Bei aller Freude, den Boss von Iron Maiden mal ganz aus der Nähe
ansehen zu können, ging ich mit ziemlich gemischten Gefühlen nach
Zürich. Im Wesentlichen lag das natürlich daran, dass mit dem ersten
Solo-Album «British
Lion» bei Weitem nicht der Überflieger abgeliefert wurde, den sich
die Fangemeinde und meine Wenigkeit insgeheim gewünscht hatten. Wohl
wissend, dass es sich eher bis gar nicht nach Iron Maiden anhören
würde, hätte dem Ganzen aber etwas mehr Schmackes und Tiefgang
bestimmt nicht geschadet. So fokussierte sich dann alles auf den
Live-Auftritt, von dem sich mancher der Anwesenden spürbar mehr
Power als auf dem Tonträger erhoffte. Wenn man allerdings die
zahlreich getragenen Maiden-Shirts im Komplex 457 umher trotten sah,
wirkte die Chose irgendwie schräg. Interessant schien zunächst mal
die Support-Band Zico Chain aus London, denn die Jungs hatten zu
diesem Zeitpunkt weder einen Deal noch ein Management und brachten
unlängst ihr zweites full lenght album «The Devil In Your Heart» in
Eigenregie heraus. Da die Aufnahmen nicht in einem Studio, sondern
einem leer stehenden Haus live eingespielt wurden, klingt das Ganze
ziemlich authentisch.
Zico Chain
Was bei der für die erste Band des Abends hergerichteten Bühne
gleich auffiel, war das zentral aufgebaute Drum von Oli Middleton.
Er selber hob sich dann optisch mit seinen langen Rasta-Locken stark
von seinen beiden (frisch?) kurzhaarigen Kollegen Chris Glithero
(b/v) und Paul Frost (g/v) ab. Ihr rotzig vorgetragener Alternative
Rock versprühte einige Power und klang für meine Ohren mehrmals nach
System Of A Down. Das deshalb, weil zwischendurch auch einige
Hardcore-Fetzen auszumachen waren. Des Weiteren machten sich die
prägnanten Backing Vocals aller Musiker in überaus ansprechender Art
und Weise bemerkbar. Die teils mehrstimmigen Parts konnten echt
überzeugen. Dennoch flashte mich die Mucke nicht wirklich, weil es
mir irgendwann zu gleichförmig wurde und es für meinen Geschmack
klar an Härte zu wünschen übrig liess. Schaut man sich die Bengel
dann auf der aktuellen Homepage an, wirken dort die deutlich
längeren Haare schon anders als hier und heute Abend.
Selbstverständlich sagt die Länge der Haare rein gar nichts aus, was
die musikalische Performance angeht, aber so auf den ersten Blick
wirkte es zumindest auf mich ein wenig irritierend. Das agile Spiel
von Zico Chain räumte diesbezüglich jedoch alle Zweifel gründlich
weg und die zu diesem Zeitpunkt etwa mageren 150 oder auch etwas
mehr Leutchen fanden auf jeden Fall Gefallen am lärmigen UK-Trio und
verdankten die gut dreissig Spielminuten mit anerkennendem Applaus.
Mir blieb zu Schluss allerdings die Frage, ob Steve Harris und seine
Truppe hier nun spürbar noch eine Schippe drauf zu legen vermögen.
Steve Harris
Es ist nun schon eine ganze Weile her, seit ich Steve Harris im
Dezember 1995 im Zürcher Volkshaus (!) auf der «The X-Factor Tour»
(damals natürlich noch mit Frontmann Blaze Bayley) für einmal nicht
aus der Feldstecher-Position miterleben durfte. Das war natürlich
die Ausnahme, denn logischerweise davor schon längst und nach der
Rückkehr von Bruce Dickinson erst recht, mutierten Iron Maiden zu
einem stets hallen-und/oder stadionfüllenden Monster, das locker
zehntausende von Fans zu mobilisieren mag. Darum musste es in erster
Linie für Steve schon etwas anderes sein, auf dieser Tour vor
deutlich weniger Publikum aufzuspielen. Dass sich allerdings beim
Konzert in Zürich nur gerade etwa 200 Fans im Innern des Komplex 457
regelrecht verloren, war doch eher überraschend. Den Hauptgrund
dafür habe ich meiner Meinung nach eingangs bereits erwähnt und
darum war es jetzt echt spannend, was nun folgen würde. Eigentlich
ist es ja so, dass es British Lion als Band schon 1992 gegeben hat
und der gute Steve damals seine Dienste angeboten hatte. Nach seinem
Rückzug versandete die Sache wieder und wurde nun im Zuge der
Soloscheibe quasi reaktiviert. Zum Lineup gehören demnach: Richard
Taylor (v), David Hawkins (g), Grahame Leslie(g) und Simon Dawson
(d).
Da für die Setliste nur ein Album zur Verfügung stand, war somit von
Anfang klar, dass womöglich alle zehn Album-Songs berücksichtigt
werden und so war es dann auch, ergänzt um vier weitere (neue?)
Songs, plus eine Cover-Version. Die Start-Triplette wurde in der
gleichen Reihenfolge wie auf dem Studio-Album dargeboten und
erinnerte mich erst einmal frappant an The Lizards (mit Bobby
Rondinelli an den Drums und Mike DiMeo von Riot). Zu Beginn machte
Taylors Stimme soweit noch mit, aber bald zeichnete sich ab, dass
zum einen generell die Power oben weg fehlte und deshalb die hohen
Töne immer schlechter getroffen wurden. So dümpelte das eh
durchschnittliche Material alsbald
ziemlich gleichförmig vor sich
hin und selbst der äusserst agile Einsatz der beiden Gitarristen,
die übrigens über stattliche Körpergrössen verfügen, konnte das
schon früh leck geschlagene Schiff nicht wieder auf Kurs bringen.
Immerhin gab es mit «Us Against The World» und «The Chosen Ones»
zwei bessere Songs, wobei Letzterer Herrn Taylor in die bereits
beschriebene Bredoullie brachte und «A World Without Heaven» mit den
völlig unpassenden Falco-Zitaten (!!) kaum zu ertragen war.
Steve Harris machte aber soweit eine gute Miene zum bösen Spiel vor
dieser kargen und lethargischen Kulisse, und aufgrund der
Einstellungen des Mischers, hörte man Steves Bass relativ gut
heraus, aber der alleine machte das allgemeine Manko halt bei Weitem
nicht wett. Symptomatisch und gleichzeitig fatal, entpuppte sich die
schmissige Version von UFOs Klassiker «Let It Roll» als klar bester
Song des Abends! Fazit: Ja, ich hatte (viel) mehr erwartet und mit
einem Klasse-Sänger wäre das leider bloss mittelklassige
Song-Material vielleicht halbwegs zu retten gewesen. Darum kann
bereits jetzt über die Zukunft des „Britischen Löwen“ gerätselt
werden. Master Harris wird das aber eh völlig schnuppe sein, denn
bald werden Iron Maiden zur nächsten Tournee aufbrechen und am 22.
Juni 2013 bekanntlich auch im Zürcher Hallenstadion Halt machen, so
be there and up the irons!!
Setliste: «This Is My God» - «Lost Worlds» - «Karma Killer» - «Father
Lucifer» - «The Chosen Ones» - «These Are The Hands» - «Guineas And
Crowns» - «The Burning» - «Last Chance» - «Us Against The World» -
«A World Without Heaven» - «Do You Want It» - «Judas» -- «Let It
Roll (UFO Cover) » - «Eyes Of The Young».
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