Livereview: Sisters Of Mercy - Lunatica
29. April 2009, Zürich X-Tra
By André G.
Zu beginn der Wave- und Gothic-Bewegung waren die Jungs um Mastermind Andrew Eldritch absolute Superstars. Diverse Megahits, die auch ausserhalb der Szene grossen Anklang fanden, konnten sie ihr eigen nennen. Sie leben sicher noch davon, aber seit sie auch ihren optischen Look geändert haben, gehen die Meinungen der Fans auseinander: Gothic Rock, dargeboten in bunten Hawaiihemden, ist halt schon eine Sache für sich. Man muss sich einfach mal überraschen lassen, was da kommt und was sie uns zu bieten haben. Na dann, auf zu den barmherzigen Schwestern.

Lunatica
Ich muss kurz anfügen, dass ich Stau- und Verkehrskollaps-bedingt nur noch die letzten 3 Songs der Aargauer Formation erleben durfte und es auch deswegen auch leider keine Fotos anzuschauen gibt. Aber was ich gehört hatte, zeugte von einem guten und erfolgreichen Auftritt, denn Lunatica rutschten kurzfristig als Opener rein und hatten somit keine leichte Aufgabe zu bewältigen. Jedoch ist es für eine Combo sicherlich eine gute Sache, wenn sie für eine Kultband eröffnen darf. Sie zogen sich auch super aus der Affäre und überzeugten mit tiefem Riffgedonner, das sich mit den Drums von Ronnie wunderbar ergänzte. Das Ganze bewegte sich in den ruhigeren Gefilden des Gothic Metal. Die Stimme von Andrea ist ein Klasse für sich, Sandro und Marc bewiesen hohes Können mit ihren öfters mal zweistimmigen Soli, welche richtig atmosphärisch in den Raum flogen. Die ganze Bühnenbeleuchtung war grossartig und sehr dunkel gehalten. Die Action fehlte etwas, ausser Andrea bewegten sich die anderen Musiker eher im kleineren Radius. Die Zuschauer honorierten den Auftritt mit Applaus, aber mehr kam leider nicht. Man merkte, dass alle auf den Headliner warteten. Es war ein guter Gig und machte Lust, sie auf der Tour zum gerade erschienen, neuen Album „New Shores“ nochmals reinzuziehen. Sie können sich meiner Meinung nach locker mit den Szenegrössen messen, denn hier wird einem klassischer Gothic Metal mit Female Voice auf hohem Niveau geboten.

Sisters Of Mercy
Mit 20 Minuten Verspätung ertönten die ersten Takte vom Dr. Avalanche, dem Drumcomputer, der den Schwestern seit 29 Jahren als Beatgeber und Songentwickler dient. Ich habe das erste Mal das Vergnügen, die Band erleben zu können, aber ich muss sagen: Genau so habe ich mir die Mitbegründer des Gothic Rock vorgestellt. Einfach absolut charismatisch, auch ohne grosse Gesten und Mimiken. Wenn Andrew auf der Bühne steht, mit seiner obligatorischen Sonnenbrille bewaffnet, wirkt er unheimlich stoisch und kühl. Er hat seinen Bewegungsradius auch aufs Extremste reduziert. Mr. Eldritch hat während dem ganzen Auftritt kein Wort zu den Fans gesprochen, das machte ihn noch unnahbarer und kühler. Die beiden Herren an den Saiteninstrumenten waren für etwas Action besorgt und hüpften des Öfteren mal auf der Bühne herum. Sie hämmerten Hit um Hit ihrer Jahrzehnte langer Karriere in die Location. Das Publikum war sehr speziell: Von echten Gothics bis hin zu ‚normalen’ Bürgern jeglichen Alters war alles vertreten. Auch sie übten sich in Zurückhaltung. Man spürte zwar die Begeisterung, ihre Helden live zu sehen, aber man sah es eigentlich nur an einzelnen, die die Songs mitsangen oder beim lauten Applaus. Aber das Ganze wirkte unheimlich gut im Zusammenspiel auf und vor der Bühne. Die Beleuchtung wurde auch eher düster gehalten: Blau, Rot und Grün waren die Hauptfarben. Dazu kam das Strobogewitter, und dichte Nebelschwaden tauchten die Bühne in ein düster, kaltes Licht. Was ich mich und sich auch gewisse andere Personen im Zuschauerraum fragten, war, ob die Musik oder nur der Gesang eventuell nicht live war. Es gab immer mal wieder gewisse Parts, die eindeutig echt waren, die klangen nämlich ziemlich schräg. Auch die Gitarre klang während den Soli einfach anders. Wie auch immer, den Auftritt fand ich gut, sicher und absolut professionell. Andrew und Band spielten alle Songs, die das Fanherz begeistern: Von „Mother Russia“ über „This Corrosion“ bis hin zu „Temple Of Love“, ihrem Überhit. Vor allem gegen Ende des Sets legten sie Wert auf die etwas gitarrenlastigeren Tracks. Sie liessen sich auch nur wenige Minuten bitten, um dann in die Zugabenteile einzusteigen. Nun, 29 Jahre nach der Bandgründung, vielen Hits und Chartplatzierungen später gibt’s nur eins zu sagen: Der Mythos lebt!