Es wird sicher ein paar Fans (eher der früheren Zeiten) geben,
für die Saga ohne ihren langjährigen Frontmann Michael Sadler
undenkbar und seit seinem Abgang Ende 2007 nicht mehr gleichwertig
sind. Sein Nachfolger Rob Moratti hat aber auf ersten Tour im
letzten Jahr, damals im Z7 in Pratteln gezeigt, dass es durchaus
eine Alternative für die Zukunft gibt, die zumindest den
musikalischen Spirit klar aufrecht erhält. Moratti klingt zwar etwas
anders als Sadler, verfügt jedoch auch über eine eigenständige,
starke Stimme und besitzt zudem das nötige Mass an Ausstrahlung. Er
hat sich auch von Anfang an als Teamplayer gegeben und rasch den
Draht zum Publikum gefunden. Die nötigen Voraussetzungen für ein
Fortführen der musikalischen Geschichte der kanadischen Neo-Progger
waren somit gegeben. Das aktuelle Album ist immer noch «The Human
Condition» (2009) und deshalb durfte man gespannt sein, inwiefern
sich die Setliste unterscheiden wird. Warum man allerdings keine
Support-Band verpflichten konnte (wollte?), finde ich persönlich für
das zahlende Publikum grenzwertig.
Saga
Da es mein erster Besuch im Dietikoner Sounddock 14 überhaupt war,
musste ich zuerst mal einen genauen Augenschein des
multifunktionalen Gebäudes nehmen. Was sich nämlich zu den
entsprechenden Anlässen in eine hippe Location verwandelt, wird
tagsüber ganz normal als Firma genutzt, die mit ihrer Ware
geschäftet, die jeweils hinter den grossen, schwarzen Tüchern
verschwin-det. Davon dürften Saga kaum Notiz genommen, geschweige es
denn bemerkt haben. Die Bühne ist von der Grösse her nicht üppig,
aber alle Musiker hatten genug Bewegungsfreiheit und legten auf
Punkt 21.00 Uhr los. Nach den Intro kam mit «You're Not Alone»
gleich einer der zahlreichen Smasher, die Saga im Verlauf ihrer
langen Karriere geschrieben haben. Es folgten «Book Of Lies» und «Careful
Where You Step». Spätestens jetzt musste es auch der letzte Besucher
festgestellt haben, wie überraschend gut der Sound daher kam! Das
hätte ich so nicht zwingend erwartet und wurde deshalb angenehm
überrascht. Die Band schien soweit gut drauf zu sein und sogar der
meist eher grimmig drein blickende Gitarrist Ian Chrichton taute je
länger je mehr auf und man konnte tatsächlich mal sowas wie ein
Lächeln auf seinem Gesicht entdecken. Wer aber alleine schon das
Eintrittsgeld wert gewesen wäre, heisst Brian Doerner, spielt
Schlagzeug und ist seit 2005 an Bord. Was der Kerl da an filigranem
wie fettem Spiel auspackte, war schlicht sensationell und erinnerte
zwischendurch an Dream Theater Recke Mike Portnoy. Dieser Drive
übertrug sich auf den gesamten Sound, obwohl hier natürlich der
raumfüllende Bombast der frühen Tage schmerz-lich vermisst wurde. Die
aktuelle Tour, die mit «Now Is Now» (übrigens einem Song der neuen
CD) benamst ist, trug von der Setliste her sehr wohl eine Änderung
zum letzten Besuch in sich! Was schon einige andere Bands bei
ansteh-enden Jubiläen gemacht haben, nämlich ein Album komplett durch
zu spielen, stand auch heute Abend auf dem Menüplan! Saga wählten
dazu das hammerstarke «Heads Or Tales» Album von 1983 aus, das ja mit
dem Hit «The Flyer» beginnt und (original) durch «Cat Walk» als "Extended Version" beendet
wird. So bekam man nun erstmalig Live-Versionen zu Gehör, die zuvor
noch auf keinem Tonträger erhältlich waren. Der catchy Opener zeigte
den Puristen jedoch die Grenzen von Rob Moratti auf, wenn es um die
Authentizität solcher Klassiker geht. Auch mir fehlte hier und bei
noch ein paar anderen Tracks das letzte Bisschen "Etwas", was eben
der Verdienst des Ur-Sängers war. So schnell kriegt man das nicht
mehr aus dem Schädel raus, vor allem als älteres Semester. Das
Publikum zeigte sich auf jeden Fall beeindruckt und spendete lauten
Applaus. Dass der Altersdurchschnitt dabei eher höher lag, war
augenscheinlich, obwohl auch einige, jüngere Fans gesichtet wurden.
Nach der «Heads Or Tales» Scheibe, die übrigens in der üblich
richtigen Reihenfolge gespielt wurde, war der Höhepunkt der Show
noch nicht ganz erreicht. Mit fortwährender Dauer des Konzertes
wusste oder erwartete der geneigte Fan schliesslich noch zwei drei "Musts",
die als Erstes mal mit dem unverwüstlichen «Humble Stance»
befriedigt wurde(n). Ein genialer Song, der (zu dem Rob noch bei Jim Gilmour in die Tasten haute), hat man ihn auch nur einmal gehört,
nicht mehr aus den Gehör geht. Gleiches war natürlich «On The Loose»
beschert, wo aber wiederum der Bombast fehlte, der einst jede grosse
Konzerthalle erzittern liess. Zu ihren Glanzzeiten in den 80ern
spielten Saga bei uns in der Schweiz im ausverkauften Hallenstadion
Leute! Diese Höhenflüge sind leider schon lange vorbei, aber wenn
man sah, mit welcher Freude die ganze Band agierte, konnte man
getrost darüber hinweg sehen. Selbst ausgedehntere, längere
Instrumental-Parts hatten ihren Reiz und wurden nie langweilig. Wenn
dann wieder Text gefragt war, so liessen einige am Boden vor Rob
liegende Blätter vermuten, dass immer noch gewisse Parts offenbar
nicht fehlerfrei beherrscht werden. Doch das nahm dem auch heute
Abend sympatisch wirkenden Sänger bestimmt niemand übel. Die etwa
250 Leute erlebten im Sounddock 14 auf jeden Fall ein intensives
Konzert und die erste Reihe war, da es keine Absperrung zur Bühne
hin gab, ganz nahe dran an ihren Lieblingen. Zu «Don't Be Late»
wurden noch "die letzten Reserven" freigesetzt und nach guten 110
Minuten war ein sehr guter Auftritt abermals Geschichte. Im
Gegensatz zu der am Bühnenrand gekrallten Setliste stand auf der vom
Drum hinten noch «Trust» als letzte Zugabe drauf! Hätte man sicher
auch noch spielen können, aber nicht zwingend müssen..., oder doch,
da keine Vorgruppe spielte? Diese Frage kann sich jetzt jeder selbst
noch stellen. Wenn Saga künftig ihren bewährten Stil beibehalten,
wird es wohl noch manches Konzert in diesem Rahmen geben. Hoffen
wir's!
Setliste: «Intro/You're Not Alone» - «Book Of Lies» - «Careful Where
You Step» - «Wind Him Up» - Step Inside» - «Corkentellis
(Instrumental)» - «The Flyer» - «Cat Walk» - «The Sound Of Strangers»
- «The Writing» - «Intermission» - «Social Orphan» - «The Vendetta
(Still Helpless)» - «Scratching The Surface» - «The Pitchman» - «No
Regrets (Chapter IV)» - «Humble Stance» - «On The Loose» -- «It
Never Ends» - «Don't Be Late».
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