Die
nicht abebbende Flut an Konzerten brachte es an diesem Abend mit
sich, dass man sich als geneigter Konzertgänger und Musikfan mit
entsprechend breiterem Geschmack entscheiden musste! Entweder hiess
die Losung Z7 in Pratteln mit Hardcore Superstar & Michael Monroe
oder Komplex 457 in Zürich mit Slayer, Anthrax und Kvelertak. Ich
entschied mich für Letzteres, was natürlich im Wesentlichen am
voraus gehenden Interview mit Kerry King lag. Auch ohne das relativ
kurzfristig bestätigte Highlight wäre ich tendenziell eher nach
Zürich gegangen, zumal mich Hardcore Superstar schon am diesjährigen
„Sweden Rock“ nicht von den gleichzeitig aufspielenden Exciter
weglocken konnten. Darüber hinaus habe ich ein eh nicht mehr
aufzuholendes Nachholbedürfnis in Sachen Anthrax und schon die
alleine, wie sich bald heraus stellen sollte, unterstrichen die
Richtigkeit meiner heutigen Wahl des Konzertlokals. Von Kvelertak
als Supportband hatte ich bislang mehr oder weniger nur Gelesenes
präsent, wenn überhaupt. Die Norweger spielen eine Art kauzigen
Retro-Rock und waren trotz der stilistischen Varianz klar fehl am
Platz und wurden deshalb kaum beachtet.
Kvelertak Da mein Interview mit Kerry rechtzeitig zu
Ende ging, konnte ich mich fototechnisch in Ruhe für die erste Band
des Abends vorbereiten. Allerdings wähnte mein Enthusiasmus nur
kurz, denn das Licht und der Sound waren einfach nur scheisse. Klar
passte die erzeugte Stimmung soweit zur Musik, aber so konnte man
kaum brauchbares Material erzeugen. Es war zwar mehr oder weniger
absehbar, dass es so heraus kommen würde, zumal ja Support-Bands eh
kaum gutes Licht erhalten und bei den Headlinern oftmals ab dem
jeweils vierten Lied, also wenn die Horde der Knipser wieder zum
Fotograben raus marschiert ist, „plötzlich“ beste Lichtverhältnisse
herrschen. Wie dem auch sei…, im Pit kriegt man ja nicht so viel von
den agierenden Protagonisten mit, aber der Rest der halben Stunde
Spielzeit sah, respektive klang vom Publikum aus gesehen nicht
wirklich besser. Schaut man sich zum Beispiel die Aufnahmen des
Auftritts vom „Rock am Ring“ 2014 an, nimmt man erst wahr, dass hier
eigentlich drei
Gitarristen
(!) in der Band sind und so für ordentlich Schub sorgen. Dieser
Eindruck ist heute Abend aus verständlichen (Support-) Gründen
jedoch kaum bis gar nicht auszumachen. Was mir aber schon bald mal
auf den Senkel geht, ist der schreiartige Gesang von Fronteule
Erlend Hjelvik, nebst dem Umstand, dass der Typ kaum eine Sekunde
still hält, ständig rumhampelt und zusammen mit dem grottigen Licht
fast nicht einzufangen ist. Unter dem Strich sehe und höre ich
nichts, was bei mir irgendwelches Interesse an dieser Truppe aus dem
hohen Norden auslösen könnte. Dazu kommt, dass die Songs ziemlich
gleichförmig runter geschrammelt werden und wenn mal ein geiles Riff
auftaucht, wird das Ganze von den Metalcore-artigen Vocals zunichte
gemacht. Definitiv nicht meins und wer trotzdem mit der Truppe was
anfangen kann, sollte wenigstens den Namen richtig aussprechen.
Dieser lautet phonetisch nämlich so: Kuh-vell-er-tack“.
Anthrax
Dass das Qualitätsniveau nun merklich ansteigen würde, war klar,
doch was Joey Belladonna und seine Jungs da vom Stapel liessen, war
schlicht unfassbar. Von Anfang an gingen der Sound wie die Fans voll
steil ab und Anthrax zelebrierten einen Auftritt der absoluten
Spitzenklasse. Man merkte gleich von Anfang an, mit welcher Wucht
die alten Kracher der Marke «Caught In A Mosh», «Madhouse» oder
natürlich «Indians» in den durchdrehenden Mob geschleudert wurden.
Ich frage mich zusehends, warum mich die Amerikaner zu ihrer
Blütezeit in den 80ern und 90ern nicht in ihren Bann zogen.
Metallica nahmen mich damals vom Debüt an voll in Beschlag und
Slayer wie Sepultura folgten jedoch erst in den 90ern. Wie dem auch
sei, die Devise heisst klar „besser spät als nie“ und darum ist der
Genuss, dreissig Jahre später (!) grösser denn je!! Natürlich lief
das kultige Video von «Madhouse» damals rauf und runter und so
anders als Hetfield & Co. in jungen Jahren klang das ja nicht. Zu
der Zeit waren wohl vier Fünftel oder noch mehr der heute anwesenden
Fans noch nicht mal geboren. Die Möglichkeit, diese Hammer-Band
aktuell wieder in vollem Saft zu sehen, ist ein mit nichts
aufzuwiegender Glücksfall.
Obwohl
Armored Saint Recke John Bush eine Weile lang hochkarätiges Material
unter dem Anthrax-Banner ablieferte, kam erst mit der (erneuten)
Rückkehr von Mr. Belladonna ab 2010 abermals Zug in die Sache und
liess die „Big-Four“ (Metallica – Slayer – Megadeth – Anthrax)
zusammen auf Tour gehen. Dennoch brauchte es wieder eine gewisse
Zeit, bis Anthrax spürbar Boden gut machen konnten. Das letzte
Studioalbum «Worship Music» stammt zudem von 2011 und somit muss
bald einmal neues Material unter die Leute gebracht werden. Da aber
von früher her diverse kompositorische Höhepunkte so zu sagen
wiederbelebt wurden, sind Konzerte des aktuellen Line-Ups mit Joey
Belladonna (v), Scott Ian (g), Jonathan Donais (g), Frank Bello (b)
und Charlie Benante (d) ein Muss für jeden Metalhead! Mein prägendes
Erlebnis hatte ich letztes Jahr beim absolut grandiosen Auftritt am
BYH!!!-Festival in Balingen (D), und auch heute Abend in Zürich
wurde man Zeuge eines regelrechten Metal-Tornados, und nicht nur
meine Wenigkeit hätte die entfesselten Amerikaner sehr gerne als
Headliner gesehen. Dass dies jedoch bald geschehen wird, steht eh
ausser Frage, und dann wird es aber sowas von fett werden, dass kein
Stein mehr auf dem anderen sein wird!
Setliste: «A.I.R.» -
«Caught In A Mosh» - «Got The Time» - «Madhouse» - «Antisocial» -
«Fight 'Em 'Til You Can't» - «Indians» - «March Of the S.O.D.» - «In
The End» - «Among The Living».
Slayer
Hätten die Schlächter nicht ihr neues Überwerk «Repentless» in der
Hinterhand, wäre der heutige Abend wohl zu Gunsten von Anthrax
ausgefallen. Nach diesem meisterlichen Auftritt der Kollegen mussten
Slayer also noch eine Schippe drauf legen, und das taten sie dann
auch! Dass sie dies noch umzusetzen vermögen, sah nach dem
tragischen Tod von
Gründungsmitglied Jeff Hanneman vor zwei Jahren und dem
bedauernswerten Ausscheiden von Ur-Drummer Dave Lombardo nicht
wirklich danach aus. Während die Live-Geschichte mit Exodus-Klampfer
Gary Holt und dem Wiedereinstieg von Drummer Paul Bostaph
inzwischen wieder in trockenen Tüchern ist, besann sich das
Komponisten-Duo Araya/King derweil seiner Tugenden und lieferte
sechs Jahre nach «World Painted Blood» ein Masterpiece ab, das
eigentlich weltweit wie eine Bombe einschlug und in Deutschland
sogar für den Chart-Thron gereichte. Geschickterweise wurde mit der
ersten Single «When The Stillness Comes» trotz einigen Trademarks
eher tief gestapelt und schon gingen die Diskussionen los. «Implode»
als ebenso berücksichtigter Albumtrack kam ein Jahr vorher als
einzelner neuer Song daher und gilt deshalb nicht als brandneuer
Track. Spätestens mit dem Titeltrack (von dem es auch ein Video
gibt) wurden die kritischen Stimmen immer leiser und als das
komplette Album am 11. September 2015 erschien, überschlugen sich
die Lobeshymnen.
In
der Tat legten die Kalifornier, zusammen mit einem neuen Deal bei
Nuclear Blast, den besten Hassbratzen seit über zwanzig Jahren hin.
Die Produktion von Terry Date weist ordentlich Wumms auf und
präsentiert die amerikanischen Thrash-Ikonen auf ihrem zwölften
Studio-Album stärker denn je. So kam denn zu Beginn nach dem Intro
gleich der Album-Opener wie Titeltrack zum Zug und schon da merkte
man, wie gut der ist und live gleich noch eine Spur heftiger
einschlug. Das galt auch für drei weitere neue Songs, die im Set
untergebracht waren und sich bestens neben den alten Krachern
behaupten konnten. Obwohl sich der Sound im Komplex 457, je nach
Standort, zwischen dürftig und breimässig einpendelte, war die
Wirkung auf das Publikum im ausverkauften Lokal ziemlich heftig.
Zusammen mit dem schummrigen Licht und den angeleuchteten wie
umgedreht aufgehängten Kreuzen entstand die richtige Atmosphäre, die
spätestens bei meinem Lieblingssong «Hell Awaits» fast nicht mehr
zu toppen war. Einzig die obligate Schlusstriplette, die stets als
Zugabe zelebriert wird, liess ein letztes Mal am heutigen Abend
keinen Zweifel mehr daran aufkommen, dass auch künftig mit den
Kult-Thrashern fest zu rechnen ist und deren Bandgeschichte hoffentlich weitere
erfolgreiche Kapitel angehängt bekommt! Long live Slayyyyeeeeerrr!!
Setliste: «Delusions Of Saviour (Intro)» - «Repentless» -
«Postmortem» - «Hate Worldwide» - «Disciple» - «God Send Death» -
«War Ensemble» - «When The Stillness Comes» - «Vices» - «Mandatory
Suicide» - «Chemical Warfare» - «Die By The Sword» - «Black Magic» -
«Implode» - «Seasons In The Abyss» - «Hell Awaits» - «Dead Skin
Mask» - «World Painted Blood» -- «South Of Heaven» - «Raining Blood»
- «Angel of Death».
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