Der grosse Erfolg des Konzeptalbums «The Great War» liess in mir einige
Erwartungen an die dazugehörende Tour aufsteigen. Die Swedish War
Machine Sabaton, welche ich noch in kleineren Clubs erleben durfte,
hat es ins Hallenstadion geschafft. Das ist eine Leistung! Mit im
Gepäck eine neue Show, die Überraschungen verspricht und zwei grosse
Namen als Mitreisende. Der Start der "Great Tour" findet also bei uns
in der Schweiz statt. Als wäre dies nicht ein weiterer Grund, nach
Zürich zu pilgern. Bereits um acht Uhr Morgens ist schon die erste
Person am Anstehen (ich war nicht so früh, auch wenn man es kaum
glaubt). Sabaton haben eine gigantische Grösse erreicht, war im Jahr
2019 auch sichtbar bei den Festival-Headlinern. Doch das ist "The
Great Tour", ich bin also voller Hoffnungen und Erwartungen an die
Setliste und das Bühnendesign. Diesmal bin ich auch nicht als
Fotografin / Journalistin mit dabei, sondern ganz normal im
Publikum, um die volle Show wie ein Fan geniessen zu können.
Amaranthe
Wie üblich, beginnt der Abend mit einer Support-Band. Leider ist es
für mich persönlich ein Fehlgriff. Die zwar erfolgreiche Band aus
Göteborg ist ganz und gar nicht mein Fall, und so leid es mir tut, es
freut mich zu sehen, dass ich nicht die einzige in meiner Gruppe
bin, die sich nicht über diesen Opener freut. Amaranthe vermischen
gekonnt Metal mit Pop und elektronischer Musik. So weit, so gut. Die
Mischung ist interessant, und da ich zugegebenermassen gewisse
Richtungen der elektronischen Musik gerne höre, müsste mir die Band
eigentlich gefallen. Wie bereits in meiner Greenfield-Review erwähnt, kann ich mich aber
leider nicht mit der Bühnenpräsenz der Band und ganz besonders der
des Frontmädchens Elize Ryd anfreunden. Ganz in Popstarmanier
tänzelnd und zu sexy für ihr Können gekleidet, hinterlässt auch
diese Show bei mir einen etwas faden Beigeschmack. Die musikalische
Ausbildung Elizes kommt bei der Amaranthe-Show leider nicht zur
Geltung, und teils dünkt es mich, dass sie die Töne nicht trifft.
Hingegen überzeugen die beiden männlichen Sänger Henrik Englund
Wilhelmsson und Nils Molin, sodass das Gesamterlebnis ein Wenig gerettet
werden
kann. Rein musikalisch habe ich nichts auszusetzen, wobei die starke
Vermischung mit Pop und Elektro durchaus ermüden kann. Fairerweise
möchte ich aber sagen, dass mir die Show im Hallenstadion jetzt
schon um Einiges besser gefallen hat als die am Greenfield, was doch
schon ein Fortschritt ist. Nichtsdestotrotz bleibe ich bei meiner
Meinung, dass Elizes Popstargehabe die Band für mich persönlich
ruiniert. Mit einer weniger prinzessinenhaften Frontfrau könnte sich
meine Meinung durchaus ändern. Wenn ich ein Popkonzert sehen will,
schaue ich mir lieber etwas Anderes an. Für mich ist die Show daher
leider durchgefallen. Leicht irritierend ist zudem die Bühnendeko,
welche bereits für Sabaton aufgestellt ist. Der Schützengraben,
welcher seit der Festivaltour 2019 fester Bestandteil der
Sabaton-Show ist, passt irgendwie nicht. Es macht aber aus
logistischen Gründen Sinn, diesen schon bereit zu halten.
Apocalyptica
Die finnischen Cellorocker, welche erst vor ein paar Tagen ein
fantastisches Instrumentalalbum raus gebracht haben (siehe
Januar-Ausgabe der Musik-Reviews), eröffnen ihre Show mit gleich
zwei Songs, welche mich sofort verzaubern. Zu meinem grossen
Erstaunen hält sich die Begeisterung des Publikums in Grenzen.
Während bei Amaranthe, die sich scheinbar der grösseren Beliebtheit
erfreuen, die Köpfe geschüttelt wurden (wieso auch immer) und die
Laune des Publikums doch recht gut war, scheint die
Apocalyptica-Darbietung für viele ein Dämpfer zu sein. Für mich
völlig unverständlich, scheint die Crowd ja geradezu gelangweilt zu
sein. Ein wenig Hoffnung liegt in der Front Row, die etwas
mitklatscht und wenn nicht aus Interesse, zumindest aus Anstand
jubelt. Der wohl bekannteste Song der Finnen ist «I Don't Care», und
für diesen gibts einen Spezialgast: Elize Ryd. Für mich persönlich
ist dies wiederum ein Dämpfer, doch ich werde überrascht, wie gut
sie ihre gesanglichen Fähigkeiten nun ausschöpft. Würde sie bei
Amaranthe solche Gesangstechniken anwenden, hätte ich eine viel
positivere Meinung über die Band. Nun gut, kannst nichts tun. Das
Publikum freut sich (wobei es wohl an den Männern liegen dürfte, die
sie hübsch finden - wenigstens geben es viele ehrlich zu). Als
Nächstes gibts ein Rammstein-Cover auf Cello. Leider aber ein sehr
langweiliges Lied und wieder zusammen mit Elize Ryd. Positiv überrascht bin
ich aber von ihrer guten Aussprache in Deutsch, und wieder zeigt sie,
dass sie eigentlich singen könnte. Amaranthe sind wohl
ein
Missverständnis, denn mit den von ihr präsentierten Fertigkeiten bei
dieser Performance beweist sie, dass Symphonic Metal eher ihre
Schiene wäre. Elize singt sehr hoch und an Oper angelehnt, so klingt
selbst der für mich sonst zu überspringende Song «Seemann» sehr
interessant. Ich muss Amaranthe wohl eine Teil-Entschuldigung
zusprechen. Die Finnen fahren die Show fort mit etwas Klassik,
Metallica und sogar AC/DC, alles auf dem akustischen Cello. Ist wohl
gewöhnungsbedürftig für Einige. Die Herren genossen ihre
musikalische Ausbildung am Konservatorium, die Verbindung des
klassischen Instruments mit Metal ist daher speziell - normalerweise
sieht man höchstens Geigen oder ein paar Ausnahmen. Auch bei
Apocalyptica irritiert der Sabaton-Schützengraben etwas. Die Zeit
verfliegt schnell, denn die Show macht Spass und ist etwas
Besonderes. Als krönenden Abschluss gibts Metallicas «Nothing Else
Matters» zu hören. Dann geht der Banner wieder hoch und es wird für
Sabaton umgebaut.
Sabaton Orchestral
arrangierte Versionen von Sabaton-Songs werden dezent im Hintergrund
abgespielt und steigern die Erwartung. Ich kenne es zwar schon von den Festival
Shows her, als letztes Instrumental gibts die orchestrale Version von
«Ghost Division», welche immer noch der ultimative Opening-Song zu
sein scheint. Die Band ist voller Energie und höllisch gut gelaunt,
von der ersten Sekunde an scheint die Atmosphäre zu explodieren.
Alles singt mit und die Party steigt, bevor sie überhaupt entwickelt
ist. Joakim Brodén macht wie gewohnt ein paar Bemerkungen, und es
scheint sehr ehrlich wenn er darüber spricht, wie sehr er sich
freut, wieder in der Schweiz zu sein. Gleich drei Songs nacheinander
sind vom neuen Album: «Great War», «The Attack Of The Dead Men» (mit
fabelhafter, giftgrüner Beleuchtung und Joakim in Gasmaske und
Mantel, wie es scheint mit eingebautem Mikro und Band Kollegen an den
Vocals) und «Seven Pillars Of Wisdom», wohl einem der
meist abgefeiertsten Songs des letzten Longplayers. Ein kurzer
Abstecher zurück zum Vorgängeralbum, um dann mit einer Hammondorgel
auf der Bühne, natürlich als rotes Propellerflugzeug designt und
passend zu «The Red Baron», gespielt zu werden. Der Pianist ist mir
aber leider nicht bekannt, da er Pilotenmütze wie Brille trug und
sein Gesicht von meinem Winkel aus nicht gross zu erkennen war. Wie
zu erwarten war, haben Sabaton jemand auf die Bühne eingeladen.
Apocalyptica veröffentlichten letztes Jahr ja ihre eigene Version von
«Field Of Verdun», noch bevor die Sabaton-Single raus war und erst
relativ vor Kurzem gabs ein neues Arrangement von «Angels Calling»
(Attero Dominatus Album). Dieses hört sich live einfach majestätisch
an und gefolgt von einem Arrangement von «Fields Of Verdun» geben die
Finnen zusammen mit den Schweden auch bei drei weiteren Songs
ordentlich Gas.
Es
ist unglaublich, dies live mitzuerleben und für mich persönlich
gesprochen,könnte ich mich daran gewöhnen. Die zwei Bands
präsentieren sich einfach nur geil, wenn sie zusammen auf der Bühne
spielen und sie passen perfekt zusammen, als wären sie schon seit
Jahren dieselbe Band. Selbstver-ständlich erhoffe ich mir daher noch
mehr Kooperationen und Arrange-ments. Beim Encore gehts zurück zu zwei
alten Klassikern und «Bismarck». Für mich fühlt sich die Setliste
mehrheitlich wie die der Festival-saison an, und die Show wirkt ebenso
durchgetaktet. Nur noch wenig Herumblödeln auf der Bühne, was der
Band natürlich mehr Zeit zum Spielen lässt, aber für mich, die
Sabaton eigentlich am liebsten in Club-Grösse hatte, fehlen die
dämlichen Witze. Diese waren schon immer ein Teil der Sabaton-Gigs für
mich. Obschon ich den Jungs den Erfolg von Herzen gönnen mag, so
finde ich, sind sie einen Tacken zu gross geworden. Eine richtige
Konzertmaschine. Nichtsdestotrotz spüre ich, dass sie so weit es
geht auf dem Boden geblieben sind (die gestiegenen
Merchandise-Preise dürften dem zwar etwas widersprechen). Generell
sind mir aber der grosse Verbrauch an Pyrotechnik und
auch die stylisch eingerichtete Bühne aufgefallen, die bereits seit
letztem Jahr so aufgestellt wird. Das Schlagzeug-Bühne links, Crew
in Kostümen und grosser Aufwand bei der Gestaltung der kleinen
Details. Den Fans gefällts, der Band scheinbar auch. Der Tourstart
scheint mehr als erfolgreich. Die Massstäbe sind aber enorm hoch
angesetzt, und für folgende Tourneen müsste sich die Band ja wieder
etwas komplett Neues einfallen lassen. Nun, sehen wir mal. Ich bin
begeistert, und dem Jubeln der Menge nach zu urteilen, diese
ebenfalls.
Setliste: Ghost Division Instrumental Intro
(Audio) - Ghost Division - Great War - The Attack Of The Dead Men -
Seven Pillars Of Wisdom - Diary Of An Unknown Soldier (Audio) - The
Lost Battalion - The Red Baron - The Last Stand - 82nd All The Way -
Night Witches
With Apocalyptica: Angels Calling - Fields Of
Verdun - The Price Of A Mile - The Lion From The North (mit Intro) -
Carolus Rex
Encores: Primo Victoria - Bismarck - Swedish
Pagans - To Hell And Back - Dead Soldier's Waltz - Masters Of The
World
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