Of Darkness» (welches die unbeschäftigten Bandmitglieder kurzerhand für eine weitere Barvisite nutzen) oder natürlich auch beo älteren Glanztaten, wie sie mit «Born To Rock» oder dem immer und immer wieder Laune machenden «Danger Zone» vertreten waren. Dass dabei noch zwei Damen aus dem Publikum die ganze Show aus einem ungewohnten Blickwinkel, nämlich von der Bühnenbar aus begutachten dürfen, ist nur ein weiteres Amuesement neben den üblichen Singalongs und von einem überfröhlichen Mat vorgetragenen Plaudereien zwsichen den Songs. Billy Idol's «Rebel Yell» hatten die guten Sinner schon 1986 auf «Comin' Out Fighting» mit fetten Riffs unterlegt und auch über 20 Jahre später stellt das Cover einen gelungenen Schlusspunkt einer ausgelassenen, über 90 Minuten dauernden Show dar, welche mit dem aktuellen «Revolution» und dem unverzichtbaren «Germany Rocks» (was in der Version «Pratteln Rocks» nur mässig funktionierte) dann endgültig der Vergangenheit angehört. In Sachen Stimmung und Authentizität werden Sinner also wohl immer Primal Fear den Rang ablaufen, auch wenn Herr Schepers sicherlich der begabtere Sänger sein mag.

Setlist: Crash And Burn – Connection – Lost In A Minute – Born To Rock – Break The Silence – Danger Zone – Heart Of Darkness – Knife In My Heart – The Dog – Judgement Day – Fist To Face – Rebel Yell - Revolution – Germany Rocks

Ross The Boss
Dass es der true Saitenhexer Ross The Boss darauf schwer haben würde, mit einer so beschwingten Darbietung mithalten zu können, lag auf der Hand. Denn auch wenn der unscheinbare Ami in den 80ern wegweisenden Edelstahl mitschmiedete, seit seiner Trennung von Manowar 1988 trat Herr Friedmann (so sein bürgerlicher Name) lediglich mit einigen Gastbeiträgen (u.a.für Majesty und Dawnrider) ins metallische Rampenlicht. Seine seit Ewigkeiten existierende Truppe The Dictators konnte das ja nie wirklich erreichen. Dennoch: Mit der ersten Scheibe seiner Solo-Truppe schickt sich der Boss wirklich an, der «New Metal Leader» zu werden – zumindest im traditionellen, truen Sektor. Stilecht wurde dabei mit pompösen Intro eröffnet, gefolgt vom energetischen Debü-Opener «Blood Of Knives». Unterstützt wurde der Ex-Kriegsmann von einer handvoll deutscher Söldner, die früher unter dem Banner ''Men Of War'' ebengenau seinem alten Arbeitgeber Tribut zollten. Technisch also einwandfrei dargeboten, fehlte auf der Bühne vor allem eins: Action. Auch wenn Fronter Patrick Fuchs sowohl gesanglich als auch performatorisch alles gab, poste, rannte und gestikulierte was das Zeug hielt, genauso wie Basser Carsten Kettering, so sackte man in Sachen Bühnenpräsenz doch vernehmlich gegen Sinner ab. Ob dies an der ersten kurzen Dauer liegt, während welcher Ross The Boss existieren oder doch die jetzt noch geringere Anzahl Fans sich bemerkbar machte, bleibt unbeantwortet. Fakt ist jedoch, dass vor allem der eigentlich im Fokus stehende Ross The Boss himself lieber am Bühnenrand stand, als mit grossem Trara auf sich aufmerksam zu machen. Auch wenn dies optisch nicht das Gelbe vom Ei bedeutete, so kam jeder noch Anwesende zumindest akustisch voll auf seine Kosten. Songs wie «Death And Glory», «Plague Of Lies» oder das exotische «Matador» sind schlicht True Metal Hymnen, wie sie Manowar seit Jahren nicht mehr hinbekommen haben, nämlich angereichert mit einem Schuss Rock'n'Roll und dem unverzichtbaren Umstand, dass Ross The Boss sich selbst merklich weniger wichtig nimmt als seine alten Mitstreiter DeMaio oder Adams. Riffkracher wie «We Will Kill» oder zum Mitsingen perfekt geformte Spasshymnen wie «May The Gods Be With You» machten jedenfalls auch dem Publikum Freude und animierten zum Mitmachen. Dies wiederum liess Mr. Boss allmählich auftauen, sodass der unscheinbare Ami sich im Verlauf der Show vermehrt an den Bühnenrand stellte, wenn er seine beeindruckende Fingerfertigkeiten vom Stapel liess. Die paar Leute, die an diesem Abend mit Manowar-Shirts angereist waren (u.a. aus dem Wallis) kamen dann auch noch auf ihre Kosten: Mit «Kill With Power» und «Hail To England» manifestierte Ross unter euphorischen Publikumsreaktionen, dass weder ein David Shankle noch ein Karl Logan ihm je haben und werden das Wasser reichen können. Sänger Patrick Fuchs machte dabei eine eben so grandiose Figur, vermischte den klassischen Eric-Adams-Gesang mit einer frischen Tobias-Sammet-Färbung und zog sich so bewundernswert aus einer unmöglich scheinenden Aufgabe, kann man Erics doch bei aller Legendendestruktion nicht absprechen, einer der besten Shouter ever zu sein. Da die Uhr zu diesem Zeitpunkt schon nach 23.00 Uhr stand, wurden die Zugaben bis auf «I Got The Right»gestrichen. Zu diesem Song gesellte sich dafür noch einmal die gesamte Tourbelegschaft (ausser Mr. Sinner selber) auf die Bühne und half mit Backingvocals tatkräftig mit, dieser Doppelheadlinertour ein denkwürdiges Ende zu bereiten. So fand eine überzeugende, wenn auch nicht umwerfende Show ihr Ende, die aber Hoffnung für die Zukunft bringt, dass mit Ross The Boss einerseits wieder Material auf eine CD gepresst werden wird, welches das Prädikat Manowar verdient hat und somit die ''echten'' Manowar in Zugzwang bringen könnte, anstatt Grosstuerei wieder mal an die Musik zu denken. Tragischerweise dem Rotstift zum Opfer gefallen sind übrigens: «Hail And Kill» & «Falling One By One».

Setlist: Intro – Blood Of Knives – Death And Glory – Plague Of Lies – God Of Dying – Matador – We Will Kill – May The Gods Be With You – Constantine's Sword – Kill With Power – Hail To England – Immortal Son - I Got The Right