Man kann von deutschen Kapellen, die verzerrte Gitarren mit
Klängen mittelalterlicher Spielmannskunst verbinden, halten, was man
will, aber eines ist sicher: Wo solche Truppen von Musikanten eine
Bühne entern, da tanzt der Bär. Egal ob In Extremo, Schandmaul,
Saltatio Mortis oder Subway To Sally, Mittelalter-Rock steht live
für Party und Spektakel pur. Letztgenannte, das Potsdamer Septett
Subway To Sally, veröffentlichte vor kurzem ihr neues, wiederum
hervorragendes Album „Bastard“, nicht umsonst CD-Tipp des Monats bei
Metal Factory. Im Zuge dieses Outputs ging’s natürlich sogleich auf
Konzertreise, deren dritte Station das Zürcher X-Tra war. Liess man
die Fans während den beiden letzten, einfühlsamen Akustik-Auftritten
im Rahmen der erfolgreichen „Nackt“-Touren träumen, so beherrschten
nun wieder fette Gitarrenriffs, ekstatische Violinen-Salven und
reichlich Feuer das Bühnenambiente, was sowohl die Band wie das
Publikum über gut zwei Stunden zu schweisstreibenden Bewegungen
anregte.
Coppelius
Nicht fehlen durften dabei natürlich die barocken Klarinetten-Punker
von Coppelius, die sich, wie schon auf der 2005 absolvierten „Nord
Nord Ost“-Tour, als begnadete wie durchgeknallte Entertainer und
perfekten Anheizer präsentierten. Und mit diesem vergangenen
Auftritt und dem ersten Langeisen „Time – Zeit“ (nach drei EPs) im
Rücken war es für die Kammermusikanten ein Leichtes, wiederum voll
abzusahnen. Weiss gepudert und mit grauen Feströcken herausgeputzt
wurde über eine halbe Stunde lang eine Show zelebriert, die als ‚theatre
bizarre’ wohl am besten zu benennen wäre. Mit ihrem auch für
Mittelalter-Rock-Fans eher exotischem Instrumentarium, bestehend aus
zwei Lead-Klarinetten, einem Cello, einem Kontrabass und Schlagwerk
sowie stetigem Wechsel am Sängerposten, was für reichlich Dynamik
auf der Bühne sorgte, brachten sie das zwar zahlreich besuchte, aber
nicht ganz ausverkaufte X-Tra in wenigen Sekunden von 0 auf 100. Ob
das instrumental vorgebrachte „Phantom Of The Opera“ von Iron Maiden
oder selbst verfasste Stücke wie „Urinstinkt“, „Rather Be Dead“ oder
„Two Blind Eyes“, jeder Song wurde euphorisch abgefeiert, was wohl
nicht zuletzt an der ausgiebigen Interaktion der Band mit den
Zuschauern lag: Mitsingen, mitklatschen, bangen etc., alles wurde
von den Coppelianern verlangt und auch geliefert. Dabei immer wieder
für einen Lacher gut war Spezial-Bandmitglied und Butler Bastille,
der mit wehendem Frack über die Bühne wirbelte, hier etwas zu
trinken brachte, dann wieder mit Becken bewaffnet Krach machte und
natürlich mit geschwollener Rede durch die Klarinetten-Revue führte
und in der Mitte Marktstand-Frau Kunigunde ein Ständchen zu ihrem
Geburtstag zukommen liess. Sieg also auf der ganzen Linie für eine
der wohl innovativsten und einzigartigsten Bands des Rock-Globus,
die gerne mehr in der Schweiz einkehren dürfte, was sich am Ende des
Abends auch optisch niederschlug: Nach dem Konzert konnte man
nämlich fast ebenso viele Coppelius-Shirts erspähen wie
STS-Textilien.
Subway To Sally
Über zwei Jahre waren seit dem letzten, amtlich rockenden Besuch der
Potsdamer vergangen, und dementsprechend ungeduldig verhielten sich
die Fans: Kurz nach dem umjubelten Abtreten von Coppelius
erschallten nämlich schon lautstarke „Blut, Blut, Räuber saufen
Blut!“-Chöre in Richtung der noch im Umbau begriffenen Bühne. Als
diese dann verdunkelt und in dichten Nebel gehüllt wurde, da
war
die Masse nicht mehr zu halten, und unter tosendem Geschrei
intonierte das Septett das Quasi-Intro „Canticum Satanae“, gefolgt
vom textlich die Live-Situation beschreibenden „Hohelied“, beide von
der neuesten Veröffentlichung „Bastard“. Ekstatisch bewegten sich
sofort Publikum wie Band, diese zu Beginn alle einheitlich in lange,
schwarze Ledermäntel gekleidet, mit „Hallo Freunde!“ begrüsst Eric
die Fans. Wie stolz man im Hause Subway To Sally auf das neue
Material ist, das zeigte die weitere Setlist: Nacheinander wurden
brandneue Nummern wie „Puppenspieler“, „Unentdecktes Land“ und „Die
Trommel“ kredenzt, letzteres mit dazugehörigem Percussions-Intro.
Obwohl diese Songs erst seit wenigen Tagen auf dem Markt erhältlich
sind, verblüfften die Anwesenden mit einer überraschenden
Text-Sicherheit, und auch die Stimmung schien gar nicht mehr
übertreffbar zu sein. Dies stellte sich jedoch gleich als
Fehleinschätzung heraus, denn beim Gothic-Hit „Eisblumen“ von der
letzten Scheibe „Nord Nord Ost“, zu welchem ein noch junges,
weibliches Wesen von Barde Eric Fish dramatisch besungen und mit
Rosen beschenkt wurde, kochte die Stimmung über. Herr Fish übrigens
zeigte sich an diesem Abend beeindruckend stimmsicher, meisterte
jede noch so diffizile Gesangslinie und stellte überhaupt wieder
einmal klar, dass er, obwohl im Songwriting eher Nebendarsteller,
live der Aktionspunkt der Band ist. Die Bühne indes war im Vergleich
zur „Nackt“-Tour, zu welcher etliche Efeu-Ranken um die Musiker
drapiert worden waren, deutlich schlichter ausgefallen und war
lediglich mit dem eindringlichen Cover der neuen Scheibe dekoriert,
welches zeitweise von stimmungsvollen Beamer-Projektionen abgelöst
wurde. Dafür wurde, wie bei Subway To Sally zu erwarten, mit Feuer
und Knallern nicht gespart, so dass harte Nummern wie „Falscher
Heiland“, „Sabbat“ oder „Feuerland“ zu wahren Flammenspektakeln
wurden, grosses Feuerspucken inklusive. Das von mir schon in der
CD-Kritik zu „Bastard“ als Stimmungsgarant favorisierte „Tanz auf
dem Vulkan“ enttäuschte darauf nicht, das X-Tra tanzte zu Drehleier-
und Geigenklängen (deren Urheberin, Frau Schmitt, liess mit ihren
schweifenden Bewegungen und viel nacktem Bein wie so oft die
Männerherzen höher schlagen). Als Ruhepole und besinnliche Momente
kontrastierten dagegen die elegischen Nummern „Wehe Stunde“ oder
„Auf Kiel“, die natürlich weniger Party-Stimmung
hervorriefen, in Sachen Eindringlichkeit Rockern wie „Henkersbraut“
(zu welchem beflissen der ohrenbetäubende "Subway“-Schrei geübt
wurde) oder dem frenetisch abgefeierten „Kleid aus Rosen“ in nichts
nachstanden. Nach dem folkig dargebrachten „Ohne Liebe“ und
„Sieben“, dem Hit von „Nord Nord Ost“, zu welchem das Publikum mit
reichlich Konfetti berieselt wurde, verabschiedeten sich die sieben
Musikanten dann zum ersten Mal, was von den Fans sofort auf die
obligatorische Weise quittiert wurde: Bis fast ans hintere Ende des
X-Tras wurde „Blut. Blut, Räuber saufen Blut!“ gegrölt, und schon
standen die sechs deutschen Herren und die eine Frau wieder auf den
Brettern und spielten mit „Das Rätsel II“ zur zweiten Runde auf,
gefolgt vom fliegenden „Veitstanz“. Danach kam dann das, was die
Fans schon lange vorher intonierten, nämlich „Julia und die Räuber“,
wie der richtige Name des an ein Kinderlied erinnerndes Stück
lautet. Wie im Rausch intonierten die ca. 700 Anwesenden immer und
immer wieder dieselben wenigen Verse und liessen so die Stimmung
ihren ultimativen Höhepunkt erreichen. Doch Subway To Sally dachten
gar nicht daran, ihre Fans jetzt schon in die kalte Nacht zu
entlassen und liessen es nach einer kurzen Pause, in welcher die
Chöre immer noch nicht verstummen wollten, noch einmal richtig
krachen und zwar in Form von „Fatum“, der sowohl brachialen wie auch
epischen Hymne von „Bastard“. Diese konnte das Partylevel davor zwar
nicht mehr ganz weiter tragen, bildete aber zusammen mit dem finalen
„Seemannslied“ einen würdigen Abschluss, welcher von Bodenski, dem
‚Meister der Worte’, wie Eric Fish ihn ankündigte, schlicht mit „Wir
spielen das letzte Lied, und das heisst 2Seemannslied“ - tschüss
zusammen!“ angekündigt wurde. Mit einem Meer aus Händen und fast
Gänsehaut erregender Stimmung endete so eine schweisstreibende Show,
die, wie kritische Stimmen laut wurden, in einer kleineren Location
vielleicht mehr Intensität versprüht hätte. Sei's drum, die klare
Mehrheit des Publikums war und ist wohl noch rundum zufrieden.
Setlist: „Canticum Satanae“ - „Hohelied“ - „Puppenspieler“ -
„Unentdecktes Land“ - „Die Trommel“ - „Eisblumen“ - „Falscher
Heiland“ - „Sabbat“ - „Der Sturm“ - „Feuerland“ - „Wehe Stunde“ -
„Meine Seele Brennt“ - „Auf Kiel“ - „Tanz auf dem Vulkan“ -
„Henkersbraut“ - „Kleid aus Rosen“ - „Sag dem Teufel“ - „Ohne Liebe“
- „Sieben“
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„Das Rätsel II“ - „Veitstanz“ - „Julia und die Räuber“
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„Fatum“ - „Seemannslied“
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