Jetzt musste ich also fast 55 Jahre alt werden, um mit Satan
eine der kultigsten NWOBHM-Truppen wenigstens oder hoffentlich
bislang einmal live zu erleben! Das legendäre Debüt «Court In The
Act» erschien 1983 und befand sich damals somit in bester
Gesellschaft von Metallica, Tokyo Blade, Exciter, Raven, Manowar,
Tank, Jaguar, Crossfire, Killer (B) Slayer, Venom, The Rods,
Helstar, Hellion oder Mercyful Fate. Einige der genannten Bands
hatten seinerzeit eine Gemeinsamkeit, nämlich einen Record-Deal bei,
respektive mit Roadrunner. Disctrade besass den CH Exklusiv-Vertrieb
und lancierte 1984 einen Wettbewerb, begleitet von einem
sechsseitigen A4-Faltblatt mit dem verheissungsvollen Titel "The
Best in HEAVY METAL on Vinyl". Und da war eben die «Court In The
Act» auch darauf zu finden. Allerdings verhinderte der Bandname,
dass dieses Kultstück jemals als Geschenk unter dem Weihnachtsbaum
vorgefunden werden konnte. Danach verlor sich für mich die Spur von
Satan bis 2013, als das Comeback-Album «Life Sentence» die Band
wieder ins Gespräch brachte. Die heutigen Support-Bands Screamer und
RAM passten gut dazu, aber der Qualitätsunterschied war
beträchtlich.
Screamer
Nur einen ganz kurzen Moment verschwendete ich einen Gedanken daran,
wo dieser Konzertabend im KiFF abgehalten wird, sprich oben im Saal
oder unten im Foyer. Nimmt man jeweils die offiziellen
Konzert-Anzeigen im Facebook als Massstab, also wie viele Leute dass
da jeweilen ihr Kommen zugesagt haben, dann stimmt zumindest die
Grössenordnung halt meistens recht gut. So auch heute Abend, wo
diese Zahl bei etwa 50 Leutchen angesiedelt war. Als Screamer (aus
Schweden und nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen Amis!) kurz
nach 19:00 Uhr auf die kleine Foyer-Bühne stiegen, waren vielleicht
etwas über 20 Fans anwesend. Ok, es war ein Dienstagabend, also
mitten in der Arbeitswoche, doch das kann man letztlich nicht gelten
lassen. So machten die Schweden das Beste aus der Situation und
gaben gleich von Beginn weg ordentlich Gas. Die mehr oder weniger
spürbar von Iron Maiden beeinflusste Mucke hinterliess zunächst
keinen schlechten Eindruck. Trotz den einengenden Platzverhältnissen
agierte die Band spielfreudig und motiviert zugleich. Im weiteren
Verlauf der gut 45 Minuten schlich sich dann aber aufgrund der
fehlenden Hooks die gefürchtete Gleichförmigkeit der Songs
untereinander ein. Dazu war die Gesangsstimme von Andreas Wikström
oben weg zu limitiert, sprich es fehlte einiges an Power.
Nichtsdestotrotz holte sich die sonst tight auftretende Combo den
verdienten Applaus der zu diesem Zeitpunkt anwesenden Fans ab.
Setliste: «Intro» - «Demon Rider» - «Adrenaline Distractions» -
«Slavegrinder» - «Lady Of the Night» - «Monte Carlo Nights» - «Ride
On» - «On My Way» - «Phoenix» - «Highway Of Heroes» - «Can You Hear
Me».
RAM Da mich der Auftritt der
Schweden vor fast genau einem Jahr in der Musigburg (als Headliner)
nicht wirklich überzeugt bis gar gelangweilt (!) hatte, erhielten
RAM nun eine weitere Chance. Durch den Umstand, dass die Bühne noch
kleiner als die in Aarburg war, wurde der Fokus noch mehr auf die
Mucke gesetzt, da der Aktionsradius für die Musiker gegen null
tendierte. «Return Of The Iron Tyrant» eröffnete den Reigen und
machte mitunter gleich einen auf «Painkiller», wobei Frontmann Oscar
Carlquist nur ansatzweise die Klasse von Rob Halford besitzt. Das
nachfolgende «Eyes Of The Night» (auch ein Track der 2015-er Scheibe
«Svbversvm») galoppierte als Maiden-Priest-Saxon Bastard erstmal
schön vorne weg und brachte ein paar töfte Twin-Soli
der
Herren Granroth/Jonsson in Front. Spätestens bei «Flame Of The
Tyrants» erwischte es mich jedoch wieder, sprich merkte ich einmal
mehr, dass RAM mich definitiv nicht abholen können. Da haben die
eben genannten drei Szene Kult-Bands einfach schon zu lange viel
geileres Material am Start! Ein Song wie «Awakening The Chimaera»
besitzt zum Beispiel sicherlich die Trademarks und technisch habens
die Jungs ohne Zweifel drauf, aber viel bleibt da nicht hängen,
zumindest nicht bei mir. Das mittlerweile spürbar besser gefüllte
Foyer nahm die von der Bühne ausgehende Energie jedoch dankbar an
und antizi-pierte mittels ordentlichem Abschädeln in den vordersten
Reihen und lautem Mitgegröle, wenn dazu aufgefordert wurde. Soweit
so gut, denn das soll an dieser Stelle ja auch so sein. Mit
zunehmender Dauer des Konzertes nahm die Schneidigkeit von Oscars
Gesangsstimme hörbar ab und meine Miene hellte sich erst beim
Midtempo-Groover «The Usurper» (könnte glatt auch aus der Feder von
U.D.O. stammen) wieder auf. Die Setliste von heute Abend entsprach
in der Reihenfolge insgesamt der von der Musigburg, jedoch um einige
Songs gekürzt. «Infuriator» als so zu sagen gemeinsamer
Rausschmeisser vermochte die gute Stimmung im Foyer des KiFF
nochmals richtig anzuheizen, holte immerhin noch ein paar
Pluspunkte, um meine Gunst für RAM wenigstens etwas aufzupolieren,
aber unter dem Strich reichte es abermals nicht. Da halte ich mich
lieber an die Inspirationsquellen der Truppe aus Göteborg und
überlasse das Feld des Zuspruchs gerne der abfeiernden Jugend von
heute.
Setliste: «Intro» - «Return Of The Iron Tyrant» -
«Eyes Of The Night» - «Flame Of The Tyrants» - «Awakening The
Chimaera» - «Gulag» - «On Wings Of No Return» - «Sudden Impact» -
«The Usurper» - «Machine Invaders» - «Infuriator».
Satan
Ausgehend von der Besetzung, die das full lenght Debüt «Court In The
Act» von 1983 eingespielt hat, stand heute Abend und unglaubliche 36
Jahre später, das Ur-Lineup der britischen NWOBHM Underground-Ikone
auf der Bühne, sprich Brian Ross (v), Russ Tippins (g), Steve Ramsey
(g), Graeme English (b) und Sean Taylor (d)! Das musste man sich
erstmal geben, respektive setzen lassen. Meine Wenigkeit, die sich
bisher nicht mit Satan auseinander gesetzt hatte, sah sich somit mit
der grotesken wie gleichzeitig lehrreichen Situation konfrontiert,
ausschliess-lich "neue Songs" zu hören! Tja, da mögen mich jetzt
einige Kollegen im etwa gleichen Alter verächtlich auslachen und
viele Junge, die damals noch gar nicht existiert haben, neutral mit
der Achsel zucken. Drauf geschissen, denn lieber so, hier und jetzt
als gar nicht! Mit dieser schon fast kindlichen Freude im Geiste
genoss ich jeden einzelnen gespielten Headliner-Ton an diesem Abend.
Der Opener konnte dabei eigentlich nur «Trial By Fire» heissen, der
nach dem originalen Intro gleich mal zeigte, wo der Barthel den Most
holt. Allerdings gab es zu Beginn noch technische Probleme, die aber
bald behoben wurden. Die Gitarrenarbeit von Russ Tippins und Steve
Ramsey war schlicht überragend und auch wenn an Frontmann Brian
Ross, mittlerweile 65, der Zahn der Zeit sichtlich genagt hat,
besassen einige Screams immer noch genug Schmackes! Mit den ersten
Riffs von «Blades Of Steel» dämmerte es mir dann schlagartig, was
mir da vor Jahrzehnten entgangen ist, und es bleibt die total
hilflose Frage ohne Antwort im Raum stehen, warum mir diese Band
nicht schon viel früher über den Weg, sprich Plattenteller gelaufen
ist! Doch auch hier erhält das Allerwelts-Sprichwort "Besser spät
als nie!" seine Berechtigung, aber sowas von!
Mit
dem rasant gespielten «The Doomsday Clock» wurde die Brücke in die
Gegenwart und hin zum aktuellen Album «Cruel Magic» geschlagen, das
2018, also drei Jahre nach «Atom By Atom» erschienen ist und seither
Alt- wie Neufans mit neuer Mucke erfreut. Freude zeigte auch Brian,
der über den Zuspruch des austickenden Schweizer Publikums sichtlich
amüsiert war. Gerade unmittelbar vor ihm stand ein vor dem Konzert
völlig unscheinbar aussehender Typ, der die Band (wie ich) zum
allerersten Mal live sah, aber ein Mega-Fan der ersten Stunde (nicht
wie ich) ist und total ausrastete. Derweil erzählte der gut gelaunte
Sänger mehrfach was zu den Songs, und dabei kam auch zur Sprache,
was es mit dem Bandnamen Satan auf sich habe. Satanisten seien sie
nicht, respektive nie gewesen und der wohlwissend polarisierende
Name stehe eben für das Böse und Dunkle, das von der Menschheit
ausgehe. Gut zu wissen, kam aber viel zu spät für mich, und zu was
das letztlich führte, steht in der Einleitung. Musikalisch liess das
Quintett aus UK derweil rein gar nichts anbrennen und vor allem auch
das aktuelle Material wie «Into The Mouth Of Eternity» oder
«Ophidian» ging runter wie Öl. Die Varianz im Tempo war schon früher
ein Markenzeichen und ist es immer noch. Das pfeilschnelle
«Testimony» beendete den regulären Set und hinterliess erstmal nur
offene Münder! Du heilige Scheisse war das geil und weil es so schön
war, gab es gleich noch drei Zugaben oben drauf und mit «Alone In
The Dock» schloss sich der Kreis von «Court In The Act» nach den
kultigsten hundert Konzertminuten der letzten Jahre, wenn nicht
Dekaden! So trat ich dann also mit einem breiten Grinsen im Gesicht
und dem Vinyl von «Cruel Magic» sowie «Atom By Atom» unter dem Arm
zufrieden den Heimweg an.
Setliste: «Into The Fire (Intro)» -
«Trial By Fire» - «Blades Of Steel» - «The Doomsday Clock» - «2025»
- «The Devil's Infantry» - «Into The Mouth Of Eternity» - «Break
Free» - «Ophidian» - «Intro/Siege Mentality» - «Cruel Magic» -
«Incantations» - «Legions Hellbound» - «The Fall Of Persephone» -
«Testimony» -- «Heads Will Roll» - «Kiss Of Death» - «Alone In The
Dock».
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