Livereview: Sonata Arctica - Delain - Winterborn
22. November 2009, Z7 Pratteln
By Rockslave
Obwohl sich die finnischen Melodic Speedster mit ihrem neuen Werk «The Days Of Grays» nicht gerade in die Nesseln gesetzt, jedoch kaum viele neue Fans erreicht haben dürften, ist das grundsätzliche Interesse aber ungebrochen. Das beweist die bisher gut besuchte Tour und auch heute Abend in Pratteln dürfte der Aufmarsch in der Gegend von "sold out" gelegen haben. Schon die vergangene "Unia"-Tour von 2007 war trotz spürbarer Abkehr von den ursprünglichen Trademarks der frühen Tage ein Triumph-Zug sondergleichen. Das diesjährige Gastspiel stand allerdings unter dem Motto des 10-jährigen Jubiläums des legendären Debüts «Eclipitica» von 1999. Das brachte mit sich, dass die Setliste wohl eher retromässig ausgerichtet sein muss, und so kam es zur grossen Freude auch. Diese stellte sich beim Rezensenten ebenso ein, denn mit Delain und Winterborn standen erstklassige Support-Bands am Start. Erstere standen dieses Jahr in der Schweiz gar zum dritten Mal auf der Bühne! Diesem Event gingen allerdings drei gecancelte Shows voraus, weil Tony Kakko's Stimme schlapp gemacht hatte. Ausgeruht und wieder voll genesen liess dieser heute Abend jedoch nichts anbrennen!

Winterborn

Das powermetallische Sextett stammt, wie der Headliner, auch aus dem hohen Norden, sprich Finnland. Die Band ist noch jung, sprich wurde erst 2004 gegründet und hat mit Teemu Koskela einen exzellenten Frontmann in ihrer Mitte. Optisch zwar eher harmlos und durch die gepflegte Kurzhaarfrisur gar etwas bieder wirkend, lässt dessen starke Stimme aber jeden Zweifler umgehend verstummen. Das Debüt «Cold Reality» kam 2006 auf den Markt und ich muss gestehen, dass ich die Finnen bisher in keinster Weise wahr genommen habe. Auch der letztjährige Zweitling «Farewell To Saints» hinterliess keine Spuren in meiner Tonträger-Sammlung. Dies ist ein schönes Beispiel unseres total übersättigten Marktes, das einer Band wie Winterborn in die Quere kommen kann. Auf jeden Fall gaben die Jungs von Anfang an ordentlich Gas und liegen mit ihrer Mucke im Bereich von Pagan's Mind und Circus Maximus. Die leicht tiefer gestimmten Gitarren von Pasi Vapola und Antti Hokkala verliehen dem Gesamtsound noch einen Tick mehr Druck. Obwohl nicht im Zentrum des Geschehens, lieferte Keyboarder Jukka Hänninen einen Top-Job ab und bot ein paar schöne Solo-Einlagen. Und wenn wir schon bei der Bandvorstellung sind, muss auch die Rhythmus-Abteilung von Winterborn mit Bassist Pasi Kauppinen und Drummer Lauri Bexar erwähnt werden. Letzterer spielte auf hohem Niveau und sehr variantenreich. Die Songs ballerten teilweise ganz schön nach vorne los und wirkten innerhalb der 30 Support-Minuten mitunter etwas ähnlich gestrickt. Nichtsdestotrotz ver-mochte die sechsköpfige Truppe echt zu überzeugen und kriegte auch echt fettes Licht ab. Störend waren allerdings ein paar Lautstärke-Probleme, als man plötzlich einen Teil der Band praktisch nicht mehr hörte und ein seltsamer Echo-Effekt das sonst gute Gesamturteil etwas schmälerte. Auf jeden Fall lohnt es sich, intensiv in die beiden Studio-Alben reinzuhören und noch Einiges mehr zu entdecken, was heute Abend mangels Spielzeit nicht gezeigt werden konnte.

Delain
Wenn ich einen persönlichen, besten Newcomer des Jahres 2009 bestimmen müsste und das zum Beispiel auch vom Abspielen der neuen CD «April Rain» abhängig wäre, heisst die Antwort klar Delain! Die holländischen Gothic Metaller um Mainman/Keyboarder Martijn Westerholt und die bezaubernde Sängerin Charlotte Wessels standen heute Abend bereits zum dritten Mal auf einer Schweizer Bühne! Nach dem Support für Kamelot Ende März folgte kaum ein Monat später ein Headliner-Gig im Zürcher Dynamo. Und da aller guten Dinge bekanntlich drei sind, konnte man sich den wertvollen Anheizer-Platz auf der aktuellen Tour von Sonata Arctica sichern. Damit erreichte man jeden Abend mehr Leute als je zuvor und im Gegensatz zum ersten Gastspiel im Z7, tummelten sich heute Abend ebenfalls zusätzliche Fans vor der Bühne. Nebst den sehr melodiösen und einprägsamen Songs punktet natürlich die rassige Frontfrau, die aber neben hübschen Kurven und ihrem jugendlich frischen Antlitz in erster Linie über eine hammergeile Stimme verfügt. Der klare, helle und eben nicht Turunen-mässige Gesang passt perfekt zu den Songs der bisher zwei Alben. Die teilweise leicht poppige Attitüde ergänzt sich ideal zum härteren Material, das durchaus mit Nightwish verglichen werden kann. Als die Band auf die Bühne kam, stellte ich sogleich mal fest, dass sich am Line-Up offenbar was verändert hatte. In der Tat wurde Album-Gitarrist Ronald Landa mit Ewout Pieters ersetzt und für den sonst etatmässigen Bassisten Robert van der Loo spielte, ausser in der Heimat, Roel Vink als Tourbassist. Diese Wechsel brachten jedoch keine Veränderung des Delain-Sounds mit sich und so wurde der Auftakt mit «Invidia» bestritten. Charlotte trug diesmal ein schwarzes, ledrig aussehendes Bustier und war wiederum einfach eine Augenweide. «Stay Forever» und «The Gathering» folgten und spätestens jetzt nahm die Sache richtig Fahrt auf. Jedes weitere Lied wurde lautstark beklatscht und spornte die Oranjes weiter an. Bei «Control The Storm» gab es die erste "Windmühlen Bang-Einlage" von Miss Wessels, die dabei ihr schön auf Volumen geföntes Haar in Wallung brachte. Leider standen die eigentlich erwarteten 45 Minuten nicht zur Verfügung und deshalb musste «Nothing Left», das zwar auf der Setliste stand, notge-drungen über die Klinge springen. Zudem fehlten natürlich der Titelsong «April Rain» und die geniale Halb-ballade «Come Closer» (Bonus-Track des Digipaks). «Pristine» liess es zum Schluss und mit ein paar Growls angereichert auf jeden Fall nochmals richtig krachen. Delain stehen nun vor dem berühmten, dritten Album, das oft (aber nicht immer) den weiteren Verlauf einer Karriere massgeblich beeinflusst. Es wäre schön, wenn diese talentierte Band ihr Pulver noch nicht verschossen hat und man bald wieder was von ihr hören wird. Und wenn wir es schon vom Zuhören haben, sei zum Schluss erwähnt, dass der Sound ganz ordentlich war und das Hauslicht, zusammen mit den obligaten Rauchwolken, treffend eingesetzt wurde.

Setlist: «Intro» - «Invidia» - «Stay Forever» - «The Gathering» - «Go Away» - «Virtue & Vice» - «Shattered» - «(Nothing Left - ausgelassen!)» - «Control The Storm» - «Pristine».

Sonata Arctica
Zuerst sah es gar nicht zwingend danach aus, als dass der Tourtross auch die Schweiz erreichen würde, denn aufgrund von akuten Stimmband-Problemen ihres Frontmannes Tony Kakko mussten die Finnen die Konzerte von Graz, Wien und München zwischen dem 18. und 20. November absagen. Zum Glück reichten insgesamt vier Tage zur vollständigen Genesung aus und darum durften sich die Schweizer Fans auf die volle Dröhnung freuen. Obwohl die Tour ja eigentlich zur die Promo des neuen Albums «The Days Of Grays» angedacht war, bestimmte aber das 10-jährige Jubiläum des legendären Debüts «Ecliptica» von 1999 den Abend. Den Anfang nach dem Intro machte aber erstmal «Flag In The Ground», also ein aktueller Track, gefolgt von zwei «Unia»-Stücken. Das Z7 hatte sich bereits in ein Tollhaus verwandelt und man konnte beruhigt zur Kenntnis nehmen, dass Herr Kakko zumindest heute Abend in Pratteln keinerlei Schwächen offenbarte. Vor der traumhaft anmutenden Fantasy-Kulisse des übergrossen Backdrops zogen die finnischen Melodic Speedster voll vom Leder. Wie zuvor bei Delain, stand auch beim Headliner ein neuer Mann auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Sein Vorgänger Jani Liimatainen ist schon auf dem neuen Album nicht mehr zu hören. An seiner Stelle spielt nun sein Landsmann Elias Viljanen, der ja zuerst mit einem eher halbgaren Solo-Album auf sich aufmerk-sam gemacht hatte. Dieser verrichtete seinen Job an der Klampfe ohne Fehl und Tadel. Gleiches konnte man von Bassist Marko Paasikoski berichten, nur dass der sich ziemlich unauffällig gab und, zumindest in meiner Wahr-nehmung, eher gelangweilt wirkte. Dafür liess Master Tony wirklich nix anbrennen und schaffte auch die hohen Gesangs-Partien mühelos. Die Fans dankten die aktive Performance mit frenetischem Applaus und nach «FullMoon» sowie «8th Commande-ment» folgte schliesslich ein dritter, wenn nicht der beste Song des Erstlings: «Replica»! Es gibt einfach gewisse Songs, die von Anfang an das Zeug zum Klassiker haben und dieser gehört ohne Zweifel dazu. Da dieser Smasher nicht immer im Set auftaucht, war die Freude diesmal nun umso grösser. Zuvor durfte Neuzugang Viljanen noch zeigen, was er auf seinem Arbeitsgerät drauf hat. Na ja, das hätte es jetzt nicht zwingend gebraucht. Für deutlich mehr Aufsehen sorgte hingegen und ziemlich unerwartet Charlotte Wessels, die, ganz in weiss gekleidet, nun als Kontrast zu vorher wie ein Engel aussah und für «Last Drop Falls» nochmals auf die Bühne zurück kehrte. Leider und ärgerlich zugleich war irgendwas mit dem Mikrophon nicht in Ordnung, sodass man Charlotte mindestens eine Minute lang überhaupt nicht hören konnte. Trotzdem setzte sie das Lied vom Album «Silence» (2001) gekonnt in Szene und es würde mich nicht wundern, wenn es von dieser Sonata-Tour allenfalls eine Tour-Edition absetzt, wo diese gelungene Version mit dabei ist. Weniger toll fand ich hingegen die wieder einmal total stickige Luft, die bei voller Halle zum Zerschneiden dick und arg rauchge-schwängert war. Nach 70 Minuten gingen Sonata Arctica erstmals von der Bühne, um danach noch ein paar Zugaben für ihre treu ergebenen Fans zu spielen. Vor allem «Don't Say A Word» entfachte das Feuer nochmals kräftig und trotz gerade mal 90 Minuten hinterliessen die Nordländer am Schluss einen mehr als nur überzeugenden Eindruck. Bereits im kommenden Februar (7.02.10) werden die Finnen im Zürcher Volkshaus ja abermals auf der Matte stehen und die Hütte bestimmt zum Überkochen bringen. Also vormerken und nichts wie hin!

Setlist: «Intro» - «Flag In The Ground» - «Paid In Full» - «Caleb» - «The Last Amazing Grays» - «As If The World Wasn't Ending» - «FullMoon» - «Last Drop Falls» - «8th Commandement» - «Juliet» - «Guitar Solo Elias Viljanen» - «Replica» - «The Cage» - «In Black And White» - «Don't Say A Word» - «Vodkaa (Hava Nagila)» - «Everything Fades To Gray (Instrumental)» - «Outro».