Livereview: Slayer - Anthrax - Kvelertak

27. Oktober 2015, Zürich – Komplex 457
By Rockslave
Die nicht abebbende Flut an Konzerten brachte es an diesem Abend mit sich, dass man sich als geneigter Konzertgänger und Musikfan mit entsprechend breiterem Geschmack entscheiden musste! Entweder hiess die Losung Z7 in Pratteln mit Hardcore Superstar & Michael Monroe oder Komplex 457 in Zürich mit Slayer, Anthrax und Kvelertak. Ich entschied mich für Letzteres, was natürlich im Wesentlichen am voraus gehenden Interview mit Kerry King lag. Auch ohne das relativ kurzfristig bestätigte Highlight wäre ich tendenziell eher nach Zürich gegangen, zumal mich Hardcore Superstar schon am diesjährigen „Sweden Rock“ nicht von den gleichzeitig aufspielenden Exciter weglocken konnten. Darüber hinaus habe ich ein eh nicht mehr aufzuholendes Nachholbedürfnis in Sachen Anthrax und schon die alleine, wie sich bald heraus stellen sollte, unterstrichen die Richtigkeit meiner heutigen Wahl des Konzertlokals. Von Kvelertak als Supportband hatte ich bislang mehr oder weniger nur Gelesenes präsent, wenn überhaupt. Die Norweger spielen eine Art kauzigen Retro-Rock und waren trotz der stilistischen Varianz klar fehl am Platz und wurden deshalb kaum beachtet.

Kvelertak

Da mein Interview mit Kerry rechtzeitig zu Ende ging, konnte ich mich fototechnisch in Ruhe für die erste Band des Abends vorbereiten. Allerdings wähnte mein Enthusiasmus nur kurz, denn das Licht und der Sound waren einfach nur scheisse. Klar passte die erzeugte Stimmung soweit zur Musik, aber so konnte man kaum brauchbares Material erzeugen. Es war zwar mehr oder weniger absehbar, dass es so heraus kommen würde, zumal ja Support-Bands eh kaum gutes Licht erhalten und bei den Headlinern oftmals ab dem jeweils vierten Lied, also wenn die Horde der Knipser wieder zum Fotograben raus marschiert ist, „plötzlich“ beste Lichtverhältnisse herrschen. Wie dem auch sei…, im Pit kriegt man ja nicht so viel von den agierenden Protagonisten mit, aber der Rest der halben Stunde Spielzeit sah, respektive klang vom Publikum aus gesehen nicht wirklich besser. Schaut man sich zum Beispiel die Aufnahmen des Auftritts vom „Rock am Ring“ 2014 an, nimmt man erst wahr, dass hier eigentlich drei Gitarristen (!) in der Band sind und so für ordentlich Schub sorgen. Dieser Eindruck ist heute Abend aus verständlichen (Support-) Gründen jedoch kaum bis gar nicht auszumachen. Was mir aber schon bald mal auf den Senkel geht, ist der schreiartige Gesang von Fronteule Erlend Hjelvik, nebst dem Umstand, dass der Typ kaum eine Sekunde still hält, ständig rumhampelt und zusammen mit dem grottigen Licht fast nicht einzufangen ist. Unter dem Strich sehe und höre ich nichts, was bei mir irgendwelches Interesse an dieser Truppe aus dem hohen Norden auslösen könnte. Dazu kommt, dass die Songs ziemlich gleichförmig runter geschrammelt werden und wenn mal ein geiles Riff auftaucht, wird das Ganze von den Metalcore-artigen Vocals zunichte gemacht. Definitiv nicht meins und wer trotzdem mit der Truppe was anfangen kann, sollte wenigstens den Namen richtig aussprechen. Dieser lautet phonetisch nämlich so: Kuh-vell-er-tack“.



Anthrax
Dass das Qualitätsniveau nun merklich ansteigen würde, war klar, doch was Joey Belladonna und seine Jungs da vom Stapel liessen, war schlicht unfassbar. Von Anfang an gingen der Sound wie die Fans voll steil ab und Anthrax zelebrierten einen Auftritt der absoluten Spitzenklasse. Man merkte gleich von Anfang an, mit welcher Wucht die alten Kracher der Marke «Caught In A Mosh», «Madhouse» oder natürlich «Indians» in den durchdrehenden Mob geschleudert wurden. Ich frage mich zusehends, warum mich die Amerikaner zu ihrer Blütezeit in den 80ern und 90ern nicht in ihren Bann zogen. Metallica nahmen mich damals vom Debüt an voll in Beschlag und Slayer wie Sepultura folgten jedoch erst in den 90ern. Wie dem auch sei, die Devise heisst klar „besser spät als nie“ und darum ist der Genuss, dreissig Jahre später (!) grösser denn je!! Natürlich lief das kultige Video von «Madhouse» damals rauf und runter und so anders als Hetfield & Co. in jungen Jahren klang das ja nicht. Zu der Zeit waren wohl vier Fünftel oder noch mehr der heute anwesenden Fans noch nicht mal geboren. Die Möglichkeit, diese Hammer-Band aktuell wieder in vollem Saft zu sehen, ist ein mit nichts aufzuwiegender Glücksfall.

Obwohl Armored Saint Recke John Bush eine Weile lang hochkarätiges Material unter dem Anthrax-Banner ablieferte, kam erst mit der (erneuten) Rückkehr von Mr. Belladonna ab 2010 abermals Zug in die Sache und liess die „Big-Four“ (Metallica – Slayer – Megadeth – Anthrax) zusammen auf Tour gehen. Dennoch brauchte es wieder eine gewisse Zeit, bis Anthrax spürbar Boden gut machen konnten. Das letzte Studioalbum «Worship Music» stammt zudem von 2011 und somit muss bald einmal neues Material unter die Leute gebracht werden. Da aber von früher her diverse kompositorische Höhepunkte so zu sagen wiederbelebt wurden, sind Konzerte des aktuellen Line-Ups mit Joey Belladonna (v), Scott Ian (g), Jonathan Donais (g), Frank Bello (b) und Charlie Benante (d) ein Muss für jeden Metalhead! Mein prägendes Erlebnis hatte ich letztes Jahr beim absolut grandiosen Auftritt am BYH!!!-Festival in Balingen (D), und auch heute Abend in Zürich wurde man Zeuge eines regelrechten Metal-Tornados, und nicht nur meine Wenigkeit hätte die entfesselten Amerikaner sehr gerne als Headliner gesehen. Dass dies jedoch bald geschehen wird, steht eh ausser Frage, und dann wird es aber sowas von fett werden, dass kein Stein mehr auf dem anderen sein wird!

Setliste: «A.I.R.» - «Caught In A Mosh» - «Got The Time» - «Madhouse» - «Antisocial» - «Fight 'Em 'Til You Can't» - «Indians» - «March Of the S.O.D.» - «In The End» - «Among The Living».


Slayer
Hätten die Schlächter nicht ihr neues Überwerk «Repentless» in der Hinterhand, wäre der heutige Abend wohl zu Gunsten von Anthrax ausgefallen. Nach diesem meisterlichen Auftritt der Kollegen mussten Slayer also noch eine Schippe drauf legen, und das taten sie dann auch! Dass sie dies noch umzusetzen vermögen, sah nach dem tragischen Tod von Gründungsmitglied Jeff Hanneman vor zwei Jahren und dem bedauernswerten Ausscheiden von Ur-Drummer Dave Lombardo nicht wirklich danach aus. Während die Live-Geschichte mit Exodus-Klampfer Gary Holt und dem Wiedereinstieg von Drummer Paul Bostaph inzwischen wieder in trockenen Tüchern ist, besann sich das Komponisten-Duo Araya/King derweil seiner Tugenden und lieferte sechs Jahre nach «World Painted Blood» ein Masterpiece ab, das eigentlich weltweit wie eine Bombe einschlug und in Deutschland sogar für den Chart-Thron gereichte. Geschickterweise wurde mit der ersten Single «When The Stillness Comes» trotz einigen Trademarks eher tief gestapelt und schon gingen die Diskussionen los. «Implode» als ebenso berücksichtigter Albumtrack kam ein Jahr vorher als einzelner neuer Song daher und gilt deshalb nicht als brandneuer Track. Spätestens mit dem Titeltrack (von dem es auch ein Video gibt) wurden die kritischen Stimmen immer leiser und als das komplette Album am 11. September 2015 erschien, überschlugen sich die Lobeshymnen.

In der Tat legten die Kalifornier, zusammen mit einem neuen Deal bei Nuclear Blast, den besten Hassbratzen seit über zwanzig Jahren hin. Die Produktion von Terry Date weist ordentlich Wumms auf und präsentiert die amerikanischen Thrash-Ikonen auf ihrem zwölften Studio-Album stärker denn je. So kam denn zu Beginn nach dem Intro gleich der Album-Opener wie Titeltrack zum Zug und schon da merkte man, wie gut der ist und live gleich noch eine Spur heftiger einschlug. Das galt auch für drei weitere neue Songs, die im Set untergebracht waren und sich bestens neben den alten Krachern behaupten konnten. Obwohl sich der Sound im Komplex 457, je nach Standort, zwischen dürftig und breimässig einpendelte, war die Wirkung auf das Publikum im ausverkauften Lokal ziemlich heftig. Zusammen mit dem schummrigen Licht und den angeleuchteten wie umgedreht aufgehängten Kreuzen entstand die richtige Atmosphäre, die spätestens bei meinem Lieblingssong «Hell Awaits» fast nicht mehr zu toppen war. Einzig die obligate Schlusstriplette, die stets als Zugabe zelebriert wird, liess ein letztes Mal am heutigen Abend keinen Zweifel mehr daran aufkommen, dass auch künftig mit den Kult-Thrashern fest zu rechnen ist und deren Bandgeschichte hoffentlich weitere erfolgreiche Kapitel angehängt bekommt! Long live Slayyyyeeeeerrr!!

Setliste: «Delusions Of Saviour (Intro)» - «Repentless» - «Postmortem» - «Hate Worldwide» - «Disciple» - «God Send Death» - «War Ensemble» - «When The Stillness Comes» - «Vices» - «Mandatory Suicide» - «Chemical Warfare» - «Die By The Sword» - «Black Magic» - «Implode» - «Seasons In The Abyss» - «Hell Awaits» - «Dead Skin Mask» - «World Painted Blood» -- «South Of Heaven» - «Raining Blood» - «Angel of Death».