Livereview: Sweden Rock Festival 2017
07. – 10. Juni 2017, Norje, Sölvesborg (Schweden)
By Roxx (rxx), Kissi (kis), Tinu (tin) & Rockslave (rsl) - Pics by Roxx, Tinu & Rockslave


Nach 2013, 2015 und 2016 stand heuer meine vierte “Sweden Rock”-Festival Sause an. Der Live-Bericht hierüber heisst natürlich nichts anderes, als dass das Ganze leider schon wieder Geschichte ist! Doch nach dem Festival heisst zumindest im Falle dieses Kultanlasses postwendend vor dem nächsten Festival im kommenden Jahr. Metal Factory war dieses Jahr wiederum mit einem (nagelneuen!) gemieteten Camper vor Ort, und der harte Kern mit Cheffe Roxx, Langhaar-Träger Kissi und meine Wenigkeit erhielt diesmal Zuwachs mit „El Tino“ Martin Fust, der seine Premiere in Sölvesborg bestreiten durfte. Mit über achtzig Bands (!), die sich auf total vier Tage verteilten, war das Billing abermals fett und wiederum prominent besetzt. Die beiden Blockbuster waren Aerosmith (auf Abschieds-Tour) und die Scorpions (immer noch auf „Abschieds-Tour“?!). Weitere Gäste auf der grossen Festival-Stage waren mitunter Alter Bridge, Mustasch, Gotthard, Doro Pesch’s Warlock, Thunder, Rival Sons sowie In Flames und klingende Namen der Währung Venom, Saxon, Edguy, Steel Panther, Kix, Helix, Treat oder Ratt gabs zuhauf oben drauf. Nicht zu vergessen: Lucifer’s Friend! So war das Mahl für zahlreiche Geschmäcker erneut üppigst angerichtet.

Im Wissen darum, dass dieser Event bisher immer friedlich sowie ohne grössere Zwischenfälle abgehalten wurde und für die Region stets ein kulturelles wie wirtschaftliches Jahreshighlight darstellt, stellte sich im Umfeld des ganzen Terror-Wahnsinns in Europa die berechtigte Frage, ob auch hier spürbare Auswirkungen davon zu spüren sein werden. Die Antwort ist „ja“, wenn auch augenscheinlich nur durch sehr grosse in einen Zufahrtsweg gestellte Beton-Sperren, die kleinere Hindernisse (die bis letztes Jahr gänzlich fehlten), ergänzten. Die sichtbare Überwachung des Festivals und dem Gelände darum herum durch Security und Polizei schien nicht merklich aufgestockt, aber ich bin mir sicher, dass eine erhöhte Bereitschaft erstellt wurde. Wären ereignisbedingt Einsatzkräfte nötig gewesen, hätte es wohl nicht lange gedauert, bis diese da gewesen wären. Eigentlich eine unschöne, aber traurige Tatsache der Gegenwart. Um es gleich vorweg zu nehmen: Passiert ist nichts, zumindest machte es den Anschein, dass alles seinen gewohnten Lauf nahm und der bewährte Mix aus lokal angesiedelten Besuchern wie Metalheads aus aller Welt feierte die 26. Ausgabe des „Sweden Rock“- Festivals so wie immer schon, nämlich friedlich und ausgelassen! (rsl)

Mittwoch, 07.06.201
7

4Sound Stage
Emma Varg stand als erste Truppe auf der Bühne und eröffnete die 26. Ausgabe des Sweden Rock Festivals. Die Schweden um Sängerin und Namensgeberin Emma Varg rockten sich mit viel Gefühl in die Herzen der Besucher. Herausragend war die Stimme von Emma und die Songs, die sich mit der richtigen Portion Melodie, ohne gross nachzufragen, sofort in die Gehörgänge der Anwesenden frästen. Der Fünfer erfindet die Musik nicht neu, bietet aber coole Kost, die man sich problemlos nochmals anhören kann. Mit Art Nation folgte der nächste schwedische Happen auf der 4Sound Stage. Mit bisher zwei veröffentlichten Alben scheinen die Dame (am Bass) und die Herren in Schweden ein kleiner Geheimtipp zu sein. Zumindest liessen dies die Reaktionen des Publikums erahnen. Eine Spur melodischer als Emma Varg grinste sich Sympathikus Sänger Alexander Strandell in die Herzen der (weiblichen) Fans. Was bei mir auf Tonträger einen sehr guten Eindruck hinterliess, konnte mich auf der Bühne jedoch nur teilweise überzeugen. Da wirkte alles ein bisschen zu steif und alleine die mitreissende Präsentation von Alexander reichte eben nicht aus, um Art Nation später auftreten zu lassen. Am AOR-Sound der Schweden lag‘s definitiv nicht, denn der wusste zu gefallen. Am Ende der Show schien die Band aber das Publikum auf seiner Seite zu haben und konnte mehr als nur einen Achtungsapplaus für sich verbuchen.

Grand Magus trumpften anschliessend mit fetten Riffs auf der Stage auf und sahen sich einem immer kühler werdenden Wind gegenüber gestellt. Als kampferprobte Metal-Gladiatoren liess sich das Trio aber nicht aus dem Konzept bringen und spielte unbeirrt einen sehr soliden Gig, der dank der fetten Gitarrenwand sofort punkten konnte. Man kann über die Truppe denken wie man will, entweder man mag sie, oder man mag sie eben nicht, aber es gibt wohl kein Publikum, das sich dem Charme der Schweden entziehen kann. Der schwedische Wettergott schien allerdings kaum Gefallen an der Darbietung zu finden, zogen doch dunkle Wolken auf und liessen erahnen, was bald passieren würde. Allerdings konnten die Mannen um Janne Christoffersson den Gig mehr oder weniger noch im Trockenen Gig beenden. Ganz anders erging es den Mannen um Chris Boltendahl. Grave Digger zogen neben den Black Star Ridersswohl die grösste Arschkarte des gesamten Festivals. Kurz bevor die Deutschen die Bühne betraten, goss es nämlich wie aus Kübeln! Somit zog es sehr viele Besucher ins Zelt der Rockklassiker Stage, wowohl die grösste Arschkarte des gesamten Festivals. Kurz bevor die Deutschen die Bühne betraten, goss es nämlich wie aus Kübeln! Somit zog es sehr viele Besucher ins Zelt der Rockklassiker Stage, wo Myrkur ihren Auftritt absolvierten. Der Regen zog fast waagrecht seine Bahnen, und wenn Grave Digger-Trommler Stefan Arnold seine Cymbals verdrosch, wurde er durch das Wasser auf selbigen förmlich geduscht. Auch seine ansonsten hervorragende Stick-Show wurde durch den Wind beeinträchtigt. Trotzdem blieben sehr viele Fans vor der Bühne stehen, huldigten dem Metal und wurden durch ihn geheilt. Das versprach zumindest der Opener «Healed By Metal». Das Quintett kämpfte sich durch den Regen und die Kälte hindurch, blieb eisern stehen und liess Chris mit einem breiten Grinsen sagen: «Das ist Schwerstarbeit». Je länger der Gig dauerte, desto besser wurde die Stimmung, und so verliessen die Deutschen die Bühne im Bewusstsein, den besten «Sweden Rock Festival»-Gig ihrer Karriere abgeliefert zu haben. Dies auch dank der alten Klassiker wie «Heavy Metal Breakdown», «Rebellion» und «Dark Of The Sun», oder den neueren Nummern wie «Lawbreaker» und «Season Of The Witch». Die Jungs trotzen nicht nur dem Wetter und den misslichen Umständen, sondern auch dem wohl schlechtesten Bühnensound der fünf Stages. (tin)

Sweden Stage
Der erste Festivaltag am „Sweden Rock“ beginnt stets am späteren Nachmittag und lässt einen somit „sanft“ in die bevorstehenden vier Tage einsteigen. Während Emma Varg auf der 4Sound Stage die Ehre des Festival-Openers innehielt, folgte auf der grösseren Sweden Stage eine wiederum heimische Tribute-Band, die sich folgerichtig A Tribute To Led Zeppelin nannte und vor erstaunlich grosser Kulisse ein Potpourri der grössten Zep-Hits zum Besten gab. Dass sowas leicht in die Hose gehen kann, liegt nahe, und schon der ausdruckslose wie viel zu unscheinbare Sänger war trotz passablem Gesang die totale optische Fehlbesetzung. Für ein Festival dieser Art ging die Rechnung trotzdem auf, aber ich zog mich alsbald angewidert aus dieser Zone zurück, und dass mit Niklas Matsson der Bonafide-Drummer hinter den Kesseln sass, rettete die Chose nicht im Geringsten, aber der zustimmende Applaus sprach für sich selber. Mit den Black Ingvars stieg danach nochmals einheimisches Musikschaffen auf die Bühne. Gemessen an der schon beinahe euphorischen Reaktion des sich hier klar in der Überzahl befindenden Lokalpublikums muss die Truppe in der Heimat ziemlich angesehen sein. Während unsereins „aus dem Süden“ angereist keinen blassen Schimmer von dieser Combo hatte, zelebrierte sich die selbstbetitelte „Dance Metal Band“ mit mächtig Spass und ansteckender Spielfreude. Alle nicht aus Schweden stammenden Fans liessen sich offensichtlich gerne von der guten Stimmung anstecken, und so erfüllten Black Ingvars ihre Aufgabe als Performer wie Entertainer mit Bravour. Neben Kix und Ratt richtete sich mein Augenmerk mitunter auch auf die Kanadier von Helix, die ich hier zum allerersten Mal überhaupt (!) live erleben durfte, da ich sie 1983 als Vorband von Kiss in Basel leider nicht gesehen hatte, was für ein Fehlentscheid! Der knackige Hardrock, der vor allem in den 80ern in den USA die stärksten Momente hatte, funktionierte hier auch nach über 43 Jahren (!!) seit der Gründung noch locker, und auch wenn der Zahn der Zeit an Frontmann sowie dem einzig verbliebenem Ur-Mitglied Brian Vollmer sichtlich genagt hat, lieferten die Canucks im jetzigen Line-Up amtlich ab und erfüllten die hohen Erwartungen vollends. Dass ich somit, respektive mitunter in den Live-Genuss von «Wild In The Streets» kam, war einfach nur geil und mein erstes Festival-Highlight. Die letzte Band des ersten Tages auf der Sweden Stage waren die Black Star Riders, und dass die mit Sicherheit abgeliefert haben, steht ausser Frage. Das Problem hierbei war jedoch plötzlich ziemlich garstiges, sprich nasses Wetter. Wie zuvor schon bei Grave Digger, schüttete es immer noch kübelweise, und unter solchen Bedingungen war es schlicht unvernünftig Fotos zu machen und einen frühen Totalausfall meiner nota bene nagelneuen Kamera zu riskieren. So schätzte ich auf dem vorzeitigen Rückmarsch in Richtung Camper mehr den Erwerb meiner neuen wind- und regenabweisenden Jacke als die Songs der Black Star Riders. (rsl)

Rockklassiker Stage
Dass die kleinste Bühne alles andere als ein Nebenschauplatz am Sweden Rock ist, beweist der Opener Lost Society schon aus dem Stand heraus. Verdammt jung, verdammt talentiert und verdammt spielfreudig sind die finnischen Modern Thrasher, dass der erste Moshpit nicht lange auf sich warten lässt. Hätte Fronter Samy Elbanna es nicht selber gesagt, würde wohl niemand auf die Idee kommen, dass das Quartett an diesem Abend seinen Einstand auf schwedischem Boden zelebriert. Ohne Debüt-Bonus, dafür in golden glitzernden Overalls mit Schlag rocken nachher Heavy Tiger das Zelt. Das all-female Glam Rock-Trio macht aus seiner Verehrung für catchy Riffs à la Kiss oder Thin Lizzy keinen Hehl und rennt damit natürlich offene Türen beim Publikum ein, obwohl die Glitzer-Licks der Ladies in einem kleinen Club wohl mehr Fahrt aufnehmen könnte. Gänsehaut statt Glam verbreitet danach Myrkur. Epischer Black Metal mit reichlich Pagan-Einschlag aus Dänemark, angeführt von Sängerin Amalie Brunn, die wie eine heidnische Göttin im türkisen Nebelmeer thront und die einen im einem Moment mit glasklarem Gesang verzaubert, im anderen mit fiesem Gekeife verflucht. Ein erstes Überraschungs-Highlight des Festivals und ein weiterer Beweis, warum man die Rockklassiker Stage auf keinen Fall links liegen lassen sollte. (kis)


Donnerstag, 09.06.201
6
4Sound Stage
Den Donnerstag schon um halb Zwölf eröffnete die quirlige Country-Rock Sängerin Stacie Collins und ihre Jungs. Absolut ideal, um solch einen Tag zu starten. Danach folgte der völlige Stilbruch. Die pothässlichen aber kultigen Nifelheim legten los. Andere Bands haben Nieten, aber Nifelheim richtige Nägel an der Kutten und den Armen. Ihr Black/Thrash konnte auf jeden Fall viele Leute vor die Bühne ziehen. Dann war Zeit für die Lokalhelden von The Haunted. Man merkte, dass die Band in Schweden gerne aufspielt. So konnten sie mit ihrem Neo-Thrash die grosse Schar an Fans überzeugen. Ganz anders tönte es dann bei den U.S.-Proggern von Fates Warning. Diese Kultband ist schon eine Weile im Business unterwegs und fand auch an diesen Tag ihre Zuhörer. Nicht wenige lagen gemütlich auf dem nahen Hügel und genossen liegend die sphärischen Töne. Eher nordisch/sphärisch ging es als letzter Act dieser Bühne mit Wintersun weiter. Die hochbeliebten Finnen überzeugten ebenfalls mit einer zwar nicht so spektakulären Show, dafür mit einer grossartigen Präsenz der Musiker. (rxx)





 
Sweden Stage
Wie es sich anfühlen muss, zu wissen, dass man den Peak seiner Karriere hinter sich hat? Das könnte man viele Musiker fragen, die am Sweden Rock spielen, doch bei Phil Campbell liegt es auf der Hand. Vor ein paar Jahren stand er an der Seite von Lemmy noch abends auf einer der beiden Hauptbühnen, nun eröffnet er mit seinen Bastard Sons am Mittag die Sweden Stage und so richtig wach wird das Publikum dann halt doch erst bei Song Nr. 3 und 4, Motörheads „Rock Out“ und „Going to Brazil“ und dank einer Vielzahl weiterer Coverversionen («Children Of The Grave» von Sabbath, «Silver Machine» von Hawkwind als Lemmy-Hommage) vergisst man beinahe, dass Campbell mittlerweile auch eigene Songs am Start hätte. Ob die beiden Mittelfinger, die Campbell am Ende des Set dem grauen Himmel entgegen streckt, wirklich nur dem Wetter gelten oder dem Leben an sich? Auf jeden Fall scheinen sie ihre Wirkung zu entfalten, denn unter Sonnenschein steigen danach Hardline auf die Bühne, beziehungsweise Johnny Gioeli. Ist der Fronter doch noch das letzte verbliebene Original-Mitglied der AOR-Truppe aus den USA. Dem Interesse des Publikums scheint dies keinen Abbruch zu tun und nicht nur Klassiker vom 92er-Album «Double Eclipse» wie «Hot Cherry» oder «Dr. Love» werden fröhlich mitgesungen, sondern auch neues Material wie der Opener «Where Will I Go From Here». Womit danach Coheed And Cambria am meisten überraschten? Die Truppe, die Ende der 90er, anfang der Nuller-Jahre ihre grössten Erfolge feierte und dabei schon als Heilsbringer des Prog Rock gefeiert wurden, sind heute eigentlich auch nichts anderes mehr als eine Melodic Rock Band. Eingängige Songs mit Mitsing-Refrain und exaltierten Gitarren-Soli und grossen Posen – zumindest an diesem Tag setzten die durchaus versierten Mannen auf Verträglichkeit statt Experimente. Ganz anders dagegen Primus. Die Freak Rocker um Genie-Schrägstrich-Wahnsinniger Les Claypool zeigten sich so verschroben wie eh und je, heisst zu verschroben für geschätzt 90 % der Sweden Rock-Besucher. Doch für den Rest, ein überschaubarer Haufen an Freaks, vom bebrillten Zappa-Fan über verkiffte Dreadlock-Träger bis zum verwunderten Black Metaller, bot das Trio das wahrscheinlich originellste und erfrischendste Set des ganzen Wochenendes. Und so sag auch ich: „Too Many Puppies“ forever! (kis)



Festival Stage

Am zweiten Tag des “Sweden Rock” stand mit Aerosmith auf ihrer „Aero-Vederci“ Abschiedstournee (?) bereits einer der absoluten Hochkaräter auf dem Programm. Für mich insofern ideal, da ich den Auftritt in Zürich am 05.07.2017 terminlich bedingt nicht werde besuchen können. Der erste Act auf der Festival Stage waren aber die finnischen Cello-Rocker von Apocalyptica, die heuer ihren Anfängen huldigen, sprich nur Metallica-Songs im Programm stehen haben. Was damals belächelt wurde, hat sich mittlerweile als überaus erfolgreich heraus gestellt. Obwohl ich die besagte Debüt-CD auch mein Eigen nenne, kann ich dieser Band bis heute überhaupt nichts abgewinnen und machte mich deshalb nach den Fotos gleich aus dem Staub.

Vor vier Jahren stand Doro Pesch bereits hier auf der grossen Festivalbühne, und wer sich die Setliste von damals anschaut, wird erkennen, dass die Mehrzahl der Songs aus der Zeit mit Warlock stammten. Die aktuelle Tour ist nur der Vergangenheit, respektive dem 30. Jubiläum des Albums «Triumph And Agony» gewidmet, und so kamen vor allem die Altfans in den Genuss von länger nicht mehr gehörten Songs wie dem Opener «Touch Of Evil». Nebst den jahrelangen Live-Classics wie «I Rule The Ruins» oder «All We Are» gab es mit «Kiss Of Death» und «Make Time For Love» gar zwei Live-Premieren! Dies, weil mitunter gleich das komplette «Triumph…»-Album aufgeführt wurde, wenn auch in anderer Reihenfolge. Schon bald merkte dann auch, dass viele der alten Songs um Längen besser klangen als das Material der jüngeren Vergangenheit. Ein Gast aus dieser Zeit gesellte sich bei «Für immer» in der Person des ehemaligen Gitarristen Tommy Bolan zu Doro und spendierte ein feines Solo. Die Stimmung beim zahlreich aufmarschierten Publikum war gut und die deutsche Metal Queen voll im Saft, wir immer!

Mit Alter Bridge folgten als nächster Act die bühnenerprobten Amis mit Frontmann Myles Kennedy. Der massentaugliche Stadionrock brauchte erwartungsgemäss nicht lange, um sich entfalten zu können. Das zahlreich aufmarschierte Publikum kam so in den Genuss einer fast zu aalglatten Show. Immerhin macht hier eben Myles den entscheidenden Unterschied als charismatischer Sänger aus, aber über die Distanz besitzt ihr Sound für meinen Geschmack, trotz immer wieder feiner Melodien, einfach zu wenig Ecken und Kanten. Somit hielt ich mich nicht lange vor der Festival Stage auf. Da finde ich die Kollaboration mit Gunners Axeman Slash weitaus interessanter. Da Axl & Co. aber höchst erfolgreich wie überzeugend reaktiviert wurden, dürfte man Slashs Soloding inklusive Mister Kennedy so schnell nicht mehr erleben können.

Ob das letztlich auch auf Aerosmith zutrifft, kann und muss zur Kenntnis genommen werden. Da Steven Tyler und seine Truppe in den letzten Jahren nicht mehr in Europa auftraten, war die Freude heuer gross und praktisch überall ausverkaufte Konzerte bedürfen keinen weiteren Erklärungen mehr. Man durfte sich also auf einen hitverdächtigen Konzertabend freuen, und die brennende Frage im Voraus drehte sich natürlich um den Gesundheitszustand der Protagonisten, die, wie viele ihrer Kollegen aus dieser Riege, auf siebzig Lebensjahre zugehen. Steven Tyler feiert den runden Geburtstag nächstes Jahr und sein Toxic –Twin Joe Perry wird im Früherbst immerhin auch bereits 67 Jahre alt. Doch wenn es die Rolling Stones immer noch bringen, können das Aerosmith noch lange. Und so kam es denn auch, wenn auch nicht mehr mit der gleichen Spritzigkeit wie zu den besten Zeiten. Steven war jedoch, wie gewohnt, immer in ständiger Bewegung und nutzte, zusammen mit Joe, den grosszügig ausgelegten Laufsteg wiederholte Male aus. So liess sich das begeisterte Publikum zu zahlreichen Klassikern wie «Young Lust», «Livin‘ On The Edge», «Love In An Elevator», «Mama Kin», «Sweet Emotion» oder «Dude (Looks Like A Lady) in hellste Verzückung versetzen. Nicht fehlen durfte dabei die eine oder andere Zucker-Ballade wie «Cryin‘» oder «I Don’t Wanna Miss A Thing». Dafür fehlte «Crazy», aber da gäbe es noch viele Songs aufzuzählen, die heute Abend durch Abwesenheit glänzten. Die über 100-minütige Sause liess aber keinen Zweifel darüber aufkommen, dass Steven Tyler (v), Joe Perry (g/v), Brad Whitford (g), Tom Hamilton (b) und Joey Kramer (d) eine beispiellose Karriere hingelegt haben und einen Backkatalog für die Ewigkeit erschaffen haben. Ob „Aero-Vederci“ wirklich eine definitive Bedeutung in sich trägt, werden wird bald einmal wissen. Falls ja, dann haben sich die Luftschmiede auf jeden Fall keine Blösse gegeben und sich würdig von ihren Fans verabschiedet. In diesem Sinne passte die letzte Zugabe «Walk This Way» wie die Faust aufs Auge. (rsl)


Rock Stage
Wirklich gespannt war ich auf Great King Rat, die Band um Gitarrist Pontus Norgren (HammerFall) und Sänger Leif Sundin (ehemals Michael Schenker). Die Jungs hatten grosse Freude, aber man merkte dem Quintett auch an, dass es schon länger nicht mehr gemeinsam auf der Bühne stand, ausgenommen Pontus. Trotzdem wurden Great King Rat ohne Ende abgefeiert. Mit Leif hat die Truppe einen Shouter, der nach wie vor noch immer ein verdammt geiles Organ hat und sich sicher durch die Lieder sang. Angetrieben von einem sehr engagierten Pontus punkteten Lieder wie «Woman In Love», «Top Of The World», «Take Me Back» oder «Bad Woman» problemlos und nicht nur in meinen Augen konnte man von einem fast denkwürdigen Auftritt sprechen, welchen die Schweden spielten.

Auch einen denkwürdigen Auftritt spielten Iced Earth, die fast direkt aus dem Studio, wo ihr neues Meisterwerk «Incorruptible» veredelt wurde, auf die Bühne gingen. Mit dem Opener des neuen Streichs «Great Heathen Army» starteten Jon Schaffer und sein Ensemble. Sänger Stu Block sang grossartig und selbst der längste Schrei kam kraft- und druckvoll aus seiner Kehle. Seiner sehr sympathischen Art («Brothers and sisters of Heavy Metal, how are you?») konnte sich niemand entziehen, und da sich Iced Earth musikalisch wie eine Dampfwalze präsentierten, wird man getrost noch seinen Enkeln von diesem Auftritt erzählen. Die Amis waren eine Macht, hatten mit Brent Smedly einen der tightesten Trommler und liessen mit dem unverzichtbaren «Burning Times», «Pure Evil», «Cthulhu», «Dystopia» und der Livepremiere des neuen Tracks «Seven Headed Whore» nichts anbrennen.

Danach wurde es mit Ian Hunter & The Rant Band bedeutend rockiger und bluesiger. Als würde es die Truppe nicht interessieren, dass jetzt gleich ihr Auftritt stattfindet, schlurfte einer nach dem anderen auf die Bühne und stieg in den Opener «That’s When The Trouble Starts» ein. Recht früh wurde auch die von Great White bekannte Nummer «Once Bitten Twice Shy» gespielt, die aber um einiges 70er-Jahre like vorgetragen wurde. Nicht fehlen durften «All The Way From Memphis» und logischerweise «All The Young Dudes». Speziell die älteren Zuschauer sprach die Show von Ian und seinen Leuten an. Diese Fans fühlten sich, als wären sie soeben im Rock-Himmel aufgewacht. Auch wenn die Musiker ziemlich gebrechlich aussahen, die Musik hat nichts von seinem Glanz verloren und liess Ian Hunter und seine Begleitband so locker gewinnen. Mit ihrem Sleaze-Rock und der bekannten Show punkteten Steel Panther auf der ganzen Linie. Ob dann plötzlich mehr als 17 Mädels auf der Bühne standen und teils blank zogen oder sich darum stritten, wer denn nun näher bei den Musiker stehen durfte, es war ein Fest für die Augen, Ohren und die Lachmuskeln. Sänger Michael Starr und Gitarrist Satchel liessen nichts aus, lobten die Schönheit der schwedischen Mädels und hatten mit Bassist Lexxi Foxx die etwas andere Art von Mann auf der Bühne. Man kennt und liebt Lexxi für seine Schmink-Eskapaden und seinen ehrlichen wie naiven Humor. «Community Property» wurde, wie immer, von den Fans lauthals mitgesungen, so dass sie beim Abschlusstrack «Party All Day (Fuck All Night)» nochmals kollektiv und partytauglich ausklinken konnten. Steel Panther kamen, sahen und siegten, wie auch die letzte Truppe an diesem Abend.

Was Edguy bei diesem Konzert boten, war ein Siegeszug, der kaum zu toppen war. Gibt sich Sänger Toby Sammet bei den deutschen Konzerten als Quasseltante, lässt er auch mit englischer Sprache nichts anbrennen. Dabei splittet er das Publikum in einen linken, rechten und mittleren Teil. So fand das berühmte «wer kann lauter schreien» seine Reinkarnation. «Odin is a semi Heavy Metal fan, it begins to rain» oder die zu frühe Ansage von «Ministry Of Saints», anstelle von «Land Of The Miracle», verströmte den genau gleichen Charme wie auch «…your old fuckers are too tired to raise your hands?» Auch wollte Toby wissen, ob das Publikum mit der Setliste zum 25. Bestehen zufrieden sei oder irgendeinen Song vermisse: «No?! Okay, then good night!» Es war aber noch lange nicht Schicht im Schacht, und so spielten Edguy mal kurz «The Trooper» von Iron Maiden an, um dann mit «Save Me» und «Superheroes» den Partyfaktor noch mehr anzuheben. Wir alle haben an diesem Abend das wohl beste Edguy-Set ever gesehen, und das wird wahrscheinlich noch einen Moment so bleiben. Nicht nur wegen den unzähligen Pyros die beim ersten Song verpulvert wurden, sondern einfach auch, weil die Truppe eine riesige Einheit auf der Bühne darstellte, mit «The Piper Never Dies» nicht nur unserem Rockslave ein wohliges, warmes Gefühl bereitete (ich bin fast durchgedreht! Rsl) und so kaum jemandem Grund zu meckern gab. Was für ein Abschluss für den zweiten Festivaltag!!! (tin)
 
Rockklassiker Stage
Skeleton Birth eröffneten am Donnerstag und damit den Tag der schwedischen Nachwuchsförderung auf der Rockklassiker Stage, beziehungsweise Nemis Stage, denn die Initiative „New music in Sweden“ ist es, die über den Tag verteilt ganze 8 Newcomer-Acts auf die Bühne schickte. Während die Skelettgeburt-Jungs mit ihrem martialischen Thrash-Death-Black mit Bathory-Anleihen nur wenig neue Akzente setzen konnten, lohnt es sich bei anderen Truppen genauer zuzuhören. Dead Sleep etwa krachten mit (hin und wieder zu) rumpelndem female fronted Speed Metal in den Nachmittag, die Frauen von VA Rocks empfahlen sich als legitime Nachfolger von Girlschool und die Retro Rocker von Svartanatt punkteten nicht nur mit fancy Ledervesten, sondern auch mit einer 70's Mischung zwischen den Allmann Brothers, Graveyard und Grandfunk Railroad. Unbestritten ist Schweden eine der Talentschmieden für neue Gitarrenmusik, wobei auf die Revolution im Rock'n'Roll auch nach diesem Tag nach wie vor gewartet werden muss, sofern die sich überhaupt jemand wünscht. (kis)




Freitag, 09.06.201
7
4Sound Stage
Dass Landsleute beim eigenen Festival vermehrt als Opener fungieren können, bescherte in diesem Jahr auch der Band The Unguided, die mit den Gebrüdern Richard (v) und Roger Sjunnesson (g) zwei Gründungs-, respektive Ex-Mitglieder der Melo-Deather Sonic Syndicate beherbergen, einen Opener-Slot. Die groovig vorgetragene Melodic Metal erinnerte in der Tat nicht mehr gross an die musikalische Vergangenheit. Vielmehr kam jetzt dasjenige Klanggebilde zum Ausdruck, das die Sjunnesson-Brothers mit der vormaligen Band nicht mehr umsetzen konnten. Danach kams dicke, denn als sie angekündigt wurden, freute sich der Slave wie bolle, denn die niederländischen Heavy-Rocker Picture hatte ich bis anhin noch nie live gesehen. Mit der Rückkehr von Ur-Sänger Ronald van Prooijen, der nach einem Break von 34 Jahren (!!) letztes Jahr wieder zu seiner Stammcombo zurück gekehrt ist, fand die Gründerbesetzung von 1979 erneut zusammen. Mit dem zweiten Gitarristen Appie de Gelder wurde das Line-Up zudem wirkungsvoll aufgestockt. Die Motivation, vor allem bei Frontmann Ronald, war förmlich zu spüren, und so kam ich letztlich dank dem Sweden Rock zur nie für möglich gehaltenen Live-Premiere von «Eternal Dark» und weiteren Klangleckerbissen der 80er. Die gleich gute wenn nicht noch bessere Laune verbreiteten anschliessend The Dead Daisies, die leider zur gleichen Zeit wie Gotthard auftraten, aber deswegen keinen Deut weniger Leute vor die Bühne locken konnten. Wer die Supergroup um Sänger John Corabi (Ex-Mötley Crüe, Ex-Union), Gitarrist Doug Aldrich (Ex-Lion, Ex-Dio, Ex-Whitesnake), Bassist Marco Mendoza (Ex-weiss der Geier wie viel!), Drummer Brian Tichy (Ex-Whitesnake) und Gründer David Lowy (g) schon mal live gesehen und gehört hat, weiss um die Live-Qualitäten dieser Hammerband. Kaum eine andere Truppe vermag eigenes geiles Material wie perfekt adaptierte Covers der Marke «Midnight Moses» oder «Fortunate Son» derart eindringlich umzusetzen. 2015 mauserten sich Lucifer's Friend vom Geheimtipp zu einem der Highlights des Festivals, und auch zwei Jahre später enttäuschte die Band aus deutschen Musikern und Ex-Uriah Heep Fronter John Lawton nicht, auch wenn der Überraschungseffekt natürlich nicht mehr so gross war wie 2015. Die legendären Heavy Rock- und Prog-Pioniere, die während ihrer ersten Bestehungsphase in den 70's nie live auftraten, groovten und jammten sich mehr als souverän durch ihr Set, wobei sich weder die Band noch Lawton ihr Alter anmerken liessen, sodass man sich am Ende nur noch eine Frage stellte: Wann gehen Lucifer's Friend endlich mal auf eine reguläre Tour?! Während auf der Festival Stage die Scorps mit ungewollt übersteuernden Gitarren zu kämpfen haben, erwartete die überschaubare Traube Metalheads von Voivod nichts anderes. Und die Kanadier boten ihren Fans auch nichts anderes, nämlich perfektionierten, rumpelnden und einzigartigen Krach ohne Schnörkel, was nicht nur für den brachialen Sound, sondern auch für die komplett schmucklose Bühne galt. Ein bisschen mehr Ambiente hätte der vor allem auf Weisslicht setzende Lichttechniker zwar schon bieten dürfen, ansonsten gab es von «Killing Technology» bis «The Unknown Knows» die volle dissonante, dystopische und dreckige Ladung Voivod. (rsl & kis)
(kis)
 
Sweden Stage
Als ich mich vor die Sweden Stage stellte, um mir von Wishbone Ash die Sandkörner aus den Augen zu spielen, hegte ich zugegeben keine grossen Erwartungen. Eine Band, von deren klassischem Line-Up genau noch Gitarrist und Sänger Andy Powell übrig ist, der Rest der Besetzung ein gutes dutzend Mal gewechselt hat – ich stellte mich auf ein bestenfalls gemütliches, im schlimmsten Fall peinliches Aufwachen ein. Was die alten Herren dann aber vom Stapel liessen, verschlug mir die Sprache. Frei von jeglichen Mätzchen, von abgehalftertem Rockstar-Gehabe rockte und blueste das britische Quartett durch hippieske Classics wie «The King Will Come», «Warrior» oder «Jail Bait». Danach wirkten King's X, eigentlich als ansteckende „Groove Machine“ bekannt, richtiggehend matt. Ob es am Publikum lag oder am eher matschigen Sound – trotz einem mit Perlen aus dem Bandkatalog gespickten Set wollte der Funke an dieser Show einfach nicht rüber springen, was man nach und nach auch den Gesichtern der Band ansah, allen voran Fronter und Basser Doug Pinnick, der am Ende sogar auf seine ansonsten obligaten Ansprachen in Gospel-Form verzichtete. Eine andere Kirche stiess danach schon auf deutlich mehr Glaube. Auch wenn das letzte Album «XI» vielleicht auch nicht die ganz grosse Wiederererweckung war: The Metal Church is open again! Die Vocals von Rückkehrer Steve Howe sassen, das Getrommel von Stet Howland (Ex-W.A.S.P.) sass, die kantigen Riffs von Mainman Kurdt Vanderhoof sowieso, und wer mit einem Donnergrollen wie «Fake Healer» beginnen und mit einem Doppelschlag der Sorte «Beyond The Black/Badlands» seinen Gottesdienst beenden kann, der kann sich einfach sicher sein, die Metal-Gemeinde auf seiner Seite des Kirchenganges zu haben. Dagegen wirkte die Industrial-Kommunion der wiederbelebten Ministry eher wie ein lustloses Requiem, ein Nachhall auf frühere, bessere Zeiten. Das lag weder an der tighten Band noch an der wie gewohnt theatralischen Inszenierung (auch wenn Banner und Armbänder, die an Nazi-Ästhetik erinnern sollen, schon lange nicht mehr erschrecken), sondern vor allem am Hohepriester selber. Al Jourgensen. Einst gefeierter Bürgerschreck und Messias in einer Personalunion, präsentierte sich der Fronter als ein Schatten seiner selbst. Las er nicht grad über einen Ordner gebückt krächzend und unverständlich seine Lyrics ab, sass er die gefühlte Hälfte der Show auf dem Drumpodest und nuckelte an seiner Wasserflasche. Einen Almosen in den Klingelbeutel gibt es da höchstens noch für eine Band, die es mit so einem Fronter tatsächlich aushält. Manchmal ist es auch für eine noch so kultige, revolutionäre Band Zeit fürs letzte Abendmahl. (kis)


Rock Stage
Oh mein Gott, die letzten Klänge von Edguy summten noch in meinem Kopf, als das deutsche „Wake Up“ ganz Sölvesborg aus dem Schlaf holte. Wow, mit was für einer Wucht hämmerten Primal Fear zu den warmen Mittagstemperaturen. Mit den Screams von Ralf Scheepers, dem undurchdringbaren Rhythmusteppich von Mat Sinner (Bass) und Francesco Jovino (Drums) und dem fantastischen Gitarrenbrett von Alex Beyrodt und Tom Naumann konnte nichts anbrennen. Höchstens die flinken Finger der beiden Gitarrenvirtuosen, die ein wirklich feuriges Brett spielten. Die Show des Fünfers war sehr agil, alle waren ständig in Bewegung und mit Alex poste ein kleiner Performance-Gott am Bühnenrand. Als Gast betrat ein ehemaliges Bandmitglied die Stage. Magnus Karlsson, der schwedische Gitarrist, unterstützte die Truppe auf der Bühne, sehr zum Gefallen der schwedischen Fans. Einen besseren Einstieg als Primal Fear gab es nicht an diesem Festival. Kultig war dann der Auftritt von Kix. Die amerikanische Institution rockte das „Sweden Rock-Festival“ in Grund und Boden. Speziell Sänger Steve Whiteman entpuppte sich als fantastischer Entertainer, der sogar aus einem Sprung im Spagat landete. Er nutzte jede Sekunde auch nonverbal mit dem Publikum zu kommunizieren. Seine Mimik und Gestik waren sensationell und sein Gesang verdammt gut. Mit einem Einstieg wie «Girl Money» kann man auch nichts falsch machen, und so glich der Auftritt einem weiteren Siegeszug an diesem Festival. «If I say thank you, than you have to say your welcome», was zu Beginn als Regel aufgestellt wurde, setzte das Publikum artig in die Tat um. Steve ist die Reinkarnation aus Steven Tyler und Michael Monroe, weiss, wie man mit den Fans umzugehen hat und liess die Frauen bei der Ansage «Are you gonna blow my fuse?» «I love Sweden, all the beautiful girls that I meet in the hotel. All the hot kisses and then… I wake up» aufschreien. Er liess keinen Moment aus, den Spass zu übertragen und den hatten alle an diesem Auftritt. Nach dieser grossen Portion Party-Rock veränderte sich nun aber das Bild auf und vor der Bühne. Statt Sleaze-Rock fand nun mit Clutch Stoner-Rock auf der Stage statt. Neil Fallon brüllte sich durch die fetten und speckigen Tracks und siehe da, das Publikum reagierte auch auf diese Art von Musik. Was mir mit der Zeit zu monoton wurde, schien dem Publikum den richtigen Tritt zu verpassen. Zumindest schienen die Ansagen von Neil ihren Reitz nicht zu verlieren, und so konnten auch die Jungs aus Maryland von einem tollen Konzert und den damit verbundenen Reaktionen schwärmen. Doch auch Clutch konnten die Erwartungen und die damit verbundene Aufregung auf den nächsten Akt auf der Rockstage nicht verdrängen. Ganz Schweden schien auf den langersehnten Auftritt von Ratt zu warten, und das Warten sollte sich bezahlt machen. Auch wenn Sänger Stephen Pearcy akzeptabel sang (viele hatten gar keine Erwartungen an den Shouter), war es schlussendlich die Performance von Gitarrist Warren DeMartini und Bassist Juan Croucier, welche den Gig zu etwas Speziellem machte. Die tänzelnde Art von Juan, die man ja bestens von den alten 80er Video-Clips her kennt, und seine Bewegungen glichen oftmals denjenigen eines Panthers. Mit dem ehemaligen Quiet Riot-Gitarristen Carlos Cavazo und dem neuen Trommler Jimmy DeGrasso (ehemals Black Star Riders, Y&T, Megadeth) wurde die Instrumentalecke bestens ergänzt, und so stand dem Ratt-Siegeszugs nichts mehr im Wege. Dank einer sensationellen Setliste überragten die Jungs zusammen mit den nachfolgenden Running Wild diesen Abend. Stephen sang weitaus tiefer als noch früher, und die hohen Parts überliess er immer wieder Juan. Stephen war ein (fast zu) cooler Frontmann, dem man die Jahresringe im Gesicht ansah. Seine Bewegungen wirkten um einiges ruhiger als noch früher. ABER! Wir sahen endlich wieder Ratt auf einer Bühne, und dies in Bestform! Auf einem ebensolchen Höhenflug präsentierten sich Rock‘ n Rolf (v, g), Peter Jordan (g), Ole Hempelmann (b) und Michael Wolpers (d). Running Wild verschossen Pyros, Feuerfontänen und Glitzerregen ohne Ende und erinnerten dabei schon fast an eine Kiss-Show. Im Set präsentierte der Vierer eine sehr gute Mischung aus alten Klassikern und neuen Hits, die sich bestens in das Set der Piraten integrierten. Überraschenderweise startete die Truppe mit «Fistful Of Dynamite», gefolgt von der Hymne «Bad To The Bone». Auch mit «Lead Or Gold» und «Running Blood» griff Rolf tief in die Mottenkiste und präsentierte den enthusiastischen Fans Hit an Hit. Eine grosse Bereicherung ist Trommler Michael, der mit seinen Donnerfüssen den Tracks einen unglaublichen Drive verleite. Die neunzig Minuten vergingen wie im Flug, und mit den Rausschmeissern «Stick To Your Guns», eine Wahnsinns-Groove-Nummer, und «Conquistadores» wurde der grandiose Siegeszug beendet. Auch wenn die Bass-Einleitung zu «Conquistadores» nicht an das Original von Jens Becker heran reichte, so ist dies ein Jammern auf ganz hohem Niveau. Ansonsten zauberten Running Wild wie in den guten alten Zeiten, und es ist jammerschade, dass die Truppe keine eigene Headliner-Tour mehr spielen will. Zumindest wenn man die Besucher «Riding The Storm» und natürlich «Under Jolly Roger» mitschreien hört, weiss man, dass Running Wild nach wie vor ihre treuen Anhänger besitzen. (tin)
 
Festival Stage
In unseren Breitengraden haben sich die Schweden von Mustasch in den letzten Jahren nicht wirklich nachhaltig, sprich erfolgreich entwickeln können. In ihrer Heimat haben sie aber einen freilich ganz anderen Status inne, denn sonst kommt man wohl eher nicht in den Genuss, auf der Festival Stage, der grössten der insgesamt fünf Bühnen des „Sweden Rock“, auftreten zu können. Dieser Heim-Bonus wurde so als Steilvorlage natürlich gerne angenommen. Der Sound von Mustasch, der teilweise etwas an Volbeat erinnert, enthält oft orchestrale Elemente, die live dann jeweilen ab Band eingespielt werden. Die Mischung zwischen Rock und Klassik ist ja nichts Neues und ohne Letzteres würde es den ganzen Lärm ja gar nicht gegen auf unserer Mutter Erde, also soweit so gut. Obwohl bei mir zu Hause mindestens zwei CDs der Nordländer „rumliegen“, galt meine ganze Aufmerksamkeit im exakt gleichen Zeitfenster jedoch einer anderen Band auf der 4 Sound Stage: Picture! So nahm ich Mustasch nur aus der Ferne wahr. Die so aber dennoch einschätzbaren, da sichtbaren Publikumsreaktionen liessen darauf schliessen, dass diese Chose sichtlich auf kollektive Zustimmung stiess.! So nahm ich Mustasch nur aus der Ferne wahr. Die so aber dennoch einschätzbaren, da sichtbaren Publikumsreaktionen liessen darauf schliessen, dass diese Chose sichtlich auf kollektive Zustimmung stiess.

Im vergangenen März waren Gotthard ein gewichtiger Teil des ultimativen Schweizer Rock-Events, zusammen mit Krokus und Shakra. Die beiden Shows von Bern und Zürich zeigten im Falle von Gotthard eine versierte wie spielfreudige Band, die zum 25-Jahrjubiläum das feine neue Studioalbum «Silver» veröffentlichte. Da erfreulicherweise genesen, sass hier in Schweden mit Hena Habegger wieder der originale Schlagzeuger hinter den Kesseln. Im Frühling musste ja Dani Löble von Helloween einspringen. Dieser hätte sich vor dieser beeindruckenden Kulisse bestimmt auch gerne profiliert. Obwohl Gotthard schon um 16.00 Uhr auf die Bühne steigen mussten, legten die Schweizer alles andere als einen laufwarmen Gig auf die Matte, im Gegenteil! Frontmann Nic Maeder ist mittlerweile die Coolness in Person und wirklich das Beste, was Gotthard nach dem schmerzlichen Verlust von Steve Lee (R.I.P.) passieren konnte. Vor allem bei neuerem Material wie «Silver River», «Electrified» oder «Stay With Me» liessen die Schweizer ihre Muskeln spielen und erzeugten trotz dem Nachmittags-Auftritt gute Reaktionen bei den Fans. Vor, respektive zum Song «Heaven» wurde auf der grossen Leinwand ein Live-Einspieler mit Steve Lee gezeigt, der den Song „zusammen mit der Band“ performte. Die Wirkung liess nicht lange auf sich warten, und obwohl er schon seit bald sieben Jahren (!) nicht mehr unter uns weilt, ist seine Aura ungebrochen und der Kloss im Hals nicht zu vermeiden. Fröhlicher gings dann beim Smasher «Lift U Up» zu und her und «Anytime Anywhere» empfahl sich einmal mehr als der perfekte Schlusssong.

Normalerweise kennt man den amerikanischen Gitarristen Little Steven alias Steven Van Zandt ja eher als Begleitmusiker von Boss Bruce Springsteen auf dessen Welttourneen. Heuer hatte er mit The Disciples Of Soul jedoch seine eigene Truppe mit dabei. Dies hatte auch einen triftigen Grund, denn mit «Soulfire» gab es ein brandneues Album, wovon der eine oder andere Track vorgestellt wurde. Das Ganze hatte bestimmt seinen Reiz, aber trotz der gewählten Berichterstattung zu den Bands auf der Festival Stage glänzte der Slave mit Abwesenheit, und das nicht ohne triftigen Grund! Zwei Jahre zuvor zog ich an gleicher Stelle Mötley Crüe Lucifer’s Friend vor, was ich danach bitter bereute. Darum war der Fall sonnenklar, als die Kultband um den ehemaligen Uriah Heep und Les Humphries Singers Frontmann John Lawton wieder auf dem Billing stand, dass mich diesmal keine zehn Elefanten davon abbringen konnten jede Sekunde davon zu geniessen! Darum nix von Steven an dieser Stelle.

Obwohl sich Stimmen mehren, dass der vor gut drei Jahren angekündigte Rückzug von der Bühne nach fünf Dekaden (!) wohl eher ein perfekt inszenierter „Marketing-Trick war“, ist die Anzahl derer, die sich darüber freuen, dass die Scorpions immer noch abrocken, doch deutlich grösser. So gesehen können sie von mir aus, sofern die Gesundheit es zulässt, noch lange weiter machen. Nachdem der ehemalige Motörhead Drummer Mikkey Dee für den angeschlagenen James Kottak (Ex-Kingdom Come) bei einzelnen Konzerten einsprang, wurde im letzten Frühherbst der definitive Einstieg bekannt gegeben. Dadurch steht den deutschen Rock-Urgesteinen ein weiterer Power-Drummer zu Verfügung, der sich in seiner Heimat Schweden wohl besonders auf diesen Auftritt gefreut hatte. Das tat natürlich auch das zahlreich aufgerückte Publikum, das unter dem Strich jedoch einen eher mauen Auftritt der Scorpions erlebte. Vor allem der Beginn des Konzertes mit dem Opener «Going Out With A Bang» ging voll in die Hose. Anstatt dass man davon gleich überrollte wurde, hatte das Ganze eher den Anstrich eines vergleichsweise lauen Lüftchens. Darum sprang der Funke danach mit gleich vier aufeinander folgenden Altklassikern «Make It Real», «Bad Boys Running Wild», «The Zoo» und «Coast To Coast» nicht wie gewünscht auf das Publikum über. Bei den Balladen im Mittelteil besserte sich die Situation, und die Ehrehrbietung an Lemmy mit «Overkill» war sicherlich von Freude getragen, musikalisch aber (trotz Mikkey) völlig irrelevant. Dass erst «Rock You Like A Hurricane wirklich was reissen konnte, unterstrich die Feststellung, dass man hier schon bedeutend geilere Konzerte der Altmeister erleben durfte. (rsl)

Rockklassiker Stage
Heuer findet dies zum fünften Mal statt, der Auftritt der Rockklassiker Allstars, die sich jeweils durch gut drei Dekaden der Rock-Geschichte hindurch spielen. Diesmal dabei sind unter anderem Ian Haugland (d) und Mic Michaeli (keyb) von Europe, Rob Marcello (Danger Danger) und Pontus Norgren (HammerFall, Great King Rat, ex-Poodles) dabei, und dies stets vor massig stimmungsgeladenem Publikum. Ohne grossen Namen, dafür mit ordentlich Hillbilly-Spirit sorgten danach auch Bob Wayne & the Outlaw Carnies für Feierlaune. Country aus den Tiefen der amerikanischen Provinz mit einem Schuss Biker-Rock'n'Roll, damit bringt der selbsternannte Outlaw Wayne jedes Trucker-Festival und jeder Hell's Angel-Club Treff zum Toben und so überraschte nicht, dass zu Songs mit einschlägigen Titeln wie „Spread my Ashes on the Highway“ oder „Hell Yeah“ die Bierflaschen zustimmend in die Höhe schnellten. Als dann The Brandos auf die Bühne stiegen, hatten sich die Reihen deutlich gelichtet. Wenn eine in den 80ern semi-erfolgreiche Hard Rock-Band irgendwo auf der Welt auf Fans trifft, dann wohl am Sweden Rock und wenn man einigen alten Fans die Freude über das Wiedersehen mit der Truppe um Fronter Dave Kincaid auch anmerkte, schien für alle anderen ihre Anwesenheit nur dem Umstand geschuldet, dass grad nichts besseres lief. Eine Vermutung, die dadurch bestätigt wurde, dass sich eine Viertelstunde vor Show-Ende noch mehr Leute aus dem Staub machten, als Ratt die Rock Stage enterten. Dagegen konnten Thyrfing auf eine eingeschworene Fanbase zählen. Seit Ende der 90er aktiv, gehören die Schweden eigentlich zu den Pionieren des Pagan Metal, konnten dann aber nie richtig auf den Hype, der ein paar Jahre später das Genre wachsen lassen würde, aufsteigen. Ein kleine Tragödie in der Metal-History, könnten die Trinkhorn-Riffer von Material und Performance her doch locker mit Szenegrössen wie Finntroll oder Equilibrium mithalten. (kis)

Samstag, 19.06.2017
4Sound Stage
Pünktlich um 11.30 Uhr war wieder Zeit für die regionalen Spezialitäten. Den letzten Tag des „Sweden Rock“-Festivals eröffneten Supralunar. Das Trio spielte eine Mischung zwischen The Darkness und vielleicht den Beatles, schwer zu sagen. Auf jeden Fall wurde man wach. Danach füllte sich der Bereich vor der Bühne. Die hierzulande schon recht angesagten Corroded liessen mit ihrem Biker-Outfit der Hölle freien Lauf und walzten mit ihrem rockigen Thrash alles nieder. Die danach aufspielenden Merciless gibt es offenbar auch schon seit anfangs der 90er. Nach einem Split (1994) kamen sie 2003 wieder zusammen, um mit Thrash Metal weiter zu lärmen. Bei dem Gig hier in Sölvesborg merkte man die Routine zwar an, aber sonst war nicht so viel Spektakuläres dabei. Ganz anders ging es dann bei den Engländern von Carcass zu und her. Ihr brachialer Death Metal zog massenweise etliche Liebhaber von gewetzten Messern vor die Bühne. Die Show war fett und der Sound groovte geil. Was will man an so einem schönen sonnigen Tag noch mehr? Für ein fröhliches Ende sorgten dann Treat, die mit ihrem Melo' Hard-Rock für eine gute und positive Stimmung sorgten. Kein Wunder, denn diese schwedische Band war schon immer ein Garant für tolle Alben und stets gute Liveshows. (rxx)







 
Sweden Stage
Der vierte Festivaltag wird stets von einer gewissen Melancholie begleitet, da jedermann weiss, dass hiermit bereits wieder der Endspurt eingeläutet wird. Doch mittags um zwölf Uhr ist von dieser Kehrausstimmung noch gar nichts zu spüren, im Gegenteil. Mitunter dafür verantwortlich sind die Electric Boys aus heimischen Gefilden, sprich aus Stockholm. Zwischen 1989 und 1994 entstanden drei Alben, gefolgt von einem kapitalen Stromausfall, der satte fünfzehn Jahre (!) andauerte. Seit 2009 ist das Ur-Lineup um den charismatischen Frontmann Conny Bloon somit wieder zusammen und spielt immer noch groovigen Hardrock mit funkiger Schlagseite. Was also Living Colour und Mother's Finest zelebrieren, beherrschen die Schweden ebenso, und so wurde ihre Mucke lautstark abgefeiert. Was mich danach überraschte, wenn nicht sogar überrumpelte, was die bemerkenswerte Zustimmung, die nachfolgend die Landsleute von Sator auslösten. Bei uns völlig unbekannt, ist die Combo in der Heimat schon seit vielen Jahren ein Begriff. Mit spürbaren Reminiszenzen an die Biker-Rockszene zelebrierten die Nordländer ihr 30-jähriges Jubiläum und hatten dabei einige griffige Songs in der Hinterhand, die vor allem von ihrem hiesigen Publikum mit geschwellter Brust mitgesungen wurden. Unsereins zeigte sich dabei peinlich berührt, denn man kannte rein gar nichts von diesem Liedgut. Dennoch riss es einen wirklich auch mit und die Stimmung war schlicht grandios. Ob das bei Rhapsody (Of Fire) nachfolgend auch so war, kann ich nicht sagen, denn ich stand während der Zeit vis-à-vis vor der Rock Stage und sah mir in der Zeit viel lieber Dareean! Der zumeist ultraspeedige Epic True Metal ist eh nix für meine Lauscher. Allerdings hätte ich nach der Hälfte von Dare eigentlich trotzdem mal den Schauplatz des Geschehens wechseln können, da die Truppe um den (ehemaligen) Thin Lizzy Keyboarder über die Distanz zu belanglos klang. Zwei Stunden nach den letzten Klängen der Italiener stand mit Venom (der Version mit Original-Sänger und Bassist Cronos) die eigentlich einzige ärgerliche Überschneidung mit einer anderen Band bevor. Zur exakten Uhrzeit stiegen AUF DER Rock Stage drübenen Saxon auf die Bretter. Man(n) musste sich somit entscheiden, und weil ich Biff und seine Jungs nun schon wess der Geier wie viele Mal live gesehen und gehört habe, fiel die Wahl (bereits im Vorfeld) auf Venom, die bedeutend weniger auf Tour sind als ihre Kollegen. So konnte man sich also auf die „Väter des Black Metal“ freuen. Einziges Manko war das noch vorhandene Tageslicht um 20.45 Uhr. Nichtsdestotrotz zeigten sich Cronos (v/b), Rage (g) und Danté (d) von Anfang an spielfreudig und vor allem der Chef schien mächtig Spass zu haben. Da halt auch nicht mehr der Jüngste, fiel die Performance nicht mehr so ungestüm wie früher aus. Dafür begann es vor der Bühne langsam zu brodeln und spätestens bei den alten Schoten wie «Bloodlust» oder «Rip Ride» gab es kein Halten mehr und in der Mitte vor der Bühne entstand ein ordentlich abgehender Moshpit! Doch zu Stampfern wie «Welcome To Hell» oder Doomstern der Marke «Warhead» liess es sich ebenso vorzüglich abschädeln. (rsl)


Rock Stage
Amorphis aus Finnland eröffneten den Reigen am letzten Festivaltag. Ob jung, ob alt, die Truppe köderte ein breitgefächertes Publikum vor die Bühne. Mit Sänger Tomi Joutsen verfügt die Truppe über einen charismatischen Sänger, der den heutigen Pop-Folk-Metal mit seinem cleanen, aber auch growligen Gesang den Stempel aufdrückt. Trotzdem zogen zu gleicher Zeit, aber einen Tag früher, Primal Fear bedeutend mehr Leute vor die Bühne. Vielleicht auch weil der Heavy Metal der Deutschen einfach strukturierter daher kommt und nicht mit so vielen Sounds vermischt wird. Candlemass zelebrierten anschliessend in der nachmittäglichen Sonne ihren schweren Doom-Metal. Passt so gar nicht und raubte den Schweden auch die Magie, welche sie sonst ausstrahlen. Zum 30-jährigen Jubiläum von «Nightfall» wurde das komplette Album gespielt. Mit einer schaurigen Bühne, bestückt mit Gitterzäunen und einem grossen Kreuz am Mikroständer von Mats Levén, verlieh die Truppe den Songs die passende optische Unterstützung. Und mit Mats hat die Band einen fast schon gefährlichen Shouter, der alleine mit seinen Augen töten könnte. Oder anders ausgedrückt, Mister Levén verkörpert den Teufel in Person. Mit «Mirror Mirror», «Dark Reflections», «Crystal Ball» und «Solitude» wurde das Set beendet. Eine feine Combo, die leider zur völlig falschen Tageszeit aufspielte.

Darren Wharton, den man als Keyboarder von Thin Lizzy kennt, spielte mit seiner Band Dare (gross) auf. Zusammen mit dem Ten-Gitarristen Vinny Burns zauberte der Sänger ein keltischirisches Flair nach Schweden. Der Sound, ausgestattet mit viel Melancholie wie auch einer fetten Portion Hoffnung, wirkte mit zunehmender Spielzeit aber fast ermüdend. Dare hätten die Möglichkeit gehabt, eine wirklich tolle Show abzuliefern, hätten sie sich mehr auf die rockigeren Tracks konzentriert. So blieb am Schluss der Hauch eines Schunkelkonzertes im Sweden Rock-Himmel hängen. Auch wenn die Band (als Ersatz für Kansas) grossartig aufspielte und speziell mit Vinny einen sehr guten Virtuosen an den Saiten hat, alleine die Thin Lizzy-Nummer «Emerald» konnte den eher monotonen Groove des Sets nicht mehr positiv beeinflussen. Schade, sehr schade.

Zeitgleich mit Venom duellierten sich Saxon um die Gunst der Fans. Sah man die unglaublich grosse Menschenmasse vor der Bühne, fragte man sich zu Recht, wieso Saxon nicht auf der Festivalstage spielten. Doch auch so zog der «Eagle», respektive die Lichttraverse in Form eines Adlers, seine Kreise über den Köpfen der Engländer und wurde dabei von hohen Feuersäulen flankiert. «The sun is shining and fucking Saxon is on stage», begrüsste Sänger Peter „Biff“ Byford das Publikum, welches dem nie alt zu werdenden scheinenden Shouter aus den Händen frass. Die angeblichen Stimmprobleme von Biff waren nicht zu hören, und so grinste und bangte sich der Sänger erfolgreich durch das Set. «Motorcycle Man, a song for the fucking bikers» traf dabei den Nerv des Publikums ebenso, wie auch «Power And The Glory». «You like the eighties stuff?» Und wie, so war dieser Gig ein weiterer Siegeszug für Saxon, die mit dem wohl unterbewertesten Gitarristen Paul Quinn einen Riff-Hit-Lieferanten in den eigenen Reihen stehen haben, der Seinesgleichen sucht. Oder wer kann sonst solche Klassiker wie «Solid Ball Of Rock», «Princess Of The Night», «747 (Strangers In The Night)», «Wheels Of Steel» oder «Crusader» vorweisen? Nigel Glockler an den Drums scheint wie ein guter Wein zu sein, je älter desto besser. Er knallte seine Beats mit einer Wucht in die Abendsonne, dass es eine Wonne war im zuzusehen und zuzuhören. «You feeling good? The sun is going down. Slowly! We play a Thrash-Metal song», kündete Biff «20‘000 FT» an. Was immer die Sachsen spielten, ob Klassiker oder neues Material wie «Battering Ram» oder «Sacrifice», die Engländer waren wie eine Invasion und niemand konnte sich der Macht und dem Charme des Fünfers entziehen. (tin)









 
Festival Stage
Ist es wirklich ein gutes Zeichen für eine Rockband, wenn das Gros des Publikum ihnen in Campingstühlen sitzend und auf dem Boden schlummert zuhört? Es mag an der frühen Uhrzeit oder an der wärmenden Sonne gelegen haben, aber für viele Festival-Besucher schienen Thunder vor allem den Hintergrund-Sound für einen gemütlichen Sommernachmittag im Grünen zu liefern. Vielleicht hätten die Briten aber auch einfach nicht gleich mit zwei relativen neuen Songs einsteigen sollen, denn als sie mit „River of Pain“ erstmals einen Klassiker (vom 1995er-Album „Behind Closed Doors“) anspielten, wurde auch die Stimmung vor der Bühne etwas gelassener. Technisch gaben sich die Mannen um Danny Bowes jedenfalls keine Blösse und spätestens mit der Band-Hymne „Backstreet Symphony“ von 1990 zeigte die Band, warum die Sweden Rock-Organisatoren das Quintett auf die Hauptbühne gestellt hatte.

Und ach, wie hätte ich mir doch gewünscht, wäre das die letzte „Symphony“ des Tages geblieben, doch dann folgte das Sweden Rock Symphony Orchestra. Stolz als einmaliges Spektakel angekündigt, folgte damit der Tiefpunkt des gesamten Festivals. Dabei sind die Zutaten von ähnlichen Projekten mittlerweile bekannt: Man nehme ein Symphonie-Orchester, ergänze es mit ein paar Metal-Musikern und stelle ein paar (halb-)bekannte Stimmen aus Rock und Metal, deren grosse Zeiten mehrheitlich vorbei sind vornedran und fertig ist der Ausverkauf des Rock'n'Roll. Die Protagonisten in diesem Fall: Ein erträglicher John Lawton («July Morning», «Easy Livin'»), der es trotzdem bei seinem fulminanten Gig mit Lucifer's Friend hätte belassen sollen. Eine grinsende Tarja Turunen, die den Einstieg verpatzte («Love To Hate», «Nemo»), ein gerade noch erträglicher Joe Lynn Turner («Rising Force»), ein unnötiger Peter Tägtgren in Dreiviertel-Hosen («Roswell 47», «Shut Your Mouth»), ein belangloser Joacim Cans («Last Man Standing», «Hearts On Fire») und ein bedauernswerter Dan McCafferty. 2013 beendete dieser seine Karriere als legendäre Stimme von Nazareth mit den Worten „If you can't do the job you shouldn't be there“ und so sehr man ihm die Freude, wieder mal auf einer grossen Bühne zu stehen (beziehungsweise auf einem Barhocker zu sitzen) auch anmerkte; er hätte bei seinen Worten bleiben sollen. Weder «This Flight Tonight» noch «Love Hurts» brachte der Schotte, der letztes Jahr seinen 70. Geburtstag feiern durfte, auch nur halbwegs hin. Der Rocklegende selber nahm man das überhaupt nicht übel, dafür den Organisatoren hinter diesem komplett unnötigen, ja einem Festival wie dem „Sweden Rock“ an sich unwürdigen Theater.

Da wirkten die traditionsbewussten Rival Sons anschliessend geradezu erlösend und das trotzdem auch ihrer Performance der letzte Schuss Grandezza fehlte. Die Kalifornier zelebrierten den überbordenden 70's Rock im Geiste Led Zeppelins und The Doors, wofür sie spätestens seit ihrem selbstbetitelten Debüt von 2011 gefeiert werden wie gewohnt ohne Makel, Tadel, Blösse und gerade darin lag vielleicht die Krux des Ganzen. Begnadete Musiker, begnadete Songwriter standen da auf der Bühne, doch vom Wahnsinn des Genies, vom Rand des Abgrund, auf dem die grossen Rockstars wie Jimmy Page oder Jim Morrison, auf die sie sich berufen, tanzten, fehlte jede Spur. Keine Frage, rasante Schlaghosen-Songs wie «Pressure And Time», «Tell Me Something» oder «Keep On Swinging» haben es zurecht längst auf tausende Party-Rock-Playlists geschafft und zu aufrichtigen Balladen wie «Where I've Been» oder «Face Of Light» wurden bestimmt schon schöne Kinder gezeugt, doch hätte man sich die Songs eben gerade so gut ab Konserve geben können, und so klangen auch die von Fronter Jay Buchanan eingeschobenen Reflexionen über Liebe, Freiheit und Sichselbstsein eher nach Ratgeber-Sendung denn Love Revolution. Für einen ausgelassenes Tänzchen in den Abend hinein reichte es dann aber doch. Sölvesborg ist ja schliesslich auch nicht Woodstock.

Dafür danach ein Stück Göteborg, denn der Gig von In Flames wurde zu einem unerwartet gloriosen Heimspiel. Zwar hatten die vom Melodic zum Modern Metal evolvierten Schweden bereits in der Vergangenheit mehrmals bewiesen, auch die grössten Bühnen (auch diese) headlinen zu können, aber als bekannt wurde, dass für Sweden Rock-Verhältnisse eine vergleichsweise harte und „teenie-kompatible“ Band das grosse Finale übernehmen würde, weckte das bei einigen doch Zweifel, wenn nicht gar offene Aversion. Und anfangs machten sie es dem eher konservativen Publikum zu Beginn auch nicht gerade leicht. In Flanellhemd, engem Longsleeve und mit säuberlich getrimmten Hipster-Bärten startete das Quartett mit einer Auswahl neueren Materials, gespickt mit elektronischen Samples («Wallflower», «Alias», «Before I Fall») ins Set und packten erst mit «Leeches» vom 06er-Album «Come Clear» die wirklich knatternden Gitarren und Growls aus, mit denen sie gross geworden waren. Auch von da an ging es zwar noch ein paar Nummern, bis mit «Moonshields» (vom 1996 veröffentlichten Zweitling «The Jester Race»), gefolgt vom unkaputtbaren «Only For The Weak» wirklich altes Material vom Stapel gelassen wurde, doch hatte man sich dabei schon von der Wucht und vor allem Aufrichtigkeit der Performance hinreissen lassen. Wie der eigene Geschmack auch immer gepolt sein mochte, hier zelebrierte eine Band, was sie liebte und wofür wiederum ihre Band sie liebten. Allen voran Anders Frieden überzeugte dabei als bäriger Hühne mit grossem Herz, bedankte sich bei aller Welt für diese Möglichkeit und wenn er mit grossen, ungläubigen Augen auf das Menschenmeer vor der Bühne schaute und ergriffen unter seinem Baseballcap hervornuschelte, umgegebn von tausenden Fans, bevor es ins emotionale «Here Until Forever» überging, verspürte zumindest auch ich etwas Gänsehaut, auch wenn ich kein einzelnes Wort davon verstand, da halt schwedisch. Dass nicht wenige „Sweden Rock“-Besucher sich von solchen Rührseligkeiten nicht beeindrucken liessen, sich entweder lieber Treat auf der 4Sound Stage gaben oder sich bereits auf den Weg Richtung Zelt oder Eigenheim machten, soll an dieser Stelle natürlich nicht verschwiegen werden. Vielleicht wäre den Göteborgern derselbe Slot am Donnerstag oder Freitag doch besser bekommen. Alles in allem lieferten In Flames, die, ob man das nun gut findet oder nicht, seit nunmehr doch über 20 Jahren zu den ganz Grossen der europäischen und vor allem skandinavischen Metal-Szene zählen, eine mehr als souveräne Show ab. Und sind wir ehrlich: Aerosmith sind derzeit auf Abschieds-Tour, die Scorps sind ebenso auf „Abschieds-Tour“, Sabbath und Crüe haben das bereits hinter sich, Dio und Lemmy sind nicht mehr. Früher oder später werden andere diese Lücken füllen müssen, und manchmal, nur manchmal, wäre das heute schon besser als morgen. (kis)

Rockklassiker Stage
So traditionell wie am Freitag die jungen Wilden das Zelt beherrschen, so traditionell gehört die Rockklassiker Stage den etwas vergesseneren Namen. Motvind gehören da dazu, wobei hierzulande wohl auch in den späten 70ern, als das Quintett auf der Höhe seines Erfolges schwamm, von der Truppe was gehört haben wird. Das liegt wohl weniger am zuversichtlichen Rock des Vierers, der mal nach den Stones, mal nach Status Quo gemahnte, sondern wohl vor allem in dem Umstand, dass die Jungs ausschliesslich auf Schwedisch sangen und singen. Ihre Landsleute jedenfalls unterstützten die Veteranten lauthals. Wenn wir ehrlich sind, hatten Lionheart auch in ihrer erfolgreichsten Phase in den 80ern allerhöchstens Kult-Status und so sollte es keinen überraschen, dass die Briten um Dennis Stratton (ja, der Typ, der auf der ersten Maiden-Scheibe neben Dave Murray die Gitarre bediente, danach aber bald durch Adrian Smith ersetzt wurde) auch im Jahr 2017 nicht wirklich zum Publikumsmagnet avancierten und wenn die Jungs 1984 mit „Hot Tonight“ ein ganz passables Album abgeliefert hatten (der eine oder andere Song hätte wohl auch auf einer Def Leppard-Scheibe unterkommen können), und auch die Spielfreude stimmte: Hat irgendwer wirklich auf dieses Comeback gewartet? Ob deutlich mehr Menschen ernsthaft an einer Reunion von Artch interessiert sich auf der Welt, das lasse ich hier auch mal dahingestellt, doch zogen die norwegischen Heavy Metaller schon deutlich mehr Publikum, gaben sich handwerklich keine Blösse und bewiesen doch, dass ihr Debüt „Another Return“ von 1988 zurecht von einigen Kritikern noch immer als schändlich unbeachtete Perle des traditionellen Metals in den späten 80ern gehandelt wird. Zur Schlussschicht liess der Australier Rob Tognoni mit Rock'n'Roll, Boogie und Blues das Biker- und Hillbilly-Herz höher schlagen. Eine beherzte, wenn auch wenig erinnerungswürdige Show, deren Publikumszuspruch wohl vor allem den nicht allen entsprechenden In Flames geschuldet war. (kis)