Heisser als die Hölle! Unter dieses Motto kann man den 20.
Juni 2017 stellen. Es war nicht nur draussen windstill und brutal
heiss, nein auch die Herren von Slayer boten eine Thrash-Keule,
welche die Hitze im Komplex 457 nochmals in die Höhe schnellen
liess. Unzählige Male habe ich die Amis schon gesehen, kein Gig war
wirklich jemals schlecht, und so war es klar, dass Slayer auch an
diesem Abend eine packende Vorführung bieten werden. Dass das
Quartett auch ein spezielles und unterschiedliches Publikum anzieht,
weiss man nicht erst seit dem letzten Streich «Repentless». Da
tummelten sich Jung- und Alt-Thrasher. Kreischende Mädchen standen in
den ersten Reihen und verliehen dem Konzert das Flair, als würde man
gleich Justin Bieber auf der Bühne sehen. Selbst elegant gekleidete
Damen mit High-Heels und adrett angezogene Männer nahmen sich die
Zeit, um einer der wegweisendsten Metal-Truppen die Ehre zu erweisen.
Alle, wirklich alle waren sich nach dem Gig einig. Es gab ein
Superkonzert mit einer extrem tight aufspielenden Band und einem
sich bei prächtiger Laune präsentierenden Frontmann (Tom Araya) zu
sehen.
Die Nebenschauplätze, welche die Besucher
boten, waren oftmals ebenso lustig und interessant, wie das
Abrisskommando auf der Bühne. Da lagen sich nach dem Auftritt alte
und kampferprobte Slayer-Fans glückselig in den Armen, während die
jüngere Garde, noch immer vom Sound aufgestachelt, laut die Verse von
«Dead Skin Mask», «South Of Heaven» oder «Angel Of Death» brüllten.
Eines hatten aber alle, nämlich heiss! Es war kaum auszuhalten im Komplex
und mit der intensiven Art wie der Gig vorgetragen wurde, schwitzten
sich alle die Poren voll. War es durch das Crowdsurfen, den
Circle-Pit oder einfach weil man sich die Rübe vom Kopf bangte.
Poltergeist
Bevor Slayer aber das Komplex genüsslich in seine Einzelteile
zerlegten, standen die Basler Poltergeist auf der Bühne. Angetrieben
von V.O. Pulver (GurD) an der Gitarre und Sänger André Grieder
versuchte der Fünfer das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Es gibt
so Dinge, welche man sich als Support sehr gut überlegen muss. Zum
Beispiel ob man vor Motörhead, AC/DC oder eben Slayer auf die
Bühne gehen will. Die Ignoranz des Publikums kann zum Teil sehr lähmend
oder erbarmungslos vernichtend sein. Das mussten auch schon andere
Truppen am eigenen Leib erfahren. Doch das Zürcher Publikum empfing
die Basler Truppe (sic) sehr fair und verabschiedete das Quintett am
Schluss des Auftritts mit einem sehr warmen Applaus. Poltergeist
wussten mit ihrem old School Thrash zu überzeugen, liessen die Fäuste
des Publikums in die Höhe schnellen und den aufgewärmten Mob
mitklatschen und -singen. Die Band profitierte von der
Schlagzeugarbeit von Sven Vormann, der früher schon bei Destruction
den Ton, beziehungsweise den Takt vorgab. Musikalisch waren es auch
die solistischen Darbietungen des Gitarrenduos Pulver/Wanner, welche
dem Sound das spezielle Etwas verliehen. Wie auch Sänger André, der
schon fast eine zu cleane Stimme für den Sound von Poltergeist besitzt,
aber gerade deswegen so gut zur Truppe passt. Die Stimmung wurde gut
angeheizt, die Hitze stieg, aber was danach folgte war um einiges
intensiver. Wie ein Stahlfaustschlag mitten ins Gesicht…
Slayer
…der von den Besuchern lauthals herbei gesehnt wurde. Das Inferno
startete. Textpassagen wurden mitgegrölt wie bei «Dead Skin Mask»
(«Dance with the dead in my dreams, listen to their hallowed
screams, the dead have taken my soul, temptation's lost all
control») oder spitze Schreie der Teenies erfüllten das Komplex und
waren teils lauter als Slayer selber. Es war ein gegenseitiges
Anstacheln, inmitten dem Mister Araya stand, lächelte und so den
Mob noch lauter aufschreien liess. Alleine seine Präsenz und das
damit verbundene Charisma waren nicht zu überbieten. Nämlich dann,
wenn er alleine auf der Bühne stand und die "Stille" genoss. Auch
wenn Tom zu den bissigsten Frontmännern mit den herzzerreissensten
Schreien gehört, schlussendlich hat er etwas sehr Liebevolles und
Freundliches. Zwischen den Songs sind Slayer nichts anderes als eine
tolle Metal-Band, die Spass an ihren Songs hat. Während der Tracks
ein bösartiger Pitbull, der sich festgebissen hat und der beginnt,
das Fleisch vom Knochen zu fetzen. Der Stimmungsunterschied zwischen
Poltergeist und Slayer war unglaublich. Bei Poltergeist war es laut,
aber bei Slayer ein infernalisches Geschrei.
Es waren die Gitarrenparts von Kerry King und Gary Holt, die mit
einer Urgewalt aus den Boxen donnerten und dem Landen eines
Düsenjets gleich kamen. Speziell die Tracks der ersten fünf Alben
(«Show No Mercy», «Reign In Blood», «South Of Heaven», «Seasons In
The Abyss» - vom Zweitling «Hell Awaits» wurde kein einziger Track
gespielt!), elektrisierten den Mob. Plus die Keulen des letzten
Albums «Repentless». Dazwischen tummelten sich je ein Lied von
«World Painted Blood» («Hate Worldwide») und «God Hates Us All»
(«Disciple»). Wobei «Hate Worldwide» schon fast als kleiner
"Stimmunsgbremser" angesehen werden konnte. Da wurde ein «Hell
Awaits», nicht nur von mir, sträflichst vermisst. Das ist aber
jammern auf hohem Level, denn ansonsten "killten" Slayer ohne Ende.
Auch wenn man bei Gary wohl immer vom Neuen sprechen wird,
er hat den 2013 verstorbenen Jeff Hannemann ersetzt, passt Mister
Holt wie die berühmte Faust aufs Auge. Er bangt ohne Ende, ist immer
unterwegs und post wie ein Thrash-Gott. Zusammen mit Kerry bildet er
eine Macht auf der Bühne. Mister King war wie immer
mit seinen klirrenden, schweren Ketten behangen. Meistens steht der
Kahlköpfige an der gleichen Stelle, bangt und haut seine
ultrabrutalen Riffs und Leads raus. Dahinter sitzt Paul Bostaph am
Schlagzeug. Wie immer sieht man vor lauter Cymbals und Kesseln kaum
was von seinen spielerischen Künsten, hört dafür umso mehr die
arschtretenden Schläge. "Thank you very much for coming", bedankte sich
Tom mit lieblicher Stimme bei der sehr zahlreich erschienenen
Slayer-Meute, um dann gleich ins Mikrofon zu brüllen: «ARE YOU
READY?» Und wie Zürich an diesem Abend bereit war. Slayer sind
einfach eine Macht, zumindest in einer solchen Location. Auf einer
Open-Air Stage geht das Flair oftmals verloren, besonders wenn es
noch taghell ist. Slayer bringen es zudem fertig, neben
Geschwindigkeit auch mit dem Tempo und der Härte problemlos zu
variieren. So überzeugte «When The Stillness Comes» zuerst mit
ruhigen Parts, die dann förmlich über dem Zuhörer zusammenbrechen.
Genau solche Parts heben die Truppe aus der Flut an Thrash-Bands
heraus.
Es war wiedermal so: Slayer, kamen, zerstörten und
verliessen die Bühne mit der Gewissheit, alles, aber wirklich alles
richtig gemacht zu haben. In der Form ist die Truppe kaum zu
schlagen was Brutalität und Eingängigkeit angeht. Alleine der
Abschluss mit «South Of Heaven», «Raining Blood», «Chemical Warfare»
und «Angel Of Death» sucht Seinesgleichen!
Setliste:
«Delusions Of Saviour (Intro)» - «Repentless» - «The Antichrist» -
«Disciple» - «Mandatory Suicide» - «Hallowed Point» - «War Ensemble» -
«When The Stillness Comes» - «You Against You» - «Postmortem» - «Born
Of Fire» - «Dead Skin Mask» - «Hate Worldwide» - «Pride In Prejudice» -
«Take Control» - «Seasons In The Abyss» - «Spirit In Black» - «South Of
Heaven» - «Raining Blood» - «Chemical Warfare» - «Angel Of Death».
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