Zu beginn der Wave- und Gothic-Bewegung waren die Jungs um
Mastermind Andrew Eldritch absolute Superstars. Diverse Megahits,
die auch ausserhalb der Szene grossen Anklang fanden, konnten sie
ihr eigen nennen. Sie leben sicher noch davon, aber seit sie auch
ihren optischen Look geändert haben, gehen die Meinungen der Fans
auseinander: Gothic Rock, dargeboten in bunten Hawaiihemden, ist
halt schon eine Sache für sich. Man muss sich einfach mal
überraschen lassen, was da kommt und was sie uns zu bieten haben. Na
dann, auf zu den barmherzigen Schwestern.
Lunatica
Ich muss kurz anfügen, dass ich Stau- und Verkehrskollaps-bedingt
nur noch die letzten 3 Songs der Aargauer Formation erleben durfte
und es auch deswegen auch leider keine Fotos anzuschauen gibt. Aber
was ich gehört hatte, zeugte von einem guten und erfolgreichen
Auftritt, denn Lunatica rutschten kurzfristig als Opener rein und
hatten somit keine leichte Aufgabe zu bewältigen. Jedoch ist es für
eine Combo sicherlich eine gute Sache, wenn sie für eine Kultband
eröffnen darf. Sie zogen sich auch super aus der Affäre und
überzeugten mit tiefem Riffgedonner, das sich mit den Drums von
Ronnie wunderbar ergänzte. Das Ganze bewegte sich in den ruhigeren
Gefilden des Gothic Metal. Die Stimme von Andrea ist ein Klasse für
sich, Sandro und Marc bewiesen hohes Können mit ihren öfters mal
zweistimmigen Soli, welche richtig atmosphärisch in den Raum flogen.
Die ganze Bühnenbeleuchtung war grossartig und sehr dunkel gehalten.
Die Action fehlte etwas, ausser Andrea bewegten sich die anderen
Musiker eher im kleineren Radius. Die Zuschauer honorierten den
Auftritt mit Applaus, aber mehr kam leider nicht. Man merkte, dass
alle auf den Headliner warteten. Es war ein guter Gig und machte
Lust, sie auf der Tour zum gerade erschienen, neuen Album „New
Shores“ nochmals reinzuziehen. Sie können sich meiner Meinung nach
locker mit den Szenegrössen messen, denn hier wird einem klassischer
Gothic Metal mit Female Voice auf hohem Niveau geboten.
Sisters Of Mercy
Mit 20 Minuten Verspätung ertönten die ersten Takte vom Dr.
Avalanche, dem Drumcomputer, der den Schwestern seit 29 Jahren als
Beatgeber und Songentwickler dient. Ich habe das erste Mal das
Vergnügen, die Band erleben zu können, aber ich muss sagen: Genau so
habe ich mir die Mitbegründer des Gothic Rock vorgestellt. Einfach
absolut charismatisch, auch ohne grosse Gesten und Mimiken. Wenn
Andrew auf der Bühne steht, mit seiner obligatorischen Sonnenbrille
bewaffnet, wirkt er unheimlich stoisch und kühl. Er hat seinen
Bewegungsradius auch aufs Extremste reduziert. Mr. Eldritch hat
während dem ganzen Auftritt kein Wort zu den Fans gesprochen, das
machte ihn noch unnahbarer und kühler. Die beiden Herren an den
Saiteninstrumenten waren für etwas Action besorgt und hüpften des
Öfteren mal auf der Bühne herum. Sie hämmerten Hit um Hit ihrer
Jahrzehnte langer Karriere in die Location. Das Publikum war sehr
speziell: Von echten Gothics bis hin zu ‚normalen’ Bürgern jeglichen
Alters war alles vertreten. Auch sie übten sich in Zurückhaltung.
Man spürte zwar die Begeisterung, ihre Helden live zu sehen, aber
man sah es eigentlich nur an einzelnen, die die Songs
mitsangen oder
beim lauten Applaus. Aber das Ganze wirkte unheimlich gut im
Zusammenspiel auf und vor der Bühne. Die Beleuchtung wurde auch eher
düster gehalten: Blau, Rot und Grün waren die Hauptfarben. Dazu kam
das Strobogewitter, und dichte Nebelschwaden tauchten die Bühne in
ein düster, kaltes Licht. Was ich mich und sich auch gewisse andere
Personen im Zuschauerraum fragten, war, ob die Musik oder nur der
Gesang eventuell nicht live war. Es gab immer mal wieder gewisse
Parts, die eindeutig echt waren, die klangen nämlich ziemlich
schräg. Auch die Gitarre klang während den Soli einfach anders. Wie
auch immer, den Auftritt fand ich gut, sicher und absolut
professionell. Andrew und Band spielten alle Songs, die das Fanherz
begeistern: Von „Mother Russia“ über „This Corrosion“ bis hin zu „Temple
Of Love“, ihrem Überhit. Vor allem gegen Ende des Sets legten sie
Wert auf die etwas gitarrenlastigeren Tracks. Sie liessen sich auch
nur wenige Minuten bitten, um dann in die Zugabenteile einzusteigen.
Nun, 29 Jahre nach der Bandgründung, vielen Hits und
Chartplatzierungen später gibt’s nur eins zu sagen: Der Mythos lebt!
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