Livereview: Sinsaenum - Hatesphere - Critical Mess

12. Oktober 2018, Zug - Galvanik
Text & Pics by Oliver H.
Hohe Wellen schlug das neue Album „Repulsion For Humanity“ der Underground Death Metaller von Sinsaenum bereits im Vorfeld und nun war es an der Zeit, sich auch von der Live-Qualität des Fünfers zu überzeugen. So sehr sie auch ihr Todesblei im Untergrund verbreiten, so untergründig ist das Quintett gar nicht. Im Gegenteil – bei Sinsaenum handelt es sich nicht um einen wild zusammengewürfelten Haufen wuterfüllter Jungs, sondern um eine Super-Group. Keine geringeren als Joey Jordison (ex-Slipknot) oder Frédéric Leclercq (Dragonforce) mischen bei diesem Projekt mit. Um bei ihrem Gig auch wirklich warm zu sein, standen die Thrash-Groove-Metaller von Hatesphere und die Hannoveraner von Critical Mess im Vorprogramm. Flotte Geschütze also, die an diesem Freitagabend im Galvanik Zug aufgefahren wurden.

Critical Mess

Der Startschuss ertönte um 20:30 Uhr in Form von Critical Mess. Brutaler Death Metal der übleren Sorte. Die Truppe um Britta Götz machte ordentlich Dampf im Kessel, denn sie hatten es auch nötig Dampf abzulassen. Völlig abgenervt und mit über vier Stunden Verspätung kamen sie wegen einer Reifenpanne und einer längeren Zollkontrolle in Zug an. Sie hatten ihren Auftritt im Geiste bereits gestrichen aber das Team des Galvanik griff ihnen unter die Arme und so konnte ihr Gig dennoch realisiert werden. Wütend und mit viel Power fegten Critical Mess übers Publikum hinweg, das stetig in dem kleinen Raum zunahm. Die Fronterin growlte und brüllte sich die Lunge aus dem Hals und stand stets in Kontakt mit dem Publikum. Britta und ihre vier Mitstreiter lieferten eine gute Show, die leider aus technischen Gründen etwas düsterer ausfiel als normal. Nur der hintere Teil der Bühne, sprich das Drumkit war ins rechte Licht gerückt worden, während der Rest der Band mehr oder weniger im Dunkeln agierte. Volle Konzentration also auf den Sound, was an so einem Abend sicherlich auch nicht schlecht ist. Ihr Set gespickt mit echten Bangern und brachialen Totschlägern war kurz aber intensiv. Critical Mess machten an diesem Abend wirklich das Beste aus ihrer Situation und bewiesen damit deutlich, dass auch in der Metalszene eine ordentliche Portion Professionalität gefragt ist. Nach etwa einer halben Stunde war der deutsche Sturm vorüber und ich hatte noch die Ehre, von der Bühne aus, das Schlussfoto der Band mit Publikum zu schiessen. Durch einen satten Druck auf die Nebelmaschine, wurde aber auch diese Szene teilweise vereitelt, was ja zum Tagesablauf der Hannoveraner mehr als passte. Trotz allem zeigten sie sich nach ihrer Show gelöst und fannah am Merchstand. Sehr sympathisch!

Setliste: «Bringer Of All End» «Preacher Of Lies» «Feasting» «Gluttony» «Pansperm» «Into Oblivion» «Repent»


Hatesphere
Der zweite Act des Abends hinterliess bei mir gemischte Gefühle. Hatesphere aus dem schönen Dänemark, brachten ihren Mix aus Old School-, Thrash- und Death Metal ins schweizerische Zug. Laut und rockig ging es vom ersten Ton an zu und her und besonders Sänger Esben “Esse” Hansen, schien der Wechsel vom Merchtisch auf die Bühne gut zu tun. Er witzelte, tanzte und suchte immer wieder die Nähe zu den Fans, indem er sie aufforderte, doch endlich ganz nach vorne zu kommen. Der Einladung sind viele Anhänger noch so gerne gefolgt. Auch Peter “Pepe” Lyse Karmark, das letzte verbliebene Gründungsmitglied seit 1998, spielte sich die Finger wund. Echt ulkig war seine Gesichtsmimik und seine Bewegungen, die er zu seinen Gitarrenriffs und Solis zum Besten gab. Es hatte etwas Komödiantisches an sich, was aber irgendwie zum Auftritt von Hatesphere passte an diesem Abend. Einige Fans waren an diesem Tag nur für die fünf Nordmänner angereist und diese feierten sie dann auch richtiggehend ab. Während auf der Bühne die Band groovte, entstand im Publikum die kleinste „Wall Of Death“ die ich je gesehen habe. Gerade mal zwei Metalheads machten sich in der Arena bereit, um auf Hansens „Go“ hin, aufeinander loszustürmen. Es war zum Brüllen und dies dachte sich auch der Sänger und so machte er sich daran, sich in allen unseren Landesprachen beim Publikum zu bedanken, was aber letztlich bei „Rumantsch“ kläglich scheiterte. Nicht einmal das Publikum konnte ihm die vierte Sprache nennen. Autsch! Die Party war in vollem Gange und die Menge amüsierte sich köstlich. Auf mich vermochte der zündende Funke nicht richtig überspringen, wobei ich da eine Ausnahme war an diesem Abend. Ich würde sogar behaupten, dass etliche nach dem Auftritt „ihres Headliners“ das Lokal frühzeitig verlassen und ihren Konzertabend beendet haben.

Setliste: «Lies And Deceit» «Murderous Intent» «The Fallen» «Intro/Resurrect» «Corpse Of Mankind» «Intro/Drinking» «New Hell» «Iconoclast» «Sickness»



Sinsaenum

Ein kurzer Umbau sorgte für eine Verschnaufpause, bis beinahe unmerklich und ohne grosse Ankündigung die Herren von Sinsaenum auf der Bühne ihre Plätze einnahmen. Durch die Scheibe neben der Bar konnte man die Band reglos stehen sehen und wer wollte, hatte gerade noch Zeit sich in den Raum zu begeben bevor lautes Getöse über sie hereinbrach. Der Rest blieb erst einmal im Aussenbereich des Galvanik und widmete sich einer Flasche Hopfensaft. Mit dem Opener und Titeltrack ihres neuen Albums gaben sie beeindruckend den Takt für die kommenden 75 Minuten dieses Abends vor. Ihr Set war abwechslungsreich und eine gute Mischung zwischen altem und neuem Material. So bretthart und gewaltig wie einem ihre „Wall Of Sound“ ins Gesicht peitschte umso mehr waren die Herren die heroische Ruhe selbst. Die beiden Gitarristen Frédéric Leclercq und Stéphane Buriez verharrten meist auf ihren Plätzen und auch der Bassist Heimoth C. Krueger blieb im Hintergrund oft bei gemütlichen Bewegungen. Egal, denn der Sound stimmte. Druckvoll und klar schallten die Death Metal-Salven aus den Lautsprechern, die über den Köpfen des Publikums hingen. Einzig Sänger Sean Zatorsky stand die ganze Zeit am Bühnenrand und übte sich im wilden Gestikulieren, wenn er nicht gerade damit beschäftig war seinen Monsterbart zu bändigen. Sogar der „grosse“ Joey Jordison, der ja in Wirklichkeit gar nicht so gross ist, schien hinter seinem Schlagzeug die Ruhe selbst zu sein, ausser er gab zwischenzeitlich seinem Bewegungsdrang ein wenig nach, sodass er kurz mal durchdrehte. Ansonsten boten Sinsaenum in Sachen Show und Spektakel nichts Aussergewöhnliches, was aber durch ihre perfekten Live-Qualitäten auch nicht von Nöten war. Viele Besucher verpassten allerdings diesen perfekten Moment und so kam es, dass sich Fronter Zatorsky gegen Schluss ihres Gigs bei 61 Personen (es war so übersichtlich, dass ich kurz durchzählen konnte) mit dem Spruch bedankte, das wir ein harter Haufen seien und Underground-Death eben nicht für jedermann gemacht sei. Sicher war dies noch ein spezieller Moment für einige der Musiker, da sie sich andere Fanscharen gewohnt sind und mit anderen Formationen ganze Stadien gefüllt haben. Andererseits schafft dies auch wieder Platz für mehr Fannähe, die sie nach der Show bei einem „meet and greet“ professionell zuliessen ohne fürchten zu müssen, von einem durchgedrehten Mob überrannt zu werden. Kurz gesagt, es war ein geniales „Wohnzimmer-Konzert“, das vollends zu überzeugen vermochte. Am Schluss des Happenings liessen es sich Sinsaenum nicht nehmen, sich ordentlich feiern zu lassen, jedoch ohne den überflüssigen Handy-Selfie-Scheiss (Aussage von Britta Götz, Critical Mess) sondern mit echten Handshakes und etwas Smalltalk. Jordison und Leclercq bleiben noch etwas länger auf der Bühne und zumindest der Drummer sah auf einmal so aus, als müsste er vor Rührung ein paar Tränen verdrücken, was aber vermutlich nur an seinen stechenden Augen lag. Wer weiss?!

Setliste: «Repulsion For Humanity» «Sacred Martyr» «Splendor And Agony» «I Stand Alone» «Intro/Condemned To Suffer» «Gods Of Hell» «Intro/Echoes Of The Tortured» «Final Resolve» «Inverted Cross» «Hooch» «Ashes» «Army Of Chaos»



Im Galvanik Zug wurde auf ganzer Linie ein tolles Programm geboten und mit dem ansprechenden Ambiente ein grossartiger Konzertabend durchgeführt. Als wäre dies nicht schon genug, durfte ich als Zugabe meine Helden der Jugend, Steve Karrer und Patrick Hersche von Messiah kennenlernen und mich mit ihnen austauschen. Sinsaenum haben absolut erfüllt und ihre grossen Namen tragen sie zu Recht. Die Erfahrung, ihr Können und ihre Leidenschaft waren an diesem Abend mehr als spürbar.