Livereview: Stryper
20. Januar 2010, Biel - Kongresshaus
By Rockslave
Ich gebe gerne zu, dass ich die bibelwerfenden Amis zu ihrer Blütezeit in den 80ern nicht ernst genommen habe und auch sonst nie ein Fan von ihnen wurde. Erst Jahre später krallte ich mir mal in einer Brockenstube oder sonst wo eine ihrer alten Scheiben, und das auch nur, weil sie spottbillig und noch in gutem Zustand war. Das war's dann aber auch, sprich vielleicht einmal angehört und die Pladde setzte wieder Staub an. Wenn mir nun einer vorausgesagt hätte, dass ich mir eines Tages (und das in der Schweiz!) das wieder vereinigte Ur-Lineup anschauen gehen würde, hätte ich das kaum geglaubt. Doch genau das ist nun geschehen und dieser Abend wurde unerwartet zum Konzert-Highlight des noch jungen Jahres. Am Anfang stand natürlich die Meldung über die Reunion und einem brandneuen Album («Murder By Pride»). Das alleine weckte mein Interesse aber noch nicht. Erst als auf einmal ein CH-Konzert angesagt war (und das erst noch relativ in der Nähe von mir), gab ich mir einen Ruck und machte mich schliesslich trotz starkem Schneefall auf nach Biel. Ich sollte es nicht bereuen!

Stryper

Es ist immer wieder interessant, das erste Mal an einen neuen Ort zu gelangen, wo man konzertmässig noch nie zuvor war. Das Kongresshaus in Biel machte von aussen nicht gerade den Eindruck, dass hier massig Rock-Konzerte statt finden. Wie es der Name schon sagt, beherbergt dieser Bau vielmehr eine Vielzahl an unterschiedlichen, kulturellen Anlässen durch's Jahr hindurch. Warum man nun gerade an diesem Ort die Amis aufspielen liess, entzieht sich meiner Kenntnis im Detail. Auf jeden Fall hatten die Organisatoren vorgesorgt und augenscheinlich viele Helfer für diesen Anlass aufgeboten. Praktisch alle (wenn nicht alle) trugen einen offiziellen, jobgerechten Stryper-Pass um den Hals und meine Wenigkeit kam dann als akkreditierter Presse-Fuzzi natürlich ebenso zu so einem Teil, das echt cool aussah und sogar ein Schweizer Kreuz enthielt! Dazu wurde jedem Besucher noch ein Leucht-Bändchen ausgehändigt, das nachher im Konzertsaal zum Einsatz, respektive eben zum Leuchten kam. Der Aufmarsch betrug überraschenderweise ein paar Hundertschaften, die aber relativ schwer abschätzbar waren. Ich tippte auf etwa gut 500 Leute, doch es sollen noch ein paar mehr gewesen sein. Im Vorverkauf gingen auf jeden Fall dreiviertel der Tickets weg! Ansich erstaunlich, vor allem wenn man den insgesamt überraschend tiefen Altersdurchschnitt sah. Viele der anwe-senden "Fans" oder sagen wir mal Konzertgänger waren noch lange gar nirgends, als Stryper vor 25 Jahren voll durchstarteten. Die Schweiz kam erst 1993 erst- und gleichzeitig letztmals (!) zum Zuge, als Stryper in Greifensee (ohne Michael Sweet) nach 400 Shows ihr letztes Konzert spielten, ehe es sieben Jahre später wieder weiter ging. Ein Vierteljahrhundert später läuft das Ganze nun entsprechend unter dem Banner «25th Anni-versary Tour». Dazu kam auch Ur-Basser Timothy Gaines zurück in die Band! Erwarten durfte man also eine interessante Setliste, die viele Classics und sicher auch ein paar neue Songs enthalten würde. Wie sich bald einmal heraus stellte, verzichtete man offenbar auf eine Vorband, was bei einem Ticketpreis von fast 70 Flocken ansich grenzwertig ist. Nichtsdestotrotz war die Vorfreude gross und es gab schon den einen oder anderen Fan in meinem Alter, der ebenfalls gespannt war, was nun folgen sollte. Bevor es losging, sprich das hätte eigentlich um 20.30 Uhr sein sollen, kamen auf einmal Drummer Robert Sweet und Gitarrist Oz Fox auf die Bühne, sprachen ein paar Worte und warfen traditionsgemäss erstmal ein paar Bibeln in die Menge rein. Nach diesem obligaten Auftakt ging es dann etwa eine Viertelstunde später endlich los!

Als Opener wurde «Soldiers Under Command» (Titelsong des ersten Longplayers von 1985) gewählt und sogleich ging das Ding voll nach vorne los! Zu einem erstaunlich knackigen Sound zeigten Stryper schon mit den ersten Klängen, dass sie noch nichts verlernt haben. Der zweite Song «Murder By Pride» war bereits der Titeltrack der neuen Scheibe und spannte so den zeitlichen Bogen in die Gegenwart. «Loud'n'Clear» setzte darauf die Zeitmaschine wieder in Richtung Vergangenheit in Gang. Nach wenigen Takten unterbrach die Band ihr Spiel und Sänger Michael Sweet animierte die Meute dazu, die einfachen Mitsing-Parts kräftig zu unterstützen, was anschliessend für Schweizer Verhältnisse ganz passabel ausfiel. Der Bruder von Drummer Robert Sweet brillierte ohnehin und war kräftigst bei Stimme. Dies zeigte bald Wirkung und fand nachhaltige Bestätigung bei «The Rock That Makes Me Roll», einem schnelleren Track. Gitarrist Oz Fox zockte derweil pfeilschnelle Soli runter und steuerte, wie Bassist Tim Gaines, dienliche Backing Vocals bei, was zum Beispiel bei «Reach Out» den feinen Unterschied ausmachte. Ausser-halb der normalen Gepflogenheiten spielte Robert Sweet sein Instrument quer, das heisst er sass von vorne her gesehen nach rechts gerichtet hinter seinen Kesseln. Von hinten blies ihm zudem ein grosser Ventilator stetig ins Genick und wirbelte seine blonde, lange Mähne durch die Luft. Und so spielten sich Stryper durch fast alle ihre Alben hindurch und wurden immer besser. Zwischendurch gab es die unweigerlichen Ansagen, die sich aber soweit in Grenzen hielten. Gelungen war auch Judas Priest's «Breaking The Law» und das auf dem neuen Album stehende «Peace Of Mind» (hat nix mit Iron Maiden zu tun!) ist im Original bekanntlich von Journey. Ein weiteres, kurzes Intermezzo wurde dazu benutzt, weitere Bibeln unter das Volk zu bringen..., na ja. Nebst der obergeilen Bretterei wurden, wie beim unverwüstlichen «Honestly», auch weichere Tunes angeschlagen, die ebenso überzeugend rüber kamen. In der Schnittmenge von härterem Hardrock mit (leicht) metallischer Attitüde zelebrierten die vier Amerikaner ihr Jubiläum auf beeindruckende Art und Weise. Die schiere Power und Tightness riss bis am Schluss nicht ab und man konnte wirklich zufrieden mit dem Gezeigten sein. Der allfällige Ärger über eine fehlende Support-Band verflog ziemlich schnell, was die überaus gute Stimmung im Bieler Kongresshaus deutlich unterstrich. Nebst dem guten Sound geizte man auf dem zur Verfügung stehenden Raum ausserdem nicht mit stimmigem und fettem Licht. Dazu kam noch 'ne Menge Trockeneis für den Showeffekt. Zum Glück schlug das Michael nicht auf die Stimme und so liess dieser bis zur ersten Zugabe hin kein bisschen nach. Der Scream am Ende von «The Way» kam total sauber und kraftvoll. Im Zugabenteil mobilisierte der legendäre «Sing-Along Song» nochmals das Publikum und seine Mitsingqualitäten. Den würdigen, musikalischen Schlusspunkt setzte schliesslich «To Hell With The Devil». Mit einem gesprochenen Schlussgebet entliessen Stryper ihr begeistertes Publikum wieder in die kalte Nacht hinaus. Mein Fazit fiel sehr positiv aus, denn so gut hätte ich die gelbschwarz gestreifte Kult-Combo aus den Staaten wirklich nicht erwartet. Wer nicht dabei war, hat definitiv was verpasst!

Setliste: «Soldiers Under Command» - «Murder By Pride» - «Loud'n'Clear» - «The Rock That Makes Me Roll» - «Reach Out» - «Calling On You» - «Free» - «More Than A Man» - «Peace Of Mind» - «4 Leaf Clover» - «Honestly» - «Open Your Eyes» - «All For One» - «My Love (I'll Always Show)» - «The Way» -- «Sing-Along Song» - «Abyss/To Hell With The Devil».