Vergiss die elend langen und mindestens so trockenen
Physik-Lektionen in der Grundschule, Sunn O))) sind Verkörperung und
Verfechter einer ganzen Wissenschafts-Branche zugleich – Die Band
strapaziert den Begriff 'Konzert' mit ihrem Konzept zwar gewaltig,
das Resultat ist aber unvergleichlich: Das Kernduo (Die beiden
Klampfer Stephen O'Malley und Greg Anderson) konzentriert sich
einzig und allein auf tieffrequente Gitarrenfeedbacks (Die Waffen
der Wahl sind dann auch jeweils vier komplette Gitarrenstacks hinter
ihnen), die sich streckenweise dermassen heftig in physikalische
Grundsätze umwandeln, dass der Luftdruck dem Besucher das Atmen
schwer macht (!). Das traurige daran ist dann auch nicht die schwer
lastende Leere, die einen nach einer solchen Erfahrung heimsucht,
sondern vor allem das Wissen, dass weder Worte, noch irgendein
Medium dieser Welt die Live-Performance auch nur Ansatzweise korrekt
repräsentieren kann…
Doch zurück zum Anfang der Show: Das Fri-Son ist bis zum
Eingangsbereich des Clubs mit Rauch vollgepumpt, die Lichter gedimmt,
Gestalten werden fast nur dank ihrer schwarzen Kleidung schemenhaft
wahrgenommen. Sunn O))) plus ein weiterer Tastenmann schreiten in
langen Roben auf die ehrwürdige Bühne, die Gesichter beinahe
komplett im Schatten der Kapuzen verdeckt. Langsam und wabernd bauen
sich kurz darauf die ersten Klänge auf, die Synthie-Sounds und die
tiefen Gitarren verschmelzen zu einem einzigen undurchdringlichen
Geflecht. Und auch wenn die Band sich zuerst noch zurückhält – Die
Besucher grinsen in Erwartung zukünftiger Lautstärkenhöhenflüge
hämisch. Die erste Auseinandersetzung mit der vollen Wucht des Trios
wird dann auch dementsprechend wohlwollend entgegengenommen:
Spontane Zurufe und gereckte Fäuste sind die Quittung für den
akustisch plättenden Sound der Band.
Und entgegen meiner ursprünglichen Befürchtungen aufgrund des doch
sehr simpel gestrickten Konzepts von Sunn O))) bleibe ich erst mal
30 Minuten lang gefesselt vor der Bühne stehen - So angenehm hat mir
bisher noch keiner die Lungen durchmassiert. Beim Getränkefassen an
der Bar realisiere ich dann auch erst den kompletten Umfang des Subbass-mässigen (Und übrigens quadrophon ausgelegten) Grössenwahns
der Formation: Man kann ganz einfach nicht fliehen, die Vibrationen
pflanzen sich durch das Gebäudefundament fort, und sogar an der Bar
vibriert das Bier in bester Jurassic Park-Manier – Wie sich später
herausstellte, gingen an diesem Abend rund 10 Beschwerden bei der
lokalen Polizei ein… Was bei einem dermassen etablierten Club
durchaus als Novum gelten kann. Die Band hat sich derweilen
etwas
gezügelt und ihr Wirkungsfeld um die eine oder andere Oktave
hochgeschraubt: Jetzt werden im Vergleich zu vorhin schon fast
filigrane Feedback- und Synthie-Flächen aus den Instrumenten geholt,
die schon beinahe Postrock-artige Züge annehmen. All dies hat
allerdings einen trieftigen Grund: Minuten später schreitet ein
weiterer Kuttenmann auf die Bühne - Kein Geringerer als
Mayhem-Fronter und Kultvokalist Atilla Csihar ist bei dieser Tour
mit Sunn O))) unterwegs, und unterstützt sie mit seinen
verblüffenden Sangeskünsten.
Die temporär runtergeschraubte Intensität der Musik war dann auch
nur Einleitung in den eigentlichen Hauptteil des Sets, die
Performance mit Atilla. Der Gute bleibt allerdings einfach zuerst
mal zentral stehen, lässt sich von der Musik tragen, und
schlussendlich sein Mikro von den Mitmusikern segnen, bevor er zur
Tat schreitet - Dafür zieht er dann in den darauf folgenden vierzig
Minuten sämtliche Register seiner Stimmband-Gymnastik, und
bereichert die langsam wieder aufbrausende Musik unter anderem um
rezitierendes Geflüster, tibetanischen Kehlkopfgesang, und
natürlich Gekeife wie zu besten Mayhem-Zeiten (Wenn auch etwas
spärlicher als erwartet). Nach über 70 Minuten entfesseln Sunn O)))
ein letzes Mal ihre nun um das Talent eines Sangesgottes
angereicherte tieffrequente Urgewalt, um darauf etwas unkoordiniert
gestikulierend den definitiven Schlussstrich unter den Gig zu ziehen.
Das völlig gefesselte Publikum erwacht erst mit den letzten
Atemzügen der Show aus der stillen Anbetung, und applaudiert der
Band überraschend kurz aber intensiv – Bei so extremer Mucke ist
wohl die Präsenz desselben schon Aussage genug.
Fazit: Sunn O))) sind unfassbar, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich
kann mir nur schwerlich vorstellen, wie man solch extreme Musik über
die Länge einer Tour jeden Abend auf's Neue heraufbeschwören kann (Da
müssen mindestens ein paar Jungfrauen auf dem Altar gelandet sein),
aber der Aufwand ist jede neue Druckwelle wert. Göttergleich!
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