Der Konzert-Overkill im Juni bog
langsam aber sicher auf die Zielgerade ein. Bevor es soweit war,
beehrte uns die britische NWOBHN-Ikone Saxon auf ihrer «Sacrifice»-Tour
gleich zweimal! Nach dem Vorabend in der Luzerner Schüür war nun das
Kofmehl dran und zwar bedeutete dies Premiere für Biff & Co. in
Solothurn. So fiel mir die Wahl natürlich nicht schwer und obwohl ich
weiss, wie heiss es jeweilen auch in der Innerschweiz zu und her geht,
führte heute Abend kein Weg am Kofmehl vorbei. Anfangs des Monats
befand sich meine Wenigkeit ja im hohen Norden am „Sweden Rock
Festival“ und müssig zu erwähnen, dass Saxon dort auf der „Rock Stage“,
inklusive dem originalen Eagle, keine Gefangenen machten und voll vom
Leder zogen. Interessant ist dabei, dass die Kult-Mucke sowohl auf
grossen wie auch kleinen Bühnen funktioniert. Der heutige Rahmen
versprach natürlich geballte Ladung Power, die sich aber nicht
übermässig viele Leute anschauen wollten. Doch sowas kümmert den
Headliner grundsätzlich nie und dieser gibt in dem Zusammenhang immer
120%. Als Vorgruppe hinterliessen AC Angry aus Deutschland bereits zu
Beginn einen mehr als nur guten Eindruck! (rsl)
AC Angry
Solche Momente werden zunehmend rar, aber es gibt sie offenbar doch
noch! Also die Situation, dass man eine bestimmte Band bisher weder
gehört noch gesehen hat, obwohl zumindest mal eine EP namens «Booze
Horse» (2012) existiert. Das lärmende Quartett stammt aus Saarbrücken
und wurde erst Ende 2011 gegründet. Ein Jahr später spielten sie als
Support von Warrior Soul im Rock City (R.I.P.) in Uster. Die Biographie
der Deutschen offenbart zudem, dass man sich zuvor eine Zeit lang
Taletellers genannt hatte und, nebst zwei unter diesem Namen
veröffentlichten Alben, mit diversen Szene-Grössen wie Grave Digger,
Uriah Heep, Molly Hatchet oder Astral Doors schon unterwegs war. Mit
dem geänderten Bandnamen will man nun mehr dem zelebrierten Musikstil
mit Vibes von Zodiac Mindwarp & The Love Reaction und Motörhead
gerecht werden. Im Verlauf dieses Jahres soll schliesslich das erste
Langeisen erscheinen, das nach der guten EP mit einigen Erwartungen
verbunden ist. Den „holyshitwasistdennhierlos“-Effekt konnten AC Angry
mit ihrem Dampframmen-Sound bereits heute Abend von Anfang an los
treten. Nach dem Intro folgte nämlich «Radicalizer» als Opener und Song, der mit
ziemlicher Sicherheit auf der kommenden Scheibe zu finden sein wird.
Der Groove, den AC Angry da vom Stapel liessen, war einfach nur
oberfett und resultierte vor allem von Drummer Sascha Waack her, der
mit seinem Spiel Bun E. Carlos von Cheap Trick zu dessen besten Zeiten
alle Ehre machte. «Rock n‘ Roller Roller Rolla!» (von der EP)
entwickelte derweil den gleichen Schub wie vorher und marschierte
ebenso gnadenlos nach vorne. Tempomässig etwas gemächlicher brauste
«Motor» über die Köpfe im Kofmehl hinweg und auch hier servierte Master
Waack einen saumässig guten Snare-Sound, der die Mucke von AC Angry
klar charakterisiert. Der Lautstärkepegel wie Zuspruch der Fans nahm
laufend erfreulich zu, und auch wenn sich zwischendurch songwriterisch
der eine oder andere Halbhänger einnistete, schlug unter dem Strich
eine in jedem Fall schweisstreibende Top-Performance zu Buche, die in
der Rolle des Supports voll zu überzeugen wusste und das Interesse an
der ersten Langrille dauerhaft hoch hält! Also Augen auf Leute… (rsl)
Setliste: «Intro» - «Radicalizer» - «Rock n‘ Roller Roller Rolla!» -
«Motor» - «Thirst/Booze» - «It’s Good To Be Bad» - «Kings Of Death» -
«Booze Horse» - «Black Denim» - «Get It On» - «AC Angry».
Saxon
Was Kiss und Iron Maiden ein paar Tage vorher als Makel angehängt
werden muss, beantworteten die Engländer auf ihre Art, nämlich mit
einem oberamtlichen Sound! Obschon die Gitarre von Doug Scarratt zu
Beginn ihren Dienst quittierte und «Sacrifice» nur als Quartett
vorgetragen wurde, war klar, dass Sänger Biff Byford und seine Mannen
von der ersten Sekunde an das Kofmehl im Sturm einnehmen würden. Die
Setliste liess sich sehen und imposante sieben neue Nummern des
aktuellen Albums «Sacrifice» wurden integriert. Das beweist, dass die
Sachsen sehr stolz (zu recht!) auf ihre neue Scheibe sind und dass sich
die Songs nicht hinter den Klassikern zu verstecken brauchen. Dabei
besteht die Möglichkeit, dass zukünftig «Wheels Of Terror», «Stand Up
And Fight» und «Guardians Of The Tomb» weiterhin in der Setlist zu finden sein werden,
zumindest anhand der euphorischen Reaktionen der Fans. Ansonsten reihte
sich Hit an Hit. Würde der Fünfer alle Klassiker spielen, käme die
Truppe nicht mal nach einer 3½-stündigen Spielzeit von der Bühne
runter. An diesem Montagabend legten sich Saxon gut 110 Minuten ins
Zeug und gruben Tracks wie die Akustikballade «Iron Wheels» und endlich
auch wieder «Solid Ball Of Rock» aus der Schatzkiste heraus.
Auch wenn der Aufmarsch der Besucher sehr klein war, am Abend vorher
spielten die Band in Luzern, war die Stimmung super. Selbst Altrocker
vergossen eine kleine Träne, wenn sie ihren x-ten Frühling spürten und
das schütteres Haar wiedermal zu «Power And The Glory», «Motorcycle
Man», «Dallas 1pm», «Strong Arm Of The Law», «Crusader», «Wheels Of
Steel», oder den beiden Rausschmeissern «Denim And Leather» und
«Princess Of The Night» schütteln konnten. Klatschte Biff noch die
Hände der ersten Reihen ab, standen ungläubige Metaller an der
Absperrung und hielten sich vor Freude die soeben berührte Hand. –
Gewaschen wird da nix mehr in den nächsten Jahren! – Die Stimmung war
ausgezeichnet! Die Kofmehl-Besucher, klatschten, hüften, sangen und
bangten ohne Ende. Saxon trieben die Stimmung weiter an. Biff war der
Mittelpunkt des Geschehens. War es mit seinen grellen Pfiffen, mit
seiner charismatischen Bühnenpräsenz, oder mit seinem Bangen. Wobei zu
Beginn der Show man sich doch fragen musste, inwieweit sich Mister
Byford hier das Leben schwer macht… Der Shouter bedankte sich immer
wieder auf Deutsch («Danke schön!», «Vielen Dank!») beim Publikum,
beschrieb Selbiges als «fantastic audience» und klatschte Beifall. Die
Frage «…do you feel good…» erübrigte sich. Die Stimmung stieg und das
Kofmehl wurde zum Hexenkessel.
Es war ganz einfach imposant, wie die doch schon leicht älteren Herren
das Haus rockten. Sieht man die Arbeit, welche Nigel hinter seiner
Schiessbude verrichtet, nickt man bewundernd dem Trommler zu. Mister
Glockler spielt nach wie vor mit Hingabe, Power und punktgenauem
Schlag. Eine solche Leistung muss man bewundern und neidlos anerkennen.
Nibbs Carter litt ein bisschen unter den engen Bühnenverhältnissen. Wo
der Bassist ansonsten mit seiner wilden und agilen Show die komplette
Bühne für sich beansprucht, wurde er an diesem Abend zum Steh- und
Propellerbanger degradiert. Trotzdem stand dem jüngsten Bandmitglied
der Spass ins Gesicht geschrieben und er genoss, wie seine Mitmusiker,
den Abend in vollen Zügen. Das Gitarrenduo Doug Scarratt und Paul Quinn
war noch nie das Bewegungsfreudigste. Aber was die Beiden jeweils aus
ihren Saiten hauen, ist einfach Weltklasse. War dies als geiles
Doppelsolo bei «Made In Belfast» und «Stand Up And Fight», oder mit
fetten Riffs bei «To Hell And Back Again», «747 (Strangers In The
Night)», und «Princess Of The Night». Die ultimativen Partyhits feierte
das Publikum mit Saxon bei «I've Got To Rock (To Stay Alive)», «Solid
Ball Of Rock» und «Wheels Of Steel». Dass dabei »Nibbs seinen Bass
schon mal über Kopf gehalten spielt, oder Paul seine Gitarre wie ein
Gewehr in Anschlag nimmt, gehört ganz einfach zum «gute Laune Faktor»
der Truppe. Oder zum Text von «Dallas 1pm», in welchem es um die
Ermordung von John F. Kennedy geht. Bei diesem Track reisst den
Besucher immer wieder der erhabene Moment mit, wenn kurz vor dem
Solopart der tödliche Schuss fällt und sich der ruhig packende Moment
in Pauls Solo entlädt.
Wurde früher die Setliste durch das Publikum mitbestimmt, fiel dies in
den letzten Jahren immer einer klar definierten Songreihenfolge zum
Opfer. Auf dieser Tour baute der Fünfer zumindest drei Positionen ein,
an welcher der Song anhand der zugerufenen Wünsche des Publikums
ausgesucht und gespielt wurde. In Solothurn war dies «To Hell And Back
Again», «Motorcycle Man» (wurde nur früher gespielt) und «Dallas 1pm»,
der zumindest auf dieser Europa-Tour sehr selten gespielt wurde. Der
Zugabeblock setzte bei Band und Publikum die letzten Reserven frei.
«Crusader» (kollektives Fäusteschwingen), «Denim And Leather» (mit
Mitsingpart) und «Princess Of The Night» was will man mehr? Abgesehen
von zwei weiteren Stunden Saxon pur? «Switzerland! You're fantastic!
Thank you very much!». Jungs, wir haben euch zu danken! Für eine
unglaubliche Show, einen fantastischen Sound, eine hingebungsvolle und
ehrliche Performance sowie unzählige Evergreens, die nur von Saxon
stammen können! (tin)
Setliste: «Procession» - «Sacrifice» - «Wheels Of Terror» - «Power And
The Glory» - «To Hell And Back Again» - «Made In Belfast» - «Motorcycle
Man» - «I've Got To Rock (To Stay Alive)» - «Night Of The Wolf» -
«Conquistador» - «Drum solo Nigel Glockler» - «Iron Wheels» - «Solid
Ball Of Rock» - «Stand Up And Fight» - «Dallas 1pm» - «Guardians Of The
Tomb» - «747 (Strangers In The Night)» - «Strong Arm Of The Law» -
«Wheels Of Steel» -- «Crusader» - «Denim And Leather» - «Princess Of
The Night».
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