Grundsätzlich waren meine Erwartungen an dieses Konzert sehr
bescheiden. Das bisher einzige British Lion-Album stufe ich als
wenig hitträchtig ein und die Frage, wieso Mastermind Steve Harris,
der mit seiner Stammcombo Iron Maiden mehr als nur ausgelastet ist,
noch ein zweites Standbein aufbaut, konnte ich mir bis an diesem
Abend nicht beantworten. Trotzdem übt die Präsenz von Steve an einem
Ort wie dem Kofmehl einen unglaublichen Reiz aus. Also, wenn
British Lion schon in der unmittelbaren Nähe spielen, dann sollte
man sich an einem Samstagabend auch nicht zu schade sein, den Weg
unter die Räder zu nehmen. Die sogenannten unzähligen Die Hard Iron
Maiden Fans blieben diesem Event aber grösstenteils fern. So, dass
das Kofmehl gemütlich bevölkert war, aber zuweilen auch sehr
geräumig, um nicht zu sagen leer aussah. Was mir erneut bewies, dass
Mister Harris ohne Maiden eben doch nichts für die Massen ist.
Voodoo Six starteten den Abend mit einer 45 Minuten
dauernden Show. Die Jungs spielten bereits mal als Support von Iron
Maiden und hatten schon damals einen sehr schweren Stand bei mir.
Musikalisch wurden die Tracks zwar sehr gut vorgetragen, bloss in welche
musikalische Richtung wollen die Jungs gehen? Da war etwas von Iron
Maiden zu hören, dann wieder was von Gun, oder ein bisschen Grunge
und ein Querverweis zur Moderne. Basser Tony Newton groovte wie
ein Berserker, trieb das Publikum immer wieder an und erinnerte von
seiner Bühnenshow an jene von Steve Harris, da meistens eines seiner
Beine auf der Monitorbox stand. Tony verlieh der Show von Voodoo Six
einen unglaublichen Punch und hatte, wie seine Mitstreiter, einen
tierischen Spass auf der Bühne. Die Jungs gaben sich britisch und
hatten in der Frühphase mit Richie Faulkner einen begnadeten
Gitarristen in den eigenen Reihen, der nun bei
Judas
Priest in die Saiten haut. Sänger Luke Purdie war mit seiner
seitlich rasierten Lockenpracht und dem langen Bart eher ein
übriggebliebenes Relikt aus der ausgestorbenen Grungezeit, tobte aber
(fast tanzend) mit viel Einsatz über die Bühne. Die Jungs
präsentierten eine gehörige Portion Coolness, speziell die
Sechs-Saiten-Fraktion mit Matt Pearce und Chris Jones. Mit
zunehmender Spielzeit konnte das Publikum sogar aus der Reserve
gelockt werden und das Stimmungsbarometer stieg langsam. Trotzdem,
was der Truppe fehlt, ist ein Hit, der mit grossem
Wiedererkennungsgrad die Leute aus der Reserve lockt und auf
den die Fans von Beginn weg warten. Denn mit der Zeit, wurde das Set
eher langatmig und auf eine gewisse Weise langweilig.
British Lion leben klar von Steve Harris.
Damit will ich nicht die Qualitäten von Sänger Richard Taylor oder
den anderen Musikern schmälern, aber die uneingeschränkte
Antriebsfeder ist und bleibt der Iron Maiden-Bassist. Ich habe Steve
immer für seine songwriterischen Qualitäten und sein Bassspiel
bewundert. Kein anderer Tieftöner hat mit seinem Können im Metal-Bereich
dermassen für Ansehen gesorgt und die Musikwelt beeinflusst, um
nicht zu sagen revolutioniert. Alleine aus diesen Gründen waren und
sind die Erwartungen an Mister Harris auch immer immens hoch. Man
kann auch nach diesem Konzert über die Lieder des Debütalbums der
Truppe denken, wie man will. Sie werden nie das Hitpotenzial von
Alben wie «The Number Of The Beast» oder «Powerslave» erreichen. Dabei
müssen sie auch nicht das gleiche metallische Fundament aufweisen,
aber eine ähnliche Hitdichte wäre jedoch wünschenswert, um nicht zu
sagen setzt man bei Steve grundsätzlich voraus. So bleiben bei den
British Lion-Tracks halt oftmals, ausser den bekannten
Harris-Mitsing-Melodien im Form von «oh-oh-oh» (erinnert euch an
«Heaven Can Wait» oder «Fear Of The Dark» von Maiden), nicht viel
hängen. ABER! Ich habe Steve in den letzten Jahren nie mehr mit
einer so grossen Spielfreude auf der Bühne gesehen, wie an diesem
Abend im Kofmehl. Auch wenn die Bühnenverhältnisse klein waren, so rannte
der Maiden-Kopf auf der Stage herum, als gäbe es kein Morgen mehr.
Er bangte, bewegte sich ständig, schwitzte und presste seinen Bass wie
ein Maschinengewehr an seine Hüfte. Ich glaube, das letzte
Mal, dass ich Steve mit einer solchen Hingabe erlebte, war auf der
«X-Factor»-Tour.
Es
machte sichtlich Spass, mitanzusehen, wie Steve das Konzert genoss.
Wie er immer wieder den Text imaginär mitsang und das Publikum
animierte. Diese positive Energie übertrug sich von Song zu Song auf
das Publikum, so dass nach gut zwei Drittel des Sets laute Chöre den
Applaus des Publikums begleiteten. Die Stimmung stieg und als
Richard verkündete, dass jedes Konzert dieser Tour für eine Live-CD
mitgeschnitten werde, kannten die Reaktionen kein Halten mehr. Auch
wenn nur Wenige diesem Konzert beiwohnten, diejenigen, die da waren
genossen es. Die «oh-oh-oh-oh-oh-ooohhh»-Gesänge kannten plötzlich
keinen Abbruch mehr und die verschwitzten wie warmgebangten
Halswirbel standen in den ersten Reihen kaum mehr still. Tja, es muss
wie damals gewesen sein, als Iron Maiden gerade mit den
«Soundhouse»-Tapes auf sich aufmerksam machten und in den kleinen,
stinkigen, englischen Clubs die Grundmauern zum Beben brachten.
Es schien auch, als ob sich Steve richtig über diese
Club-Atmosphäre freute und weg von der Stadion-Mentalität seiner
Stammtruppe wieder die "Basis" besuchen wollte. Dass er es sich nach
dem Konzert nicht nehmen liess und mit seinen Jungs eine
Autogrammstunde gab und jedem Wunsch nach einem gemeinsamen Foto
nachkam, hatte etwas unglaublich Ehrliches und Fannahes an sich. Davon
können die meisten Maiden-Fans nur träumen, Steve einmal so nahe zu
sein. Dass der Gig nach etwas mehr als
einer Stunde schon fertig war und keiner Zugabe gespielt wurde,
hatte dann aber trotzdem etwas Befremdendes. Dennoch, und das hätte ich mir
in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, schaffte es die
Band, dass ich mir das British Lion-Album zulegen und tiefer in die
musikalische Welt der Löwen eintauchen werde. Auch wenn ich nach wie
vor der Meinung bin, dass die Lieder auf dem Debüt alles andere als
werdende Klassiker sind, aber diese sehr nette, ehrliche,
authentische wie offene Art von Steve hat was Packendes, dem man
sich nicht widersetzen kann. Was viele Bands/Musiker sagen, dass es
keine Rolle spielt, ob sie nun vor 10, 100, 1'000, oder 50'000
Leuten spielen, hatte an diesem Abend bei Steve seine volle und
authentische Berechtigung! Mir stellte sich zum Schluss allerdings nur die Frage,
dass wenn sich Steve schon so dermassen fannah präsentierte, warum er dann keine
Interviews auf Tour gab…
Setliste: «Intro» - «This
Is My God» - «Lost Worlds» - «Father Lucifer» - «The Burning»,
«Spitfire» - «The Chosen Ones» - «These Are The Hands» - «Bible Black»,
«Guineas And Crowns» - «Last Chance» - «Us Against The World» - «A
World Without Heaven» - «Judas» - «Let It Roll» - «Eyes Of The Young».
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