Es wurde auch endlich wieder mal Zeit, dass DIE Rocklegende aus
Deutschland in Helvetien den Beweis erbringt, dass sie noch immer zu
den stärksten Vertretern ihres Faches gehört. Bis jedoch die Herren
Meine, Schenker, Jabs, Maciwoda und Kottak das Haus rocken konnten,
musste sich der geneigte Fan seine Idole hart ausharrend erkämpfen.
Schon der Weg zum Festivalgelände entpuppte sich als rollende
Karawane, die sich locker von den Fussgängern überholt sah. Nachdem
den Blechkisten der entsprechende Parkplatz zugewiesen wurde,
marschierte man gemütlich zum Gelände, wo sich schon diverse Fans am
Eingang tummelten und von draussen den Klängen von Dada Ante Portas
lauschten. Ehrlich gesagt, machte der Pop-Rock der Luzerner richtig
Laune und konnte schon eine angewärmte Partystimmung verbreiten. Der
erste Höhepunkt folgte dann für die Anwesenden in Form der Berner
Züri West, die mit ihrem melancholischen Mundart-Rock das Publikum
zum Tanzen und zum Singen brachten. Für mich als alten Hardrocker
fehlt(e) jegliches Flair, auch nur ansatzweise etwas Gutes über
diese Truppe schreiben zu können... - Da half selbst die
Cover-Version von Robert Palmers «Johnny And Mary» nichts...
Scorpions
Das Adrenalin schoss dennoch in meine Adern und die Spannung stieg
ins Unermessliche. Tausende von Fragen durchfluteten meine
Gedankengänge. Würde Klaus Meine stimmlich eine vorzügliche Show
bieten? Ist Rudolf Schenker noch immer so vital wie in den
80er-Jahren? Tritt Schlagzeuger James Kottak mit seinem Drumming
noch immer dermassen Arsch? Gehört Matthias Jabs noch immer zu den
besten Gitarristen? Hat sich Bassist Pawel Maciwoda vollkommen in
die Band integriert? Wird der Skorpion eine Setliste spielen, die
auf Nummer sicher geht, oder wird der Stachel richtig ausgepackt und
es gibt einige Überraschungen? Während ich noch inmitten meiner
Gedankenwelt herum turnte, erklangen schon die ersten Takte des
Openers «Hour 1» und all meine Fragen und Befürchtungen wurden mit
einem bodenständigen, erbarmungslosen und unüberwindbaren JA
beantwortet. An diesem Abend machten die Skorpione alles richtig.
Die Herren waren heiss auf diesen Auftritt und liessen nichts
anbrennen. Als mit «Coming Home» die erste Überraschung den Weg in
die Setliste, beziehungsweise zu den Fans fand, durfte man sich
erleichtert zurücklehnen und auf einen gelungen Abend freuen.
Insbesondere auch, weil mit «No Pain No Gain», «I'm Leaving You», «Loving
You Sunday Morning», «Dynamite» und «When The Smoke Is Going Down»
Tracks gespielt wurden, mit denen nicht unbedingt zu rechnen war.
Hammer, meine Herren!!! HAMMER!
Neben den zu erwartenden Liedern wie «Bad Boys Running Wild», «The
Zoo», «Holiday», den neuen Tracks «321», «Humanity» und dem schon
angesprochenen Opener war es speziell die Bühnenpräsenz der Jungs,
die zu offenen Kauleisten führte. Wenn man das Alter der Musiker
berücksichtigt, ist nicht unbedingt zu erwarten, dass 60 Jahre jung
gebliebene Musiker noch immer so aktiv auf der Bühne rumtanzen. Wie
zum Beispiel Rudolf, der kaum stehen blieb und mit seinen Sprüngen
immer wieder zum Hingucker wurde. Als der "Jungspund" bei «Send My
An Angel» seine akustische Flying V auspackte, leuchteten auch zum
ersten Mal die Augen der vermeintlichen Prominenz in Schupfart. Das
Publikum war gut durchmischt mit alten Rockern, jungen Fans und in
Leder gezwängten «Möchtegerns». Von Sehnsucht getrieben, mussten
diese ausharren und halt auf die beiden Kassenschlager-Balladen
warten. Alleine über die entgleisten Gesichtszüge dieser VIPs, die
bei Knallern wie «Dynamite», «Coming Home» oder «Blackout» nicht
einmal mit dicken Puder zu überschminken waren, könnte ich Bücher
schreiben!
Ein Highlight war auch das Drumsolo von James. Dieser kleine Teufel
hinter dem Drumkit vermöbelte sein Werkzeug nach bester Tradition.
Als er sein mit Schweiss durchgetränktes T-Shirt auszog und sich auf
seinem Rücken das gleiche Motiv wie auf seinem Kleidungsstück
präsentierte, war allen die Lebenseinstellung des Schlagzeugers
bekannt. Wo «Rock'n'Roll Forever» drauf steht, steckt das Gleiche
auch drin! Zusammen mit seinen Mitmusikern, die jeweils an zwei Standtoms standen, beendete der Schwager von Tommy Lee unter
frenetischem Jubel seine Solokünste. «It's great to be back in
Switzerland! Three words! YOU KICK ASS!!!» Wo der blonde
Stickschwinger Recht hat, hat er Recht. Nach diesem Solo, den
Sprüchen von Mister Kottak («Klaus is in the house!», «Matthias go
away from the bar!») gab es kein Halten mehr in Schupfart. Das
Finale mit «Blackout», der Mitsing-Hymne «Big City Nights», den
Zugaben in Form der balladesken O(h)rgasmen «Still Loving You»
(Paare lagen sich in den Armen, liessen die Jugend wie einen Film an
sich vorbei ziehen und konnten kaum warten, wieder zu Hause zu
sein!), «Humanity» und «Wind Of Change», sowie dem alles
vernichtenden «Rock You Like A Hurricane» folgte der definitive
Rausschmeisser «When The Smoke Is Going Down». Jetzt entkrampften
sich auch wieder die rockigen Falten, beziehungsweise die
Gesichtszüge der Prominenz... - Man kann nur hoffen, dass sich die
Jungs bald wieder in die Schweiz verirren, denn mit diesem Gig
betrieben die Scorpions beste Werbung in eigener Sache. Was passt da
besser als Schlusssatz als die folgende Textzeile: «Year after year,
out on the road, it's great to be here, to rock you all!» aus dem
Scorpions-Kracher «Coming Home»? Nichts!
Setlist: «Hour 1» - «Coming Home» - «Bad Boys Running Wild» - «The
Zoo» - «No Pain No Gain» - «Coast To Coast» - «Send My An Angel» -
«Holiday (full version)» - «Loving You Sunday Morning» - «I'm
Leaving You» - «321» - «Dynamite» - «Solo James Kottak» - «Blackout»
- «Big City Nights» - «Still Loving You, Humanity» - «Wind Of
Change» - «Rock You Like A Hurricane» - «When The Smoke Is Going
Down».
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