Im Oktober dieses Jahres stand den melancholische und langsame,
schwerfällige Musik liebenden Schweizern eine grosse Auswahl an
Veranstaltungen zur Verfügung. Ich aber wählte das Konzert unter dem
Namen Metalmayhem, an dem die folgenden Vertreter beteiligt
waren: die finnische Band Swallow The Sun, die Melоdic/Death/Doom
spielt, die Briten von Antimatter, die als anerkannte Meister auf
dem Gebiet Atmospheric Rock gelten, und die italienischen
Goth-Doomer The Foreshadowing. Die stärkste Konkurrenz zu dieser
Veranstaltung bildete natürlich das Konzert von Ahab, begleitet von
Omega Massif und Valborg im Klub Dynаmo, Werk 21. Aber die Band
Swallow The Sun feiert in diesem Jahr das zehnjährige Jubiläum ihres
äusserst gelungenen Debüt-Albums „The Morning Never Came“. Die
Möglichkeit, das Ganze live zu hören, wollte ich nicht verpassen.
Das britische Band Antimatter, die nach der Erscheinung
ihres Albums „Leaving Eden“ 2007 zu einer echten Kultband für die
Fans solcher Musik geworden ist, brachte im Jahre 2012 das neue Album „Fear
Of A Unique Identity“ heraus. Es war klar, dass die Musiker ihre
neuen Kompositionen während diesem Konzert spielen würden – und das
musste ich unbedingt sehen!
Ich mag den Club "Kiff" in Aarau wegen seiner akustischen
Charakteristik. Während ich auf den Auftritt der ersten Band
wartete, die mit einer kleinen Verspätung auf die Bühne kam,
betrachtete ich die Clubeinrichtung. Ich verstand auf einmal, warum
dieser kleine Saal solch eine gute Akustik hat: die hölzernen Balken
innerhalb des Raums absorbieren den Klang auf eine optimale Weise,
indem sie als ideale Resonatoren auftreten. Ausserdem sind zwei
Balken neben der Bühne mit Moos-gummi bedeckt, was zu einer noch
besseren Klangabsorption beiträgt. Um 20.15 kamen
The Foreshadowing als Erste auf die Bühne. Da sie schon drei
vollständige Alben veröffentlicht haben, sind diese Musiker nicht mehr als Anfänger
zu bezeichnen. Trotzdem glaube ich, dass sie bislang noch nicht
genug Konzerterfahrung gehabt hatten: Man konnte das fühlen, weil
die Gitarrenparts etwas abgesondert vom restlichen Musikstoff
klangen, und die Stimme des Sängers war zuerst kaum hörbar. Er
schien sehr aufgeregt zu sein. Manchmal verschwand seine „klare“
Stimme sogar. Aber beim dritten oder vierten Lied nahm sich der
Sänger schliesslich zusammen, und die zweite Hälfte des Auftrittes
war viel ausdrucksvoller. Am besten gefiel mir aber der
Keyboarder, der im Hintergrund bescheiden platziert war. Seine
Beiträge klangen sehr natürlich, aber zugleich mächtig und schön.
Eben er war es, der die düstere und depressive Atmosphäre schuf, die
ein integrierter Bestandteil dieses Genres ist. Der Auftritt dieser
Band dauerte ungefähr 40 Minuten.
Antimatter bereiteten sich auf ihren Auftritt recht lange
vor. Der Vorhang ging erst gegen halb zehn hoch. In diesem Jahr
spielt die Band mit erneuertem Bestand. Jetzt gehören die folgenden
Musiker ausser dem Band-Frontman, Sänger und Multiinstrumentalisten
Mick Moss dazu: Gitarrist und Backgroundsänger Dave Hall, Bassist Ste
Hughes und der junge
Schlagzeuger Liam Edwards. Es sei gesagt,
dass die Musik dieser Gruppe echt mächtig und einheitlich
klingt. Mick scheint endlich echte Gleichgesinnte gefunden zu haben!
Dave und Mick sangen oft im Duett, und das war wunderbar. Die
Gitarren-Soli schallten durchdringend, weil Dave den sogenannten
elektronischen Bogen oft benutzte. Der Bassist verstärkte seine
Parts durch vielfältige Effekte, die die Musik noch umfangreicher
und farbiger machten. Ja, und diesmal brachte Mick Moss nur die
„elektrischen“ Kompositionen in die Schweiz mit, während die
grossartigen akustischen Lieder nicht gesungen wurden. Die Setliste
war eigentlich ganz kurz und bestand nur aus sechs Liedern. Dafür
gab es aber triftige Gründe. Am Ende des Auftrittes entschuldigte
sich Mick bei den Zuhörern und sagte, dass er nicht lange habe
singen können, weil er vor zwei Wochen operiert worden und noch
schwach war. Vielleicht deswegen klang seine Stimme besonders
klagend und durchdringend. Wir waren Mick dafür dankbar, dass er
für uns gesungen hatte, obwohl er nicht ganz gesund war. Trotz
allem wurden die interessantesten Lieder aus dem neuen Album
gesungen, das berühmte „Leaving Eden“ inbegriffen. Es sei betont,
dass sogar diese sechs Lieder das Publikum vollumfänglich verstehen liessen,
dass die Musiker diese depressive Atmosphäre meisterhaft erschaffen
können. Toll, dass das Kiff in Aarau uns alle Nuancen dieser
Atmosphäre fühlen liess. Das war wirklich ein einzigartiger
Auftritt!
Setliste: „Paranova“, „Firewalking“, „Last Laugh“, „Land Locked“, „Over
Your Shoulder“, „Leaving Eden“, „Immaculate“.
Die finnische Band Swallow The Sun kam auf die Bühne, da war es fast
halb elf Uhr. Erst nachdem die Gitarrist, der Bassist und der
Schlagzeuger zu spielen begonnen hatten, erschien auf der Bühne als
Letzter der Sänger Mikko Kotamäki bekleidet mit seiner berühmten
Strick-schirmmütze. Die Musik von Swallow The Sun ist durch ihre
ultramelodischen Elektrogitarren- und die aggressiven
Keyboard-Parts bekannt. Die Zuhörer wurden so mächtig und mit solch
einer aufrichtigen Verzweiflung überschüttet, dass sie zuerst vor Staunen
erstarrten und dem ersten Lied mit offenem Mund zuhörten. Die
Spannung verringerte sich ein bisschen, als das erste Lied fertig
gespielt wurde, und dann hielt der Sänger eine kurze Rede zum
Jubiläum des Debüt-Albums. Danach begannen die Zuhörer aktiv
mitzusingen, jedes Lied mit viel Enthusiasmus unterstützend.
Selbstverständlich hatte der Sänger Mikko das höchste Lob verdient:
Bei einem Live-Auftritt klingt seine Stimme noch besser als auf
einem Tonträger aufgenommen – mächtig und zugleich vielfältig und
emotional. Einen genauso starken
Eindruck machte Mikko auf das
Publikum, sogar wenn er einfach die nächste Komposition erklärte.
Eine Stimme aus Horrorfilmen, von der einem das Blut in den Adern
erstarrt — so könnte man das beschreiben. Die anderen Musiker
bewegten ihre Arme so aktiv, indem sie ihre Instrumente spielten,
dass es schien, als ob alle möglichen bösen Geister der Hölle ihren
wilden Tanz auf der Bühne tanzten. Nachdem das ganze Debüt-Album
gespielt worden war, erklang das Lied „Labyrinth Of London (Horror
Pt. IV)“ aus dem letzten Album der Band. Die live gesungenen
späteren Kompositionen (die in der Presse oft als «kommerziell»
bezeichnet werden) gefielen mir nicht weniger als die früheren. Und
Mikkos „klarer“ Gesang ist ebenso ausdrucksvoll und schön wie seine
Growls. Er ist ja ein wunderbarer Sänger! Der Auftritt der
würdevollen Finnen von Swallow The Sun verdiente die höchste
Wertschätzung. Danke, dass ihr diesen Herbst zu uns in die Schweiz
gekommen seid!
Setliste: „Through Her Silvery Body“, “Deadly Nightshade“, „Out Of
This Gloomy Light“, „Swallow (Horror Pt. 1)“, “Silence Of The Womb“,
„Hold This Woe“, „Under The Waves“, “The Morning Never Came“,
„Labyrinth Of London (Horror Pt. IV)“, „Falling World“, “Don't Fall
Asleep (Horror Pt. 2)“, „Night Will Forgive Us „ “The Giant“.
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