Es ist jedes Mal eine Fest und eine Ehre, die deutschen
Folk-Rocker Schandmaul Live erleben zu können. Neben den tollen,
teils arg an der Grenze zum Kitsch gesungenen Lieder, ist es vor
allem die Menschlichkeit und die Stimmung zwischen den sechs
Musikern, welche jeden Auftritt der Deutschen zu etwas Besonderem
machen. Auf der aktuellen Akustik-Tour kommen gleich noch zwei
weitere Faktoren dazu: Die Band stellte mit Schandmäulchen gleich
sich selbst als Vorgruppe. Und als Hauptband erklangen ihre Lieder
wie vorgängig auf ihrer Webseite angekündigt akustisch. Wo der
Unterschied zwischen den Original-Versionen und den abgespeckten
ist, merkte ich erst gegen Schluss. Das sonst sehr ruhige „Dein
Anblick“ avancierte im neuen Set zu einem der härtesten Liedern. Das
führte nach dem Konzert zur spannenden Selbsterkenntnis eines
Rockers/Metallers: Die ruhigeren Versionen klingen zwar toll, auf
die Dauer eines ganzen Konzertes ist mir das normale Set aber
lieber, da dann noch mehr Dynamik vorhanden ist.
Schandmäulchen Im letzten Metal Factory-Interview mit
Schandmaul-Sänger Thomas Lindner, liess dieser verlauten, dass
Schandmaul eine Kinder-CD aufnehmen werden. Unter dem Namen
„Schandmäulchens Abendteuer“ erschien dann im Oktober 2014 ein
liebevoll gestaltete Buch mit beigefügter Musik-CD. Und genau dieses
Abendteuer erzählten und bespielten Schandmaul als ihre eigene
Vorgruppe. Dazu wurden für jeden Musiker je ein Barhocker und ein
Kinderstuhl am Rand der Bühne aufgestellt. Auf den Kinderstühlen
sassen Handpuppen, mit welchen die Geschichte in leicht abgeänderter
Form inszeniert wurde. Sänger Thomas Linder trat als Sprecher auf,
während die anderen Schandmäuler jeweils in ein bis zwei Rollen
schlüpften. Dabei fiel auf, dass sämtliche Musiker auch
hervorragende Sprecher sind. Diese reagierten auch sympathisch auf
Pannen wie verstimmte Gitarren oder verzasperte Texte und verpasste
Einsätze. Spannend für die Erwachsenen blieb die Geschichte aber
auch, weil sich die Musiker immer wieder anfeixten. Zur Auflockerung
spielten Schandmäulchen zwischen den Texten ihre Kinderlieder,
welche sehr nahe am üblichen Schandmaul-Repertoire klingen. Der
tosende Applaus am Schluss galt schliesslich nicht nur Figuren wie
Bert das Pferd (hervorragend gespielt von Gitarrist Martin
Duckstein), sondern der gesamten Band. Die Erwachsenen wurden
hervorragend eingestimmt. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass
bei einem Kinderpublikum noch mehr drin gewesen wäre. Dieses wäre ob
der tollen Darbietung schlicht weggeschmolzen und in eine Anderswelt
versunken.
Schandmaul Gleiche Bühne, mehr
Platz, viele Kerzenständer und andere Bühnenkleider. So
präsentierten sich Schandmaul nach einer halbstündigen Pause als
eigentliche Hauptband. Schandmaul hatten sich besonders
herausgeputzt, wobei Sänger Thomas Lindner im Bandraum die passenden
Schuhe vergessen hatte. Dies bedauerte er bei einer Ansage und wies
auf seine blauen Turnschuhe zum schwarzen Umhang hin. Auch sonst
schien er im ersten Teil des Sets ein wenig verwirrt zu sein. So
spielte er ein Lied in der falschen Tonlage an und verpatze einige
Einsätze. „Die Narrenkappe geht heute eindeutig an Thomas“,
stichelte Flötistin Birgit Muggenthaler-Schmack liebevoll. „Ihr
müsst halt flexibler sein“, gab Thomas Lindner zurück und verlor
dieses Duell mit einem „Flexibel ist der kleine Bruder von
Scheisse“. Das Kopfmehl nahm dies aber gelassen und freute sich umso
mehr über die Tatsache, dass bei Schandmaul wirklich alles Live
erklingt. Zumal die
Patzer auch nicht wirklich dominierten. Vielmehr
werden sie die Besucher an Lieder wie „Herren der Winde“ (zum
Start), „Drachentöter“, „Auf hoher See“ oder „Die goldene Kette“
erinnern. Diese klangen auch im akustischen Gewand druckvoll. Der
eingangs beschriebene Eindruck der weniger starken Dynamik wurde mir
erst nach dem Konzert bewusst. Besonders schön waren auch die
Ansagen zu den Liedern. Zu „Sonnenstrahl“ erzählte Thomas Linder wie
es ist, wenn an einem schönen Tag das eigene Kind strahlend in die
Arme rennt und den Papa liebevoll umarmt. „Uns fehlt bisher noch ein
Lied zum Schwängern“, stimmte Lindner in einer ganz anderen Manier
nach „Walpurgisnacht“ auf „Dein Anblick“ ein. Aber wer will bei
diesem Lied über wahre Sehnsucht schon ans Ficken denken. Zumal die
obligatorischen Publikumschöre am Schluss für Gänsehaut sorgten. In
eine ähnliche Richtung ging die zweite Zugabe „Euch zum Geleit“.
Dieses handelt von einer verstorbenen Person, welche in einem
letzten Brief die Trauergemeinde aufruft, sich an die schönen
Momente mit ihr zu erinnern. „Prinzessin“ war anschliessend nach
über zwei Stunden Spielzeit das letzte Lied und entliess das
Publikum in die erste verschneite Winternacht mit der Gewissheit,
dass man neben aller Fröhlichkeit auch mit ernsten Themen
unterhalten wurde. Danke Schandmaul, danke Schandmäulchen und gerne
auf ein nächstes Mal!
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