Herbsteinbruch, Dienstag Abend im Bad Bonn - Passender könnte die
vorherrschende Stimmung nicht sein: Zwei Handvoll Nasen wärmen sich
an Malzgetränken die Finger kühl, Solstafir sitzen der gleichen
Leidenschaft frönend am ersten Tisch nach dem Eingang, die Stimmung
ist kneipenmässig gedämpft. Meinetwegen, muss ja erst später
auftauen - Erst mal lecker Schnitzelbrot und Cola an der Bar, man
will ja noch zwei Gigs durchstehen. Irgendwo im Laufe des Abends
klinkt sich dann das Bewusstsein aus, und erst kurz vor dem Auftritt
von Requiem bemerke ich, dass sich das Bad Bonn gemählich
schleichend mit einer guten Ladung scharz gekleideter Gestalten
gefüllt hat… an die fünfzig werdens wohl gewesen sein. Ist halt
schon extremst charmant, der Club wirkt immer gleich voll - Egal, ob
er jetzt aus allen Nähten platzt, oder sich eben erst mal die
Stammgäste breit machen: Die Nähe ist omnipräsent, und genau hier
verbirgt sich der wahre Charakter.
Requiem stiegen unter Sirenengeheul auf die Bühne, und
kämpften von Beginn weg gegen die Umstände des Abends an: Wie sollte
eine schnelle Band gegen einen langsame antreten, was würde gemessen
würden, wären Wucht und Brutalität überhaupt die massgebenden
Disziplinen? Die Antwort darauf gaben Requiem während der folgenden
40 Minuten gleich selber: Ihr äusserst tighter Death Metal konnte
trotz der technischen Präzision nicht die Bohne reissen. Das
Publikum gab sich jederzeit gewillt, der Band zu applaudieren, und
die Mucke mit etwas Haar-Einsatz zu quittieren - Aber richtig schön
Feuer unter'm Hintern machen, sieht anders aus. Vielleicht lag's an
der stoischen Performance der Instrumentalisten, oder dem atemlosen
Gebelle des Fronters. Oder der eindimensionalen Mucke. Oder dem
Fehlen jeglicher Dynamik. Oder der Kombination aus all dem. Tatsache
war, dass auch die Präsenz eines Reto Crola hinter'm Drumkit nicht
die Arschtritte ersetzt, die die Band eigentlich hätte verteilen
müssen. Mag auf Platte Spass machen, aber Live… Nein Danke.
Solstafir hingegen waren… naja, anders. Und zwar so komplett,
dass sich die Gegenüberstellung eigentlich erübrigt. Musik trat in
den Vordergrund, Klangwelten wurden plötzlich mit dem grossen
Pinsel
angerührt, die Performance mit einer bisher nicht dagewesenen
weiteren Dimension angereichert… Kurzum, Solstafir waren
überzeugender - weil ehrlicher. Jetzt könnte man zwar den Fakt
herbeiziehen, dass die Band unter'm Strich gerade mal knapp vier
oder fünf Songs gespielt hat - Aber bei einer Showdauer von ca. 75
Minuten kann das nun definitiv nicht von tragender Rolle sein. Wie
die Musik des isländischen Vierers, so legte auch der Sound um eine
gute Portion Wumms zu, so dass der 'Headliner-Effekt' mehr als
gewaltig daher kam, wobei das flächige Songmaterial auch eine nicht
zu unterschätzende Position einnahm. Die Band stieg nach einer
gemütlichen Umbaupause kraftvoll mit dem Titeltrack der aktuellen
Platte 'Köld' in das Set ein, und während die Vocals aus technischen
Gründen zu Beginn noch kurz ein paar mal aussetzten, so konnte
lediglich das anfänglich etwas wackelig ausgeführte Drumming für
leichtes Stirnrunzeln sorgen. Die Band wuchs während des folgenden
Gigs über sich hinaus, und schaffte das, woran Requiem vorher noch
kläglich scheiterten: Eine Bindung zum Publikum herzustellen. Obwohl
nicht gerade wenige Besucher über die Einfachheit des Materials
verwundert waren, vermochten es Solstafir mit einer lockeren
Attitüde und einigen gut plazierten Ansagen von Fronter Aðalbjörn
Tryggvason die Sympathie auf ihre Seite zu reissen. Höhepunkt des
Sets war dabei klar der Song 'Ritual Of Fire' im letzten Drittel,
der mit gut 20 Minuten zu Buche schlug - Applaus geht an dieser
Stelle an Basser Svavar Ausman, der den ganzen Song durch
Sechzehntel in die Saiten hackte (!). Klar, dass das Publikum die
Band nach einem solchen Set noch nicht gehen lassen wollte, und
obwohl auf die Frage 'Wollt ihr einen Black Metal- oder einen
Love-Song?' unklar reagiert wurde, packten Solstafir noch einmal die
schwere Keule aus, und beendeten den Abend unter Feedback-Gitarren
und euphorischem Applaus.
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