Livereview: Sweden Rock Festival 2015
03. - 06. Juni 2015, Norje, Sölvesborg (Schweden)
By Roxx (rxx), Kissi (kis), Roger W. (rog) Rockslave (rsl) - Pics by Roxx, Rockslave, Roger W.
Mit freundlicher Unterstützung von: Souls Of Rock Foundation und PhotoFrank


Man kann es einfach nicht anders schreiben: Das "Sweden Rock Festival" ist eines der besten der Welt. Und zwar nicht nur vom rund 90 Bands umfassenden Line-Up her, das jedes Jahr mit einer treffsicheren Mischung aus stadionwürdigen Headlinern (Def Leppard, Judas Priest, Mötley Crüe), unterschiedlichsten Szene-Helden (von Fish bis Meshuggah und wieder zurück), fast vergessenen Perlen (Rock Goddess, Lucifer's Friend) und neuen Platzhirschen (Ghost, H.E.A.T.) glänzt. Auch in Sachen Organisation, Infrastruktur und dem ganzen Drumherum von den Fressständen (der Blick danach auf die Waage war kein schöner) her bis zum relaxten Security-Personal ist kaum zu toppen.

So liess es sich Metal Factory auch dieses Jahr nicht nehmen und reiste wie immer mehr andere auch von der Schweiz nach Südschweden, um an der Nordmeer-Küste vier grandiose Festival-Tage unter (den Rock'n'Roll Göttern sei dank) meist blauem Himmel zu feiern. Wer sich wie geschlagen hat, welche Bands abräumten und welche man lieber abgeräumt gehabt hätte, das könnt ihr im Folgenden lesen, beziehungsweise in Form der besten Schnappschüsse anschauen. Und falls ihr Euch danach überlegt, ebenfalls einmal ins gelobte Land der verzerrten Riffs zu reisen, können wir mit gutem Gewissen raten: Tut es! (kis)

Mittwoch, 03.06.201
5

Rockklassiker Stage
Neu im Zelt (was uns unseren Presse-Camping-Platz kostete, aber darüber wollen wir nicht maulen) stellten kleinere, beziehungsweise abseitigere Bands auf der Rockklassiker Stage ihr Können unter Beweis. Morbus Chron verwandelten als erste den grauen Tag zu tiefschwarzer Nacht und liessen alle Fans von fiesem oldschool Teufelssound à la Venom oder frühen Bathory nostalgisch den Kopf schütteln. Nicht minder schattig, wobei man die Sonne an diesem Tag gerne mehr gesehen hätte, gingen es The Order Of Israfel an. Die norwegischen Doom-Shooting Stars überzeugten mit erhabenen Melodien, die dank tightem Spiel und charismatischer Ausstrahlung auch bei 10-minütiger Dauer noch fesselten. Jon English hingegen verstrahlte Lebensfreude pur. Wie schon letztes Jahr (damals unter nachmittäglichem Sonnenschein) mochte man sich als Nicht-Schwede fragen, warum man von einem Australier, der mit zweifellos superber Band nicht mehr als ordentlicher Melodic Rock spielt, so begeistert sein kann. Dank ein paar Bieren wurden wir es am Ende aber ebenso, denn sympathischer als Mr. English kann man gar nicht sein. (kis)

Sweden Stage
Die erste Band auf der so zu sagen heimischen Bühne war eine AC/DC-Coverband mit dem fast sinnfreien Namen Hazy/Dizzy. Das erzeugte schon zu Beginn gemischte Gefühle, die sich nachher nicht ganz bestätigten. Der Sänger klang immerhin sehr ähnlich wie Brian Johnson und der etwas angejahrte wie beleibte Angus spielte zwar gut, bewegte sich sonst aber eher hemdsärmlig. Die Setliste enthielt einige Klassiker und erstaunlicherweise auch Songs vom aktuellen Album. Insgesamt unterhaltend für ein Festival, mehr aber auch nicht. Die zweite Band Lillasyster genoss Heimbonus und das hörte man gleich von Anfang an. Das wurde noch dadurch verstärkt, dass die Gruppe auf schwedisch und nicht englisch sang. Frontmann Martin Westerstrand trug eine Art Kilt, getrimmt auf Militär-Look und ergänzt mit einer Art Fliegerkappe. Das Ganze sah ziemlich schräg aus und so kam auch die Musik rüber. Etwas in der Art von Lordi meets Disturbed oder so. Zwischendurch bratete es zwar ordentlich und einmal gab es zur Abwechslung auch akustische Klänge. Den Landsleuten von Lillasyster gefiel es auf jeden Fall und die spendeten schon fast frenetischen Applaus. In meinen Ohren klang es eher bierselig und schon bald austauschbar. Mit den Quireboys kam dann etwas Hochkarätigeres auf die Sweden Stage. Die Briten sind stets Garant für gute Konzerte, deren Gelingen jedoch davon abhängt, ob Frontmann Spike nicht zu angetrunken auf die Bühne steigt. Das Publikum hatte Glück und so durfte man ein entspanntes Konzert mit vielen Highlights geniessen, das sich wirklich gewaschen hatte. Die Band spielte tight wie fluffig zugleich auf und bot ihrem tänzelnden Chef den Rückhalt, den er brauchte. Der Hügel der Sweden Stage war gefüllt und bestätigte, wie angesagt The Quireboys in Schweden sind. Den Abschluss stellte D-A-D, die aber ohne ihren quirligen Bassisten Stig Pedersen auskommen mussten, der sich ein paar Tage zuvor den Arm brach. Sein Ersatz (mit vier Saiten) liess aber nichts anbrennen und so konnte der Rest der Band einen soliden Set runter reissen, der kaum was vermissen liess, was D-A-D ausmacht. Umrahmt von eigenwillig konstruierten Lichtinstallationen spielte der Headliner gute neunzig Minuten. Danach ging es wegen dem eisigen Wind schnell in Richtung Camper, um Energie für den zweiten Festivaltag zu tanken. (rsl)


4Sound Stage
Die Ehre, das diesjährige Sweden Rock zu eröffnen, hatten die einheimischen Kee Man Hawk. Mit einem warmen Gitarrenklang und ihrer Mischung aus Hard Rock und Southern Rock repräsentierten sie genau die Mischung, welche das Sweden Rock in den kommenden vier Tagen dominieren sollte. Zuerst etwas langsam, gewann die Band immer mehr an Fahrt. Diesen Schwung übernahmen die Stoner Rocker Abramis Brama. Vor bereits mehr Publikum zelebrierten sie einen süffigen Rock, der innerhalb der selbst gesetzten Stilgrenzen mit ziemlich viel Abwechslung glänzte. Eine ganz andere Baustelle fuhren die Kult-Metaller Hell auf. Die Engländer zelebrierten gemeinsam eine Messe, bei welcher Sänger David Bower im Mittelpunkt stand. Mit grossen Gesten schlug er sich das Böse aus dem Leib. Seine Stimme, zusammen mit überaus headbangbaren Rhythmen, liess die gefühlten Temperaturen zum Nullpunkt sinken. Wer sich dagegen wehrte, konnte dies mit ekstatischem Wippen zur Musik tun. Dies funktionierte auch bei Evergrey ausgezeichnet. Ähnlich verzweifelt wie Hell, dafür aber progressiver, setzten die Schweden zu einem deprimierten Triumphzug an - und gewannen. "We should leave this behind us" wurde jedenfalls für Evergrey in ihrem eigenen Land nicht zum Motto.(kis)


Donnerstag, 04.06.201
5
4Sound Stage
An diesem Donnerstag eröffneten die einheimischen Yardstones den Reigen. Sie spielten coolen klassischen Rock mit diversen Anleihen, unter anderem auch Guns n' Roses. Die Spielfreude war gross und die schon recht grosse Meute vor der Bühne feierte sie ab. Eindeutig mehr Leute fanden sich danach bei Steve 'N' Seagulls ein. Bekannt sind die Finnen vor allem aus Youtube, wo sie mit einer Banjo-lastigen Version von «Thunderstruck» auf sich aufmerksam machten. So coverten sie alte und neue Hard Rock wie Metalklassiker bis hin zu «Ich will» von Rammstein. Grossartige Show und viel Spass wurde auf eigenwillige Art und Weise vermittelt. Danach war Zeit für eine Legende. Kein Geringerer als Steve Grimmet, beziehungsweise Steve Grimmet's Grim Reaper stand auf der Bühne und überzeugte mit seinen Mitmusikern auf der ganzen Linie. Neben dem Mikroständer stand auch ein iPad, welches er offenbar als Teleprompter benutzte. Er machte daraus auch kein Geheimnis und gestand, dass manche Songs seit über dreissig Jahren nicht mehr gespielt wurden. Es sei ihm verziehen, denn wer immer noch so zu überzeugen vermag, darf eigentlich fast alles. Eine Woche zuvor noch bei der CD-Release Party von Crystal Ball in Luzern auf der Bühne, konnte man nun Noora Louhimo mit Battle Beast hier am "Sweden Rock" bestaunen. Es war ein regelrechter Triumphmarsch. Die Schweden scheinen diese finnische Band zu mögen. Sie frassen Nora praktisch aus der Hand. Den Abschluss des Tages auf der 4Sound Stage bestritten die einheimischen Bloodbath, die gleichzeitig mit Def Leppard spielten und deswegen halt nicht ganz so viele Leute anzogen. Trotzdem gaben sie ihr Bestes. (kis)


 
Sweden Stage
Mit modern angehauchtem Melodic Metal und einer für diese Zeit beneidenswerten Energie, moshten Delain den Besuchern vor der Sweden Stage den Schlaf aus den Augen. Unter der Ägide von Frontfrau Charlotte Wessels und Merel Bechtold an der zweiten Gitarre weiblich verstärkt, liessen die Holländer das Publikum hüpfen, klatschen und jubeln. Gemächlichere, um nicht zu sagen gesetztere Töne schlug nachher Fish an. Der Ex-Marillion Fronter und somit Prog-Lichtgestalt sagte "Farewell To Childhood" und euphorisierte damit seine Fans, während der Rest die britische Präzisionsarbeit als Melodie fürs Mittagsschläfchen missbrauchte (der Autor inklusive). Wegdämmern ging beim darauf folgenden Carl Palmer und seinem ELP-Legacy schlechter. Zwar ebenfalls 70ies-Prog, aber von der griffbrett-akrobatischen Seite rasten die Finger der beiden von Palmer zur Verstärkung geholten Musikstudenten über die Saiten, während das "P" in Emerson Lake & Palmer den Takt zu den instrumentalen Frickel-Orgien schlug. Das mochte Shred-Fetischisten und Hardcore-Palmerianer beglücken, den Rest jedoch kaum, nicht zuletzt, da die Versionen von «21st Century Schizod Man» (King Crimson) oder "The Barbarian" aus dem eigenen ELP-Fundus dann doch nicht umwerfend sauber daher kamen. Letzteres, also diese Sauberkeit, konnte und wollte man von Exodus nicht erwarten. Die momentane Besetzung mit Steve Souza am Mikro und dem mittlerweile als Dauerersatz für Gary Holt zu bezeich-nenden Kragen Lum (Heathen), lenkte von der Bühne her jeden Moshpit und so auch einen der wenigen überhaupt am Sweden Rock. Weniger aggressiv als sein Vorgänger Rob Dukes, dafür stimmlich in einer anderen Liga, liess Souza die abstrus genialen Gesangsmelodien von Klassikern wie «A Lesson In Violence» und natürlich «Bonded By Blood» aus der Versenkung direkt in die bangenden Gehörgänge knallen. Wer sicherlich auch einen Knall hatte, beziehungsweise sich wohl was geknallt haben musste, war Michael Monroe. Der drahtige Ex-Hanoi Rocker konnte schlicht nicht still stehen, kletterte auf Bühnenverstrebungen, sprang in den Fotograben, tanzte, "saxophonte" und turnte (der Mann kann den Spagat immer noch!). Musikalisch machte er auch mehr als eine gute Falle, denn letztlich kann man mit einer stürmischen Mischung aus Glam, Sleaze, Punk und Garage zu später Feierstunde eigentlich auch nichts falsch machen. (rxx)


Festival Stage

Es ist eher selten, dass Musiker am Sweden Rock offiziell zweimal zum Handkuss kommen. Nachdem The Quireboys bereits am ersten Festival-Tag aufspielen konnten, bekam deren Frontmann Spike, zusammen mit Musikern von unter anderem Thunder und Magnum, die Gelegenheit auf der grossen Festival-Stage zu performen. Dabei widmete sich man dem Liedgut von Frankie Miller, Free und mitunter Thunder. Nachdem die Gesangsstimme gestern noch ziemlich ok war, klang sie heute eher heiser. Dafür leuchtete eine frische rote Nelke im Revers. Musikalisch sicher hochstehend spielte sich die Allstar-Truppe durch einige Hits hindurch. Dabei durfte natürlich auch "Allright Now" nicht fehlen, also gerade richtig für den frühen Nachmittag. Etwas später, genauer um vier Uhr, kam dann mit Slash, wieder begleitet von Alter Bridge Shouter Myles Kennedy, ein anderes Kaliber. Der Platz vor der Festival Stage war proppenvoll und bot dem ehemaligen Lead-Gitarristen der Gunners das gewohnte Bild. Die bisherigen zwei Studio-Alben brachten tolle Songs hervor, die ebenso stadiontauglich wie die alten Schoten von Guns n' Roses sind. Mit dieser optimalen Mischung ging die Truppe beherzt ans Werk und liess nichts anbrennen. Dass aber nach wie vor die alten Songs von Axl & Co. die grössere Resonanz erzeugen, lässt die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Reunion des Jahrzehnts vielleicht doch noch irgendwann geschehen wird. Mit Toto folgte danach eine der besten, wenn nicht die beste Live-Band der Welt. Mainman und Gitarrist Steve Lukather entfachte einmal mehr ein Spektakel der Extra-Klasse. Es war einfach krass, wie gut diese Musiker zusammen harmonieren und jedes noch so kleine Detail sattelfest sitzt. Nebst ein paar neuen Songs des aktuellen Albums warteten die begeisteren und zahlrich aufmarschierten Fans natürlich auf die grossen Hits wie "Hold The Line", "Rosanna" und natürlich "Africa". Der Spagat zwischen diesen Klassikern und deutlich härteren Songs gelang mühelos und unterstrich die gute Wahl für das "Sweden Rock Festival". Der unbetrittene Headliner und Kracher waren dann zum Abschluss jedoch unbestritten Def Leppard, die insgesamt eine grandiose Vorstellung ablieferten. Angefangen bei Sänger Joe Elliot, der stimmlich absolut auf der Höhe war und Gitarrist Phil Collen, der vor Energie nur so strotzte. Ebenso erfreulich war die Tatsache, dass Vivian Campbell, der zweite Mann an der Klampfe, offenbar wieder soweit "gesund" ist und seine Kollegen tatkräftig unterstützte. Umrahmt von einer fetten Lightshow liessen es die tauben Leoparden ordentlich krachen und markierten so das bisherige Highlight des Festivals. (rsl)

Rock Stage
All That Remains bewiesen gleich zu Beginn ihres Auftritts Professionalität. Als gleich beim zweiten Lied der ganze Publikumssound verschwand, spielte die Band seelenruhig fertig und erntete dafür nicht nur viele Sympathien, sondern auch grossen Applaus. Die Amerikaner hatten also bereits gewonnen und nutzten dies auch für den Rest des Konzertes aus. Dabei suchten vorallem Frontmann Philip Labonte und Gitarrist Oli Herbert ständig den Kontankt zum Publikum. Children Of Bodom-Konzerte waren für ihre Fans in letzter Zeit eine Zitterpartie. Die bange Frage lautete: Wie gut fühlt sich Frontmann Alexi Laiho? Gut war die Antwort am Sweden Rock. Aber auch der neue Gitarrist machte eine äusserst gute Figur, so dass das mit vielen alten Liedern gespickte Programm alle Fans mehr als zufrieden stellte. Nie sorgen um leere Batterien müssen sich Airbourne-Fans machen. Und tatsächlich räumten die Australier mit ihrem Power Hard Rock alles ab, was möglich war. Das übliche "Bier mit dem Kopf öffnen" und das Bühnenaufbauten-Besteigen gehörten ebenso dazu, wie ein massives «Running Wild» zum Schluss des Sets. HammerFall in ihrem Heimatland Schweden zu sehen - ach wie cool ist das?! Sehr cool! Auch wenn die Setliste sehr derjenigen glich, welche sie bereits auf der Frühlingstour gespielt hatten. Einziger Unterschied: Ihr ehemaliger Bassist Fredrik Larsson ist zurück. Im Vergleich zur Tour fühlte ich zwar weniger Spielfreude, das schwedische Publikum frass der Band aber bis zum obligatorischen «Hearts On Fire» locker aus den Händen. Ach was haben sich unser Rockslave und unser Kissi auf Ghost gefreut. Und tatsächlich verhielten sie sich während dem Auftritt wie kleine Kinder, welche in einem Süssigkeitsladen eingesperrt sind. Nahm man die rosafarbene Brille ab, blieb auf jeden Fall ein gewaltiger Sound mit einer spannenden Mischung aus Pop, 70ies Prog Rock und Industrial Metal. Dazu kam eine an Okkultismus grenzende Inszenierung, bei der sämtliche Beteiligte bis zur Unkenntlichkeit maskiert waren. Mit neuem, bisher unveröffentlichen Material wie «Absolution», machten sie zudem Lust aufs nächste Album. (rog)
 
 
Rockklassiker Stage
Auch 2015 wurde die kleinste Bühne, wie jedes Jahr am zweiten Festivaltag, zur NEMIS Stage. Für «New Music in Sweden» steht das Kürzel, ein Ausbildungsprogramm für junge Musikerinnen und Musiker, und demzufolge Neues gab es zu entdecken, so etwa schon vor Mittag Maida Vale. Die all-female Retro-Truppe überzeugte dabei nicht nur optisch, sondern auch mit makellos vorgetragenem Schlaghosen-Rock zwischen Jefferson Airplane, Blues Pills und Shocking Blue. Von solidem Thrash (Deception, Wasted Shells) über Metalcore (Safemode) ging es mit dem Heavy Blues von Royal Ruckus dann wieder zurück in den 70ern, bevor Egonaut in rot-schwarzen Roben und mit einer schweisstreibenden Performance Modernes mit Altem, heisst Hard Rock, Stoner und Industrial-Anleihen vermischten. Komplett alle Genre-Grenzen rissen danach Seventribe ein. Mit unbändiger Energie hoppste und moshte die achtköpfige Chaostruppe über die Bühne und bewies, dass ihr Weirdo Metal zu später Stunde definitiv besser funktioniert als wenn sie - so geschehen am Sweden Rock vor ein, zwei Jahren - mittags eröffnen müssen. Neue Bands braucht die Welt und Schweden zeigte ein weiteres Mal, wie es geht. (kis)


Freitag, 05.06.2014
4Sound Stage
Eher gemächlich begang der dritte Festivaltag auf der 4Sound Stage. 80er Hard Rock mit einem Schuss Dio-Doom, ordentlich vorgetragen aber ohne wirkliche Hooks, damit weckten M.O.B. die Besucher. Dass die Schweden dabei schon seit 25 Jahren aktiv sind und es währenddessen nicht über einen Opener-Slot hinaus geschafft haben, spricht für sich selber. Um Spielfreude statt Talent ging es danach auch beim Playalong Guitar Battle. Zuerst füllte sich die Bühne mit circa vierzig Gibson-Fans, die allesamt AC/DC-like schrummelten, dann kamen ähnlich viele Fender-Freunde zum Zug. Dafür gab es danach Kult in Reinkultur: Rock Goddess waren in den 80ern, neben Girlschool, die zweite furiose all-female-Band der NWoBHM und seit eben dieser Zeit kaum mehr live zu sehen. Frontfrau Jody Turner musste ihrer Erinnerung zwar etwas nachhelfen und sich die ausgedruckten Texte auf den Notenständer pappen, ansonsten hatten die drei Ladies dem Alter überraschend gut getrotzt (von ein paar Falten natürlich abgesehen). So keifte und shreddete sich Jody kratzbürstig durchs Set, während ihre Schwester Julie an den Drums und Tracy Lamb am Bass ordentlich aufs Gaspedal drückten und Klassikern von "Satisfied Than Crucified" bis "Heavy Metal Rock'n'Roll" den nötigen Kick gaben. Etwas weniger selten, aber nicht weniger energetisch, beackerten Wolf die Bühne. Dass es die Schweden in ihrer mittlerweile auch schon 20-jährigen Karriere nie über die Support-Stufe hinaus geschafft haben, ist eine der grossen Ungerechtigkeiten des Heavy Metal und das machte das Quartett auch bei dieser Show mit tightem Spiel und ordentlich Wumms klar. Ähnlich tragisch liest sich auch die Geschichte von Lucifer's Friend, dem Freitags-Headliner auf der 4Sound Stage. Lange vergessen, wird die bis auf Fronter John Lawton (u.a. Ex-Uriah Heep) deutsche Truppe heute aber endlich wieder als das gefeiert, was sie sind: hervorragende Musiker, deren selbstbetiteltes Debüt von 1970 zurecht als Meilenstein der harten Gitarrenmusik gilt. Nicht nur, aber vor allem das Material dieser verzerrten Pionierleistung liess einen bei der ohne Schnickschnack, dabei umso mehr Feeling absolvierten Geschichtsstunde des Rock die unabwendbare Gänsehaut streicheln. Kult! (kis)



 
Sweden Stage
An Legenden mangelte an diesem "Sweden Rock" definitiv nicht, und so kamen bereits Frühaufsteher in den Genuss von Ex-Thin Lizzy Keyboarder Darren Wharton. Bei seiner eigenen Band Dare singt der Gute schönen schmerzlosen, teilweise auch etwas belanglosen AOR. Dem Publikum gefiel es und auch meine Wenigtkeit hatte zumindest dann Freude, wenn die 1985 gegründete Gruppe mal etwas die Handbremse lockerte. Ganz anders war es bei den schottischen Piraten-Metallern Alestorm. Hier regierte Spass und Geschwindkeit, was sehr viele Fans abfeierten. Mit dem wohl unpassendsten (wenn nicht gar peinlichsten) Backdrop uberhaupt, dirigierte Käptn Christopher Bowes seine Mannschaft durch Lieder wie «Keelhould», «Captn' Morgans Revenge» oder dem estnischen Eurovision-Lied «Wolves Of The Sea». Als Duetpartner hatte Bowes eine Affenhandpuppe dabei, welche den Spassfaktor des Auftritts ins Unendliche trieb. Nicht zurück zu Piratenzeiten, sondern in diejenige der Hippies führten anschliessend Blackberry Smoke das Publikum. Ihr gemütlicher 70ies Southern Rock passte, zusammen mit ihren Bärten und Jeanshosen, hervorragend zum vorabendlichen sonnigen Wetter. Die ersten Reihen sangen dabei jedes Wort lautstark mit, während hinten fröhliches Fusswippen zur aktuellen Mode erklärt wurde. Etwas enttäuscht über den Zuspruch des Publikums dürfte Pat Travers mit seiner Pat Travers Band gewesen sein. Dass es nicht an den gleichzeitig auftretenden Backyard Babies gelegen hat, machte ein Augenschein vor Ort schnell klar. Zu harmlos war der Sound, zu zurückhaltend die Bühnenpräsenz der Musiker. Dazu kam das ewige Problem der AOR-Bands: Zwischen tollem druckvollem Hard Rock und schönem Blues verpackte Pat Travers einfach zu viel Standard-Gesülze. Ganz anders präsentierten sich die jungen schwedischen Hard Rocker H.E.A.T. - Vor vollen Rängen zelebrierten sie neunzig Minuten Vollgas Hard Rock mit allen Klischees. Erstaunlich ist dabei nicht nur, wie gut die Lieder sind, obwohl sie eigentlich gar nichts Neues bieten. Auch Sänger Erik Grönwall sorgte für offene Münder, denn er schien nur ein einziges Ziel zu haben: Sich so zu verausgaben, dass er von der Bühne getragen werden muss! Diesen Zustand erreichte er aber zum Glück nicht. Wer die Schweden noch nie gesehen hat, hat bisher definitiv was verpasst. Hoffen wir, dass es mit ihnen nicht so wie mit Mötley Crüe geht, welche kurz vor den Lokalmatadoren die traurige Realität zur Schau stellten. Als zu spät Geborener kann ich dank H.E.A.T. nun wenigstens erahnen, wie die Auftritte vieler meiner 80er-Helden in ihrer Blütezeit waren! (rog)
Rock Stage
Den Freitag durften die Melo-Deather von Dark Tranquillity eröffnen. Ein Heimspiel für die Jungs um Mikeal Stanne. Die anwesende Meute feierte sie kräftig ab. Danach war Zeit für die Hardcore Legende Hatebreed. Mit viel Groove und einer Prise Thrash überzeugten die Amis. Ganz besonders der Gitarrensound der Gibson Les Paul war wunderbar anzuhören. Sänger Jamey Jasta beteuerte noch, wie dankbar er sei, zusammen an einem Festival mit Bands wie Mötley Crüe oder Molly Hatchet spielen zu dürfen. Tja, sowas gibt es wirklich nur am Sweden Rock. Ganz andere Töne folgten danach bei Dokken. Lange ist es her, seit der gute Don unsere Breitengrade besucht hat. Zwar etwas in die Jahre gekommen, aber immer noch ganz ordentlich mit Songs wie «The Hunter» oder «Kiss Of Death». Die spassige Kommunikation mit Drummer Mick Brown sorgte dabei immer wieder für Lacher. Bei der nächsten Band wurde es dann ziemlich voll vor der Rock Stage. Es war ja schliesslich der erste Auftritt von Backyard Babies nach fünf Jahren Abstinenz, und es war beinahe so, als wären Nicke Borg und Dregen nie getrennt gewesen. Geiler Dirty Rock'n'Roll der besten schwedischen Güteklasse wurde da gezockt! Bleibt zu hoffen, dass es nun so bleibt. Danach ging es mit einer weiteren schwedischen Legende weiter, jedoch der etwas anderen Sorte. Mit einer trotz der Vertracktheit alles niedermalmenden Riffwand gaben Meshuggah dem langsam ausgelaugten Publikum den Gnadenstoss. Die Präzision und Intensität die die Jungs an den Tag legten, kombiniert mit einer laserartigen Lichtshow, verliehen den Extreme Metal Helden einen beinahe schon ausserirdischen Anstrich, und so headbangten sich einige dazu wohl endgültig ins Mosh-Nirvana. (rxx & kis)
 
Festival Stage
Am dritten Festival-Tag eröffneten die Südstaaten-Rocker Molly Hatchet den Reigen auf der grössten Bühne des "Sweden Rock Festivals". Als Erstes fiel auf, dass Bobby Ingram der einzige Gitarrist war. Der schlechte Gesundheitszustand von Dave Llubek lässt es nicht mehr zu, dass dieser noch reisen, respektive auftreten kann. Das ist natürlich sehr schade, denn einst hatte man ja gar drei Klampfer am Start. Das Selbstbewusstsein litt jedoch nicht darunter und obwohl die grosse Bühne klar zu überdimensioniert war, lieferte die Band eine soweit solide Performance ab. Dies gefiel offenbar aber nicht allen gleich gut. Ich fands soweit ok, auch wenn da einiges an Power fehlte. Die ausgedehnten Soli von Bobby waren allerdings erste Sahne, hell yeah! Weil mich der Auftritt von Rock Goddess weitaus mehr interessierte als die 70er Ikone Manfred Mann's Earth Band, sah ich von dessen Auftritt nur noch den Schluss. Die obligaten Lieder an dieser Stelle waren natürlich «Davy's On The Road Again» und «Mighty Quinn». Die britische Kult-Band hatte kein Backdrop dabei und so wirkte es optisch kaum bis gar nicht. Den nicht so zahlreichen Fans gefiel es trotzdem. Opeth wirkten da schon bereits um einiges mächtiger, aber warm wurde ich dabei nicht. Der Düster-Prog eignet sich nur bedingt zum Abfeiern an so einem Festival, aber das kann man natürlich auch anders sehen. Die Schweden profitierten auf jeden Fall vom Heimbonus, wie das zahlreich aufmarschierte Publikum bewies. Meins wars indes nicht. Der Headliner des Freitags eher, aber die Gefühle waren gemischt, was mich erwarten würde. Fakt war, dass ich dafür die erste Live-Performance von Lucifer's Friend (mit Ex-Uriah Heep Fronter John Lawton) seit 28 Jahren so zu sagen opferte. Ich hätte es gescheiter nicht getan, denn schon bald sah man, warum Mötley Crüe keine Fotographen zuliessen. Frontkrächzer Vince Neil hat nämlich einige Pfunde zugelegt und sah wirklich aufgedunsen aus. Stimmlich waren ja eh keine Wunder zu erwarten und von da her gings gerade noch. Der grosse Rest wirkte allerdings reichlich uninspiriert und markierte für mich die Enttäuschung des ganzen Festivals. Hoffentlich wird das bei der Hallen-Abschiedstour im November besser, zumal von zusätzlichen Showelementen ausgegangen werden kann. (rsl)
Rockklassiker Stage
Nach den Newcomern am Vortag war die Zeltbühne nun wieder in der Hand etwas grösserer Namen. Der One-Man-Rocker Scott H. Birham machte dabei den Anfang und kredenzte zum Mittag eine räudige Mischung aus Rock'n'Roll, Country und Blues - ein Hillbilly-Mix, der in Schweden immer funktioniert. Was aber noch besser geht: Metal-Hits zum Mitsingen und die bot der mittlerweile zur Tradition gewordene Auftritt der Rockklassiker Allstars im Dauerfeuer, namhafte Gastmusiker und -Sänger inklusive, die wir leider nicht wirklich zu Gesicht bekamen, da das Zelt schon von Beginn weg bis auf den letzten Quadratmeter gefüllt war. Nicht viel weniger Leute zogen danach Evergrey vor die Bühne, die nach ihrem elektrifizierten Auftritt am Mittwoch auch akustisch die Gunst des Publikums für sich gewinnen konnten. Das gelang Kaipa Da Capo zwar auch, doch der an Yes oder Kansas erinnernde Prog Rock der schwedischen Veteranen beglückte eher eine kleinere Nische. Gloryhammer hingegen kamen, sahen und siegten mit ihrem Power Metal und da ja mit Thomas Winkler ein Schweizer am Mikro stand, durfte man schon etwas Nationalstolz empfinden ob dem Jubel, den die Drachen- und Schwerter-Metaller um Alestorm-Mastermind Christopher Bowes auslösten. Mehr Applaus gab es danach erst wieder für Tony Carey, als sich dieser auf seine Anfänge besann und die unsterblichen Keyboard-Lines von Rainbow performte, etwa "Tarot Woman" mit seinem epischen Synthie-Intro und Age Sten Nilsen von Wig Wam am Gesang. Vom Regenbogen ging es dann am Ende noch runter in die Hölle. Marduk pechschwefelten wie gewohnt grantig, liessen den Black Metal-Panzer alles niederrattern. (kis)
Samstag, 06.06.2015

4Sound Stage
Mittags um halb Zwölf ging es schon heftig los. Die beinahe All-Girls Band von Frantic Amber rief auf zum wilden Tanz. Mit ihrem Death Metal artigen Sound und vor allem der Optik, mochten die Ladys schon zahlreiche Leute vor die Bühne zu ziehen. Danach folgte der Auftritt der amerikanischen Metal-Legende Exciter! Das kultige Trio, das im April bereits ein Highlight des "Keep It True"-Festivals war, zog sich nun auch im hohen Norden mehr als achtbar aus der Affäre. Drummer und Leadsänger Dan Beehler, mittlerweile auch über 50 Jahre alt, jappste allerdings immer wieder nach Luft, doch seinem immer noch energetischen Spiel tat das keinen Abbruch. Das Gleiche galt ebenso für Gitarrist John Ricci und Bassist Allan Johnson, die mit «Heavy Metal Maniac» und zahlreichen weiteren alten krachern voll punkten konnten. Eigentlich hätten um 16.00 Uhr dann "unsere" Eluveitie die 4Sound Stage zerlegen sollen. Leider geriet bei der Anreise einiges an Material und Instrumente etwas auf Umwege, so dass unsere Kelten ihren Gig auf 22.30 Uhr verschieben mussten. Dies war auch nur möglich, weil My Dying Bride ihren 22.30 Uhr Gig komplett absagen mussten. So passierte ab 16.00 Uhr Uhr auf dieser Bühne absolut nichts. Weiter ging es dann erst wieder drei Stunden später mit der australischen Rocklegende The Angels. Die Jungs spielen schon seit den frühern 70er und ihr Auftritt hier konnte so zu sagen als historisch betrachtet werden. Dann endlich war es soweit und anstelle von My Dying Bride legten Eluveitie los. Leider spielten zeitgleich auf der grossen Festival Stage die legendären Judas Priest. Trotzdem konnten Elu' eine ansehnliche Menge an Zuschauern vor die Bühne locken. Chrigel erzählte dabei die Geschichte über die Anreise und warum der Bassist zwischenzeitlich "verloren" ging. Anna Murphy fragte dann die Schweden, ob sie "Call Of The Mountains" auf Englisch oder lieber auf Schwyzerdütsch hören wollen. Das Feedback war eindeutig und so schallte "De Ruef vo de Berge" über das schöne Südschweden hinweg. Der Auftritt fand grossen Zuspruch und spätestens beim Hit "Inis Mona" war klar, dass hier verdammt viele Leute auch wegen Eluveitie gekommen waren. (rxx)
 
Sweden Stage
The Sirens, das ist das gemeinsame Projekt dreier prominenter Metal-Ladies, genauer Anneke van Giersbergen (Ex-The Gathering), Liv Kristine (Leaves' Eyes) und die bei uns etwas weniger prominente Kari Rueslatten (3rd and the Moral). Ein paar eigene Songs, hauptsächlich aber Material von ihren (Ex-)Hauptbands performten die drei sich gegenseitig mit Lobhudeleien überhäufenden Damen und machten damit die Symphonic/Gothic Metal Fraktion selig. Um Seligkeit, wenn nicht gar Heiligkeit ging es danach auch bei Jerusalem. Zwar war ich zugegebenermassen etwas enttäuscht, als ich begriff, dass es sich dabei nicht um die britischen Proto-Metaller, sondern um die schwedischen Christen-Rocker aus den 80ern handelte, doch legte die Truppe um Original-Sänger und Gitarrist Ulf Christiansson einen sauberen Auftritt hin und liess sich die Spielfreude trotz überschaubarem Publikum nicht nehmen. Deutlich dreckiger ging es danach bei Nuclear Assault zu und her. Die 80's Thrasher kreissägten sich wie eh und je durch Mosher wie "Brainwashed" oder "Rise From The Ashes" hindurch und brachten dabei die Nackenmuskeln des Publikums an den Anschlag, während die Sticheleien, um nicht zu sagen Pöbeleien zwischen dem kumpelhaften Fronter John Connelly und dem wie gewohnt angepisst wirkenden Bass-Hühnen Danny Lilker eher die Lachmuskeln attackierten. Nicht weniger heftig, aber eine Spur erhabener schickten sich Gojira an, alles in Schutt und Asche zu riffen. Die Franzosen waren an Tightness nur noch von ihrem Lichtmann zu überbieten, der während der Dämmerung alles aus den Scheinwerfern und Nebelmaschinen rausholte. Das kam (zumindest für mich) zwar nicht ganz an die Mosh-Bewusstseinserweiterung von Meshugga am Vortag heran, bewies aber eindrücklich, dass Gojira mittlerweile zu den ganzen Grossen des modernen Metal zu zählen sind. Wortwörtlich heiss ging es am Ende bei Behemoth zu und her. Die polnische Black Metal Macht verwandelte die Sweden Stage zum Festival-Abschluss in ein perfekt inszeniertes Inferno aus Flammenwerfern, Fackeln, Blitzlicht und finsterfiesem Schwarzmetall, welches weit über die Subgenre-Grenze hinaus für Begeisterungsstürme sorgte und das diesjährige Festival furios beendete. (kis)

Rock Stage

Pünktlich um 12.00 Uhr mittags stieg die in ihrem Heimatland ziemlich populäre Band Mustasch auf die Bühne und dieses Jahr gebührte ihnen das vorgängige Zelebrieren der schwedischen Nationalhymne. Ein alljährlicher Brauch beim "Sweden Rock", wo man jeweils sofort merkt, dass man hier stolz auf sein Land ist. Nach dem so zu sagen offiziellen Teil wurde dann auch noch gerockt und das nicht zu knapp. Live kommen Mustasch noch eine Prise härter daher und die orchestrale Begleitung (ab Band) wirkt allenthalben zwar etwas überladen, aber genau das ist ja eines der Markenzeichen. Die Stimmung war gut und der Zuspruch gründete nicht nur auf dem Heimbonus. Die nächste Truppe auf der Rock Stage kam aus den Staaten, hiess Riot V und geht im Kern natürlich zurück auf die unvergessenen Riot, die in den frühen 80ern kultigen Power Metal spielten. Nach dem Tod von Ur-Gitarrist Mark Reale (2012) schien die Sache gelaufen, doch mit dem neuen Frontmann Todd Michael Hall (Jack Starr's Burning Star, Reverence) wird die Geschichte unter leicht verändertem Namen weiter geführt, und wie! Die Performance von Riot V war gnadenlos geil und Hall zeigte einmal mehr, mit was für einer fantastischen Stimme er gesegnet ist. Auch die nächste Gruppe kam aus Amerika und stellte mich vor eine ungemütliche Wahl, denn auf der Sweden Stage spielten Nuclear Assault im genau gleichen Zeitfenster. Meine Wahl fiel schliesslich auf Mothers Finest und ich sollte dies nicht bereuen. Es gibt nämlich keine andere härtere Funk-Rock Crossover Band auf der ganzen Welt, und wer die immer noch blendend aussehende Frontfrau Joyce Kennedy, zusammen mit (ihrem Gemahl) Glenn „Doc“ Murdock und mitunter den alten Weggefährten Gary „Moses Mo“ Moore (g) sowie Jerry „Wyzard“ Seay (b) gesehen und gehört hat, weiss um die absoluten Live-Qualitäten dieser Truppe. So kam das zahlreich aufmarschierte Publikum in den Genuss von 75 Minuten, die nebst neuerem Material natürlich auch mit Klassikern wie «Mickey's Monkey» oder dem unverzichtbaren «Baby Love» glänzten. Meine persönliche Live-Premiere mit Extreme brauchte hingegen etwas mehr Anlauf. Obwohl ich nie ein grosser Fan der Funk-Metaller aus Boston war, anerkannte ich die unbestrittenen Fähigkeiten von Gitarrist Nuno Bettencourt. Als dann 1991 der Chart-Erfolg mit «More Than Words» kam, interessierte mich die Gruppe danach noch weniger. So gingen die Jahre dahin, Sänger Gary Cherone gab seinen kurzen Einstand bei Van Halen und Nuno war solo unterwegs. Spätestens mit dem Album «Saudades De Rock» (2008) meldeten sich Extreme zurück und im letzten Sommer trat die Ur-Formation erstmals wieder in Deutschland auf. Das heutige Konzert war demnach also schon was Besonderes und je länger es dauerte, desto besser wurde es. Spätestens bei «Get The Funk Out» war die Stimmung gleich wie vorher bei Mothers Finest und das Fazit am Schluss mehr als positiv. Gleichzeitig wie Behemoth auf der Sweden Stage, war es schliesslich an The Darkness, als finale Band der Rock Stage die letzten Energien frei zu setzen. Neu mit Rufus Taylor (Sohn des Queen Drummers Roger Taylor) zogen die Briten ordentlich vom Leder, wobei Fronter Justin Hawkins, der ein paar Stunden später im gleichen Flugzeug nach Zürich (ab Kopenhagen) wie wir sass, zu Beginn voll den Asi heraus hängte, aber das gehört halt irgendwie dazu bei ihm. Im Set standen auch Songs des brandneuen Albums «Last Of Our Kind», wo es stellenweise bös nach The Cult klingt. Das Konzert war ok, aber der Biss der Anfangsjahre ist weg und die Überraschungsmomente blieben mehrheitlich aus. (rsl)
 

Festival Stage

Andere Länder, andere Sitten. Es ist immer wieder erstaunlich, wieviele Fans gewisse Bands an ausländischen Festivals vor die Bühne ziehen. Dies gilt auch für Hardcore Superstar. Für Sänger Joakim Berg schien es hingegen die normalste Sache der Welt zu sein, und so nutzte er jeden Zentimeter der grossen Bühne, animierte da und dort und konnte am Ende des stündigen Sets als verdienter Sieger gesehen werden. Nichts mehr zu beweisen braucht der legendäre Ex-Kiss Gitarrist Ace Frehley. Traumwandlerisch sicher bot er ein Solo-Set, in welches er zur Freude des Publikums Kiss-Klassiker à la «Love Gun» und «Shook Me» einbaute. In alter Tradition seines ehemaligen Arbeitgebers liess Frehley jeden seiner Musiker mindestens ein Lied singen und selbst die rauchende Gitarre durfte nicht fehlen. Von der Vergangenheit in die Zukunft ging es mit Five Finger Death Punch. Nachdem ich die Band bereits auf dem letztjährigen Wacken Open Air ohne Vorkenntnis dufte fand, überzeugten mich die Amerikaner in Schweden nun vollends. Dabei wunderte ich mich über das Teenie-Gekreische in den ersten Reihen und über reihenweise verteilte Luftküsse der an sich krass gestylten Musiker. Anfänglich noch als reine Lärm-Band abgetan, offenbarten Five Finger Death Punch mit jedem neuen Lied eine unglaubliche Musikalität und eine schier grenzenlose Stilfreiheit mit tollen Liedern. Weitere Sympathiepunkte gab es für das Judas Priest-T-Shirt von Sänger Ivan Moody. Was er nicht wusste, war, dass er an diesem Tag sogar seine Vorbilder schlagen würde. Zumindest was die Stimmung im Publikum betraf, denn was die Priester danach boten, war ohne Zweifel grundsolide, aber nicht mehr. Rob Halford und seine Gefolgschaft verliessen sich auf ihre Lieder, welche mit einigen Filmsequenzen untermalt wurden. Wer will da schon mit Rumgehampel von dieser mächtigen Essenz ablenken? Die Songauswahl war indes ebenso gefestigt und entsprechend äusserst sparsam mit neuen Liedern gespickt. Neugitarrist Richie Faulkner könnte hingegen der Band den nötigen optischen Kick verleihen. Aber eben..., könnte. Zwar nicht so schlecht wie Mötley Crüe, aber weit hinter Def Leppard schafften es Judas Priest trotz Klassiker-Katalog nicht, das Publikum in gleicher Art und Weise zu fesseln. Und so wurden die Reihen langsam lockerer und das Gequaschte der Leute lauter. Trotzdem: Klassiker bleibt Klassiker und Rob Halford unser Metal-God! (rog)


 
 
Rockklassiker Stage
Zwar hielt und halte ich In Solitude (R.I.P.) noch immer für die talentierteren King Diamond-Jünger, doch lag es wohl eher an der Zeit denn an Portrait, dass ihr von Mercyful Fate inspirierter 80ies Heavy Metal nicht so recht zünden wollte. Danach frönten die Schweden wieder ihrer liebsten Beschäftigung neben dem Bier trinken: dem Mitsingen. Torsson bewiesen, dass auch Prog Rock zu Publikumschören führen kann, so lange die Lyrics auf Schwedisch sind, und als mit Dan Hylander einer der ganz Grossen des skandinavischen Rocks auf der Bühne stand, gröhlte das ganze Zelt, als gäbe es was zu gewinnen, und ich stellte mir zum besseren Verständnis vor, Polo Hofer würde am Greenfield spielen oder so. Grave Pleasures boten darauf ein ziemliches Kontrastprogramm. Die aus dem Underground-Hype Beastmilk hervor gegangene und um Linnéa Olsson (ebenfalls aus einer Underground-Hype-Band und zwar The Oath) an der Gitarre ergänzte Truppe überzeugte mit düsterem Sound zwischen Joy Division, Gothic und Occult Rock, kämpfte dabei aber leider mit etwas plärrendem Sound. Kaum fertig, belagerten dann auch schon Teenies die ersten Reihen. Die Schweden Avatar scheinen wirklich auf bestem Weg zu sein, in die Fussstapfen von Marilyn Manson, Rob Zombie und Co. zu treten, liessen sie das junge Publikum mit ihrem zwar nicht gerade originellen, stampfenden Industrial Rock und einer satten Performance ausrasten. Dagegen wirkten Refuge zumindest für mich eher unnötig. Die reformierte Erst-Besetzung von Rage unter neuem Namen mit Peavy Wagner (Rage), Manni Schmidt (Ex-Grave Digger) und Chris Efthimiadis (Ex-Running Wild) darf zwar gut und gerne als Kult in Sachen deutschem Heavy Metal bezeichnet werden, doch so richtig in Fahrt kam der Dreier nicht wirklich, auch wenn frühe Rage-Nummern wie «Firestorm», «Enough Is Enough» oder eben «Refuge» zumindest manchen Fan der Band eine Nostalgie-Träne wegwischen liess. Dass danach auch Samael nicht gerade für fröhliche Party-Stimmung sorgen würden, war anzunehmen, lag aber natürlich nicht an der Darbietung unserer Landsmänner, die so intensiv und aufopfernd war wie eh und je, sondern am Sound an sich. Unter viel Rot-, Blitzlicht und Nebelmaschinen-Einsatz lieferten die Schweizer ein heftiges Industrial-Happening ab, das manche wohl genauso verstörte wie es andere verzückte. (kis)