Livereview: Schandmaul - Burn
12. Januar 2012, Pratteln - Z7
By Roger W.
Tourauftakt für Schandmaul in der Schweiz! Das ist man sich mittlerweile gewohnt, beginnt oder enden die Touren der deutschen Mittelalter-Rocker doch meist hier. Neben logistischen Gründen spielt da sicher auch die Tatsache mit, dass hier das Publikum noch allfällige Spiel- oder Textfehler gerne verzeiht. Das fällt aber auch nicht schwer, wirken die Deutschen doch enorm sympathisch. Wenig zum Gelingen des Abends trug dafür die Vorband Burn bei. Aber was soll's. Denn Schandmaul waren der Grund, wofür die Fans ins Z7 gepilgert waren. Diese entzündeten beim Auftakt ihrer «Traumtänzertournee 2011» das Feuer, welches eigentlich schon eine Stunde vorher mindestens hätte entflammt werden sollen.

Burn

Über 200 gespielte Konzerte und ein Zitat von Aurelius Augustinus (354-430) auf der Homepage der Münsteraner liessen eigentlich eine Hammer Band erwarten. Der lang verstorbene Mann sprach damals: «Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen." Im Z7 zeigten Burn, dass der Bandname ungerechtfertigt ist, sie 200 Mal nichts gelernt haben und sie sich das Zitat nicht zu Herzen nehmen. Der Auftritt wirkte lahm, das Feuer war nicht mal ein zaghaftes Glühen und von Motivation war überhaupt nichts zu spüren. Dazu kamen Songs, die entfernt an Muse erinnerten, aber nicht annähernd deren Klasse erreichten. Die Idee mit dem Kontrastprogramm zum Schandmaul-Sound war gut, die Band aber falsch gewählt. Der Sänger nannte den Sound "Wave-Rock", ich "Öd-Rock". Einzig der Bassist zeigte Emotionen und Spielfreude. Dazu kam ein massiver Einsatz von Backing-Vocals und anderen Einspielungen ab Band. Aber auch das half nichts. Das Ergebnis war «langweilige Musik von langweiligen Leuten für langweilige Leute.» Einzige Spannung kam zwischen den Liedern auf, wo man raten durfte, welche der unzähligen Gitarren jetzt umgeschnallt wurden. Somit empfahlen sich Burn als «The Kings of Belanglosigkeit» und verursachten höchstens «den Schmerz des Wartens auf das Ende des Auftritts». Die Erlösung kam nach rund 35 Minuten. Der Applaus war mässig, der Schrecken sass dafür umso mehr in den Knochen. Bitte nicht nochmal!




Schandmaul
Ein ganz anderes Bild bei Schandmaul: Motivierte, tanzende Menschen auf und vor der Bühne, und eine Stimmung, die man in den vorderen Reihen als kochend, hinten als geniesserisch bezeichnen konnte. Dazu die Erkenntnis des Abends: Nämlich, dass Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie doch recht hatte! Dünkten einen die 30 Minuten bei Burn als eine nie enden wollende Ewigkeit, waren die zwei Stunden bei Schandmaul im Nu vorbei. Rund 26 Lieder spielten die Deutschen und verzichteten dabei auf überflüssige Soloeinlagen einzelner Ego-manen, und auch das unnötige "Zugaben-spielen" wurde ausgelassen. Denn auch ohne solche dramaturgische Elemente hielten die Schandmäuler die Spannung aufrecht. Dies lag unter anderem daran, weil Sänger Thomas zu Beginn ankündigte, heute auch ein paar Über-raschungen zu spielen. Zudem besass die Setliste genügend unterschiedliche Songs, um für Abwechslung zu sorgen, auch wenn bei genauem Hinhören doch gewissen Wiederholungen unumgänglich waren. Aber egal, denn Schandmaul besitzen neben den tollen Melodien und Arrange-ments die unglaubliche Stärke, teils sehr kitschige Texte unpeinlich, natürlich und authentisch rüber zu bringen. Diese Liebe entfaltet sich wohl jetzt auch bei zwei künftigen Bandmitgliedern. Denn so, kündigte Sänger Thomas an, sei sein Akkordeon wohl nicht so schön geformt wie die Rundungen zweier erwartungsvoller Frauen. Und siehe da, beide präsentierten kleine Bäuche, welche die Schandmaul-Familie schon bald vergrössern werden. Das rang Respekt ab, schwanger noch auf eine einmonatige Tour zu gehen. Aber auch sonst erhielt die Schandmaul-Familie Zuwachs. Der langhaarige Bühnentechniker vertrat Thomas letztes Jahr an der Gitarre. Das hat der Band so gut gefallen, dass der Tech für einige Lieder nun ebenfalls im Rampenlicht seine Akusti-Klampfe spielen durfte. Für noch mehr Abwechslung sorgte «Wolfs-mensch», welches nur mit einer Gitarre und Gesang vorgetragen wurden. Gitarrist Martin intonierte es zusammen mit Thomas, wobei beide schworen, es noch nie zusammen geübt zu haben. Dass das nötig wäre, wurde spätestens dann klar, als die beiden zum dritten Mal den Song unterbrochen hatten. Das Publikum nahm es gelassen und feierte die Band umso frenetischer. Es ist diese Leichtigkeit, welche Stücke wie «Licht-blick», «Walpurgisnacht» oder «Herren der Winde» zu dem macht, was sie sind: Einfach tolle Lieder. Und als Schandmaul das eindringliche «Dein Anblick» anspielten, war das Publikum schlicht hin und weg. Der Text wurde lauthals mitgesungen; auch dann noch, als die Band kurz von der Bühne ging. Was blieb da den Deutschen anderes übrig, als zurück zu kehren und den Faden des Liedes nochmals aufzunehmen. Beim «Trinklied» war die Stimmung schliesslich auf dem Höhepunkt, so dass sich die Deutschen mit dem ruhigen «Willst du?» verabschiedeten. Das allerletzte Liedchen «Es war schön» fasste den Auftritt nochmals passend zusammen. Wobei das Z7 dank einer letzten Panne sogar in den Genuss der Acapella-Version kam.

Setliste: «Intro» - «Herren der Winde» - «Auf hoher See» - «Tyrann» - «Hexeneinmaleins» - «Der Hofnarr» - «Instrumentalisches Zwischenspiel» - «Assassine» - «Gea's Traum» - «Bis zum Morgengrauen» - «Anderswelt» - «Vogelfrei» - «Lichtblick» - «Pakt » - «Henkersmahlzeit» - «Gebt Acht!» - «Traumtänzer» - «Walpurgisnacht» - «Teufelsweib» - «Die goldene Kette» - «Dein Anblick» - «Krieger» - «Wolfsmensch» - «Der Wandersmann» -- «Trinklied» - «Willst Du?» - «Outro».