Livereview: Saxon - AC Angry

24. Juni 2013, Solothurn - Kofmehl
By Tinu (rsl) & Rockslave (rsl) - All Pics by Rockslave
Der Konzert-Overkill im Juni bog langsam aber sicher auf die Zielgerade ein. Bevor es soweit war, beehrte uns die britische NWOBHN-Ikone Saxon auf ihrer «Sacrifice»-Tour gleich zweimal! Nach dem Vorabend in der Luzerner Schüür war nun das Kofmehl dran und zwar bedeutete dies Premiere für Biff & Co. in Solothurn. So fiel mir die Wahl natürlich nicht schwer und obwohl ich weiss, wie heiss es jeweilen auch in der Innerschweiz zu und her geht, führte heute Abend kein Weg am Kofmehl vorbei. Anfangs des Monats befand sich meine Wenigkeit ja im hohen Norden am „Sweden Rock Festival“ und müssig zu erwähnen, dass Saxon dort auf der „Rock Stage“, inklusive dem originalen Eagle, keine Gefangenen machten und voll vom Leder zogen. Interessant ist dabei, dass die Kult-Mucke sowohl auf grossen wie auch kleinen Bühnen funktioniert. Der heutige Rahmen versprach natürlich geballte Ladung Power, die sich aber nicht übermässig viele Leute anschauen wollten. Doch sowas kümmert den Headliner grundsätzlich nie und dieser gibt in dem Zusammenhang immer 120%. Als Vorgruppe hinterliessen AC Angry aus Deutschland bereits zu Beginn einen mehr als nur guten Eindruck! (rsl)

AC Angry

Solche Momente werden zunehmend rar, aber es gibt sie offenbar doch noch! Also die Situation, dass man eine bestimmte Band bisher weder gehört noch gesehen hat, obwohl zumindest mal eine EP namens «Booze Horse» (2012) existiert. Das lärmende Quartett stammt aus Saarbrücken und wurde erst Ende 2011 gegründet. Ein Jahr später spielten sie als Support von Warrior Soul im Rock City (R.I.P.) in Uster. Die Biographie der Deutschen offenbart zudem, dass man sich zuvor eine Zeit lang Taletellers genannt hatte und, nebst zwei unter diesem Namen veröffentlichten Alben, mit diversen Szene-Grössen wie Grave Digger, Uriah Heep, Molly Hatchet oder Astral Doors schon unterwegs war. Mit dem geänderten Bandnamen will man nun mehr dem zelebrierten Musikstil mit Vibes von Zodiac Mindwarp & The Love Reaction und Motörhead gerecht werden. Im Verlauf dieses Jahres soll schliesslich das erste Langeisen erscheinen, das nach der guten EP mit einigen Erwartungen verbunden ist. Den „holyshitwasistdennhierlos“-Effekt konnten AC Angry mit ihrem Dampframmen-Sound bereits heute Abend von Anfang an los treten. Nach dem Intro folgte nämlich «Radicalizer» als Opener und Song, der mit ziemlicher Sicherheit auf der kommenden Scheibe zu finden sein wird. Der Groove, den AC Angry da vom Stapel liessen, war einfach nur oberfett und resultierte vor allem von Drummer Sascha Waack her, der mit seinem Spiel Bun E. Carlos von Cheap Trick zu dessen besten Zeiten alle Ehre machte. «Rock n‘ Roller Roller Rolla!» (von der EP) entwickelte derweil den gleichen Schub wie vorher und marschierte ebenso gnadenlos nach vorne. Tempomässig etwas gemächlicher brauste «Motor» über die Köpfe im Kofmehl hinweg und auch hier servierte Master Waack einen saumässig guten Snare-Sound, der die Mucke von AC Angry klar charakterisiert. Der Lautstärkepegel wie Zuspruch der Fans nahm laufend erfreulich zu, und auch wenn sich zwischendurch songwriterisch der eine oder andere Halbhänger einnistete, schlug unter dem Strich eine in jedem Fall schweisstreibende Top-Performance zu Buche, die in der Rolle des Supports voll zu überzeugen wusste und das Interesse an der ersten Langrille dauerhaft hoch hält! Also Augen auf Leute… (rsl)

Setliste: «Intro» - «Radicalizer» - «Rock n‘ Roller Roller Rolla!» - «Motor» - «Thirst/Booze» - «It’s Good To Be Bad» - «Kings Of Death» - «Booze Horse» - «Black Denim» - «Get It On» - «AC Angry».

Saxon
Was Kiss und Iron Maiden ein paar Tage vorher als Makel angehängt werden muss, beantworteten die Engländer auf ihre Art, nämlich mit einem oberamtlichen Sound! Obschon die Gitarre von Doug Scarratt zu Beginn ihren Dienst quittierte und «Sacrifice» nur als Quartett vorgetragen wurde, war klar, dass Sänger Biff Byford und seine Mannen von der ersten Sekunde an das Kofmehl im Sturm einnehmen würden. Die Setliste liess sich sehen und imposante sieben neue Nummern des aktuellen Albums «Sacrifice» wurden integriert. Das beweist, dass die Sachsen sehr stolz (zu recht!) auf ihre neue Scheibe sind und dass sich die Songs nicht hinter den Klassikern zu verstecken brauchen. Dabei besteht die Möglichkeit, dass zukünftig «Wheels Of Terror», «Stand Up And Fight» und «Guardians Of The Tomb» weiterhin in der Setlist zu finden sein werden, zumindest anhand der euphorischen Reaktionen der Fans. Ansonsten reihte sich Hit an Hit. Würde der Fünfer alle Klassiker spielen, käme die Truppe nicht mal nach einer 3½-stündigen Spielzeit von der Bühne runter. An diesem Montagabend legten sich Saxon gut 110 Minuten ins Zeug und gruben Tracks wie die Akustikballade «Iron Wheels» und endlich auch wieder «Solid Ball Of Rock» aus der Schatzkiste heraus.

Auch wenn der Aufmarsch der Besucher sehr klein war, am Abend vorher spielten die Band in Luzern, war die Stimmung super. Selbst Altrocker vergossen eine kleine Träne, wenn sie ihren x-ten Frühling spürten und das schütteres Haar wiedermal zu «Power And The Glory», «Motorcycle Man», «Dallas 1pm», «Strong Arm Of The Law», «Crusader», «Wheels Of Steel», oder den beiden Rausschmeissern «Denim And Leather» und «Princess Of The Night» schütteln konnten. Klatschte Biff noch die Hände der ersten Reihen ab, standen ungläubige Metaller an der Absperrung und hielten sich vor Freude die soeben berührte Hand. – Gewaschen wird da nix mehr in den nächsten Jahren! – Die Stimmung war ausgezeichnet! Die Kofmehl-Besucher, klatschten, hüften, sangen und bangten ohne Ende. Saxon trieben die Stimmung weiter an. Biff war der Mittelpunkt des Geschehens. War es mit seinen grellen Pfiffen, mit seiner charismatischen Bühnenpräsenz, oder mit seinem Bangen. Wobei zu Beginn der Show man sich doch fragen musste, inwieweit sich Mister Byford hier das Leben schwer macht… Der Shouter bedankte sich immer wieder auf Deutsch («Danke schön!», «Vielen Dank!») beim Publikum, beschrieb Selbiges als «fantastic audience» und klatschte Beifall. Die Frage «…do you feel good…» erübrigte sich. Die Stimmung stieg und das Kofmehl wurde zum Hexenkessel.

Es war ganz einfach imposant, wie die doch schon leicht älteren Herren das Haus rockten. Sieht man die Arbeit, welche Nigel hinter seiner Schiessbude verrichtet, nickt man bewundernd dem Trommler zu. Mister Glockler spielt nach wie vor mit Hingabe, Power und punktgenauem Schlag. Eine solche Leistung muss man bewundern und neidlos anerkennen. Nibbs Carter litt ein bisschen unter den engen Bühnenverhältnissen. Wo der Bassist ansonsten mit seiner wilden und agilen Show die komplette Bühne für sich beansprucht, wurde er an diesem Abend zum Steh- und Propellerbanger degradiert. Trotzdem stand dem jüngsten Bandmitglied der Spass ins Gesicht geschrieben und er genoss, wie seine Mitmusiker, den Abend in vollen Zügen. Das Gitarrenduo Doug Scarratt und Paul Quinn war noch nie das Bewegungsfreudigste. Aber was die Beiden jeweils aus ihren Saiten hauen, ist einfach Weltklasse. War dies als geiles Doppelsolo bei «Made In Belfast» und «Stand Up And Fight», oder mit fetten Riffs bei «To Hell And Back Again», «747 (Strangers In The Night)», und «Princess Of The Night». Die ultimativen Partyhits feierte das Publikum mit Saxon bei «I've Got To Rock (To Stay Alive)», «Solid Ball Of Rock» und «Wheels Of Steel». Dass dabei »Nibbs seinen Bass schon mal über Kopf gehalten spielt, oder Paul seine Gitarre wie ein Gewehr in Anschlag nimmt, gehört ganz einfach zum «gute Laune Faktor» der Truppe. Oder zum Text von «Dallas 1pm», in welchem es um die Ermordung von John F. Kennedy geht. Bei diesem Track reisst den Besucher immer wieder der erhabene Moment mit, wenn kurz vor dem Solopart der tödliche Schuss fällt und sich der ruhig packende Moment in Pauls Solo entlädt.

Wurde früher die Setliste durch das Publikum mitbestimmt, fiel dies in den letzten Jahren immer einer klar definierten Songreihenfolge zum Opfer. Auf dieser Tour baute der Fünfer zumindest drei Positionen ein, an welcher der Song anhand der zugerufenen Wünsche des Publikums ausgesucht und gespielt wurde. In Solothurn war dies «To Hell And Back Again», «Motorcycle Man» (wurde nur früher gespielt) und «Dallas 1pm», der zumindest auf dieser Europa-Tour sehr selten gespielt wurde. Der Zugabeblock setzte bei Band und Publikum die letzten Reserven frei. «Crusader» (kollektives Fäusteschwingen), «Denim And Leather» (mit Mitsingpart) und «Princess Of The Night» was will man mehr? Abgesehen von zwei weiteren Stunden Saxon pur? «Switzerland! You're fantastic! Thank you very much!». Jungs, wir haben euch zu danken! Für eine unglaubliche Show, einen fantastischen Sound, eine hingebungsvolle und ehrliche Performance sowie unzählige Evergreens, die nur von Saxon stammen können! (tin)

Setliste: «Procession» - «Sacrifice» - «Wheels Of Terror» - «Power And The Glory» - «To Hell And Back Again» - «Made In Belfast» - «Motorcycle Man» - «I've Got To Rock (To Stay Alive)» - «Night Of The Wolf» - «Conquistador» - «Drum solo Nigel Glockler» - «Iron Wheels» - «Solid Ball Of Rock» - «Stand Up And Fight» - «Dallas 1pm» - «Guardians Of The Tomb» - «747 (Strangers In The Night)» - «Strong Arm Of The Law» - «Wheels Of Steel» -- «Crusader» - «Denim And Leather» - «Princess Of The Night».