Livereview: Satan - RAM - Screamer

19. Februar 2019, Aarau – KiFF (Foyer)
By Rockslave
Jetzt musste ich also fast 55 Jahre alt werden, um mit Satan eine der kultigsten NWOBHM-Truppen wenigstens oder hoffentlich bislang einmal live zu erleben! Das legendäre Debüt «Court In The Act» erschien 1983 und befand sich damals somit in bester Gesellschaft von Metallica, Tokyo Blade, Exciter, Raven, Manowar, Tank, Jaguar, Crossfire, Killer (B) Slayer, Venom, The Rods, Helstar, Hellion oder Mercyful Fate. Einige der genannten Bands hatten seinerzeit eine Gemeinsamkeit, nämlich einen Record-Deal bei, respektive mit Roadrunner. Disctrade besass den CH Exklusiv-Vertrieb und lancierte 1984 einen Wettbewerb, begleitet von einem sechsseitigen A4-Faltblatt mit dem verheissungsvollen Titel "The Best in HEAVY METAL on Vinyl". Und da war eben die «Court In The Act» auch darauf zu finden. Allerdings verhinderte der Bandname, dass dieses Kultstück jemals als Geschenk unter dem Weihnachtsbaum vorgefunden werden konnte. Danach verlor sich für mich die Spur von Satan bis 2013, als das Comeback-Album «Life Sentence» die Band wieder ins Gespräch brachte. Die heutigen Support-Bands Screamer und RAM passten gut dazu, aber der Qualitätsunterschied war beträchtlich.

Screamer

Nur einen ganz kurzen Moment verschwendete ich einen Gedanken daran, wo dieser Konzertabend im KiFF abgehalten wird, sprich oben im Saal oder unten im Foyer. Nimmt man jeweils die offiziellen Konzert-Anzeigen im Facebook als Massstab, also wie viele Leute dass da jeweilen ihr Kommen zugesagt haben, dann stimmt zumindest die Grössenordnung halt meistens recht gut. So auch heute Abend, wo diese Zahl bei etwa 50 Leutchen angesiedelt war. Als Screamer (aus Schweden und nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen Amis!) kurz nach 19:00 Uhr auf die kleine Foyer-Bühne stiegen, waren vielleicht etwas über 20 Fans anwesend. Ok, es war ein Dienstagabend, also mitten in der Arbeitswoche, doch das kann man letztlich nicht gelten lassen. So machten die Schweden das Beste aus der Situation und gaben gleich von Beginn weg ordentlich Gas. Die mehr oder weniger spürbar von Iron Maiden beeinflusste Mucke hinterliess zunächst keinen schlechten Eindruck. Trotz den einengenden Platzverhältnissen agierte die Band spielfreudig und motiviert zugleich. Im weiteren Verlauf der gut 45 Minuten schlich sich dann aber aufgrund der fehlenden Hooks die gefürchtete Gleichförmigkeit der Songs untereinander ein. Dazu war die Gesangsstimme von Andreas Wikström oben weg zu limitiert, sprich es fehlte einiges an Power. Nichtsdestotrotz holte sich die sonst tight auftretende Combo den verdienten Applaus der zu diesem Zeitpunkt anwesenden Fans ab.

Setliste: «Intro» - «Demon Rider» - «Adrenaline Distractions» - «Slavegrinder» - «Lady Of the Night» - «Monte Carlo Nights» - «Ride On» - «On My Way» - «Phoenix» - «Highway Of Heroes» - «Can You Hear Me».

RAM
Da mich der Auftritt der Schweden vor fast genau einem Jahr in der Musigburg (als Headliner) nicht wirklich überzeugt bis gar gelangweilt (!) hatte, erhielten RAM nun eine weitere Chance. Durch den Umstand, dass die Bühne noch kleiner als die in Aarburg war, wurde der Fokus noch mehr auf die Mucke gesetzt, da der Aktionsradius für die Musiker gegen null tendierte. «Return Of The Iron Tyrant» eröffnete den Reigen und machte mitunter gleich einen auf «Painkiller», wobei Frontmann Oscar Carlquist nur ansatzweise die Klasse von Rob Halford besitzt. Das nachfolgende «Eyes Of The Night» (auch ein Track der 2015-er Scheibe «Svbversvm») galoppierte als Maiden-Priest-Saxon Bastard erstmal schön vorne weg und brachte ein paar töfte Twin-Soli der Herren Granroth/Jonsson in Front. Spätestens bei «Flame Of The Tyrants» erwischte es mich jedoch wieder, sprich merkte ich einmal mehr, dass RAM mich definitiv nicht abholen können. Da haben die eben genannten drei Szene Kult-Bands einfach schon zu lange viel geileres Material am Start! Ein Song wie «Awakening The Chimaera» besitzt zum Beispiel sicherlich die Trademarks und technisch habens die Jungs ohne Zweifel drauf, aber viel bleibt da nicht hängen, zumindest nicht bei mir. Das mittlerweile spürbar besser gefüllte Foyer nahm die von der Bühne ausgehende Energie jedoch dankbar an und antizi-pierte mittels ordentlichem Abschädeln in den vordersten Reihen und lautem Mitgegröle, wenn dazu aufgefordert wurde. Soweit so gut, denn das soll an dieser Stelle ja auch so sein. Mit zunehmender Dauer des Konzertes nahm die Schneidigkeit von Oscars Gesangsstimme hörbar ab und meine Miene hellte sich erst beim Midtempo-Groover «The Usurper» (könnte glatt auch aus der Feder von U.D.O. stammen) wieder auf. Die Setliste von heute Abend entsprach in der Reihenfolge insgesamt der von der Musigburg, jedoch um einige Songs gekürzt. «Infuriator» als so zu sagen gemeinsamer Rausschmeisser vermochte die gute Stimmung im Foyer des KiFF nochmals richtig anzuheizen, holte immerhin noch ein paar Pluspunkte, um meine Gunst für RAM wenigstens etwas aufzupolieren, aber unter dem Strich reichte es abermals nicht. Da halte ich mich lieber an die Inspirationsquellen der Truppe aus Göteborg und überlasse das Feld des Zuspruchs gerne der abfeiernden Jugend von heute.

Setliste: «Intro» - «Return Of The Iron Tyrant» - «Eyes Of The Night» - «Flame Of The Tyrants» - «Awakening The Chimaera» - «Gulag» - «On Wings Of No Return» - «Sudden Impact» - «The Usurper» - «Machine Invaders» - «Infuriator».

Satan
Ausgehend von der Besetzung, die das full lenght Debüt «Court In The Act» von 1983 eingespielt hat, stand heute Abend und unglaubliche 36 Jahre später, das Ur-Lineup der britischen NWOBHM Underground-Ikone auf der Bühne, sprich Brian Ross (v), Russ Tippins (g), Steve Ramsey (g), Graeme English (b) und Sean Taylor (d)! Das musste man sich erstmal geben, respektive setzen lassen. Meine Wenigkeit, die sich bisher nicht mit Satan auseinander gesetzt hatte, sah sich somit mit der grotesken wie gleichzeitig lehrreichen Situation konfrontiert, ausschliess-lich "neue Songs" zu hören! Tja, da mögen mich jetzt einige Kollegen im etwa gleichen Alter verächtlich auslachen und viele Junge, die damals noch gar nicht existiert haben, neutral mit der Achsel zucken. Drauf geschissen, denn lieber so, hier und jetzt als gar nicht! Mit dieser schon fast kindlichen Freude im Geiste genoss ich jeden einzelnen gespielten Headliner-Ton an diesem Abend. Der Opener konnte dabei eigentlich nur «Trial By Fire» heissen, der nach dem originalen Intro gleich mal zeigte, wo der Barthel den Most holt. Allerdings gab es zu Beginn noch technische Probleme, die aber bald behoben wurden. Die Gitarrenarbeit von Russ Tippins und Steve Ramsey war schlicht überragend und auch wenn an Frontmann Brian Ross, mittlerweile 65, der Zahn der Zeit sichtlich genagt hat, besassen einige Screams immer noch genug Schmackes! Mit den ersten Riffs von «Blades Of Steel» dämmerte es mir dann schlagartig, was mir da vor Jahrzehnten entgangen ist, und es bleibt die total hilflose Frage ohne Antwort im Raum stehen, warum mir diese Band nicht schon viel früher über den Weg, sprich Plattenteller gelaufen ist! Doch auch hier erhält das Allerwelts-Sprichwort "Besser spät als nie!" seine Berechtigung, aber sowas von!

Mit dem rasant gespielten «The Doomsday Clock» wurde die Brücke in die Gegenwart und hin zum aktuellen Album «Cruel Magic» geschlagen, das 2018, also drei Jahre nach «Atom By Atom» erschienen ist und seither Alt- wie Neufans mit neuer Mucke erfreut. Freude zeigte auch Brian, der über den Zuspruch des austickenden Schweizer Publikums sichtlich amüsiert war. Gerade unmittelbar vor ihm stand ein vor dem Konzert völlig unscheinbar aussehender Typ, der die Band (wie ich) zum allerersten Mal live sah, aber ein Mega-Fan der ersten Stunde (nicht wie ich) ist und total ausrastete. Derweil erzählte der gut gelaunte Sänger mehrfach was zu den Songs, und dabei kam auch zur Sprache, was es mit dem Bandnamen Satan auf sich habe. Satanisten seien sie nicht, respektive nie gewesen und der wohlwissend polarisierende Name stehe eben für das Böse und Dunkle, das von der Menschheit ausgehe. Gut zu wissen, kam aber viel zu spät für mich, und zu was das letztlich führte, steht in der Einleitung. Musikalisch liess das Quintett aus UK derweil rein gar nichts anbrennen und vor allem auch das aktuelle Material wie «Into The Mouth Of Eternity» oder «Ophidian» ging runter wie Öl. Die Varianz im Tempo war schon früher ein Markenzeichen und ist es immer noch. Das pfeilschnelle «Testimony» beendete den regulären Set und hinterliess erstmal nur offene Münder! Du heilige Scheisse war das geil und weil es so schön war, gab es gleich noch drei Zugaben oben drauf und mit «Alone In The Dock» schloss sich der Kreis von «Court In The Act» nach den kultigsten hundert Konzertminuten der letzten Jahre, wenn nicht Dekaden! So trat ich dann also mit einem breiten Grinsen im Gesicht und dem Vinyl von «Cruel Magic» sowie «Atom By Atom» unter dem Arm zufrieden den Heimweg an.

Setliste: «Into The Fire (Intro)» - «Trial By Fire» - «Blades Of Steel» - «The Doomsday Clock» - «2025» - «The Devil's Infantry» - «Into The Mouth Of Eternity» - «Break Free» - «Ophidian» - «Intro/Siege Mentality» - «Cruel Magic» - «Incantations» - «Legions Hellbound» - «The Fall Of Persephone» - «Testimony» -- «Heads Will Roll» - «Kiss Of Death» - «Alone In The Dock».