Nicht wenige Leute rieben sich nach der Bekanntgabe des Datums
mehrmals die Augen und fragten sich, ob dieses Hammer-Billing wohl
ein schlechter Witz oder schlicht der Traum sei. Letzteres stimmte
tatsächlich und hat es so bisher wohl noch nie in der Schweiz
gegeben. Die wieder erstarkten Journey und die erfreulicherweise
nicht nachlassenden Foreigner plus ein Support hätten das Interesse
bereits genug geweckt. Doch es sollte noch schöner kommen, denn
neben den Kult Prog-Rockern Kansas und den so zu sagen wieder
kompletten Saga (mit dem zurück gekehrten Michael Sadler) durften
sich die Schweizer Rockfans auf Night Ranger freuen, die schon
über ein Vierteljahrhundert nicht mehr bei uns aufgetreten sind. Die
Wahl der Eishalle in Winterthur fand ich aufgrund mehrerer dort
erlebter, schlechter Konzerte in Sachen Sound ziemlich problematisch,
doch es sollte diesmal nicht so krass wie beim «Unholy Alliance» heraus
kommen! Der Publikumsaufmarsch war beachtlich, doch ganz ausver-kauft
war der Anlass nicht, was angesichts der hochkarätigen Bands schon
etwas enttäuschte. (rsl)
Night Ranger
Über 16 Millionen verkaufte Tonträger Night Ranger, die 1985 ihr
letztes Konzert in der Schweiz spielten, eröffneten den langen Tag
30 Minuten später als geplant. Die Schlange vor den Toren der
Eishalle Deutweg war so lang, dass die Eingangskontrolle nicht
rationell genug durchgeführt werden konnte, respektive voran kam.
Viele rannten danach bei Türöffnung so schnell
sie konnten vor die
Bühne, was man derart eigentlich nur von Teenie-Konzerten kennt. Das
Package Spirit of Rock weckte wohl recht grosse Emotionen. Der
Opener des Ganzen wurde hauptsächlich durch den Song Sister
Christian bekannt, welcher bei diesem Auftritt natürlich nicht
fehlen durfte. Das Publikum feierte die Band regelrecht ab, denn ich
schätze mal durch das, dass sie so gut wie nie in der Schweiz
aufgetreten sind, haben viele die Kalifornier an diesem Tag zum
ersten Mal überhaupt live erleben dürfen. Brad Gillis, der 1980 bei
Ozzy Osbourne kurzfristig den verstorbenen Randy Rhoads für einige
Konzerte ersetzte, stimmte dann tatsächlich den Ozzy-Classic «Crazy
Train» an und spielte ihn überraschen-derweise ganz durch, was bei
den Zuschauern für grossen Beifall sorgte. Jack Blades (v/b), der
1989 neben Night Ranger die erfolgreiche Hard Rock Band Damn Yankees
gegründet hatte, bekam am Ende der Show einen Hocker gereicht, da er
offensichtlich Probleme mit seinem Bein hatte. Die Schmerzen rührten
von einer Verletzung, die er sich auf der laufenden Tour eingefangen
hatte. Trotzdem guter Auftritt, denn die alten Herren wissen immer
noch, wie man kräftig abrockt! (lia)
Saga
Leider etwas enttäuschend war im Gegenzug der Auftritt von Saga. Um
16:30 Uhr betraten die Kanadier die Bühne, die ich zuvor auch noch
nie live gesehen, mir aber immer extrem gerne angehört habe. Michael
Sadler, Ur-Frontmann und Gründungsmitglied, kehrte nach einer Pause
von rund vier Jahren wieder zurück und war emotional berührt und
sichtlich glücklich darüber, abermals die Bühnen der Welt betreten
zur können. Wiederholt liess er das Publikum spüren, dass es für ihn
das Grösste ist, erneut mit seinen Kumpels vereint rocken zu können
und schickte zwischendurch Luftküsse in Richtung der Zuschauer.
Gesanglich wie auch performancetechnisch gab es nichts zu bemängeln.
Alle Musiker gaben sich ziemlich agil und Gitarrist Ian Chrichton
wie sein Bruder Jim (b/keys) gingen wie gewohnt ganz in ihrem Spiel
auf. Drummer Brian Doerner liess dazu filigranes wie tightes
Drumming aufblitzen und Jim Gilmour steuerte seine bewährten,
ausladenden Keyboard-Wände bei. Das alles zusammen hätte eigentlich
der Garant für eine tolle Show sein müssen. Leider gestaltete sich
die Setliste etwas sperrig im Wissen darum, wie viele Hits die
Canucks eigentlich locker noch aus dem Ärmel hätten schütteln
können, und das gerade jetzt, wo ihr Stammsänger wieder mit an Bord
ist. Warum man dann in diesem Rahmen einen überlangen,
instrumentalen Song wie «Corkentellis» bringt, verstehe ich an
dieser Stelle echt nicht. Die Stimmung in der Halle fiel dadurch
total in den Keller. Darüber hinaus klang der Sound weitgehend ziemlich
breiig und riss mich daher nicht so wirklich mit. Das irritierte mich
etwas, da ich die keyboardlastigen Songs schon in den 80ern sehr
schätzte und diesem Live-Auftritt der Band deshalb freudig entgegen
fieberte, schade! (lia)
Kansas
Hunger! Aber egal ich blieb standhaft, denn Kansas, die Ur-Väter des
amerikanischen Prog Rocks, gehören zur Allgemeinbildung wenn man
Musikliebhaber ist und die Band noch nie zuvor gesehen hat.
Ausserdem hatte ich einen perfekten Sitzplatz zentral oben auf dem
Balkon ergattern können. Das hiess beste, frontale Sicht auf die
Bühne. Das Paar neben mir sass wie versteinert auf ihren Plätzen und
wechselte kein Wort
miteinander. Ein bisschen mehr Euphorie hätte
denen bestimmt gut getan. Meine Helden Symphony X schwärmen von
Kansas und zählen deren melodischen Progressiv Rock zu den
bedeutendsten Einflüssen. Daher entschloss ich mich kurzerhand:
Gegessen wird später und überhaupt standen eh gefühlte 400 Leute am
einzigen Wurststand an, den es auf dem Festivalgelände gab.
Klassiker wie «Dust In The Wind» durften nicht fehlen und das
textsichere Publikum sang kräftig mit. Charakteristisch für die
Musik von Kansas ist natürlich der Einsatz der Geige, was auch live
durch David Ragsdale toll umgesetzt wurde. Der instrumentale Anteil
bei Kansas ist recht hoch und verleiht speziell dem ganzen
Live-Auftritt eine besondere Atmosphäre. Die Halle füllte sich
inzwischen noch etwas mehr und das Publikum im Durchschnittsalter
von 40 Jahren bejubelte und beklatschte die Band mit Euphorie. Das
komische Pärchen neben mir hätte sich davon echt eine kräftige
Scheibe abschneiden können. Neues Material gab es schon länger nicht
mehr, die Band lebt von den alten Hits und tourt damit durch die
grosse weite Welt. Bis jetzt trotz kleiner Enttäuschung durch Saga -
ein rundum gelungener Tag! So und nun wurde erstmal der Pizzadienst
bestellt. Die 400 Leute standen auf jeden Fall immer noch am
Wurststand an oder schon wieder? Oder waren das gar die nächsten 400
hungrigen Mäuler? Mir egal, denn jetzt habe ich Hunger!! (lia)
Foreigner
Wenn man bedenkt, dass Foreigner zu Beginn ihrer Karriere gegen Ende
der 70er schon sehr erfolgreich waren (Multi-Platin in den Staaten)
und 1984 mit «Agent Provocateur» auch bei uns voll durchstarteten,
erscheint es logisch, dass man aktuell immer noch was reissen kann.
Das ist aber nicht so selbstverständlich, wie es auf den ersten
Blick aussieht, denn als Lou Gramm die Band anfangs der 90er
verliess und später wieder ein paar Jahre mitmachte, eher er dann
schwer erkrankte, liess die Fans ohne grosse Zuversicht auf ein
Weiterbestehen zurück. Gitarrist und Gründer Mick Jones gab aber
nicht auf und seit Kelly Hansen, der ehemalige Sänger von Hurricane,
im Jahre 2005 dazu stiess, ging es wieder stetig und steil aufwärts.
Die stimmliche Ähnlichkeit zu Lou Gramm war mitunter ein Grund, dass
Foreigner nach wie vor hoch im Kurs ihrer Verehrer stehen. Beinahe
perfekte Konzerte säumen ihren dritten Karriere-Abschnitt und wer
2006 in Balingen an dieser oberamtlichen Rocksause dabei war, weiss,
wovon ich hier spreche. Für viele Besucher hätte heute eigentlich
der britisch-amerikanische Verbund als Headliner fungieren sollen.
Mit einer fulminanten Show, die nur so vor Hits strotzte, kam das
Winterthurer Publikum dann auch gleich von Anfang an voll auf seine
Kosten. Dabei wurde eine beachtliche Textkenntnis zelebriert und die
Refrains von Alltime-Klassikern wie «Head Games», «Cold As Ice» oder
«Urgent» lauthals mitgesungen. Die Halle tobte und die Band war in
exzellenter Spiellaune. Zappelphilipp
Jeff Pilson (Ex-Dokken) und
Frontgaul Kelly Hansen nahmen einen Grossteil der Bühnenfläche in
Beschlag und sorgten für triefenden Schweiss. Nicht weniger davon
produzierten auch Zweitgitarrist Tom Gimbel mit seinem genialen
Sax-Solo bei «Urgent» und Drummer Marc Schulman, der mit unbändiger
Energie aufwartete. Das kreative Zentrum und der ruhende Pol
zugleich war aber Chief Mick Jones, dessen Guitar-Soli und Riffs
immer noch messerscharf wie tight daher kommen. Nicht fehlen durften
natürlich ein paar geile Schmachtfetzen der glorreichen
Vergangenheit und davon gab es auch ein paar, wenn man sich
unterhalb die Setliste vor Augen führt. Herausragend dabei waren das
nicht immer gespielte «That Was Yesterday» und der 80er Überhit «I
Want To Know What Love Is», der auch ohne den mächtigen Gospelchor
der Studioversion im Rücken für eine gehörige Gänsehaut sorgte. Das
ist eben der grosse Unterschied zwischen Foreigner und manch anderen
Bands, die vielleicht mal einen (zufälligen) Charterfolg hatten.
Erstere verfügen halt über eine hohe Dichte an Hits und können
eigentlich nichts falsch machen. Da man als Co-Headliner nur etwa
knappe 80 Minuten auf der Bühne stand, fehlten deswegen so Perlen
wie «Starrider», «Night Life» oder «Say You Will». Vom letzten
Studio-Album «Can't Slow Down» (2009) fand nur der Titeltrack Platz
im Set und den Schlusspunkt setzte die frenetisch abgefeierte Zugabe
«Juke Box Hero», wo nochmals alles präzise auf den Punkt gebracht
wurde, was die Genialität von Foreiger seit 35 Jahren ausmacht. (rsl)
Setliste: «Double Vision» - «Head Games» - «Cold As Ice» - «Can't
Slow Down» - «Waiting For A Girl Like You» - «That Was Yesterday» -
«Dirty White Boy» - «Feels Like The First Time» - «Urgent» - «I Want
To Know What Love Is» - «Hot Blooded (Short Version)» -- «Jukebox
Hero».
Journey
Nun war ich ziemlich gespannt darauf (und nicht nur ich!), ob
Journey diesem Hammer-Auftritt von Foreigner etwas zu entgegnen
vermochten, respektive noch eins drauf setzen konnten oder nicht.
Ich lasse die Katze bereits vorzeitig aus dem Sack: Sie konnten es
nicht, zumindest nicht ganz! Gründe dafür gab es einige, wie zum
Beispiel dass einige Leute die Halle schon vorzeitig verliessen, da
für sie der Headliner offensichtlich schon gespielt hatte.
Diejenigen, die geblieben waren, sahen jedoch eine soweit gute
(Ami-) Show, die allerdings etwas gar glatt poliert daher kam. Der
Opener «Separate Ways» war zunächst mal aber ganz grosses Kino, wo
man gleich erleben konnte, warum diese Band in der Heimat so gross
ist. Der raumfüllende Song hörte sich förmlich nach einer amtlichen
Stadion-Hymne an, die nebst der fetten Instrumentierung von der
grandiosen Stimme des Arnel Pineda getragen wurde. In die gleiche
Kerbe schlug «Ask The Lonely», ein Song aus den 80ern, ehe dann
«City Of Hope» eindrücklich zeigte, dass das Niveau der brandneuen
Scheibe «Eclipse» wirklich hoch ist. Darüber hinaus zeigte Drummer
Deen Castronovo bei «Keep On Running», dass er nicht nur glänzend
mit den Schlagstöcken umzugehen weiss, sondern auch ein Top-Sänger
ist. Das dazu aufgestellte Arbeitsgerät hatte echt monströse
Ausmasse und war der Eyecatcher auf der sonst ziemlich leeren Bühne.
Das elektronische Backdrop wurde für alle Bands in Winterthur
eingesetzt und sorgte für ensprechende Einspielungen wie
Lichteffekte. «Edge Of The Moment» war der zweite neue Song, und
auch hier gab es von der Musik her keinerlei Schwächen zu vermelden,
ausser dass der Sound, je nach Stand- oder Sitzort
zwischen gut,
passabel bis grottenschlecht varierte. Letzteres muss überwogen
haben, denn viele Leute gaben das nach dem Konzert zu Protokoll. Was
war es aber nun, das den Funken in Winterthur nicht wirklich
überspringen liess? An der Abwechslung der Songs lag es nicht, denn
im Gegensatz zu Balingen gab es mit «Lights» oder «Faithfully» auch
schöne Balladen im Angebot und nicht nur beinharte Rocker. Zudem war
mit «Wheel In The Sky» einer der Hits dabei, den die meisten wohl
aus dem Radio kannten und wie bei Foreigner zum Mitsingen animierte.
Ich persönlich lokalisierte das Problem bei Goldkelchen Arnel Pineda,
der zwar über eine Hammer-Stimme verfügt, diese heute Abend aber
irgendwie zu eintönig rüber brachte. Er sang anhaltend unheimlich
laut und kräftig, was mit der Zeit eine gewisse Langeweile erzeugte,
weil es dann über weite Strecken "gleich" klang. Dazu hüpfte er
unentwegt wie ein Gummibällchen auf der Bühne herum, was seine
Kollegen kaum bis gar nicht taten. Das freilich gereichte natürlich
nicht dazu, dass man jetzt von einem schlechten Auftritt sprechen
konnte, aber man merkte schon, dass dieser typische
Ami-Bombast-Sound, der wegen den Keyboards zeitweilen recht klebrig
ist, eher nicht für typisch europäische Hörgewohnheiten
prädestiniert ist. Nichtsdestotrotz fand ich das Gezeigte gut, wenn
auch die Magie von Balingen nicht erzielt werden konnte. Nach 75
(eigentlich zu knappen) Headliner-Minuten mit Journey ging das
insgesamt klar kultige «Spirit Of Rock» in Winterthur zu Ende. Es
bleibt nun abzuwarten, ob so ein Billing überhaupt jemals wieder
zustande kommt. (rsl)
Setliste: «Separate Ways (World's Apart)» - «Ask The Lonely» - «City
Of Hope» - «Guitar Solo» - «Stone In Love» - «Keep On Running» -
«Edge Of The Moment» - «Lights» - «Piano Solo» - «Mother, Father» -
«Wheel In The Sky» - «Escape» - «Be Good To Yourself» - «Faithfully»
- «Don't Stop Believing» -- «Anyway You Want It».
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