Livereview: Sweden Rock Festival 2012
06. - 09. Juni 2012, Norje, Sölvesborg (Schweden)
By Kissi & Roxx  -  All Pics by Angela M.S.

Die meisten von uns Rockern haben es ja nicht sonderlich mit dem Glauben. Wie soll man auch Sonntags in die Kirche, wenn man sich Samstag Nacht Gehirn und Seele aus dem Schädel bangt? Und trotzdem gibt es auch im Heavy Metal so etwas wie Pilgerreisen. Festivals wird das genannt. Jeder hat da seine Präferenzen, von ganz klein bis ganz gross, von Subgenre bis übergreifend. Und auch wenn mir jetzt gleich alle Wacken-Jünger widersprechen werden: das Rock'n'Roll-Paradies, das befindet sich für mich in Norje, einem kleinen Küstenkaff im schwedischen Süden. Einmal im Jahr zumindest, anfangs Juni, am Wochenende des legendären Sweden Rock Festivals. Heerscharen von Rockern und Metallern aus der ganzen Welt fallen dann ein und folgen dem Leitspruch: „Fill your head with Rock!“


So machten auch wir paar Schweizer uns dieses Jahr wieder auf gen Norden, um uns während vier Tagen auf fünf Bühnen Newcomer und Legenden, Beinhartes und Melodiöses in unsere Köpfe donnern zu lassen. So bunt wie das Billing, so bunt sind dabei auch die Leute auf dem Festival. Vom Teenie bis zum Weissbart ist alles vertreten und wo sonst sieht man Kinder mit Pamir auf dem Kopf und Ledergürtel um die Hüfte, die lauthals zu King Diamond oder Twisted Sister mitsingen? Oder zu Soundgarden oder Cannibal Corpse. Oder zu Slaughter oder Mötley Crüe. Oder zu Blue Öyster Cult oder Motörhead oder zu... oder zu... oder zu... Dass dabei das Wetter nicht immer ganz mitspielte (Mittwoch = bewölkt, Donnerstag = kalt, Freitag = nass, Samstag = Sonne) und auch die eine oder andere Neuerung, wie etwa die Verschiebung des Presse-Bereichs ans hintere Ende des Festivals gewisse Anpassungen verlangte, diese Wermut-stropfen verdampften schnell ob der unzähligen kultigen, energiegeladenen und stimmungsvollen Shows an diesem Wochenende. Doch lest selbst.
Mittwoch 06.06.2010

Zeppelin Stage
Am Mittwoch Nachmittag gingen sie dann endlich los, die schwedischen Rock'n'Roll-Festspiele. Eröffnet wurde der nordische Reigen auf der Zeppelin Stage und zwar von den austauschbaren Reenact. Wirf in der Schweiz einen Stock und du triffst fünf dieser Bands aus der Sparte Brüll - und Kreischcore. Da ging es danach auf der Sweden Stage schon spezieller zu und her. Der sechste Juni nämlich ist Schwedens Nationalfeiertag und wer sollte denn die Nationalhymne intonieren, wenn nicht die momentanen Metal-Helden Sabaton? Tausende sangen lautstark dazu mit, genauso das darauffolgende halbstündige Hit-Feuerwerk. Dagegen konnten die blutjungen Pompei Nights mit ihrem Screamo-Sound nur verlieren! Ebenfalls gerade erst dem Teeniealter entkommen sind In Solitude, doch die schwedische Antwort auf King Diamond zockte auf der Rockklassiker Stage, die kleinste der fünf Bühnen, in Leichenschminke und mit Räucherstäbchen bewaffnet in einer ganz anderen Liga. Fear Factory internationalisierten danach die Bühnen und zwar ohne Wenn und Aber. Musikalisch eine Wucht, nicht zuletzt dank verdammt gut aufgelegtem Klampfer Dino Cazares, hatte Fronter Burton C. Bell auch schon bessere Tage.

Ein solchen erwischten die schwedischen Teenie-Idole H.E.A.T.. Schon erstaunlich, dass man mit klassischem Melodic Rock à la Def Leppard oder Magnum heute immer noch die (jungen) Massen begeistern kann. Oder auch mit Country und Hillbilly-Attitüde, wie die Bourbon Boys auf der Rockklassiker Stage bewiesen. Nicht einmal Gitarrist Jonas Kjellgren, der aussah wie ein Kerry King für Arme, konnte da die Mitgröhl-Stimmung („Hillbilly Heart“) trüben. Deutlich düsterer ging es da auf der Sweden Stage zu und her. Die wieder reformierten The Crown growlten mit ihrem typischen Schwedentod alles nieder. Wäre danach noch was gestanden, Entombed hätten es restlos erledigt. Ohne Schnickschnack überrollte der Fünfer die Massen mit Death'n'Roll vom Feinsten und schien dabei gleich selbst am meisten Spass zu haben. Beides gute Auftritte. Glitzernder, aber ebenso überzeugend, feierten da die Sleaze-Newcomer Dynazty, die auf der Rockklassiker Stage die Wartezeit vor Edguy überbrückten. Die Deutsch-Metaller, allen voran Front-Spitzbube Toby Sammet, freuten sich sichtlich über ihren Headliner-Posten im Hohen Norden und sorgten für Feierlaune. Dies, obwohl Sammet es zwischen keinem einzigen Song schaffte, den Mund zu halten und, bedingt wohl durch die Fremdsprache, die selben Jokes immer und immer wieder ins Publikum leierte. Da überzeugten die Songs aus der ganzen Karriere mit zu erwartendem Schwerpunkt auf „Age Of The Joker“ vom letzten Jahr schon besser.




Donnerstag 07.06.2010
Zeppelin Stage
Vorbildlich, wie das Sweden Rock Festival immer noch darauf setzt, neben den vielen grossen Namen auch einige schwedische Neulinge auf die Bühne zu bitten. So auch am Donnerstag, an welchem Deals Death mit ihrem Melo-Death den metallischen aber nicht allzu spektakulären Wecker gaben. Da konnten die Little Angels schon für mehr Furore sorgen. Vor fast 20 Jahren hatten die britischen Melodic Rocker ihr Handtuch geworfen, um nun vor einer stattlichen Anzahl Fans ihr durchaus gelungenes Comeback. Ebenfalls lange warten mussten auch die Fans von Saint Vitus. Zwar tourte die Doom Legende immer wieder mal, selten bis gar nie aber durch Skandi-navien und vor allem nicht mit einem neuen Album im Gepäck. So wurden die neuen Songs von Lillie F-65 genauso abgefeiert wie die alten Dröhn-Nummern und zwar von einem frenetischen Publikum, welches sich am zu leisen Gesang Winos ebenso wenig störte wie an der gewohnt statischen Performance von Bandana-Klampfer Dave Chandler und Bassist Mark Adams. Beschwingter auf der Bühne ging es danach bei den Rival Sons zu und her. Die retro-rockenden Senkrechtstarter aus L.A. Verdienten sich ihre Vorschusslorbeeren mit einer energiegeladenen und zeitweise virtuos ausufernden Show à la Led Zeppelin. Performance-technisch konnten das die Retro-Lokalhelden Graveyard danach nicht toppen. Zu statisch standen die Schnauz-träger auf der Bühne, während davor gut 6000 Leute bei Sonnenschein trotzdem jede noch so kauzige 70's-Nummer abfeierten. Als dann die Nacht hereingebrochen war donnerten Dark Funeral noch ihr Kontrastprogramm zum gleichzeitig spielenden Headliner Soundgarden von den Brettern. Black Metal, wie er traditioneller und puristischer nicht sein kann. (kis)
 
Sweden Stage
Mit einer Überraschung startete das Programm auf der Sweden Stage. Zumindest für mich, hatte ich Exciter das letzte Mal doch 2005 am Bang Your Head in einer eher schlechten als rechten Verfassung erlebt. Heute jedoch lieferten die kanadischen Speed-Metaller um Gitarrist und einziges verbliebenes Gründungsmitglied John Ricci eine energiegeladene Show, nicht zuletzt durch den sich verausgabenden und treffsicheren Kenny Winter (u.a. Alchemy, Covenant) am Mikro. Wieder Kanadier und wieder eine souveräne Leistung: Danko Jones rockte wie gewohnt nach allen Regeln der Kunst, schüttelte scharfe Riffs genauso aus den Ärmeln wie schwindelerregende Grimassen und Zungen-akrobatik und zwar vor einem dicht an dicht und gut gelaunten Publikum. Auch souverän, bei weitem aber mit weniger Party-Faktor, gingen danach Sepultura auf die Bühne. Die Zeiten, in welchen reihum nur von „Abklatsch“ die Rede war, sind zwar definitiv vorbei. Ungebrochene Euphorie vermögen die Brasilianer aber trotzdem immer noch nicht zu verursachen, zu erpicht sind viele ihrer Fans auch nach Jahrzehnten noch auf eine mögliche Reunion mit Fronter-Dschunglejunge Max Cavalera. Die entfachten, insofern das bei Black Metal überhaupt möglich ist, Dimmu Borgir. Offiziell nur noch als Trio unterwegs, zockt man live immer noch im Sextett und zwar so bitterböse frostig (inkl. imposanter Grusel-Bühne mit H.R.Gyger-Flair) und tight, da übersah man auch grosszügig die meterlangen Fransen à la Rob Halford an Fronter Shagrats Lederjacke. (kis)



Festival Stage

Die grosse Festival Stage wurde von der legendären Rockband 10CC eröffnet. Eher gemächliche leichte Kost mit einem Schuss Blues und Schunkel-Atmposhäre wurde serviert. Alles Songs die jeder kennt, in Schweden genauso wie in der Schweiz (DRS1), kaum jedoch auf Platte hat. Solide und gut. Nightranger boten dann etwas mehr Unterhaltung. So gabs nicht nur Songs von Nightranger, sondern auch von anderen Projekten der 80er-Rocker wie etwa „High Enough“ der Ex-Supergroup von Fronter und Basser Jack Blades oder Ozzy's „Crazy Train“, bei welchem Brad Gillis auch schon mal die Gitarre bediente. Vor allem Blades zeigte sich dabei als hervorragender Sänger und Entertainer und liess sich die Show auch nicht von Dee Snider die Show stehlen, der zu „(You Can still) Rock in America“ ein weiteres Mal die Bühne enterte. Während Graveyard auf der Zeppelin Stage rockten, donnerten auf der Festival Stage Mastodon von der Bühne, eine Überschneidung, welche viele der Besucher die schwierigste Entscheidung des Wochenendes bescherte. Vor engen Reihen jedenfalls wuchteten die Amis ihren Stoner-Sludge aus den Boxen und zwar ohne technische Probleme, wie vor kurzem am Schweizer Sonisphere. Zu guter letzt und als Abschluss des Tages, wurde das Sweden Rock Publikum mit einem fulminanten Comeback-Auftritt beschenkt. Soundgarden liessen sich das erste Mal in diesem Jahrtausend wieder in Schweden blicken und zogen alle Register. Wenn auch die mächtige Bühnenshow mit grossen Lichtern am hinteren Bühnenrand und Visuals die Kälte nicht ganz vergessen liess, so tat es die durch und durch gelungene Performance der vier Grunge-Helden. Nicht, dass die Jungs aus Seattle noch beste Freunde zu sein scheinen, noch dass Fronter Chris Cornell gross mit dem Publikum plauderte; in Sachen Intensität waren die Herren aber den meisten Künstlern dieses Festivals weit überlegen, Und wenn dann die jedem bekannte, melancholische Melodie von „Black Hole Sun“ erklingt und Cornell leidend ins Mikro nöhlt, dann kann man einfach gar nicht anderes als Gänsehaut empfinden. Doch bewies das Quartett an diesem Abend eben auch, dass sie mehr sind, als nur ein One-Hit-Wonder und rupften Grunge-Perlen wie „Spoonman“, „Rusty Cage“ oder „Jesus Christ Pose“ so trocken und brachial herunter, liess die Instrumente krachen was das Zeug hält, dass man sich fragte, wie es Basser Benn Shepherd gelang, dass seine Zigarette zum dröhnenden Rausschmeisser „Slaves & Bulldozers“ nicht von seiner eigenen Verstärkerwand ausgeblasen wurde. (rxx)

Rock Stage
Wegen diversen organisatorischen Unmöglichkeiten vor Ort, war es uns leider nicht vergönnt das komplette Konzert von Imperial State Electric zu schauen. Allzu tragisch schien das aber nicht zu sein, denn die Truppe um Ex-Hellacopter Nicke Andersson schien selbst am meisten Spass zu haben. Ununterbrochen wechselte man Musiker und Instrumente und konnte damit und mit seinem 70's Stadion Rock das morgenmüde Publikum nur mässig begeistern. Das sah dann bei Exodus ganz anders aus. Die Trash-Legende ballerte Riff nach Riff in die Leute und damit die Sandkörner aus den Augen. Dauergrinser Gary Holt, momentan als Ersatz von Jeff Hannemann mit Slayer auf Tour, vermisste man trotz der souveränen und kultigen Performance von Holts Langzeit-Klampfen-Partner Rick Hunolt aber schon ein bisschen. Schon eine Weile vor der Show von Steel Panther, füllten sich die Reihen vor der Bühne. Die Show wie gehabt. Nix neues aber immer wieder lustig und natürlich schlüpfrig. Die vier Comedy, äh, Sleaze Rocker liessen ein frenetisches Publikum unter blauem Himmel Mitsingen und -lachen. Der darauf folgende Sebastian Bach mit seiner Allstar Band, bestehend u.a. aus Klampfer Nick Sterling (Aerosmith, Kid Rock, Cheap Trick) und Bobby Jarzombek (u.a. Halford, Fates Warning, Iced Earth), erfreute dann die Fans von alten Skid Row Platten. „Slave to the Grind“, „18 and Life“ oder „Monkey Business“, das Row-Zeug kennt einfach kein Verbrauchsdatum, im Gegensatz zu Herrn Bachs Stimme, die auch schon frischer kreischte. Nur gut, rannte dann noch Dee Snider auf die Bühne, um beim Twisted-Sister-Cover „We're not Gonna Take it“ und beim Refrain von „Youth Gone Wild“ auszuhelfen. (rxx)




 



Freitag 08.06.2010
Zeppelin Stage
Bandcontest, davon gibt es heute beinahe so viele wie Bands. Auch das Sweden Rock bedient sich mittlerweile dieser (Werbe-)Methode. Wie man auch dazu stehen mag, die diesjährigen Gewinner Skyforger aus Lettland machte mit ihrem Pagan Metal die Trinkhörner-Fraktion. Eher Strassenköter- denn Wikingermentalität versprühten danach die Briten Black Spiders. „Fuck You Black Spiders!“, das wollte Fronter Pete Spiby vom eher bescheidenen, dafür umso enthusiastischeren Publikum hören, während der Fünfer derweil den musikalischen Mittelfinger zückte und eine der bewegungsfreudigsten Performances des Festivals hinlegte. Da ging es bei Axe schon gesitteter zu und her. Die Florida-Rocker angelten sich unter der Ägide des Bandkopfs und virtuosen Gitarristen Bobby Barth (Blackfoot) gekonnt aber nur für Fans wirklich spannenden AOR-Set. Mit seinen Tygers Of Pan Tang zeigte Klampfer Robb Weir danach, dass man auch fit altern konnte. Wie schon am Bang Your Head vor einem Jahr überzeugten dabei nicht nur NwoBHM-Rocker wie „Gangland“, „Rock'n'Roll Man“ oder „Spellbound“, sondern allen voran auch Goldkehle Jacope Meille, der Originalfronter Jess Cox vergessen machte. Auch ein Fronter, den man so schnell nicht vergisst: Bobby Liebling. Gestern noch beim Gig von Saint Vitus in der ersten Zuschauerreihe, zelebrierte der kauzige Fronter mit seiner Truppe Pentagram heute selbst seine Doom-Messe. Und was für eine! Wie Rumpelstilzchen stampfte und gestikulierte, fuchtelte und krahkehlte er, was nicht nur von Mark Adams und Dave Chandler (inkl. tänzelndem Groupie vor ihm) von Saint Vitus goutiert wurde. Wohl nicht nur für mich eines der Festival-Highlights überhaupt. Im Gegensatz dazu wirkten Katatonia später am Abend etwas gar von der eigenen Melancholie ergriffen (vielleicht im Kontrast zu den partywütigen Twisted Sister?). Wer seinen Abend aber mit schwarzgetünchten, elegischen Melodien ausklingen lassen wollte, den machten die Schweden schwermütig glücklich. (kis)
 
Sweden Stage
Seit Jahren surfen Amorphis auf einer Erfolgsweise, die sich trotz früher Spielzeit auch auf dem Sweden Rock deutlich machte. Mehr als ordentlich Leute vor der Bühne, denen die Finnen frühe, gegrowlte Songs ebenso darboten wie neues, melodischeres Material, etwa vom aktuellen „The Beginning Of Times“. Danach wurde es Zeit für German Power Metal. Kai Hansen und seine Gamma Ray'ler gaben wie gewohnt alles, ganz nach dem Motto „To The Metal!“ (2010). Zum Schluss noch der eine oder andere Helloween Klassiker („Ride the Sky“, „I Want Out“) und alle waren glücklich. Gefühlte 100 und tatsächliche 15 Jahre (zumindest für Schweden) ist es her, dass sich die Amis von Ugly Kid Joe wieder einmal auf einer Bühne blicken liessen. Nicht erstaunlich also der rappelvolle Platz vor der Sweden Stage, als das Fun-Quintett loslegte. Neben überall rauf und runter gespielten „Cats in the cradle“ und „Everything about you“ überzeugte dabei vor allem Fronter Whitfield Crane mit flotten Sprücken und guter Laune, welche vom Publikum euphorisch aufgesogen und nach etwas kurzen Gig noch minutenlang in Zugabe-Rufe umgewandelt wurde. Ganz so frenetisch und auch nicht so vielzählig ging es danach bei den Flower Kings zu und her. Die ungeschlagenen schwedischen Prog-Rocker entführten in filigrane und keyboardgeschwängerte Klangwelten, die nur wenige dem Eierrock von Motörhead vorzuziehen schienen. Oder ob es wohl eher an den im wahrsten Sinne des Wortes quietschfidelen Fiddler's Green lag, die noch dazu auf der Rockklassiker Stage für Party-Laune sorgten? (rxx)


 
Rock Stage
Das Wetter hielt noch, als Adrenaline Mob die Rock Stage aus dem Schlaf rockten. Die neue Allstar-Band um Russel Allen (Symphony X) und Mike Portnoy (Dream Theater) schlägt zur Zeit hohe Wellen und auch mit straighterem, rifforientierterem Sound können die beiden Prog-Spezies überzeugen. Ebenfalls überzeugen konnte Mr. Michael Schenker mit seinem Temple Of Rock. Mit Doogie White (Ex-Rainbow) am Gesang und von den wenn auch etwas gealterten, aber immer noch zustechenden Herman Rarebell (drums) und Francis Buchholz (Bass) war das auch gar nicht anders zu erwarten, genauso wenig wie die hohe Anzahl an gezockten Scorpions-Klassikern, etwa „Another Piece of Meat“, „Lovedrive“ oder natürlich „Rock You like a Hurricane“. Gross war dann, umso mehr natürlich bei uns Mitbürgern, die Spannung wegen Gotthard, die in Kombination mit dem nachlassenden Regen ein beachtliches Publikum vor die Sweden Stage zogen. Nicht von Anfang an, sondern während dem ersten Song wurde auch gleich symbolisch das riesige Backdrop mit den Phoenix hochgezogen. Mehr als gut hielten sich unsere Südschweizer, auch Neuzugang Nick Maeder, welcher sang, als ob er schon immer bei Gotthard wäre. Der zu früh verstorbene Steve Lee wurde selbstverständlich auch erwähnt und mit einer einfühlsamen Version von „One Life One Soul“ geehrt. Ansonsten gabs härtere Kost aus der ganzen Karriere, wobei vor allem Klassiker wie „Hush“ oder „Mountain Mama“ den schwedischen Geschmack traf. Ein rundum solider Einstand auf skandinavischem Boden. Den ganzen Tag hing schon der grosse Bomber hoch oben auf der Bühne. Dann gegen 21:45 Uhr hiess es einmal mehr: "We are Motörhead, and we play rock'n'roll". Tja, was soll man da noch sagen? Immer wieder gut die legendären Songs zu hören und wenn dann eben noch der Bomber über den gut gelaunten Herren Kilmister, Campell und Dee hängt, dann gibt es schlicht nichts zu Nörgeln. (rxx)




 
 
Festival Stage

Will man eine sichere Bank, dann engagiert man Axel Rudi Pell. Der deutsche Gitarrist liefert, was man von ihm erwartet: soliden Melodic Metal. Mit gewohnter Virtuosität und mit Ausnahmemusiker wie Trommel-Tausendsassa Mike Terrana und Stimmwunder Johnny Gioeli an seiner Seite trotzte er dem Regen. Wer sich die folgende Show wegen des feuchten Wetters entgehen liess, der ist, jedenfalls in meinen Augen, ein Rockbanause. Viel zu selten nämlich kriegt man die legendären New Yorker Prog-Rocker Blue Öyster Cult in Europa nämlich zu Gesicht. Spielfreudig und auf technisch hohem Niveau, dafür ziemlich brav, zockte die Mannschaft um Buck Dharma und Eric Bloom Hits wie „Don't Fear the Reaper“ oder „Godzilla“, während andere frühe Klassiker wie „Veteran of Psychic Wars“ oder „Joan Crawford“ leider zugunsten neuerer Songs aussen vor blieben. Zumindest dieses Problem haben The Darkness noch nicht. Gerade mal zwei Alben haben die Briten seit ihrer Gründung vor 12 Jahren veröffentlicht, bevor man sich 2006 von Fronter und Showman Justin Hawkins trennte, um 2011 schon wieder mit ihm (jetzt mit Schnäuzer) zusammen zu finden. So sorgten die britischen Glam Rocker mit sämtlichen Hits, von „Growing on me“ und „Love is only a Feeling“ über „I Believe in a Thing Called Love“ bis „One Way Ticket“ für ausgelassene Party-Stimmung, begünstigt von der sich wieder blicken lassenden Sonne, und kredenzten dazu gleich noch vier neue Songs, die sich perfekt ins alte Material einfügten und eine abgefahren rockende Version der Radio-Head-Nummer „Street Spirit (Fade Out)“. Der Headliner Twisted Sister erschien da nur wie die logische Konsequenz. Mit Dee Snider als nimmermüden Animator zog die Truppe, um ein weiteres Mal zu beweisen, dass es kaum eine bessere Party-Truppe als die verdrehten Schwestern gibt. Dabei startete man mit „What You Don't Know (Sure Can Hurt You)“ und „The Kids Are Back“ eher unerwartet ins Set, um danach vor allem Klassiker wie „Stay Hungry“, „You Can't Stop Rock'n'Roll“ oder „The Price“ zum Besten zu geben, wobei die obligatorische Mitgröhl-Nummer „We're not Gonna Take it“ überraschend früh an die Reihe kam. Während Snider dem Regen den Mittelfinger zeigte, Mark Mendoza seinen Bass verprügelte und Eddie Ojeda seine Klampfe im Zeug herumschwang, war es Jay Jay French, der ganz unaufgeregt auf der musikalischen Seite brillierte. Auch wenn es stimmen mag, dass es „nur“ Rock'n'Roll ist („It's only Rock'n'Roll“), so stand nach dieser vor allem durch Snider energiegeladenen Show für so ziemlich jeden „S.M.F.“ fest: „I Wanna Rock“! (kis)

 
 
 


Samstag 09.06.2010
Zeppelin Stage
Nach Kälte, Wind und Regen kam sie dann also doch noch, die Sonne. Passend dazu eröffneten die schwedischen Glam-Entdeckung The Gloria Story mit fröhlichen Party-Tönen à la Kiss und Thin Lizzy, die trotz riesigem Kabelsalat auf der Bühne überzeugten, wenn auch nicht vor allzu vielen Leuten. Da konnten sich die Lokalmatadore von Bonafide schon über mehr Interesse freuen. Der klassische Hard Rock begeisterte das Publikum und wenn man zur Hymne „Fill your Head with Rock“ ein paar Dutzend Leute als Verstärkung auf die Bühne holt kommt das sowieso immer gut an. Unterstützt werden, das mussten Orange Goblin danach nicht im Geringsten. Reumütig entschuldigte sich Röhrviech Ben Ward dafür, schon so lange nicht mehr in Schweden gewesen zu sein. Dementsprechend euphorisch wurde der biergetränkte Brachial-Stoner der Briten goutiert, dessen Anfang blöderweise mit dem sphärischen Gig der Occult Rocker Year Of The Goat auf der Rockklassiker Stage zusammenfiel, welche sich meine Wenigkeit natürlich nicht hatte entgehen lassen können. All dies jedoch war nichts weiter als Pipifatz, verglichen mit dem, was sich bei Nationalteatern abspielte. Kein Schwein kennt diese 70er-Prog-Gruppe ausserhalb von Schweden. Innerhalb jedoch scheinen die angegrauten Herren einen grösseren Kult-Status zu geniessen als Polo Hofer mit seinen Rumpelstilz. An ein Durchkommen war rund um die Zeppelin Stage nicht mehr zu denken, so weit das Auge sah nur Schweden, die im glückseligen Chor die schwedischen Texte mitsangen, während alle internationalen Gäste nur verständnislos die Stirn runzelten und darauf warteten, endlich von Sacred Reich die lange überfällige Portion Thrash um die Ohren gehauen zu bekommen. Und die gab es dann auch, inklusive dem Alltime-Smasher „Surf Nicaragua“ versteht sich. Wem das noch nicht hart genug war, der blieb danach noch zu Cannibal Corpse, welche ein souveränes Best-Of-Set runterkrachten und dank dem verfrühten Schluss bei Mötley Crüe sogar noch als letzte Band auf den Brettern des Sweden Rocks standen. (kis)

 
Sweden Stage

Grosses Kino zur frühen Stunde boten Hell auf der Sweden Stage. Die Briten sind momentan in aller Munde und schnell wurde auch klar warum. Das Quintett zockt nämlich nicht nur astreinen 80's Metal, sondern fesselt auch mit einer dramatischen Bühnenshow. In deren Zentrum, der stimm- und schauspielgewandte David Bower, der sich mit Dornenkrone und blutverkrustetem Oberkörper für den Heavy Metal kasteite und folterte. Nicht ganz so tragisch, aber ebenso unterhaltsam: die Electric Boys. Vom einleitenden „Psychedelic Eyes“ bis zu den Hits „All Lips n' Hips“ und „Captain of my Soul“ groovten und rockten die Schweden über die Bühne und zwar in bester 70er-Manier, nicht nur soundtechnisch, sondern auch in Sachen bunter Bühnenoutfits. Ganz so locker waren danach Symphony X anzu-sehen. Unbestritten gehören die Amis zur Speerspitze des Prog Metals und auch heute machten die Flitzefinger ihrem Ruf als geniale Musiker alle Ehre. Nach der druckvollen und direkteren Darbietung von Adrenaline Mob am Vortag machte Fronter Russel Allen zumindest für mich einen etwas statischeren Eindruck. Dafür herrschte danach Rock'n'Roll-Gaudi pur, als Slade die Bühne betraten. Ein Unikum in der Rockgeschichte sind die britischen 70's-Helden und wenn auch nicht mehr in Top-Verfassung, so sassen die Glitzerhosen noch immer genauso wie unvergessliche Hits der Sorte „Cum on Feel the Noize“, das schmalzige „My oh my“ oder die Fidel-Folk-Nummer „Run Runaway“, bei welchem die Schweden mitgröhlten als gäbe es kein Morgen mehr. (kis)



Rock Stage

Als Auftakt der Rock Stage, gab es die legendeären und nicht mehr ganz so jungen Damen von Girlschool, die alles in allem zwar überzeugten, mit ihrem rotzigen Hard Rock in dunklen Clubs aber nach wie vor besser aufgehoben sind als am Samstag Mittag unter blauem Himmel. Putziger Gig! Danach kam Ex-Marillion Sänger Fish und verzauberte die überraschend vielen Leute mit eher nachdenklichen und sanfteren Tönen, natürlich auch aus dem Fundus seiner alten Hauptkapelle, zum Beispiel mit der ewigen Prog-Oper „Fugazi“ als grosses Finale. Dann kam eines der Highlights des Festivals. Die legendären Slaughter aus Las Vegas putzten alles weg. Musikprominenz wie Mikkey Dee und Dee Snider schauten von der Seite aus zu, während der Platz vor der Rock Stage nicht ganz gefüllt wurde. Mark Slaughter, etwas fülliger als auch schon, sang wie eh und je und Bassist Dana Sturm machte den Gummiball. Besonders erwähnt werden muss jedoch der neue Drummer Zoltan Chaney (Vince Neil-Band), welcher mit seinem übertrieben enthusiastischen und dabei trotzdem treffsicheren Gehaue alle Lacher auf seiner Seite hatte. Die zeitgleich auf der Rockklassiker Stage vor einem fast ebenso grossen Publikum rockenden All-Girl-Truppe Crucified Barbara liess man sich da gerne entgehen. Als Kult muss der Slaughter-Gig bezeichnet werden, doch was danach folgte, dass sprang jede Skala in Sachen „legendär“. Rar hat sich King Diamond in den letzten Jahren nämlich gesundheitsbedingt auf den Bühnen, besonders den europäischen, gemacht, sodass viele Zuschauer an diesem Abend ihr Diamond-Debüt erlebten. Und was für eines! In einer stilechten, durch Treppen verbundenen zweistöckigen Spukhaus-Kulisse mit leuchtenden umgedrehten Kreuzen und Pentagramm, jede Menge Nebel und Gittern am vorderen Bühnenrand startete der King mit „The Candle“ furios ins Set und bewies: sein unverwechselbares Falsett hält und erzeugt noch immer schaurig schöne Gänsehaut. Und wären die so theatralisch wie tight vorgebrachten Klassiker wie „Welcome Home“, „Up from the Grave“ oder „Sleepless Nights“ inkl. einiger Schauspieleinlagen nicht schon genug, hatte der Teufelskönig auch noch gleich eine ganze Schar Ehrengäste eingeladen. So gaben sich zum legendären Mercyful-Fate-Reisser „Come to the Sabbath“ Mercyful-Klampfer Hank Shermann zusammen mit Michael Poulsen von Volbeat die Ehre, während zur zweiten Zugabe „Halloween“ zwei alte Weggefährten des Kings, Michael Denner und Mikkey Dee (natürlich unter tosendem Applaus) auf die Bühne geboten wurden. Danach noch „Black Horsemen“ und schon war sie fertig, die alles verdammende Horror-Metal-Revue. Zu früh, das fanden viele der Zuschauer, doch auch die minutenlangen Sprechchöre scheuchten den Dänen nicht mehr auf die Bretter. Leider. (rxx)


 
 

Festival Stage

Bei blendendem, ja fast heissem Wetter eröffneten die Norweger Return den letzten Tag auf der Festival Stage. Die altbekannten Songs wurden von den Kennern abgefeiert, von allen anderen aber eher mit desinteressiertem Höflichkeitsapplaus abgetan, was nicht zuletzt am eher farblosen Auftritt der AOR-Truppe lag. Schade auch, dass es das erhabene „Room in your life“ nicht ins Set geschafft hatte. Ganz ähnlich lag die Ausgangslage bei Bad Company. Die britische 70er-Stadion-Truppe um Ex-Free-Sirene Paul Rodgers (in den letzten Jahren vor allem als Queen-Fronter unterwegs) überraschte aber mit einem beherzten Auftritt, welcher vom Publikum mit Mitsingen und -klatschen bedankt wurde. Insbesondere Rodgers zeigte an diesem Nachmittag, dass er immer noch in der obersten Gesangsliga mithalten kann. Ganz andere Kost gab es dann bei Lynyrd Skynyrd. Die Südstaaten-Rocker feierten einen Siegeszug sondergleichen. Mit altbekantnen Hits wie „Simple Man“, „Call me the Breeze“ und natürlich dem tausendmal gehörten Gassenhauer „Sweet Home Alabama“ und perfektem Barbecue-Wetter konnte ja auch einfach nichts schiefgehen und so gröhlte das Sweden Rock während den 90 Minuten Redneck-Riffs so laut wie sonst nie an diesem Wochenende. Zu guter letzte war dann Zeit für den Headliner Mötley Crüe. Tja, was soll man sagen? Vince kietschte Anfänglich ähnlich wie King Diamond, jedoch ungewollt, und dem Soundtechniker hätte man aufs Maul hauen sollen. Drums und Bässe bis zum Abwinken, als wäre man an einer Techno-Party und nicht an einer Rockshow. Ansonsten jedoch zockten die „Saints of Los Angeles“ einen ganz ansehnlichen Gig. Furios wurde mit der Hit-Parade „Wild Side“, „Live Wire“ und „Too Fast for Love“ ins Set gestartet. Während zwei leicht bekleidete Damen „Background-Sängerinnen“ auf der Bühne herumtänzelten, beackerten die Crües ihre Rollen, Neil als überraschend sprintaffiner Fronter, Nikki Sixx als fieses Bassmonster mit von der Decke schwingenden Hakenmikro und Mick Mars als schwarzweiss geschminktes Klampfengespenst. Interaktion zwischen den einzelnen Bandmitgliedern gab es, wie zu erwarten, dabei zwar wenig, doch sorgten kunterbunten Beamerprojektionen und samtene Vorhänge für das nötige Flair. Und natürlich durfte auch Tommy Lee's Solo-Einlage nicht fehlen. An einem Achterbahngestell hatte der sein Drumkit befestigen lassen, um sich daran im Kreis über den Kopf drehen zu lassen. Definitiv spektakulär anzusehen, während sein mit Electro-Beats unterlegtes Solo eher auf dem Niveau eines Musikschülers zu verorten war. Mit „Dr. Feelgood“ und „Girls, Girls, Girls“ gings dann zum ersten Mal hinter die Bühne, bevor der weisse Glitzerflügel auf die Bühne gerollt wurde, um zu „Home Sweet Home“ stilecht im Schmalz zu baden. Danach noch schnell „Kickstart my Heart“ und schon beendeten die Sleazer das Sweden Rock, indem sie mit ein paar Eimern Kunstblut noch die vordersten Reihen besudelten. (rxx)

Und dann war er da, der schlimmste Augenblick an diesem Wochenende, dann, wenn man realisiert, dass man wieder ein Jahr warten muss, um dieses Mekka des Rock'n'Roll erneut zu besuchen. Wo sonst nämlich gibt es ein ebenso hochkarätiges wie gemischtes Billing, eine ebenso relaxte wie frenetische Stimmung? Der erste Name des Billings verspricht jedenfalls schon Grosses für 2012: Niemand Geringeres als die Prog-Götter Rush werden nächstes Jahr Sölvesborg beehren und damit zum ersten Mal seit 35 Jahren eine Open-Air-Show auf europäischem Grund darbieten. Wir jedenfalls haben uns den 5. bis 8. Juni 2013 schon ganz rot und mit Herzchen (und süssen Totenköpfen) angestrichen, denn wir wissen ganz genau: „It's only Rock'n'Roll... but I like it!“