Livereview: Sweden Rock Festival 2011
08. - 11. Juni 2011, Norje, Sölvesborg (Schweden)
By Kissi & Roxx
Als metallischer Festivalbesucher hat man die Qual der Wahl. Was soll es sein? Ein kleines aber feines Festival, wo die Bands zwar nicht so berühmt, dafür die Stimmung gemütlich und familiär ist? Oder doch lieber eines der unzähligen Genre-Festivals, wo man das ganze Woche die selbe Mucke unter anderem Namen um die Ohren geballert bekommt? Oder eines dieser ganz grossen Open-Airs, diese Massenveranstaltungen, wo man sich zwei Stunden zuvor vor die Bühne stellen muss, um beim Headliner, zumindest eine Ahnung davon zu erhalten was vorne so abgeht und wo man sowieso nur knapp die Hälfte der Bands sehen will? Vorteile und Nachteile gilt es abzuwägen. Wie wäre es mit einem Festival, welches alle Vorteile, dabei aber keinen der Nachteile zu bieten hat? Doch, doch, so eine Veranstaltung gibt es und sie hört auf den Namen Sweden Rock Festival.

Das SRF in Sölvesborg im Süden von Schweden ist es, welches es vermag, die Gemütlichkeit eines kleinen Open-Airs mit perfekter Infrastruktur zu verbinden und dabei gleich noch die ganz grossen Namen auf dem Billing stehen hat. Und dies mit einer Stilvielfalt, die ihresgleichen sucht. Ob nun Doom, Thrash, Black oder Heavy Metal, ob Stoner, Southern oder Prog Rock, ob Industrial oder AOR, das Sweden Rock brachte auch 2011 alle Genres zusammen und herauskam eine unbekümmerte Rock-Party, wie man sie ansonsten lange sucht. Grund dafür waren aber nicht nur die guten Namen, sondern auch die perfekte Infrastruktur. Etwa in Sachen Verpflegung: Genügend Getränkestände, damit man nicht anstehen muss, eine Food-Auswahl von der Aisa-Pfanne über Elch-Kebap, Riesen-Hamburger, Vegan Foot Corner und Filet im Brot und das alles zu angemessenen Preisen – was eigentlich Ehrensache sein sollte für jeden Veranstalter ist oftmals leider nur Wunschdenken. Am Sweden Rock ist es Realität. Und wenn dann auch noch das Wetter mitspielt, wie dieses Jahr, dann steht einem perfekten Wochenende voller guter Musik nichts mehr im Wege. Wie sich dabei die unzähligen Bands auf den vier grossen Bühnen schlugen, das lest ihr im folgenden Festivalreport. Für den unbändigen Wunsch, welcher sich beim Lesen einstellen wird, auch einmal mit dabei zu sein, am Sweden Rock, übernehmen wir keine Haftung.

Mittwoch 08.06.2010


Zeppelin Stage
Und dann geht es endlich los, das Sweden Rock 2011. Um 15.00 Uhr öffnen die Türen und es dauert nicht lange, bis sich eine gut gelaunte Menschenmenge unter strahlendem Himmel tummelt. An dieser Menschenmenge geht der Opener Seventribe entweder spurlos vorbei oder sorgt für verdutzte Gesichter. Acht pink gekleidete Herren und eine spindeldürrer Kerl mit Pferdemaske auf, die wie von Hummeln gestochen über die Bühne hüpfen und dazu simplen Sound, irgendwo zwischen Slipknot, Metalcore und Death fabrizieren – eine schwedische Variante von JBO? Auch die Einheimischen schütteln auf jeden Fall eher den Kopf als zu lachen. Da passt Mason Ruffner schon besser zum relaxten Sommerfeeling. Bluesrock, mal elegisch, mal etwas härter, aber nie aufgeregt. Hängen bleibt dabei zwar nichts und auch die eher dünne Stimme von Ruffner kann nicht wirklich überzeugen. Als Soundtrack zum Abendessen (Pitapanna – Kartoffelpfanne, immer wieder lecker!) reichte es aber allemal. Auffälliger und schriller zu Werke gingen danach die hierzulande noch überhaupt nicht bekannten Black Veil Brides. Angezogen, als hätte man eine Glamrockband mit Pech übergossen, zockten der aus Cincinnati stammende Fünfer ebensolche Musik, soll heissen klassischen Hair Metal mit reichlich modernen Industrial-Elementen. Assoziationen mit den deutlich ausgefeilteren Deathstars konnten dabei ebenso wenig vermieden werden wie der direkte Vergleich mit den zuvor auf der Sweden Stage triumphiert habenden Cräshdïet. Noch viel mehr Schwärze und Bösartigkeit verbreiten, das gelang Necronaut, dem Old-School-Allstar-Projekt von Dismember-Trommler Fred Estby. Zusammen mit Tomas „Tompa“ Lindberg (At The Gates), Erik Danielsson (Watain), JB Christoffersson (Grand Magus) oder Hellbutcher (Nifelheim) und vielen anderen zockte man voller guter Laune bitterbösen Death bzw. Black Metal und erinnerte dabei an die goldene Phase des skandinavischen Extreme Metals in den 90ern.

Sweden Stage
Nach dem schrägen Einstieg von Seventribe ging es Punkt 16.15 Uhr auch auf der zweiten Bühne, der Sweden Stage, los und zwar mit Rhino Bucket. Guten alten Pub Rock bot der Vierer und stellte sich dabei in eine Reihe mit immer funktionierenden Party-Truppen wie AC/DC und Airbourne. Trotzdem überzeugten die Amis und unterhielten das Publikum mit coolen Sprüchen und einer tighten Show, die mehr zu bieten hatte als nur der Bandhit „Who's got mine“. Beliessen es Rhino Bucket beim Wesentlichen, fuhren die Lokalmatadore Crashdïet eine ganz andere Show auf. Die stilechte Sleaze-Bühnendeko im Hinterhofstil, jede Menge Pyros wie aufschiessende Flammen und eine schweisstreibende Performance brachten die Massen zum Toben und Hits wie „Rebel“, „Riot in Everyone“ oder „Generation Wild“, allesamt versetzt mit einer ordentlichen Prise Skid Row und Twisted Sister, wurden von hüpfenden Fans abgefeiert, als handelte es sich bei Crashdïet um die eigentlichen Headliner des Tages. Nicht ganz so euphorisch bejubelt wurden hingegen Five Horse Johnson. Zwar spielten sie im Vergleich zum Vortag, wo dem Hörensagen nach nur ca. 11 Fans den Weg in einen Club in Kopenhagen fanden, vor einer deutlich grösseren Menschenmenge, doch schien der erdige Blues Rock sowohl mit Southern als auch Stoner Rock-Elementen nicht jedermanns Sache zu sein. Wer sich aber auf den urwüchsigen Sound einliess und auch die Soundprobleme zu Beginn durchstand, der kam eine kraftvolle Show geboten und handelt Five Horse Johnson als einen aufsteigenden Stern am Rockhimmel. Schon lange dort angekommen, vor allem in ihrem Heimatland, sind inzwischen Hardcore Superstar. Mit ihrer Mischung aus Sleaze, Glam und Punk trotzten sie den einsetzenden, monsunartigen Regenfällen und peitschten das Publikum zu Höchstleistungen an. „Need no Company“, „Beg for it“, „Kick up the Upperclass“ oder natürlich „We Don't Celebrate Sundays“ – wer solch rebellische Party-Songs sein eigen nennen darf und dazu noch voller Energie über die Bühne rennt, bangt und hüpft, der kann eigentlich gar nichts falsch machen.


Donnerstag 09.06.2010
Zeppelin Stage
Am Donnerstag lag die Zeppelin Stage ganz in der Hand des melodiösen Rock und erst ganz spät, mit dem Einfall der fleischgewordenen Abgedrehtheit, den ausserirdischen Thrashern Gwar, würden sich auch härter gepolte Festivalbesucher vor der vielleicht gemütlichsten Bühne des Festivals einfinden. Los ging es mit den kultigen OZ die mit ihrem klassischen Melodic Metal Einstand läuteten. In den 80ern zum Beispiel mit der Single „Turn the Cross upside down“ kurz ins Rampenlicht getreten, versank das Quartett Anfang der 90er wieder in die Bedeutungslosigkeit. Ob der spielfreudige Auftritt die Kehrtwende bedeuten könnte? Noch eine Spur relaxter und bluesiger ging es bei der Dan Reed Band zu und her, wobei der Nieselregen keine wirklich gemütliches Feeling aufkommen liess, sodass nur eine kleine Anzahl den Künsten der schwedischen Blueser Beachtung schenkte. Die legendären FM hatten es danach nur schon wegen des sich aufheiternden Wetters leichter und stiessen mit ihrem AOR auf zahlreiche offene Ohren. Noch weiter zurück in die Musikgeschichte entführten danach die Urgesteine Groundhogs die Zuhörer. 70's Bluesrock zockten die mehr als angegraute Truppe und verbreitete damit beinahe Woodstock-Feeling bevor dann die Invasion der Ausserirdischen anstand: Gwar! Die üblen Amis schockten oder amüsierten die zahlreichen Zuschauer mit skurrilen Kostümen, dem Herumspritzen von künstlichem Blut und anderen Körpersäften in Hektoliter-Umfang und unterirdisch schlechter Musik, was mit der Truppe immer wieder gerne verzeiht, kennt man Gwar doch nicht wegen ihrer Songs sondern ihrer Show. The Damned beschlossen danach den Tag auf der Zeppelin Stage. Dass die britischen Veteranen des Punkrocks dabei gegen die gleichzeitig spielenden Judas Priest ein schweres Los haben würden, das wusste man schon im Voraus. Für Fans der Kulttruppe ging mit dem Auftritt des immer noch rotzigen Fünfers sicherlich ein Traum in Erfüllung.

 
Sweden Stage
Mit The Haunted startete der Donnerstag dann auch für die härtere Fraktion der Festivalbesucher. Tight und mit reichlich Energie bewiesen die Melo Deather um den agilen und dabei wie ein Schwein schwitzende Peter Dolving, dass schneidende Riffs und Doublebass-Attacken auch am frühen Nachmittag die Massen begeistern können. Mit der altehrwürdigen aber immer noch frischen Grand Dame des Rock'n'Roll, Joan Jett, konnten die Jungs von Clutch mit ihrer verschrobenen Mischung aus Blues, Stoner und Hardcore nicht mithalten. Die, die aber da waren, kamen in den Genuss einer groovenden und rhyhtmisch vertrackten Show voller ausgefallener wie trockener Gitarrenarbeit des viel zu selten in Europa auftretenden Quartetts.Trockene Hitze, die kennt man auch in Portugal, doch davon spürte man beim Auftritt der Portugiesen Moonspell wenig. Klirrende Kälte jedoch, wie man es sich vom eingeschwärzten Gothic Metal des Vierers erwartet hätte, auch nicht. Zu routiniert, zu runtergespult wirkte dafür ihr wenigstens perfekt gespieltes Konzert. Da entfesselten Morbid Angel schon ganz andere Naturgewalten. Auch wenn sie gegen den Publikumsmagneten Saxon anspielen mussten, bewiesen die Death-Urgesteine aus Florida, dass sie ihrem Legendenstatus aller Unkenrufe zum Trotz immer noch gerecht werden. Die auf dem Grat zwischen Genialität und Wahnsinn balancierenden Gitarrenblitze von Trey Azagthoth, die unerbittlichen Doublebass-Gemetzel Pete Sandovals und das gutturale Gröhlen von Dave Vincent, welcher sich heute übrigens auch ganz artig gegenüber dem Publikum benahm, dies alles liess die Nackenwirbel der Fans im unmenschlichen Gleichtakt kreisen. Dass man sich dabei eher auf Klassiker denn auf neues Material von der aktuellen und heiss diskutierten Scheibe „Illum Divinum Insanum“ setzte, erwies sich als kluger Schachzug.
Festival Stage
Unter grauem Himmel und bei Nieselregen ging es dann um halb zwei auch endlich auf der Festival Stage los. Der Opener: Buckcherry, die ewige Vorband um des Rock'n'Roll offensichtlichste Koksnase Josh Todd. Der spindeldürre und volltätowierte lotste seine Mitstreiter zwar souverän, wenn auch nicht überspritzig durch Glam-Rocker wie „All Night long“ oder „Crazy Bitch“, konnte es gleichzeitig auch nicht lassen, sich ständig an der Nase rumzufummeln und das Publikum bei „XY“ ganz direkt zu fragen, wer sich denn ab und an eine Linie gönne und vielleicht auch gleich etwas dabei hätte. Zwar clean, dabei aber nur bedingt fokussierter zeigten sich Queensrÿche. Wer die Prog Metaller um Goldkehlchen Geoff Tate kennt, der weiss, dass man von der aus Seattle stammenden Band alles erwarten muss, sowohl gnadenloser Absturz wie auch in Staunen versetzender Triumphzug. Leider neigte der Fünfer an diesem Tag eher zu ersterem. Trotz technischer Perfektion und einer zwischen alt und neu austarierten Setlist gelang es den Amis einfach nicht zu fesseln. Erst bei den Alltime-Hits, begonnen mit „Walk in the Shadows“, über „Silent Lucidity“ und „Jet City Woman“ bis zum abschliessenden „Empire“, kam dann so etwas wie Euphorie auf. Da rockten The Cult schon in einer ganz anderen Liga. Angeführt von dem doch langsam ziemlich in die Breite gegangenen Sangesgott Ian Astbury in Plusterhose und mit zahlreichen Schellenkränzen bewaffnet, die er einer nach dem anderen ins Publikum donnerte, überzeugten die Briten vom eröffnenden „Rain“ bis zur einzigen Zugabe, dem Doors-Cover „Break on through (the other Side)“ mit einer sphärischen Show. Dass man dabei auf exzessive Bewegung verzichtete wurde einerseits durch die sich die Klinke in die Hand gebenden Hits („Electric Ocean“, „Sweet Soul Sister“, „The Phoenix“, „Fire Woman“, „She Sells Sanctuary“) sowie durch einen gut gelaunten, tadellos singenden und gleichzeitig selbstironischen Astbury wettgemacht. Oder wie sollte man einer Band widerstehen, die sich selbst als „oberflächlich und geldgeil“ bezeichnet?

Von einem besonderen Wind umweht wurde danach der Auftritt von Judas Priest. Zwar relativierten die Herren Rob Halford schon bei der Pressekonferenz ihre Ankündigung, diese Tournee würde die letzte sein, doch auch der Ausstieg von K.K. Downing und Neuzugang Richie Faulkner sorgten im Vorfeld für genügend Spannung. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Der Jungspund tat den alten Recken nicht nur in Sachen Agilität mehr als gut, sondern liess Herrn Downing auch musikalisch beinahe in Vergessenheit geraten. Dazu kam eine nahe an der Perfektion ausgewählte Setlist. Nur schon der Einstieg: Fulminant begann der Fünfer mit „Rapid Fire“ von „British Steel“, gefolgt von „Metal Gods“, „Heading out the Highway“ und dem unerwartet kraftvollen „Judas is Rising“ vom Comeback-Album „Angel Of Retribution“. Dies lag vor allem an Rob Halford, dessen verblüffend intakte Stimme alle voreiligen Grabredner Lügen strafte. So bangte man zum lange nicht mehr gehörten „Starbreaker“ (von „Sin After Sin“), schrie die Screams des in einer ausgedehnten Version mit Solo von Faulkner vorgetragenen „Victim of Changes“ mit und freute sich über „Never Satisfied“, eine fast vergessene Nummer aus der frühesten Phase der Band. Schwere Metallketten schmückten dabei die Bühne ebenso wie das legendäre Priest-Kreuz, welches Halford zu „Prophecy“ als Zepter herumschleppte und einzig der krumm ausgerichtete Beamer störte die ansonsten perfekte Kulisse, welche neben den üblichen Feuer- und Rauchsäulen auch mit einer waschechten Lasershow aufwarten konnte. Dazu Epen wie „Blood Red Skies“ und „Beyond the Realms of Death“, die beiden Kult-Cover „Diamonds & Rust“ (Joan Baez) und „The Green Manalishi“ (Fleetwood Mac) und natürlich massenweise Hits wie „Turbo Lover“ oder „Breaking The Law“ und das Publikum tobte. Einziger Wermutstropfen: dass Halford immer noch nicht einsehen will, dass er „Painkiller“ nicht mehr singen kann. Dennoch jubelte das Publikum und verdiente sich die furiose Zugabe bestehend aus „Electric Eye“, „Hell Bent for Leather“ (mit Motorrad) und „You've Got another Thing Coming“ somit vollkommen. Um ehrlich zu sein, auch ich hatte Judas Priest nach den eher drögen Shows in den letzten Jahren schon abgeschrieben. Mit diesem fulminanten Auftritt jedoch verteidigten Judas Priest ihren Status als eine der grössten Metalbands auf eindrückliche Weise. Respekt!



 

Rock Stage
Die Rockstage, zweitgrösste Bühne auf dem Festival, wurde vom Ex-Gunner' Duff McKagan und seiner Truppe Loaded eröffnet. Solide Show, nette, wenn auch nicht hitverdächtige Songs – an alte Erfolge wird der aus Seattle stammende Blondschopf, der in seiner neuen Formation Gitarre und Gesang übernimmt, auf keinen Fall anknüpfen können und so erstaunte es nicht, dass erst als Duff den Tieftöner in die Finger nahm und den Roses-Hit „It's so easy“ in die Menge pfefferte wirklich Stimmung aufkam. Joan Jett & The Blackhearts sorgten da schon für mehr Interesse und füllten den Platz vor der Rockstage schon am frühen Nachmittag. Die kleine Lady mit grosser Stimme schleuderte ihre Hits total cool in die Massen und so konnten die Leute auch mal sehen, dass die Vorreiterin des weiblichen Rock'n'Roller mehr zu bieten hat als das ausgenudelte „I love Rock'n'Roll“, wobei dafür dann doch am meisten Applaus gespendet wurde. Nach der quirrligen Johanna Düsentrieb wallte auf einmal das gigantische Backdrop von Accept am hinteren Bühnenrand. Allein schon das dort präsentierte klassische Bandlogo beeindruckte und genauso atemberaubend war die darauf folgende Show, auch wenn Gitarrist Herman Frank wegen eines Unfalls in Brasilien (er fiel von der Bühne) nicht auf den Brettern stand. Das Schwedische Publikum sang dabei die Accept'schen Evergreens („Breaker“, „Restless and Wild“, „Metal Heart“, „Princess of the Dawn“, „Balls to the Walls“) genauso euphorisch mit wie neues Material vom letztjährigen Comeback-Album „Blood of the Nations“ und bis weit nach hinten reckte man die Hände in die Höhe und so konnten die neuen Accept im Direktvergleich mit ihrem Ex-Fronter Udo Dirkschneider, welcher vor einem Jahr am Sweden Rock zockte, eindeutig für sich entscheiden. Live sowieso konkurrenzlos waren und sind die darauffolgenden Saxon. Fit wie junge Rehe zeigten sich Biff und seine Mannen und trotzten dem starken Wind mit Spielfreude und einer kultigen Setlist anlässlich des 30. Geburtstags des Kult-Albums „Denim and Leather“. Dieses wurde nach neuen Nummern vom aktuellen Album „Call to Arms“ wie „Hammer of the Gods“ oder „Back in '79“ in seiner ganzen Länge vorgetragen, sodass auch einige beinahe verschollen geglaubte Perlen wie etwa die seit Jahrzehnten nicht mehr live gespielten „Fire in the Sky“, „Out of Control“ oder „Midnight Rider“ ausgegraben wurden. Ebenso kultig: der stählerne, mit dutzenden Glühbirnen bestückte Adler, der das Publikum nicht nur zu „The Eagle has landed“, sondern immer wieder Mal in Ekstase versetzte. Biff zeigte sich dabei sowohl gesanglich wie entertainerisch in bester Form, sodass die Zugabe-Rufe nach einem wahren Hit-Feuerwerk bestehend aus „Denim and Leather“, „Princess of the Night“, „747 (Strangers in the Night)“, „Crusader“, „Strong Arm of the Law“ und „Wheels of Steel“ nicht mehr abbrechen wollten.


 




Freitag 10.06.2010
Zeppelin Stage
Houston, die kennt bei uns ehrlich gesagt noch kein Schwein. In Schweden schaffte es die Truppe um das Duo Freddie Allen und Hank Erix jedoch in Windeseile in aller Munde. Entsprechend gut besucht war somit die Zeppelin Stage schon vor 12 Uhr Mittag, als die Newcomer ihren auf Radiotauglichkeit getrimmten AOR präsentierten und damit alle Fans von Bands wie Journey oder Boston begeisterten. Ebenfalls neu auf dem internationalen Rockradar sind The Brew aus England. Mehr als der etwas verzettelte, in den späten 60ern bzw. 70ern angesiedelte Bluesrock konnte dabei das Line-up verblüffen. Bei The Brew handelt es sich nämlich nicht, wie meistens, um drei etwa gleich alte Kumpels, sondern um den noch blutjungen Gitarristen und Sänger Jason Barwick, dessen Vater (!!!) Tim Smith den Bass bediente. Dass dies den Biss, der dem Material fehlte, nicht wettmachen konnte, versteht sich von selbst. Da boten die ebenfalls von der Insel kommenden Electric Wizard schon reichlich mehr Schmackes. Nicht, dass das satanische Kult-Trio Menschenmassen hätte vor die Bühne locken können. Nur eine kleine Meute aus hauptsächlich bärtigen Männern fand sich vor der Bühne ein, doch umso fanatischer feierten diese Doom-Jünger ihre Helden und liessen so den Auftritt des elektrischen Zauberers zu einem der intensivsten des ganzen Festivals werden. Dagegen wirkten die Südstaatenrocker von Doc Holliday wie unschuldige Chorknaben. Country, Blues und Southern Rock, das gefiel dem schwedischen Publikum. Um Mitternacht dann war es endlich soweit: Die Bühne verdunkelte sich und die gerade mal ein Jahr bestehenden, schon jetzt aber als Legende gehandelten Ghost begannen vor einem Kirchenfensterhintergrund ihre diabolische Messe. Das Publikum drängte sich vor der Bühne wie noch nie an diesem Tag und während die einen den theatralisch vorgetragenen Doom Rock begeistert feierten, staunten Andere über die in Mönchskutten gewandeten Musiker und ihren in Kardinalrobe gehüllten, singenden Anführer. Ghost sind schon jetzt Kult!
 
Sweden Stage
Die U.S.-Thrasher von Agent Steel fackelten nicht lange und die schon anwesenden Old school Fans feierten kräftig mit. Die Alien-Fans boten zugänglichen Thrash Metal mit Speed-Schlagseite und spätestens bei "Mad Locos rising" war auch die hinterste Reihe überzeugt, dass es die 80er-Legende noch immer drauf hat und bald Ausserirdische auf der Erde landen würden. Leichtes Spiel hatten auch die Localhelden von Evergrey. Blitzartig war es vor der Sweden Stage rappelvoll. Wie schon letztes Jahr beim Acoustic Set überzeugte auch in Vollbesetzung insbesondere Fronter Tom S. Eglund, dessen Charisma sowohl in Stimme wie auch in Auftreten alle in den Bann zog. Bei Stryper hiess es dann: „Helme auf! Es regnet Bibeln!“ und tatsächlich liessen es sich die immer noch schwarzgelb gestreiften White Metaller nicht nehmen, immer wieder kleine Gottesbüchlein ins Publikum zu pfeffern. Mochte man zu den missionarischen Tendenzen auch stehen wie man wollte, musikalisch gab es dabei nichts zu bemängeln und so wurden die vier Aposteln mit E-Gitarre während Hits wie „Sing-A-Long Song“, „All for One“ oder natürlich „To Hell with the Devil“ ordentlich beweihräuchert. Gleich drei Cover ins Set einzubauen („Over the Mountain“ von Ozzy, „Breaking the Law“ von Priest“ und „Heaven and Hell“ von Sabbath) war dann aber doch etwas zu viel des Guten. Den Tag auf der Sweden Stage beendeten dann die deutlich weniger gläubigen Overkill. Wer die lustigen New Yorker schon einmal erlebt hat, weiss, dass bei ihren Shows der Bär mit dem Teufel und dieser mit Jesus im Kreis tanzt. Guter Thrash, coole Ansagen von Bobby "Blitz" Elsworth, Frontsau mit Hummeln im Hintern, eine eindrückliche Lightshow und Hit and Hit überrollten das Publikum gnadenlos.

 
Rock Stage
Schnell ist erklärt, weswegen sich schon am Mittag Tausende Besucher vor der Rock Stage einfanden. Mit dem Auftritt von Steelheart nämlich stand eine echte Rarität auf dem Speiseplan. Zwar ist von der Originalbesetzung nur noch Ausnahmesänger Miljenko Matijevic, doch war und ist dieser in erster Linie Steelheart, nicht zuletzt durch seine Performance im Metalfilm „Rockstar“. Dass vor allem die Songs aus diesem Streifen wie „Blood Pollution“, „Stand up and Shout“ und „We're all Die young“ begeisterten, versteht sich von selbst, doch auch andere Bandhits wie die Ballade „She's Gone“ sorgte für Gänsehaut. Auch Iced Earth blieben in ihrer Geschichte nicht von Besetzungswechseln verschont und auch wenn ich persönlich Tim Ripper Owens für den besseren Sänger halte, so muss ich doch eingestehen, dass Jon Schaffers Riffs zusammen mit der melancholischen Stimme von Matt Barlow schlicht unschlagbar sind. Die Ami-Metaller fackelten nicht lange und zockten bei strahlendem Sonnenschein Hit auf Hit, vom einleitenden „Burning Times“, über „Vengeance is mine“, „I Died for You“ und „Birth of the Wicked“ bis zur als Zugabe gelieferten Bandhymne „Iced Earth“. Wie eine Dampfwalze überrollten danach die Lokalhelden von Mustasch das Festivalgelände. Wie schon im Vorjahr, als der Vierer für die verhinderten Mastodon als Headliner auf der Sweden Stage einsprang, gehorchte das in Scharen gekommene Publikum Frontschnäuzer Ralf Gyllenhammer blind, machte jedes noch so lächerliche Sing-A-Long-Spielchen mit und gröhlten stramme Stoner-Kracher wie „Angel“ oder „Blasphemy Heresy“ mit, als wären es altbekannte Volkslieder. So beeindruckend wie dies war: an den spontanen Siegeszug vom Vorjahr kamen Mustasch trotzdem nicht ran. Genauso euphorisch abgefeiert wurden danach auch Helloween. Dass die Kürbisse um Andi Deris Leute in Feierlaune versetzen können das muss sogar ich zugeben, der ich die deutschen Speed Metaller nicht sonderlich mag. „Are You Metal?“ fragten die Hanseaten zum Einstieg, was das Publikum eindeutig positiv beantwortete, sodass man sich bei Songs wie „Eagle Fly free“ und „Where the Sinners Go“, dem „Keeper“-Opus und „Steel Tormentor“ gegenseitig zu Höchstleistungen hochschaukelte. Viel zu viel Zeit jedoch vergeudete der Fünfer mit ellenlangen Gitarren- und Drumsolos, genauso mit Mitsingspielchen. So dauerten nur schon die abschliessenden, an sich zügigen Songs „Future World“, „I Want You“ und die Zugabe „Dr. Stein“ geschlagene 25 Minuten. Den Fans jedoch schien dies wenig auszumachen und mit entsprechend glückseligem Lächeln begab sich die Masse danach vor die Festival Stage, um Whitesnake die Ehre zu erweisen.








 
 
Festival Stage
So gross wie die Festival Stage, so gross war in den 90ern die Band, die diese am Freitag eröffnete. Mit den Balladen „To Be with You“ und „Just Take my Heart“ gelang Mr. Big der Durchbruch und der Schritt auf die ganz grossen Bühnen. Zumindest in Schweden schien das technisch mehr als begabte Quartett wieder die Legitimität erhalten zu haben, vor solcher Kulisse aufzutreten. Die Massen drängten sich vor der Bühne und feierten die Jungs ab. Dass es sich dabei die Saitenfraktion, bestehend aus Gitarrist Paul Gilbert und Basser Billy Sheehan auch am Mittag nicht nehmen liess, Soli, unter anderem mit Schraubenziehern, zu zocken, versteht sich von selbst. Diese sorgten dabei genauso bejubelt wie die von Sänger Eric Martin tadellos vorgetragenen Hits der Marke „Green tinted Sixties-Mind“, „Road to Ruin“ oder „Merciless“. Auch die Songs vom neuen Album „What if...“ ernteten mehr als nur Höflichkeitsapplausauch und so konnte man der Bemerkung von Martin nur zustimmen, dass die Reunion nun vorbei sei, denn Mr. Big seien definitiv zurück. Mit Down donnerten danach ganz andere Klänge aus den Boxen. Phil Anselmo am Mikrofon hatte wohl offenbar noch nie sowas wie die Gemütlichkeit des Sweden Rock Festival erlebt. Es ist hier nunmal nicht eines dieser Brüll und Kreischcore Festivals wo sich Leute mit genau so viel IQ wie Promille bei ihrem Sound die Rüben einschlagen. Immer wieder motzte Phil, wenn er nicht gerade wie ein Wahnsinniger auf der Bühne herumtobte, dass die Leute ihn nicht so anstarren, sondern moshen und bangen sollen. Und ja, das Publikum hätte mehr abgehen können, immerhin gehören Songs wie das eröffnende „Hail the Leaf“, „Lifer“ und natürlich die obligaten Zugaben „Stone the Crow“ und „Bury me in Smoke“ mit zum Besten, was Stoner Rock zu bieten hat. Und trotzdem: Wer ein etwas relaxteres Publikum nicht ertragen kann, der sollte unbedingt einmal seine Prioritäten überdenken. Rob Zombie jedenfalls hatte es da schon einfacher. Von Anfang bis Ende versetzten die sowohl strammen wie groovenden Riffs das Publikum in Masseneuphorie. Das lag einerseits an der superben Setlist, die keine Industrial-Granate aussparte, gleichzeitig überzeugte auch der Anführer der Armee der Untoten mit einer bewegungsfreudigen Performance. Vor riesigen Schwarzweiss-Portraits klassischer Horrorfilm-Figuren wie Dracula, Frankenstein oder der Wolfmensch liess Zombie seine Dreadlocks fliegen und wurde dabei von einer tighten und nicht weniger energetischen Band begleitet. Allen voran Klampfer John 5 machte dabei eine tadellose Figur und geniess es sichtlich, mehr Freiheiten zu besitzen als bei seinem früheren Arbeitgeber Marilyn Manson. Dazu die knackig aus den Boxen lärmenden Hits wie „Superbeast“, „Living Dead Girl“, „More Human than Human“, „Dragula“ und das finale „Lords of Salem“ und auch die Journalisten vergaben ihm, dass er die anberaumte Pressekonferenz ohne nähere Angaben hatte Platzen lassen. Das Publikum, dass davon sowieso nichts mitbekommen hatte, war indes sowieso schon längst von der Rolle.

Der offizielle, dabei zwar würdige aber nicht überfliegende Headliner des Abend waren aber Whitesnake. Die Show passte perfekt zur lauen Sommernacht. Gehüllt in majestätisch blaues Licht und einem schlichten Backdrop mit dem Bandschriftzug bot die Festival Stage eine eindrückliche Kulisse für die Stadion-Rocksongs der Band. Ohne grosses Brimborium kamen David Coverdale und Co. auf die Bühne und schon reckten sich tausende von Händen in die Höhe. Nirgendwo anders auf der Welt kommen Songs wie „Love Ain't no Stranger“ oder „Is this Love“ so gut an wie in Schweden und auch langfädige Soloeskapaden wie ein Gitarrenduell zwischen den wie immer brillant zockenden Doug Aldrich und Reb Beach fand laute Anerkennung. Dass Whitesnake instrumental nichts anbrennen lassen, dass ist bekannt. Wie sollte man auch bei einem Rückgrat wie dem seit letzten Jahr verpflichteten Drummer Brian Tichy? Eine Zitterpartie ist einzig, wie gut sich der wie immer den Mikroständer schwingende Coverdale machen würde. Doch auch dieser schlug sich an diesem Abend souverän, auch wenn seine stimmlichen Glanzzeiten unwiederbringlich vorbei zu sein scheinen. Um der Sache dann noch zusätzliche Würze zu verleihen, waren im Vorfeld ominöse „special guests“ angekündigt worden und als zu „Ain't no Love in the Heart of the City“ Bernie Marsden, Ex-Gitarrist der weissen Schlangen, auf die Bühne kam, gab es für die anwesenden Fans kein Halten mehr, immerhin ist nun schon geschlagene 30 Jahre her, seit Marsden seinen alten Weggefährten den Rücken kehrte. „Fool For Your Lovin'“ wurde so ebenso zum Triumphzug wie das obligatorische „Here I Go Again“, bei welchem auch noch Adrian Vandenberg, Whitesnake-Gitarrist von 1987-1997, die Klampfenfraktion zum Quartett anwachsen liess. Dazu noch „Still of the Night“ als erwartbare Zugabe und schon war das Whitesnake-Klassentreffen zu Ende.
 




Samstag 11.06.2010
Zeppelin Stage
Steht man am Sweden Rock schon von Beginn an auf der Matte, so kommt man immer in den Genuss bei uns noch unbekannter Bands. So auch am letzten Festivaltag, der mit Raubtier eröffnet wurde. Als Bastard aus Rammstein, den apokalyptischen Reiter, Scooter und Sabaton kann deren Sound beschrieben werden. Stramme Marschrhythmen, angereichert mit bombastischen Plastik-Keyboards und pathetischem Gesang in Schwedisch, das scheint zwar die eigenen Landsmänner zu begeistern, Aussenstehende aber standen eher ratlos vor dem skurrilen Trio. Nun wäre es an mir gewesen, mir die Show von Fläsket Brinner anzuschauen. Nach einem Song hatte ich aber genug von dieser verschrobenem Krautrock-Geklimper und entschied mich dafür, den gleich hinter dem Festivalgelände gelegenen Strand aufzusuchen, um mir zum Sound der Hooters im Hintergrund die Füsse im Meer zu kühlen. Sorry, aber das musste sein! Frisch erholt ging es dann zurück zum Gig von Angel Witch. Die NWoBHM-Legende bot urwüchsigen Metal traditioneller Spielart, auch wenn das bekannte Teufelsziegen-Logo im Hintergrund anderes vermuten liess. Dass dabei eigentlich alle nur auf die selbstbetitelte Bandhymne, den grössten Hit der Band wartete, verstand sich von selbst, war doch der Rest des Materials deutlich weniger eingängig. Diabolisch ging es dann gleich mit Nifelheim weiter. Mehr schwarzmalerischer Pathos geht kaum. Trues Outfit und pseudoböse Ansagen vor trotz Blastbeats kitschig tönenden Songs vermochten die nun stattlich brennende Sonne nicht in ihre Schwanken zu verweisen, . Da passte Walter Trout schon eher zum Sommerwetter. Der ehemalige Klampfer von Canned Heart zockte gemütlichen Blues Rock. Wer drauf steht, war begeistert, alle anderen missbrauchten den alles andere als gertenschlanken Blueser als Soundtrack fürs Abendessen oder suchten das Weite, denn umwerfen tat einen der Veteran nicht wirklich.



 
Sweden Stage
Während sich das Publikum mit keinem Mucks über das schöne Wetter beschwerte, schien Destructions Fronter Schmier an der Sonne herzlich wenig Freude zu haben. Immer wieder beklagte er sich über seinen Kater und über die frühe Spielzeit, was eher nach Diva denn nach Rock'n'Roller klang. Musikalisch indes gab es nichts zu meckern, ein Thrash-Batzen jagte den nächsten und zu „Hate is my Fuel“ vom aktuellen Silberling „Days of Reckoning erhielt“ der verkaterte Schreihals dann auch seinen geforderten (Mini-)Moshpit. Molly Hatchet hatten es da mit ihrem Southern Rock schon leichter, strengten sich vielleicht deswegen aber leider auch nicht sonderlich an. Zwar gab Front-Cowboy Ingram zwar dem Publikum mit dem Aufruf zu einem lauten „Hell Yeah!“ zwar immer wieder die Sporen, ansonsten aber gab es eher routiniert abgespulte Bandhits, begonnen bei „Whiskey Man“, über „Been to Heaven – Been to Hell“, bis „Flirtin' With Disaster“. Überraschenderweise machten danach Rhapsody Of Fire eine deutlich beherztere Figur. Hatte man vor einigen Jahren noch das Bedürfnis, vor einem kitschig angemalten Karton-Schlösschen aufzutreten, besann man sich heute aufs Wesentliche und zockte Neues wie „Triumph of Agony“ oder „On the Way to Ainor“ genauso mit Schmackes wie Band-Klassiker der Sorte „Holy Thunderforce“, „Unholy Warcry“ (inkl. Der Stimme von Christopher Lee ab Band) oder „Emerald Sword“. Zumindest bis zum Mischpult sind die Leute begeistert, scheren sich wenig um das zu laut abgemischte, kaum abbrechende Doublebass-Geböller und freuen sich sogar über eine vor Kitsch triefende Ballade wie „Lamento Eroico“. Schwebten schon die Italiener in anderen (Fantasy-)Welten, so schienen Hawkwind aus einer ganz anderen Dimension zu stammen. Der wahnwitzige Space Rock der verschrobenen Engländer ist die Sache der Massen nicht, doch diejenigen, die sich gegen Thin Lizzy und für die psychedelischen Kauze entschieden, bekamen einen abgedrehten Drogentrip geboten. Und das nicht nur musikalisch mit jeder Menge Synthies, Saxophon und Vibraphon, sondern auch in optischer Hinsicht. In der Mitte Basser Mr. Dibs, kugelrund, bärtig und mit Stahlhelm auf dem Kopf, auf den Seiten die beiden Soundhexer Dave Brock (einziges verbliebenes Gründungsmitglied) und Niall Hone, rundherum all die mysteriösen Tasteninstrumente – nur schon dies war ein Bild für sich und als dann zu einer ganzen Reihe Songs zwei genauso verstrichen wirkende Tänzerinnen ihre hypnotischen Bewegungen in wechselnden Kostümen vollführten glaubte man sich wirklich in eine andere Sphäre versetzt. Verstörende Sache...



Rock Stage

Und wieder ein exklusives Highlight am Sweden Rock: Lee Aaron wurde extra aus Kanada für diesen Gig eingeflogen. Mit „Powerline“ startete die ehemalige Metal Queen gleich stark ins Set, wobei ihre pinke Lederjacke und die weissen Schuhe mehr nach H&M denn nach Rock'n'Roll rochen. Danach folgten ihre Bluesnummern, die nicht jedermans Sache zu sein schienen und auch der Gesang war am Anfang eher dürftig, sodass die Publikumsreaktionen zu Beginn eher verhalten ausfielen. Aaron jedoch steigerte sich von Song und Song und als die Hymne „Metal Queen“ erschall, wobei auch diese durch eine ausgedehnte Bandvorstellung leider etwas an Kraft verlor, erntete sie verdienten Applaus. Mit Spock's Beard wurde danach ganz anderer Sound zelebriert. Ein Hauch von Pink Floyd lag in der Luft, was beim am Samstag eher gemischten bzw. älteren Publikum auf offene Ohren stiess. Ob Fronter Nick D'Virgilio jemals Neal Morse am Mikro ersetzen werden kann, das sei dahin gestellt, doch machte dieser seine Sache mehr als gut und führte seine Band mit sicherer Performance durch sphärische Prog-Rock-Nummern mit 70's-Schlagseite wie „Edge of the In-Between“, „Perfect Day“ und „The Light“. Solche Mucke steht und fällt mit dem Sound. Dieser war glasklar und so freuten sich die nicht allzu grosse Menge an Fans über eine gelungene Lektion Prog. Ganz anders leider der Sound bei Kansas. Viel zu präsent kleisterten die en masse eingesetzten Synthies, Hammond-Klänge, genauso wie das Gefidel von Geiger David Ragsdale, die übrigen Instrumente beinahe komplett zu. So kam man weder in den Genuss von Steve Walsh's Stimme noch von der filigranen Gitarrenarbeit von Rich Williams. Naja, die Fans feierten trotzdem (wie eigentlich bei jeder Band). Den Rockgöttern sei Dank passierte das selbe nicht bei Thin Lizzy. Sound, Songs, Performance – alles im Grünen Bereich und so überraschte es nicht, dass die legendäre Band die endlos scheinenden Massen locker im Griff hatte. Kein Wunder, bei einer solchen Diskographie, die einem ohne Wimpernzucken erlaubt, Hit an Hit an Hit zu reihen. So folgte „Waiting for an Alibi“ auf das standesgemäss einleitende „Are You ready?“, das entspannte „Dancing in the Moonlight“ auf „Jailbreak“, „Whiskey in the Jar“ auf „Still in Love with You“ und „Don't Believe a Word“. Das Publikum sang, klatschte und jubelte ohne Unterbruch. Konnte es da noch eine Steigerung geben? Ja, das konnte es, wie die alte Recken unter der Führung eines lupenrein singenden Ricky Warwick bewies. „Cowboy Song“, „The Boys Are back in Town“, „Killer on the Loose“, „Rosalie“ und „Black Rose“ und fertig war ein Hit-Feuerwerk, dass seinesgleichen sucht.







 

Festival Stage

Der Nachmittag versprach ein gemütlicher zu werden, auf der Festival Stage. Das wurde er auch und zwar auf hohem Niveau, auch wenn die eröffenden The Hooters zu Beginn mit leichten Soundproblemen (zu laute Stimme / zu laute Drums) zu kämpfen hatten. Schon während dem Einsteiger „Dancing on the Edge“ jedoch bekam man diese in den Griff und einer gepflegten AOR-Party stand nichts mehr im Wege. Zwar herrschte bei locker flockigen Nummern wie „Day by Day“, „Great Big American Car“ oder dem neuen „Silver Lining“ zwar nicht die allerüberschwänglichste Stimmung, doch spätestens mit „All You Zombies“, „And We Danced“ und natürlich „Johnny B.“ herrschte Volksfest Stimmung. Nicht zuletzt wegen dem schönen Wetter. Auf der selben Schiene weiter, nur noch einen Zacken beeindruckender, fuhren Styx weiter. Die Classic-Rock-Legende aus Chicago überzeugte mit einer sowohl technisch einwandfreien wie auch beherzten Performance und machten mit „The Grand Illusion“, „Too much Time on my Hands“ und der unverwüstlichen, wenn vielleicht auch etwas angestaubten Power-Ballade „Lady“ gleich einmal klar, wer wider alles Vergessen eigentlich auf den AOR-Thron gehören sollte. Die Gesänge wurden dabei gerecht zwischen Tastenmann Lawrence Gowan, welcher sichtlich Freude hatte an seinem drehbaren Podest, und den beiden Saitenmännern James Young und Tommy Shaw aufgeteilt und auch wenn die langsam ungemütliche Hitze die Kräfte des Publikums etwas schwächte liessen Perlen wie „Lorelei“ oder „Miss America“ das AOR-Herz höher schlagen. Dasselbe galt auch für den überraschenden Auftritt von Gründungsmitglied Chuck Panozzo, welcher während „Fooling yourself (the young angry Man)“, dem grossartigen „Come Sail Away“ und dem abschliessenden „Renegade“ den Bass in die Hand nahm. Ja, auch Rocker mögen ab und an die weicheren Klänge und sind nicht immer bärtige Haudegen. Zakk Wylde zwar schon, der mit seiner Black Label Society danach auf dem Programm stand. Nichts gegen BLS, ihr knatternder Stoner Metal hat Eier wie Sau und auch die letzten Scheiben „Shot To Hell“ oder „Order Of The Black“ überzeugten, doch wurde ich das Gefühl nicht los, dass nicht etwa ihr musikalischer Status, sondern die enge Verbindung zu Meister Ozzy ihnen den Platz vor dem Headliner eingebracht hatte. Dies liessen auch die Publikumsreaktionen vermuten, denn in keinem Vergleich stand die Stimmung etwa zum Auftritt von Rob Zombie am Tag zuvor um die selbe Zeit. Nichtsdestotrotz schlug sich Wylde mit seiner bärtigen Gang beachtlich, liess mit Songs wie „Crazy Horse“, „Overlord“ oder „Fire it up“ etliche Köpfe kreisen, feierte mit der Katerballade „The Blessed Hellride“ den R'n'R-Lifestyle und liess natürlich keine Gelegenheit aus, um seine Gitarre in unzähligen Solo-Parts zum Kreischen zu bringen. Dass er das Set im Vergleich zu seinen Headliner-Shows dabei etwas straffen musste, tat der Sache nur gut und so gaben sich mit „Suicide Messiah“, „Concrete Jungle“ und „Stillborn“ am Schluss reihenweise Killerriffs die Klinke in die Hand.

Nun wartete alles gespannt auf den Mann des Festivals. Die Verantwortlichen hatten sich (evtl. gegen ihren Willen?) entschieden, keine andere Band zu diesem Zeitpunkt auftreten zu lassen und so fühlte man sich zum ersten Mal am Sweden Rock etwas eingeengt, als das klassische Bombast-Intro die Show von Ozzy Osbourne eröffnete. Sämtliche Hände schnellten in die Höhe und wohl nicht wenige, darunter ich, konnten fassen, dass nun bald der Prince of Darkness himself auf dieser Bühne ohne jeglichen Schnickschnack stehen würde. Und noch bevor das erste Riff erschall war er auch schon da. Ganz alleine stolperte Ozzy zum Mikro und schrie so debil in die Nacht, wie eben nur Ozzy schreien kann, bevor er mit gefüllten Wassereimern und einem Schlauch, aus welchem Schaum quoll, die vordersten Reihen einseifte. „I Don't Know“ gefolgt von „Suicide Solution“ markierte darauf den musikalischen Einstieg zu einer tadellosen, wenn auch etwas vorhersehbaren Rockshow erster Klasse. Der Sound stimmte und vor allem Gus G., der neue Saitenhexer an Ozzys Seite, zeigte, dass sein 80er-lastiges Spiel perfekt dorthin passte. Ob nun „Mr. Crowley“, das schunkelige „Good Bye to Romance“ oder „Bark at the Moon“, jeder Song wurde von dem euphorischem Publikum angenommen, als wäre es ein Geschenk der Rockgötter. Natürlich reichte dies dem Godfather of Metal natürlich noch lange nicht und so beschränkte er sich zwischen den Nummern mehr oder minder darauf, immer wieder zu beteuern, er könne das Publikum nicht hören („I can't fucking hear you!“). So schrie man halt noch lauter, nicht zuletzt, da mit „Shot in the Dark“ von „The Ultimate Sin“ (1986) doch noch ein eher unerwarteter Song in der Setlist fand. Grossartig! Dies galt auch für das Sabbath-Instrumental „Rad Salat“, welches Gus G. Und Trommler Tommy Clufetos (Ex-Rob Zombie, -Alice Cooper, -Ted Nugent) die Gelegenheit zum solistischen Austoben bot. In guten alten Sabbath-Zeiten verharrte man danach auch mit „Iron Man“ und „Fairy Wear Boots“, in denen Ozzy unter Beweis stellte, dass er es immer noch kann, das nasale, weinerliche und debile Singen, das einem Gänsehaut bereitet. Danach noch schnell mit „I Don't Wanna Change the World“ auf die Tränendrüse gedrückt und furios „Crazy Train“ gezockt und schon wurde es Zeit für die Zugabe, die mit „Mama I'm Coming Home“ und „Paranoid“ erwartungsgemäss begangen wurde. „Totgeglaubte leben länger“, sagt man gemeinhin und dafür war dieser Gig das beste Beispiel. Aufs wesentliche reduziert, voller Energie und einer Extraportion Spass an der Sache zeigte Ozzy Osbourne an diesem Abend allen seinen Kritikern den Mittelfinger. Ein perfekter Abschluss für ein rundum gelungenes Sweden Rock Festival 2011, welcher dazu verleitete, noch am selben Tag die Reise für 2012 zu planen...