Livereview: Sweden Rock Festival 2019
05. Juni bis 08. Juni 2019 – Sölvesborg (S)
By Roxx (rxx), Rockslave (rsl), Tinu (tin) and Kissi (kis) – All Pics by Roxx, Rockslave and Tinu


Eigentlich kann ich es kaum glauben, aber heuer reiste ich bereits zum sechsten Mal ans "Sweden Rock" Festival, dem für mich persönlich besten Festival der Welt! Natürlich müsste man in Europa nicht so eine weite Anreise tätigen, aber wer einmal in Schweden oben war, will immer wieder hingehen. Zu schön, friedlich und familiär ist das Ganze und vom jeweiligen Reigen der bekannten Stars bis hin zu Newcomers gibt es stets viel zu sehen und anzuhören. Die bewährte Crew von Metal Factory, angeführt durch unser aller Cheffe Roxx, Tinu, Kissi und meine Wenigkeit, flog anstatt zuerst nach Hamburg wie bisher nun direkt nach Kopenhagen. Im Gegensatz zum letztjährigen Fiasko (gecancelter Flug von ZRH nach HAM wegen dem Stromausfall), ging diesmal alles glatt. Roxx, der wiederum als Erster vor Ort war, holte uns vom Flughafen CPH ab, und dann ging es per Zug erstmal in den Malmöer Vorort Hyllie, wo wir vom Camper-Vermieter abgeholt (!) und anschliessend nach Trelleborg geführt wurden. Nach diesem Top-Service und einem Zwischenhalt in einem Getränkemarkt, nahmen wir den Rest des Weges nach Sölvesborg unter die Räder. Der grosse Unterschied zu vorher, nebst der nicht selber befahrenen Öresund-Brücke, war der Wegfall der Überfahrt von Deutschland nach Dänemark per Fähre. Das war auch gut so, denn dadurch blieb unserem Kissi und uns das erneute Schicksal eines "sans papiers" erspart!

Ziel der Reise war natürlich wieder unser genialer Standplatz direkt am Meer, der auch dieses Jahr, in Sichtweite des von Freunden gemieteten Häuschens, wieder zur Verfügung stand. Die erste Etappe war somit geschafft, und so stand der mittlerweile längst traditionell gewordenen Willkommens-Party nichts mehr im Wege! Kaum dort, wurde einem abermals bewusst, was für ein schöner Fleck Erde das dort doch ist. Bevor am Mittwoch-Nachmittag der Festivalbetrieb um 15:30 Uhr aufgenommen wurde, gab es insgesamt noch genug Zeit zum Relaxen. Wie auch in den Jahren davor, musste vorher der Einsatzplatzplan der MF-Crew erstellt werden. Nebst dem organisatorisch etwas aufwendigeren Gebrauch einer erhaltenen Foto-Weste für insgesamt drei Fotographen unter uns, gestaltete sich die Zuteilung einer jeweiligen Stage als einfachere Aufgabe. Die gefürchteten Überschneidungen von gleichzeitig spielenden Bands, die jeweils persönlich von Interesse waren, hielten sich in Grenzen, wenn auch nicht zu hundert Prozent. Highlights seitens der Bands waren in diesem Jahr unter anderem Joe Lynn Turner, Skid Row, Blaze Bayley, Krokus, Lucifer, Deadland Ritual, Def Leppard, Slayer, Burning Witches, The Night Flight Orchestra, Thundermother, Uli Jon Roth, ZZ Top, Hällas, KISS, Dream Theater, Jared James Nichols, Styx, UFO, Saxon, Zal Cleminson's Sin Dogs und Ritchie Blackmore's Rainbow. (rsl)

 Mittwoch, 05.06.2019 (Erster Tag)

4Sound Stage
Der jeweilige Opener des "Sweden Rock" Festivals ist üblicherweise, respektive stilistisch, nicht allzu heftig. Somit ein ideales Terrain für James Holkworth And The Coolbenders. Die schwedisch-britische Freundschaft spielte soliden Southern Rock mit ein paar Country-Schlenzern drin. Da sich schon eine ganze Menge Leute vor der Stage tummelten, war es ein Leichtes, schon bald für gute Stimmung zu sorgen.

Eine ganze Ecke heftiger liessen es danach OZ angehen. Die 1977 gegründete Heavy Metal Band aus Finnland, die zwischen 1991 und 2010 pausierte, verfügt mit Drummer Mark Ruffneck über ein letztes Ur-Mitglied. Der langjährige Original-Sänger Ape de Martini ist seit drei Jahren nicht mehr dabei und wurde durch Vince Kojvula ersetzt. Die ganze Chose wirkte unaufgeräumt und wollte nicht wirklich zünden.

Besser machten dies <<< Gathering Of Kings, die sowas wie ein kleiner Geheimtipp unter den Melodic Rock und Progressive Fans waren und den Draht zum Publikum sofort fanden. Die Truppe fungiert mit einem anzahlmässig üppigen Line-Up und lässt Erinnerungen an Phenomena (mehr) oder Avantasia (weniger) aufkommen. Das Debüt-Album «First Mission» fand bisher reissenden Absatz, was man an den lautstarken Reaktionen der Fans leicht nachvollziehen konnte. Mit Björn Strid (Soilwork, TNFO) und Rick Altzi (Masterplan, Herman Frank) wirkten mitunter zwei bekanntere Namen mit.

Krachender als mit Death Angel konnte der erste Konzertabend auf der 4Sound Stage nicht zu Ende gehen. Die Amis sind bekannt als brillante Live-Band, und sie blieben sich auch in Schweden nichts schuldig. Mit dabei waren auch neue Tunes ab dem aktuellen Album «Humanicide». Überhaupt ist das Material der 2000er nicht etwa schlecht, aber die Essenz der Bay Area Thrasher steckt nach wie vor in den frühen Alben der 80er/90er, allen voran der Killer-Scheibe «Act III». Neben «The Ultra-Violence / Kill As One» durfte «Seemingly Endless Time» natürlich keinesfalls fehlen! Nach knapp einer Stunde war leider alles schon wieder vorbei und die Nackenwirbel in den ersten paar Fan-Reihen kräftig angewärmt. (rsl)




Sweden Stage
Schwedisch sollte man können! "Rock På Svenska - En Hyllning Till Strängen" (was übersetzt etwa "Rock auf Schwedisch - Eine Hommage an die Saite" heisst, schien bei den einheimischen Fans sehr gut anzukommen, wenn man den Applaus als Gradmesser nimmt. Wenn ich richtig informiert, bin steckt hinter dem Ganzen der The Hellacopters Gitarrist Robert Dahlquist, der mit wechselnden Sängern und Sängerinnen rockiges Musikkulturgut zu Besten gab. In meinen Ohren nichts Spektakuläres, aber zumindest den Schweden schien dies unheimlich gut zu gefallen. Für den in meinen Augen eh dünn an Highlights gesäten Tag gerade der richtige Einstieg. Wer nicht dabei war, verpasste nicht viel, und die wirklich tollen Bands spielten ja noch später an diesem Mittwoch.

<<< Demon sind in meiner Wahrnehmung immer so eine gewöhnungsbedürftige Sache. In einer Halle oder einem Club gefallen mir die Engländer sehr gut. Auf einer grossen Bühne verliert die Truppe jedoch an Magie. Da half auch die teuflische Maske von Sänger Dave Hill nichts, der sich sein Gesicht zusätzlich noch weiss schminkte. Der Hit «Night Of The Demon» machte als Opener allerdings nicht nur den Fans viel Laune. Den Musikern sah man es an, dass sie mit viel Spass in den (Arsch-) Backen auf der Bühne standen. Traditionsgemäss werden alte Helden am "Sweden Rock" Festival immer mit sehr viel Herz und Applaus empfangen, was auch Demon zu Gute kam. «Victim Of Fortune» klang wie ein Uralt-Hit von der Michael Schenker Group und mit «Don't Break The Circle» konnten die Engländer die Schweden definitv um den Finger wickeln. Sicher ein guter, aber kein überragender Gig einer Truppe, die immer im Schatten vieler anderer Bands stand.

Joe Lynn Turner, der ehemalige Deep Purple-, Rainbow-, und Yngwie Malmsteen-Sänger, liess mit seiner Begleitband, bestehend aus den Jungs von Dynazty, nichts anbrennen. Mit einer Setliste, bestehend aus Klassikern von Purple («King Of Dreams» - Göttlich!), Malmsteen («Déjà Vu», «Rising Force») sowie vielen Rainbow-Hits («Death Alley Driver», «Power», «I Surrender», «Spotlight Kid», «Difficult To Cure») konnte der legendäre Frontmann nur gewinnen. Als sei die Zeit nicht nur äusserlich an ihm spurlos vorbei gegangen, präsentierte er sich gesanglich auf der absoluten Höhe. Dabei waren «Street Of Dreams», «Can't Let You Go» und der Abschluss mit «Jealous Lover» in meinen Augen die absoluten Highlights, auch wenn die Besucher logischerweise «Long Live Rock'n'Roll» mitkreischten und dabei in pure Hysterie verfielen. Lässig mit Sonnenbrille auf der Bühne stehend, war Joe eine absolut geile und coole Rampensau, die dem Publikum immer wieder seine Dankbarkeit überbrachte. Wenn man an diesem Set etwas bemängeln kann, dann höchstens, dass die Gitarrenparts zu perfekt gespielt wurden. Ja, zu perfekt, denn es fehlte immer wieder das emotionale Teilchen, das eben Malmsteen und Blackmore stets auszeichnete.

Auf Skid Row war ich sehr gespannt! Mit dem neuen Sänger ZP Theart und «Slave To The Grind» ging es gleich kräftig los. Aber irgendwas passte nicht auf der Bühne..., richtig! Dave "Snake" Sabo fehlte und wurde durch Ryan Cock, den Gitarristen der Gene Simmons Band, ersetzt. Er machte seinen Job gut, aber einen "Snake" lässt man eben nicht so leicht in Vergessenheit geraten. So musste Scotty Hill mit seinen bekannten und berüchtigten Grimassen die Show, neben Bassist und die Coolness in Person Rachel Bolan, schmeissen. ZP ist ohne Zweifel ein verdammt guter Sänger und mit seiner sehr positiv stimmenden Performance ein Typ, den man sofort ins Herz schliesst. Leider versuchte er zu oft eine Kopie der Gesten von Ur-Sänger Sebastian Bach zu sein. Und das hat ZP überhaupt nicht nötig. Es war abzusehen, dass speziell die Hits des mit Platin veredelten Debütalbums die Fans in den Bann ziehen und zum Singen bringen würden. «Sweet Little Sister», «Big Guns», «Piece Of Me», «Making A Mess» und natürlich die Oberklassiker «I Remember You», «18 And Life» und «Youth Gone Wild» öffneten dem Siegeszug der Amis die Türen. Skid Row nahmen Schweden an diesem Abend locker ein, machten keine Gefangenen und brachten dieses Achtziger Feeling in den Norden, welches das Festival so beliebt macht. Dafür bedankte sich die Truppe immer wieder. Speziell Rachel schien es eine Herzensangelegenheit zu sein, für die jahrelange Unterstützung zu danken, speziell auch während den schwierigeren Jahren der ansonsten erfolgsverwöhnten Truppe. Skid Row ist eine Ami-Truppe (die US-Flagge mit nur fünf Sternen dekorierte die Stage), die noch immer zeigen will, dass sie auf der Bühne einiges zu bieten hat. «The age gone wild», das aber sehr authentisch und mit viel Hummeln im Hintern. Und hätte die Truppe die ersten Songs ohne Soundprobleme überstanden, wäre auch der Einstieg ein Sieg auf der ganzen Linie geworden. (tin)


Rockklassiker Stage:
Neben all den grossen Namen, den Legenden und Bestsellern, bietet das Sweden Rock immer auch Platz für Neu- und Wiederentdeckungen. Wobei jugendliche Spielfreude manchmal halt doch nicht reicht, wie etwa Black Mamba aus Italien zeigten, deren Bühnen-Action nicht über ihr belangloses Hard-Rock-trifft-Alternative-Rock-Material hinwegtäuschen konnten. Beinahe hitverdächtig wirkten danach Krisiun. Einer eingeölten Maschine gleich prügelten sich die brasilianischen Death-Veteranen durch ihr Set und überboten damit zumindest für mich die den Abend abschliessenden Dynazty. Das Melodic Metal-affine SRF-Publikum sah das natürlich freilich anders und feierte seine zugegeben mehr als souverän aufspielenden Landsmänner standesgemäss ab. (kis)


 Donnerstag, 06.06.2019 (Zweiter Tag)
4Sound Stage
Die erste Begegnung mit den Kanadiern von The Wild! fand vor einer Weile in der Schweiz, genauer im Z7 und als Support von Rose Tattoo statt. Damals fand ich die überbordende Energie der Band zu heftig, sprich das Ganze törnte einen auf Dauer eher ab als an. So war ich natürlich gespannt, was die nächste Performance bringen wird. Es dauerte nicht lange und schon waren die Jungs erneut voll in ihrem Element! Allerdings mundete dieser Auftritt wesentlich besser, ohne dass ich dafür einen genauen Grund angeben könnte. Allen voran gaben Frontmann Dylan Villain (v/lead g) und Zwirbelschnauzträger The Kid (Rhythm g) wieder Vollgas und versetzten ihre Fans in beste Festivalstimmung.

Seventh Wonder stammen aus Stockholm und zockten feinsten Progressive Metal mit einigen rockigen Momenten. In unseren Breiten-graden nicht gross bekannt, wusste ein Grossteil des Heimpublikums sehr wohl, was sie an ihren Jungs haben und feierten die Truppe ordentlich ab. Mittlerweile im Stall von Frontiers Records vertäut, stammt die aktuelle und mittlerweile fünfte Studiolangrille «Tiara» aus dem letzten Jahr. Obwohl die Konkurrenz in dieser Stilecke beträchtlich ist, hinterliess der Schweden-Fünfer einen sehr guten Eindruck und stellte offensichtlich nicht nur Prog-Fans zufrieden. Frontmann Tommy Karevik ist überdies auch der aktuelle Shouter von Kamelot, was aber nicht alle gemerkt haben dürften.

Sir Reg als schwedisch-irische Band mit dessen Leadsänger Brendan Sheehy vermochte mit ihrem Celtic Punk Rock danach sicherlich zu punkten, aber die zeitliche Überschneidung mit Krokus auf der Festival Stage sorgte unausweich-lich zu meiner totalen Absenz vor der 4Sound Stage. Der nachträgliche Check der Setliste förderte zudem hervor, dass die tolle Ballade und Single «Sinner Of The Century» vom fünften Studioalbum «The Underdogs» leider nicht gespielt wurde. So war dies für meine Wenigkeit letztlich zu verschmerzen.

Mit den schwedischen Prog-Metallern von A.C.T bin ich bisher, warum auch immer, noch nie wirklich warm geworden, und das sollte sich auch mit dem jetzigen Auftritt nicht gross ändern. Auf der einen Seite fehlt mir die Härte von Threshold oder Dream Theater und andererseits liegen mir andere Combos wie Yes, Rush, Saga, Pagan's Mind, Everon, Fates Warning, Redemption, Pallas, Arena oder Pendragon bisher einfach besser. Allerdings steht ausser Frage, dass die Jungs technisch allesamt brillant agierten und die Fans mit ihrer Mucke mehr als nur zufrieden stellen konnten. Mir reichte die gemeinsame Zeit nach ein paar aus dem Publikum geschossenen Fotos. Das Benetzen der Kehle mit Gerstensaft besass eine klar höhere Priorität. Womöglich ist aber ein Update von Nöten, das jedoch erst zu Hause in die Tat umgesetzt werden kann. (rsl)


Rock Stage
Kein Geringerer als Ex-Iron Maiden Sänger Blaze Bailey eröffnete den Donnerstag auf der Rock Stage. Der sympathische Brite begab sich vor dem Gig zuerst runter zu den Fotographen und teilte mit, dass man den ganzen Auftritt über im Fotograben bleiben dürfe. Schöne Ansage für alle. Blaze legte darauf eine grossartigen Auftritt hin. Nicht nur die Songs aus seiner Maiden-Ära kamen gut an, auch die eigenen Werke fanden grossen Anklang. Spätes-tens bei «The Clansman» sang der halbe Platz mit, gut gemacht Mr. Bailey.

Anschliessend war die Zeit reif für etwas transylvanische Stimmung. Die deutschen Hobby-Vampire von Powerwolf betraten die grosse Bühne. Vor Jahren noch im prallen Sonnenschein und auf der deutlich kleineren 4Sound-Stage am Werk, durften die Herren in bleich nun ihre volle Show zum Besten geben. Der gut in der Figur stehende Attila Dorn trieb die Massen mit seinen Sprüchen an und Keyboarder Falk Maria Schlegel sprang immer wieder nach vorne, um die Fans zu animieren. Powerwolf boten eine tolle Show und alle waren zufrieden.

Nun wurde es deutlich härter. Arch Enemy geniessen in Schweden einen hohen Status. So überschlug sich die Stimmung, als die kleine Alissa White-Gluz die Bühne betrat und alles nieder schrie. Eine tolle Figur machten auch ihre Musiker-kollegen. Besonders Mega-Gitarrist Jeff Loomis (Ex-Sanctuary, Ex-Nevermore) überzeugte auf der ganzen Linie. Herrlich, seinen Fingern zuzuschauen, wie sie den Gitarrenhals rauf und runter flitzten. Die Masse vor der Bühne tobte und Alissa sprang herum wie ein Hüpfball, tolle Sache!

Der nächste Act war etwas Spezielles. Tenacious D, bestehend aus Schauspieler Jack Black, bekannt aus Filmen wie zum Beispiel «School Of Rock», fungierte vor allem als Sänger. Zwingend mit dabei war sein Kumpel Kyle Gass, der eine akustische Gitarre bediente. Die Band im Hintergrund war auch nicht zu verachten. So boten Jack und Kyle eine interessante Auswahl aus ihrem Schaffen. Leider wurde dabei das Teufels-Plektrum nicht ins Publikum geschnippt.

Die letzte Band auf der Rock Stage zelebrierte den Abschied vom längst erlangten Legenden-Status. Slayer beendeten nicht nur den Tag, sie spielten auch ihren letzten Auftritt in Schweden. Parallel spielten die Briten FM um Mitternacht auf der 4Sound Stage. Für die meisten Fans besassen aber Slayer die klar grössere Priorität. So standen auch optisch viele Leute hier und waren sich letztlich bewusst, dass es sich jetzt um einen histori-schen Moment handelt. Slayer fetzten in der gewohnten Manier los. Es rumpelte und schepperte, wie man es von Kerry King und Co. kennt. Auf den grossen Screens konnte man den Gitarristen hautnah auf die Finger schauen. Ja, beinahe schwindlig wurde einem dabei. Die Songauswahl war auch grossartig, es blieben kaum noch Wünsche offen. Flammen schossen aus verschiedenen Orten in die Luft und kalt wurde hier bestimmt niemandem. Am Ende des Sets kam die Band geschlossen ganz nach vorne und bedankte sich beim schwedischen Publikum für die jahrelange Loyalität. Es kam echte Wehmut auf, als Tom Araya sagte "wir werden euch vermissen". Slayer..., thank you for the music! (rxx)


 
Sweden Stage
Stell dir eine Band vor, die eine Mischung aus Korn, Mustasch und Freiwild mit schwedischen Texten spielt. Und jetzt stell dir noch vor, dass diese Band am Mittag zuerst die schwedische Nationalhymne intoniert und danach noch eine schwedische Pop-Ballade covert. Verwirrt? Perplex? Und jetzt stell dir vor, du hast auch noch einen Kater, dann weisst du, wie es mir erging. Zumindest der jüngere Teil des Publikums schien damit aber etwas anfangen zu können, genauso wie mit den überraschend zugkräftigen kanadischen Alternative Rockern Three Days Grace. Darf man eine Band, die klingt wie frisch von ihrer 2002er-Tour mit Incubus und Papa Roach eigentlich schon wieder retro nennen?

Die nachfolgenden Lucifer jedenfalls haben sich dieses Label gross und fett auf die Fahnen gestickt. Beziehungsweise auf Fransenjacke und Schlaghose. Dem Outfit gerecht liess die Truppe um Johanna Sadonis (Ex-The Oath) und Nicke Andersson (Hellacopters, Imperial State Electric) die 70's wieder aufleben und ergänzte dabei das eigene Heavy Rock-Material mit „Snowblind“ von Sabbath.

Ob es Zufall war, dass danach mit Geezer Butler der Mann auf der Bühne stehen sollte, der diesen Song vor fast einem halben Jahrhundert eingespielt hatte? Dessen neue Supergroup Deadland Ritual (ebenfalls dabei: Billy Idol-Klampfer Steve Stevens, G'n'R-Drummer Matt Sorum und Apocalyptica-Stimme Franky Perez) verliess sich ebenfalls auf alte Heldentaten. Klar: Der 70-jährige Butler, der lockerflockig „White Wedding“ vom Stapel lässt, ist an Kult-Faktor kaum zu überbieten. Unterm Strich jedoch wirkten Deadland Ritual an diesem Abend weniger wie eine richtige Band, als das (lukrative) Hobby verdienter Altrocker im Ruhestand. Gegen unsterbliche Übersongs wie „Neon Knights“ oder das finale „War Pigs“ gingen die vier neuen Songs der Truppe jedenfalls richtiggehend unter. (kis)


Festival Stage
Blackberry Smoke sind zu rockig für den Country oder "zu Country" für den Rock und liegen somit zwischen Stuhl und Bank. Trotzdem zogen die Amis sehr viele Leute vor die grosse Festivalbühne und rockten mit viel Blues und Country in den Fingernägeln, als gäbe es kein Morgen. Dies mit einer unglaublichen Spielfreude, welche das Publikum immer wieder mitsingen, mitklatschen und mittanzen liess. Wie ein kleiner Geheimtipp spielte der Fünfer gross auf und schien dabei auf der grossen Bühne fast ein bisschen unter zu gehen. Charlie Starr dirigierte das Geschehen auf und vor der Bühne mit einem breiten Grinsen im Gesicht, sang mit einer gepfefferten Stimme und riffte wie solierte sich locker durch das Set. Cooler Gig einer saucoolen Band, auch wenn man nicht auf diesen Southern Rock steht, so versprühten Blackberry Smoke ohne Zweifel eine ansteckende Spielfreude.

Oh mein Gott, «Headhunter» als Opener! Krokus, damit habt ihr bei mir schon gewonnen. Gefolgt von «Long Stick Goes Boom» und «American Woman», was will man mehr? Den Herren schien die Freude aus dem Arsch raus und speziell die linke Bühnenseite mit Fernando Von Arb und Mark Kohler machte gewaltig Druck. Dazu Mandy Meyer, der mit seinen Solos das Ganze veredelte und Marc Storace, der, wie immer, verdammt gut sang. Die Rhythmusmaschine mit dem sich (schweren Herzens) zurückhal-tenden Chris Von Rohr (Bass) und Flavio Mezzodi liess nichts anbrennen. Die Setliste bot trotz dem Hammer-Opener leider keine grossen Überrasch-ungen, sondern die Hits, welche man sich von der «Adios Amigos»-Tour wünscht. Und lieferte in meinen Augen (ja ich weiss, der Song wurde schon zu Tode genudelt) mit «Rocking In A Free World» den ultimativen Gänsehaut-Faktor ab. Wie auch «Winning Man» (tolle Einleitung von Mandy), der sich steigernde Track mit unglaublich viel Gefühl. Überraschenderweise kamen neben «Hellraiser» auch «Live For The Action» zu Ehren. Der Spass kam bei den Helvetiern nicht zu kurz. So duellierten sich Storace und Von Arb wie früher Gillan und Blackmore, während Mandy vor «Easy Rocker» mit kleinen Beethoven-Zitaten glänzte. Es war ein Siegeszug von Krokus, der sich gewaschen hatte und den an diesem Tag so schnell keine andere Truppe zu übertrumpfen vermochte.

Für mich war es völlig unklar, wieso man Amon Amarth nach Krokus auf der Festivalstage aufspielen liess. Anhand der euphorischen Reaktionen des Publikums, bewies die Wikingertruppe aber, auch dank einer coolen Pyros-Show, dass sie wohl zurecht zu dieser Zeit auf die Bühne stieg. Das Drum wurde in einen Wikinger-Schädel eingebettet und die sehr aktive Truppe genoss den Gig förmlich. Sänger Johann Hegg stachelte das Publikum mit seinem breiten Grinsen immer wieder an und growlte sich durch das neunzig Minuten lange Set. Die Bühne stand regelrecht in Flammen und die Begeisterung kannte keine Grenzen. Schweden schien auf ihre Lokalhelden gewartet zu haben und dort, wo ansonsten die kultigen Achtziger Truppen ihren Siegeszug feiern, stand nun der Wikinger-Haufen auf den Brettern, welche die Welt bedeuten und liess sich nach allen Regeln der Kunst abfeiern. Für mich ein Phänomen, für die Anwesenden eine logische Schlussfolgerung.

Das Album «Hysteria» stand im Zentrum des nachfolgenden Auftritts von Def Leppard. «Rocket» (in meinen Augen ein völlig belangloser Start) und «Animal» eröffneten die nächsten neunzig Minuten. Mit «Let It Go» folgte ein Alt-Track, der die Hoffnung aufkeimen liess, dass sich die Herren um Sänger Joe Elliot vielleicht doch auch ein bisschen mehr an ihre Frühphase erinnern würden. Doch neben diesem Song und «Bringing On The Heartbreak/Switch 625» war die Uralt-Epoche des tauben Leoparden auch schon wieder ausgesessen. Mit vier Balladen («Bringing On The Heartbreak», «Two Steps Behind», «When Love & Hate Collide», «Love Bites») wurde auch ein bisschen zu viel von den soften Klängen gespielt. Da hätte es dann doch auch eine Rocknummer mehr verdient gehabt. Daneben trumpften die Herren aber mit einer fetten Videoshow gross auf. Es war der Auftakt der europäischen Konzerte, und irgendwie schien auch eine gewisse Nervosität mit dem Auftritt verbunden zu sein. Klar, Joe dirigierte das Publikum nach Belieben, die beiden Gitarristen Phil Collen und Vivian Campbell liessen nichts anbrennen und der sehr agile Rick Savage (Bass) rannte wie ein junges Reh auf der Bühne herum. Immer wieder ein Hin-gucker ist die bemer-kenswerte Darbietung des einarmigen Schlag-zeugers Rick Allen. Was dieser nach wie vor zu spielen vermag, ist gerade wegen seines Handicaps ganz grosses Kino und muss immer wieder mit grossen Applaus gewürdigt werden. "You want some Death Metal? Sorry baby, wrong stage!" lächelte Joe ins Publikum und schnallte sich flugs die Akustikgitarre um, um mit «Two Steps Behind» den grossen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Dank einer gewaltigen Lichtshow und dem schon fast legendären Bass von Rick, veredelt mit dem englischen Nationalwappen, räumte nicht nur das Instrumental «Switch 625» gewaltig ab. «Hysteria» wurde mit vielen Bildern aus den vergangenen Tagen und dem viel zu früh verstorbenen Gitarristen Steve Clark geschmückt. Mit dem aus allen Kehlen laut mitgesungenen «Pour Some Sugar On Me» wurde der offizielle Teil beendet. Als Zugaben wurden mit «Rock Of Ages» und «Photograph» die absolut richtigen Rausschmeisser gespielt. Es war sicherlich nicht der beste Gig, den ich von den Engländern sah, aber garantiert eine würdige Headlinershow an diesem Abend. (tin)






 
 


Rockklassiker Stage:

Am Donnerstag gehört die Zeltbühne traditionell dem Nachwuchs. Dann nämlich rückt Nemis, „New Music in Sweden“, die Juniorenabteilung der schwedischen Gitarrenmusik ins Rampenlicht. Von fiesem Black Death (Gravestone) über staubigen Fuzz Rock (Electric Hydra) bis stimmgewaltiger Symphonic Metal (Sins in Vain) führte die Riff-Schulreise dabei einmal quer und kurzweilig durch die Metal-Landschaft, wobei anzumerken ist, dass der Jahrgang 2019 im Vergleich zu den Vorgängerjahren eher bescheiden abschnitt. Technisch zwar tadellos, wirkte die Mehrzahl zu generisch, zu brav und mutlos, als dass sie einen bleibenden Eindruck hätten hinterlassen können. Die Ausnahme: Scarlet, eine grenzdebile, von zwei Ladies im Misfit-Zombie-Outfit angeführte Truppe, deren moderne Mischung aus brachialem Industrial und poppigen Refrains überraschte und hängen blieb – ob man nun wollte oder nicht. (kis)




 Freitag, 07.06.2019 (Dritter Tag)
Sweden Stage
Mit einer Lektion Morgen-Gymnastik startete der dritte Festivaltag auf der Sweden Stage. Beziehungsweise Morgen-Aerobic, denn mit ihrem schillernden Disco Rock liessen The Night Flight Orchestra die Früh-aufsteher straight, arschtight und mit der passenden Choreo (und dem passenden Champagner in der Hand) in die neon-farbenen 70er tänzeln.

Doch wer danach glaubte, das wär es schon gewesen mit Hüftenschwingen, die oder der hatte seine Rechnung definitiv nicht mit Royal Republic gemacht. Gerade mal 10 Sekunden standen gefühlt auf der Bühne und schon tobte der Mob. Rote Samtanzüge, eindrückliche Porno-Schnäuzer und vor allem verdammt groovy Funk'n'Roll irgendwo zwischen BadbadnotGood, den BeeGees und den Eagles Of Death Metal – Fronter Adam Grahn hatten an diesem Mittag scheinbar nur eine Mission und erfüllten diese mit Bravour: Make Rock Music sexy again!

Ebenfalls sexy oder zumindest extravagant und auch etwas kauzig: Uli John Roth. In buntem Bandana und mit Federn behangen reiste der deutsche Gitarrenvirtuoso mit wildem Ritt über sein Griffbrett gestützt zurück in die frühen (und damit besseren) Jahre der Scorpions und das mit einer (durchaus egozentrischen) Leidenschaft, wie man sie am Folgetag bei Ritchie Blackmore vermissen würde.

Danach wurde es deutlich düster und das lag nicht nur an der mittlerweile untergegangenen Sonne. At The Gates kamen, rifften und killten. Einem Metzger gleich schlachteten die Miterfinder des Göteborg-Death die Seelen ihrer Anhänger mit handwerklicher, aber auch etwas emotionsloser Professionalität. (kis)




 
4Sound Stage
Den Anfang des Freitags bestritten "unsere Mädels" von Burning Witches. Gleich um 11:30 Uhr sollte es los gehen, doch es begann zunächst mal mit einer fetten und für allermeisten Fans unerwarteten Überraschung! Statt der Ur-Hexe Seraina Telli stand da plötzlich eine andere blonde Dame am Mikrofon. Eine Woche zuvor, beim Gig in Osnabrück, schwang Seraina noch das Mikro. Diese gab jedoch schon vor dem Schweden-Trip aus zunächst unklaren Gründen den Austritt aus der Band. Für den dringend benötigten Ersatz wurde man in Holland fündig. Die neue Dame heisst Laura Guldemond und singt schon seit Längerem bei der niederländischen Symphonic Power Metal Truppe Shadowrise. Über die Performance von Laura konnte man nichts Negatives aufbringen, im Gegenteil! Sie bildete zusammen mit "ihren Hexen" eine solide Einheit und setzte die Songs absolut überzeugend um. Am Anfang noch etwas verhalten, explodierte Laura kurz darauf richtiggehend und die Fans wurden mit einer tollen Show belohnt. Die Mädels wirkten an ihren Instrumenten abgeklärt und lieferten schlicht einen Mega-Job ab.

Mit dem weiblichen Geschlecht ging es danach gleich weiter, denn die heimischen Ladys von Thundermother kickten einem mächtig in den Arsch! Total authentisch rockten sie kräftig nach vorne los. Die Auffälligste unter ihnen war einmal mehr Gitarristin Filippa Nässil. Ihre bratzigen Akkorde kickten ohne Ende, und es wurde sogar mit einer leeren Bierflasche auf den Saiten "herumgeslidet". So geht asskicking Rock aus Schweden mit femininer Note auch in der neuen Besetzung.

Anschliessend ging es über die Öresund-Brücke rüber nach Dänemark. Von da stammen nämlich Dizzy Mizz Lizzy, die in ihrer Heimat schon sowas wie kleine Grunge-Stars sind. Heute hörte sich das Ganze allerdings eher wie Power Rock an. Die anwesenden Landsleute feierten ihre Jungs auf jeden Fall nach allen Regeln der Kunst ab, aber auch andere fanden augenscheinlich Gefallen an den quicklebendigen Jungs.

Während die meisten Leute, drüben auf der grossen Festival Stage, die rockenden Bärte von ZZ Top bestaunten, begaben sich die richtigen Kenner von U.S.-Metal hierher. Die legendären Jag Panzer liessen es nämlich ordentlich krachen. Diese Band gibt es ja schon seit 1981 und man spürte die grosse Routine. Sängerlegende Harry „The Tyrant“ Conklin fühlte sich hinsichtlich der Tatsache sehr wohl, dass sich auch hier vor der kleinsten Bühne ordentlich Leute befanden, die sie laut unterstützen. Eine coole Setliste gab es zu hören und alle Kenner dürften ziemlich zufrieden gewesen sein. Bleibt bloss noch zu hoffen, dass Jag Panzer an diesen Tag weitere neue Fans dazugewinnen konnten.

Kurz nach Mitternacht und passend zur einsetzenden Dunkelheit, stiegen zum Schluss noch die "Blägg Medallär" von Gorgoroth auf die Bühne. Parallel dazu spielten Dream Theater, was sich zu dieser Uhrzeit stilistisch überhaupt nicht in die Quere kam. Einst eine Celtic Frost Coverband, stehen Gorgoroth aus Norwegen für viele Kontroversen, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen. Die Show war weitestgehend ganz ordentlich. Es fand sich sogar eine beachtliche Anzahl an Zuschauern vor der Bühne ein, um der Darbietung ihrer Helden beizuwohnen. Doch irgendwie verklang das Ganze in der nie richtig dunkel werdenden Nacht von Südschweden! (rxx)


Rock Stage
Der dritte Festivaltag startete für mich gleich mit der nächsten Stage-Überschneidung, denn The Night Flight Orchestra spielten auf der Sweden Stage im genau gleichen Zeitfenster wie LOK!  Die Zuteilung der Stages kann halt praktisch nie zur vollen Zufriedenheit des MF-Teams erfolgen, und darum tat eine Entscheidung Not und liess mir keinen Augenblick für die Rock Stage übrig. Das sahen vor allem zahlreiche schwedische Fans sicher anders, denn LOK scheinen in der Heimat durchaus bekannt zu sein, respektive sind schon seit 1995 in der lokalen Szene unterwegs, und dass die Truppe ihre Texte in der Heimatsprache zum Besten gibt, sorgte für zusätzliches Antizipieren der Landsleute. Die wilde Mischung aus Hardcore, Punk, Metal und Rap wäre aber eh nichts für den Slave gewesen.

Mit Easy Action sah das dann freilich anders aus. Die Melodic Rock Combo, die ihre Anfänge in den frühen 80ern hatte und sich eigentlich von den Fähigkeiten her auf Augenhöhe der Landsleute von Europe befand, hatte bis 1986 einen gewissen Kee Marcello (g) im Line-Up. Just in diesem Jahr gingen die Kollegen mit «The Final Countdown» durch die Decke und Easy Action hatten das Nachsehen. Bereits im Jahr danach ersetzte Mr. Marcello bekanntlich John Norum und der Rest ist Geschichte. Für den Auftritt am diesjährigen "Sweden Rock" rauften sich Easy Action nochmals zusammen und spielten gleich die ganze 86er-Scheibe «That Makes One» am Stück durch! Die eingängige Melodic Rock Mucke bewies dabei eindrücklich, dass die Jungs damals einfach ein Saupech hatten.

Obwohl noch taghell, was es um 17:15 Uhr halt noch locker ist, mussten die Landsleute von Candlemass auf die Bühne steigen. Die schwedischen Doom-Kings sind bekanntlich wieder mit "Ur-Sänger" Johan Längquist vereint, der das full lenght Debüt «Epicus Doomicus Metallicus» (1986) als Gastsänger einsang. Nach Thomas Vikström, Björn Flodkvist, Tony Martin (!), Rob Lowe und Mats Levén kehren Candlemass so zu sagen wieder zurück zu ihren Anfängen. So weit hätte es für mich als erklärten Fan von Messiah Marcolin nicht gehen müssen, aber seit 2006 ist dieses Kapitel leider definitiv abgeschlossen. Heuer haben die Doomsters mit «The Door To Doom» jedoch wieder mächtig Kohlen nachgelegt! So auf den Punkt gespielt waren die Songs schon eine ganze Weile nicht mehr, und die Wahl wie Bereitschaft von Johan kann getrost als veritabler Glücksfall angesehen werden. Allerdings verpuffte das Ganze trotz ansprechender Performance und tonnenschweren Riffs wegen der Tageszeit. So kam die fehlende Düsterheit nicht wirklich zum Tragen. (rsl)

Eigentlich hätte die Reihenfolge der Auftritte getauscht werden sollen, sprich Candlemass wären wohl auch selber lieber erst um 20:30 Uhr auf die Rock Stage gestiegen. Dieser Platz gehörte heute Abend jedoch Disturbed. Die amerikanischen Alternative Heavy Metaller sind mittlerweile auch schon ein gutes Vierteljahrhundert unterwegs und haben in der Zeit vor allem in der Heimat grössere Erfolgsstricke zerreissen können. In Europa war man allerspätestens seit der überaus gelungenen Interpretation des Simon And Garfunkel Monsterhits «The Sound Of Silence» in aller Munde. Der Opener hiess programmgemäss jedoch «Are You Ready» und der ging mit seinem treibenden Rhythmus gleich in die Vollen. Mit der gleichen Rezeptur schloss «Prayer» nahtlos an und spätestens bei «Liberate» hatte der stimmgewaltige Frontmann David Draiman das zahlreich aufmarschierte Publikum fest im Griff. Nebst den eigenen Songs im typischen Disturbed-Gewand haben die Amis bisher ein eher glückliches Händchen für Cover-Versionen bewiesen. Dazu gehörte mitunter auch der Genesis-Hit «Land Of Confusion», der sich rhythmisch in der Tat anbietet und selbst für meine Ohren passte. Mein Highlight war jedoch klar «Ten Thousand Fists», wo mehr Metal als Alternative drin steckt. Im Anschluss konnte Drummer Mike Wengren dann noch zeigen, was seine Drumsticks auf seinem Arbeitsgerät hergeben. Und dann kam er, der Sound der Stille als erste Zugabe und hielt, was er versprach. Wie schon bei Genesis bin ich altersmässig nach wie vor mit den Original-Versionen verwurzelt, und deshalb läuft das bei mir halt höchstens unter "nice to have". Nichtsdestotrotz rockten Disturbed gekonnt in die Nacht hinein und nutzten ihre Spielzeit von neunzig Minuten maximal aus.

Diesen zeitlichen Rahmen hätten Dream Theater als letzte Band der Rock Stage am dritten Festivaltag auch gehabt, doch dazu später mehr. Die amerikanischen Prog-Könige machten sich vor drei Jahren mit dem insgesamt viel zu seichten und überlangen Werk «The Astonishing» keinen wirklichen Gefallen. Viele Fans wurden mit dieser zahnlosen Mucke vor den Kopf gestossen und griffen deshalb lieber auf ältere Werke zurück. Allerdings war nicht wirklich zu befürchten, dass James LaBrie & Co. den Weg der Tugend verlassen würden. Heuer im Februar wurden sämtliche Bedenken mit dem neuen Werk «Distance Over Time» wieder ausgeräumt. Das Intermezzo der zu sanften Töne gehörte somit der Vergangenheit an und die gewohnte wie verspielte Härte meldete sich mit «Untethered Angel» auf einen Schlag zurück. Nach dem über zwei Minuten langen Intro bretterte die Band wieder so los, wie das geneigte Fan erwartet hatte. James schwang dabei einen extra hergestellten Mic-Ständer, am dem der Schädel des neuen Album-Covers befestigt war. Das sah echt geil aus und war mitunter für die Fotographen, zu denen ich auch gehörte, ein oft geknipstes Sujet. Wichtiger war dabei allerdings, dass Mr. LaBrie bestens bei Stimme war. Gleiches galt für seine Kollegen, von denen jeder einzelne in die Kategorie Ausnahmemusiker gehört. Dass die Härte gegenüber dem Lieblichen wieder Aufwind erhalten hat, bewies darauf «As I Am» von «Train Of Thought» (2003), einem der insgesamt härteren Alben des Backkatalogs. «Fall Into The Light», ein weiterer neuer Song, empfahl sich derweil als nächstmöglicher Klassiker. Natürlich trugen die Amerikaner, die ihr Konzert erst nach Mitternacht begannen, auch Sanfteres wie «Peruvian Skies» vor, wo man im ersten Teil beinahe in Gefilden von Pink Floyd landete. Somit startete das Ganze ziemlich hoffnungsvoll und im Wissen darum, dass eigentlich eineinhalb Stunden angekündigt waren, erhoffte man sich natürlich noch den einen oder anderen Kracher. Doch nach dem Ausklingen von «Pale Blue Dot», dem notabene auch letzten Track von «Distance…», war das Konzert nach gerade mal einer Stunde schon wieder vorbei! Nanu, was soll denn das, fragten sich viele? Doch im Nachhinein war der Setliste vor Ort zu entnehmen, dass vorweg nicht mehr als eine Stunde eingeplant war. Etwas schräg, was aber das Gezeigte qualitativ keinesfalls schmälerte. (rsl)
 

Festival Stage

Magnum gingen mit ihrer kleinen Produktion auf der Riesenbühne schon fast unter. Zwei Amps, ein Drum (Lee Morris), ein Keyboard (Rick Benton), Bassist Al Barrow, Gitarrist Tony Clarkin und Sänger sowie Zeremonien-meister Bon Catley überzeugten dennoch auf der ganzen Linie. Während auf der 4Sound Stage Thundermother einen Wahnsinns Kick-Ass-Gig ablieferten, trumpften die Engländer mit feinen Melodien und hymnischen Parts gross auf. Gestartet wurde mit «Wild Swan» einem richtig geilen Klassiker. Es war wie immer Bob, der das Publikum animierte und mit seinen Handbewegungen, wie ein Schweizer Kollege sagte, bei jedem Gig ein Bild zeichnen könnte. Quer durch die Bandgeschichte von neueren Liedern wie «Lost On The Road To Eternity», «Crazy Old Mothers» und «Sacred Blood „Divine“ Lies» bis hin zu den Klassikern in Form von «How Far Jerusalem», «All England's Eyes», «Vigilante», «Don't Wake The Lion (Too Old To Die Young)» und «Sacred Hour» überliessen Magnum nichts dem Zufall und wurden von den sehr zahlreichen Besuchern zurecht wie lautstark abgefeiert.

Axel Rudi Pell hatten dann als Band gleich zu Beginn mit einigen Soundproblemen zu kämpfen, die sich bis zum Drum-Solo von Bobby Rondinelli nicht legen wollten. Wer Axel kennt, weiss, dass genau solche Dinge den Gitarristen zur Weissglut treiben können. So gingen «The Wild And The Young», «Wildest Dream» und das wieder ausgegrabene «Voodoo Nights» ein bisschen im halbgaren Sound unter. Was Sänger Johnny Gioeli aber nicht davon abhielt, wie gewohnt wie ein kleiner Derwisch über die Bühne zu sprinten. Auch wenn der agile Frontmann die Show locker alleine reissen könnte, überliess er "the man with the three names, Mister Axel. Mister Rudi and Mister Pell" immer wieder den angestammten Platz. Diesen nutzte Axel aber an diesem Nachmittag nur minimal aus und trat selten von seiner Boxenwand weg. Die Truppe versuchte die technischen Probleme, so gut es eben ging, mit viel Spass und breitem Grinsen (Bassist Volker) zu überspielen, aber man merkte es der Truppe an, dass sie schon bedeutend bessere Shows hingelegt hat. So blieb es dem Dreh- und Angelpunkt Johnny vorbehalten, das Publikum bei Laune zu halten und sich mit "...thank you for all the support, for being here" zu bedanken. "Without you we are nothing" stellte der Shouter völlig zurecht fest. Mit der Hammer-Ballade «The Line», die sehr emotional vorgetragen wurde, und «Eternal Prisoner» wurden Nummern gespielt, welche dem Set einen frischen Anstrich verliehen. Das (leider) logischerweise «The Masquerade Ball» nicht fehlen durfte, war so sicher wie das Amen in der Kirche. Ein guter, aber sicher kein sensationeller Auftritt einer Band, bei welcher der Sänger schon länger mehr als nur die halbe Miete ausmacht.

Tja..., ZZ Top, zwei Bärte mit Sonnenbrillen und ein fast schlafender Trommler standen dann auf der Bühne. «Got You Under Pressure» startete den Reigen und ehrlich gesagt, erkannte ich den Track erst beim Refrain und dies auch nur durch genaues Hinhören. Klar, das Trio ist an Coolness nicht zu toppen und speziell in Schweden waren es die grossen Klassiker wie «Tush», «La Grange» und die poppigen Hits in Form von «Legs», «Sharp Dressed Man» und «Gimme All Your Lovin'» welche vom Publikum des "Sweden Rock" lauthals mitgesungen wurden. Es waren die «Eliminator»-Hits, die vom Mainstream-Publikum gewünscht und abgefeiert wurden. Daneben waren es eher die Biker-Jungs, welche den Bärten ihre Aufwartung machten. Als Trio wirkte die Band aber, wie schon Magnum, auf der grossen Stage verloren. Es war sehr wenig Bewegung zu sehen bei Billy Gibbons (Gitarre, Gesang) und Dusty Hill (Bass, Gesang), die den Boogie-Rock-Blues aber mit einer legèren Lockerheit in die Abendsonne rockten. Ob die Herren älter geworden sind, sieht man nicht, da neben den Sonnenbrillen auch die Bärte kaum verraten, was sich dahinter versteckt. Die Jungs mal zu sehen war sicher toll, aber wenn man bedenkt, was KISS danach präsentierten, war der Auftritt von ZZ Top, mit Ausnahme für die Die-Hard Fans, sicher keine Offenbarung.

Was soll man zu den Shock-Rockern noch gross sagen? «The End Of The Road»-Tour..., und es scheint tatsächlich, dass 2022 alles vorbei sein soll. Aber! An diesem Abend waren sie in Schweden die absolute Hauptattraktion, um nicht zu sagen des ganzen Festivals. Ja, ein sehr grosser Teil macht die Show von KISS aus. Gene spuckte Feuer und Blut, flog nicht an Seilen, sondern diesmal stehend auf einer Plattform bei «God Of Thunder» in die Höhe. Paul ist und bleibt der Gott der Posen. Keiner hat einen geileren Arsch als er, auch keine Frau! Er animierte das Publikum, bedankte sich für die stetige Treue wie Unterstützung und flog bei «Love Gun» zu einer kleinen Bühne beim Mischpult, um seinen Fans näher zu sein. Logisch kannte man die Ansagen, logisch schoss Tommy Thayer Raketen aus seiner Gitarre, logisch wurden die Helden beim Opener «Detroit Rock City» über kleine Bühnen, die an Seilen hingen, von der Bühnendecke auf den Boden gebracht, wie das nun mal für Götter üblich ist. Trotzdem wurde bei der Lichtshow und den Videoscreens nochmals fett aufgefahren, und als Eric Singer bei der ersten Zugabe am Piano sass und «Beth» sang, blieb bei den meisten kein Auge trocken. Sie kamen, sahen und siegten, hinterliessen eine völlig eingenebelte Bühne mit Konfettiregen und Papierschlangen («Rock And Roll All Nite») und liessen (erstaunlicherweise) Schweden bei den Achtziger Songs («Heaven's On Fire», «Lick It Up», «Crazy Crazy Nights») am meisten mitsingen. Es waren die vier Charakteren, welche das Geschehen diktierten. Logisch zogen Gene mit seiner Frauen verwöhnenden langen Zunge und Paul mit seiner kokettierenden Art die meisten Blicke auf sich. Es war aber auch ein Augenschmaus, Eric und Tommy zuzusehen. Die Setliste war in meinen Augen sensationell, wenn auch mit vielen zu erwartenden Tracks gefühlt. Aber was wäre passiert, hätten die Jungs «Calling Dr. Love», «Shout It Out Loud», «Black Diamond» (Eric mit sehr geilem Gesang), «Deuce», «100'000 Years», «Cold Gin» (beide wieder im Set!), «Love Gun», «I Was Made For Lovin' You» oder das bärenstarke «Let Me Go Rock'n'Roll» nicht gespielt? Ganz zu schweigen von den schon erwähnten Hits. «Psycho Circus», «Say Yeah» und «Crazy Crazy Nights» (mit vielen grossen, weissen Luftballons) gingen hingegen als Überraschung durch. Speziell letzterer Track wurde erst für Europa in das Set genommen. Die US of A kamen dafür noch in den Genuss von «Do You Love Me?». Ich könnte mit meinen Schwärmereien noch Seiten füllen und ja, ich bin absolut nicht objektiv. Will es aber auch gar nicht sein, und ja, die Stimme von Paul war schon besser. Aber verdammt, nach über 45 Jahren im Business leiden die Stimmbänder halt, und anders als bei einer Gitarre, kann man da keine neuen Saiten aufziehen. Es war trotzdem ein Erlebnis der besonderen Art. Danke Jungs für die Musik, danke für die Show und danke dafür, dass ich nie eine schlechte Show von euch sah. Ich/wir werde/werden euch vermissen, wenn 2022 der letzte Vorhang wirklich (?) gefallen sein wird. (tin)




 
Rockklassiker Stage
Als Rockklassiker Allstars eröffnet ein ganzer Reigen (meist) schwedischer Rock-Prominenz traditionellerweise das Zelt am Freitag und gestossen voll ist es traditionellerweise. So auch dieses Jahr, in welchem neben Nicke Borg und Johan Blomqvist (Backyard Babies) und Jona Tee (H.E.A.T.) auch Blaze Bayley paar Klassiker zum Besten gaben. Die Lisa Lystam Family Band lieferten danach, was am Sweden Rock ebenfalls nicht fehlen darf: Hillbilly-Feeling, heisst country-getränkter Blues Rock. Während darauf die schwedischen Stoner Rock-Pioniere ihre mittlerweile vierte Sweden Rock-Show zockten, standen Hällas (<< Bild links) das erste Mal in Sölvesborg auf der Bühne. Dabei bewiesen die obskuren Newcomer, deren Song „Star Rider“ mit Fug und Recht jetzt schon als Hymne bezeichnet werden darf, dass ihre funkelnde Mischung aus psychedelischem Occult Rock und Proto Metal auch ausserhalb des Undergrounds funktioniert. Dort zu verorten, aber schon etwas länger, sind ebenfalls Witchfynde. NWOBHM-Bands, die im Gegensatz zu Maiden oder Priest nicht berühmt geworden sind, sich aufgelöst und vor einigen Jahren wieder reformiert haben, gibt es mittlerweile einige, doch wenn man so kultig und sorglos auf die Bühne steht wie diese mittlerweile ihre Knochen spürenden Rocker, dann ist die Wiederbelebung mehr als berechtigt. Dafür liess sich bei der letzten Band des Abends über ihre Existenzberechtigung streiten. Seit sich die beiden Hauptmitglieder Ende letzten Jahrs zerstritten haben, touren derzeit zwei Batushkas durch die Welt (und streiten derweil um die Namensrechte). Was ihnen gemein ist: Okkultuer Black Metal inszeniert als orthodoxen Gottesdienst, mit prunkvollen Roben, benebelndem Weihrauch und goldenen Reliquien intensive.
(kis)

 Samstag, 08.06.2019 (Vierter Tag)
4Sound Stage
Ziemlich stimmungsvoll begann der letzte Tag des "Sweden Rock" Festivals auf der 4Sound-Stage mit den heimischen Dust Bowl Jokies. Etwas im Fahrwasser des typisch schwedischen Sleaze Rock mit Einflüssen von Blues und Country, heizten die Jungs aus der Region Sölvesborg gut ein. Da am Samstag jeweils viel Publikum aus der unmittelbaren Region ans Festival kommt, kann solche nicht zu harte Mucke immer punkten, und das tat sie offensichtlich einmal mehr. Der Tag konnte also entspannt losgehen.

Was ganz anderes boten danach die Brothers Of Metal, ebenfalls aus Schweden. Okay, eine Schwester des Metals war am Mikrofon auch dabei, aber sonst dominierten Männer in Fellen das Bühnenbild. Musikalisch wurde waschechter True Metal geboten, der eher knapp am Kitschigsein vorbei schwappte. Zwei Sänger, eine Sängerin und drei Gitarristen mussten es dann schon sein. Zu kleine Bühnen dürften dieser Band wohl ziemlich unzumutbar sein. Die aus dem gleichen Ort wie Sabaton stammende Band überzeugte ohne Wenn und Aber mit einer ansprechenden Show, guten Ansagen sowie natürlich guten Songs. Es bleibt wirklich spannend, wie sich diese coole Truppe noch weiter entwickeln wird.

Wer was zum Fremdschämen suchte, war nun vor dieser Bühne genau richtig. Ende 90er noch mit dem lustigen Clip mit den drei Schweinchen auf MTV bekannt, schafften es Green Jelly, eine wirklich peinliche Show abzuliefern. Dazu holten sie viele Leute aus dem Publikum auf die Bühne und stülpten ihnen ihre selbst gemachten Masken auf den Kopf. Alles zappelte zu dieser völlig unkoordinierten Aktion herum. Ich mag ja lustige Elemente auf der Bühne, aber das hier war einfach nur noch peinlich.

Einen kurzen Fussmarsch rüber zur Festival Stage, um sich die gleichzeitig rockenden Saxon zu geben, fiel da nicht schwer. Das Niveau wurde mit der darauf folgenden Band Blue Coupe deutlich höher. Sollte dieser Bandname kein Begriff sein, dann der Hinweis an dieser Stelle, dass es sich hierbei um eine kleine Supergroup handelt. Mit dabei war zum Beispiel Dennis Dunaway, Mitbegründer der originalen Alice Cooper Band sowie die Brüder Joe und Albert Bouchard als Mitgründer von Blue Öyster Cult. Ja, da kam einiges an Talent zusammen. Wie eine Mischung aus den genannten Bands hörte sich das Ganze dann auch an. Die Herren rockten ziemlich geil und eine gute Stimmung breitete sich zur einsetzenden Abendstimmung aus. Ein würdiger Abschluss auf der kleinsten Bühne des "Sweden Rock" Festival. (rxx)

 
Sweden Stage
Ich weiss: Als objektiver Berichterstatter sollte man offen sein, sich auch auf Sound einlassen, den man nicht kennt, und versuchen, das Gute darin zu sehen. Beast In Black jedoch brauchten nur einige Minuten, um mich das Weite suchen zu lassen. Plastikhafter Keyboard-Metal, bei welchem die Keys sogar ab Band plärrten und der sich ein wenig anfühlte wie Sabaton auf XTC. Doch die Menge tobte und zwar frenetischer als danach bei UFO..

Denoch lieferten UFO mit einer kompletten Klassiker-Setlist eine souveräne vielleicht letzte Show in Skandinavien ab.



Abgesagt hatten hingegen Annihilator und obwohl ich mich persönlich auf Jeff Waters und „Alice in Hell“ gefreut hätte: Munterer und beschwingter als von den Nutzniessern Unleashed kann Death Metal wohl kaum geknüppelt werden.

Dafür verteilte Finale Hank von Hell liebevolle Death Punk-Mittelfinger und bewies mit seinem überdimensionieren Konterfei als Backdrop im Rücken, dass er auch nach dem Rauswurf aus Turbonegro und längerer musikalischer Pause noch weiss, mit Riffs die Meute wuschig zu machen. Die Turbo-Hymnen „I Got Erection“ und „All My Friends Are Dead“ durften zum Abschluss dann aber natürlich doch nicht fehlen. (kis)





Rock Stage
Die Electric Boys hatten es nach Danko Jones sehr schwer. Der knackige Kick-Ass Rock'n'Roll konnte durch den Retro-Rock nicht übertrumpft werden, auch wenn die Schweden ihre Lokalmatadoren mit viel Wärme empfingen. Unbeirrt davon rockte der Vierer die Sweden Stage, liess die Siebziger Jahre aufflammen und transportierte dieses Flair in die heutige Zeit. Besser aber als eine Truppe wie die Rival Sons, die verkrampft versuchen retro zu sein. Der singende Gitarrist Conny Bloom dirigierte seine Fans nach Belieben und liess sich feiern. Die Eröffnungstriplette «Hangover in Hannover», «Suffer» und «Groovus Maximus» spiegelten die Spielfreude der Truppe wieder und zu Recht konnten sie auf der zweitgrössten Bühne des Festival-Geländes abrocken.

Demons & Wizards wurden wie alte Helden empfangen. Hansi Kürsch (Gesang – Blind Guardian), Jon Schaffer (Gitarre – Iced Earth), Marcus Siepen (Bass – Blind Guardian), Fredrik Ehmke (Schlagzeug – Blind Guardian), Joost Van Den Broek (Keyboards – Ayreon) und Jake Dreyer (Gitarre – Iced Earth) hatten ein leichtes Spiel, die Besucher auf ihre Seite zu ziehen. Mit eigenen Tracks und vier Coverversionen (Iced Earth «Burning Times», «I Died For You» / Blind Guardian «Welcome To Dying», «Valhalla») schmetterten die Herren eine coole Setliste in das dichtbesuchte Rund vor der Bühne. Man kann von der Sache halten was man will und auch darüber diskutieren, ob es eine Truppe wie diese braucht, aber am Ende zählen nur die Reaktionen, und die waren mehr als nur beachtlich. Die Metaller liessen sich durch Kürsch/Schaffer verwöhnen, während sich die Hardrocker bei UFO wohl(er) fühlten. Demons & Wizards bauten auf jeden Fall eine eindrückliche Kulisse auf, die an einen Friedhof erinnerte und konnten nicht nur damit viele Pluspunkte sammeln.

HammerFall eröffneten ihren Set mit dem neuen Video zu «(We Make) Sweden Rock» vom kommenden Album. Die Hymne für dieses Festival löste schon mal grossen Beifall aus, welcher noch grösser wurde, als der Fünfer mit «Legion» und «Hammer High» ins Rennen stieg. Die Bühne war für die Schweden sehr spartanisch aufgebaut worden. Ein grosses Backdrop und der Drumriser, das war alles. "Let the music do the talking" war der Ansatz und der schien zu fruchten. Okay, HammerFall könnten mit einer Kochschürze auftreten und sie würden an allen Ecken der Erde abgefeiert. So auch bei diesem Auftritt, welcher den Spruch widerlegte, dass der Prophet im eigenen Land nichts zählt. Von der ersten Sekunde an bis zum Schluss («Hearts Of Fire» mit endlosen Chören) liess die Truppe nichts anbrennen und speziell Gitarrist Pontus spielte und solierte sich in den siebten Himmel. Auch wenn es nicht einfach war, nach Saxon bestehen zu können, HammerFall schmissen ihre Riffs, Chöre und Melodien in die Menge, als gäbe es nichts Leichteres und siegten auf der ganzen Linie. Joacim und Oscar spielten auf eine sympathische Art mit dem Publikum und gehörten mit ihrer Band zu den Siegern des diesjährigen "Sweden Rock" Festival. Man darf gespannt auf das kommende Album und die dazugehörende Tour sein. Da werden die Jungs sicher auch optisch wieder einiges zu bieten haben.

Nach Rainbow hatten es Behemoth sehr schwer. Einerseits wiederholt sich diese Zeile im Vergleich zum letzten Jahr mit den Backyard Babies und Judas Priest und andererseits spielten eben diese Behemoth zum grossen Leidwesen vieler Black Metal Fans nicht, da sie am Frankfurter Flughafen feststeckten! Was für ein Drama, deswegen einen so wichtigen Auftritt zu verlieren. Als Ersatz durften Myrath nochmals ran. Die Truppe konnte schon am Nachmittag auf der Rockklassiker Stage mit ihren Feuerspuckern und Bauchtänzerinnen überzeugen. So erhielten sie nun auf der weitaus grösseren Sweden Stage nochmals die unbezahlbare Möglichkeit, sich noch eindrücklicher zu präsentieren. Mit einer noch ausladenderen Bühnenproduktion und einer gigantischen Lichtshow zog Sänger Zaher Zorgati besonders die weiblichen Besucher in seinen Bann. Er wickelte die Ladys geradezu um dem Finger, während der männliche Teil der Besucher sich an den Tänzerinnen nicht genug satt sehen konnte. Die tunesische Prog Metal Band zog mit ihren orientalischen Einflüssen alle Register und beendeten ihren Auftritt gebührend. Auch wenn die meisten Besucher nach Rainbow bereits den Heimweg antraten, waren es Myrath durchaus wert auszuharren, um den Abend und das diesjährige "Sweden Rock" Festival bestmöglich abzuschliessen. (tin)





 
Festival Stage
Für den letzten und abschliessenden Tag der Festivalausgabe 2019 hatte ich die Festival Stage im Auge zu behalten. Dass ich dann pünktlich auf 12:15 Uhr für Danko Jones (v/g) und seine beiden Sidekicks John Calabrese (b) und Rich Knox (d) auf der Matte, sprich vor der Bühne stehen konnte, brauchte einiges Wetterglück, denn kurz vorher entlud sich ein heftiges Gewitter über das Gelände. Doch Petrus hatte dann ziemlich schnell ein Einsehen und just als Danko auf die Bühne kam, war es wieder trocken. So konnte ich erstmal einige Pics des flott agierenden Trios im Pit schiessen. Obwohl die Jungs eigentlich ausser ihren Instrumenten kaum was dabei hatten, mussten sie die vergleichsweise riesige Stage mit ihrem Dampfhammer Rock ausfüllen, und das gelang erstaunlicherweise ziemlich gut. Obwohl ich die Mucke persönlich noch nie umwerfend gefunden habe, und Danko ausser an Festivals nie live erlebt habe, hinterliess die Truppe hier in Schweden einen ziemlich kompakten Eindruck und die Canucks spielen normalerweise kaum vor so vielen Leuten. So verging die Spielzeit von einer Stunde viel zu schnell und dies für die Band wie das Publikum gleichermassen. Interessant war noch die Beobachtung, dass in meiner direkten Umgebung einige Leute sehr textsicher waren und praktisch jeden Song regelrecht abfeierten!

Um halb drei am Nachmittag enterten dann die Amis von Styx die Bühne, und die AOR-Ikonen aus Chicago waren natürlich wie geschaffen für die grösste Bühne des Festivals. Wenn ich mich recht entsinne, dürfte es für mich und nicht wenig andere Fans wohl die Premiere gewesen sein, denn Styx, wie auch die Eagles liessen sich bisher kaum in Europa blicken. Letztere noch eher in den vergangenen Jahren. Bereits 1972 gegründet erspielte man sich in den ersten Jahren vor allem in der Heimat einen exzellenten Ruf. Erste Hits wie «Lady» und «Come Sail Away» folgten. Nicht zu vergessen auch «Babe» und «Boat On The River». Letzter Song wurde allerdings ausgelassen und dafür «Bohemian Rhapsody» (Queen Cover) gespielt, was nicht wirklich passte. Aber alles andere, was Ur-Member James Young (g/v), Tommy Shaw (g/v; Ex-Damn Yankees) und Leadsänger wie Tastenmann Lawrence Gowan, zusammen mit Ricky Philipps (b) und Todd Sucherman (d) ablieferten, war einfach nur grosses Kino. Vom gelungenen 2017er Comeback-Album «The Mission» wurden «Gone Gone Gone» (als Opener) und «Radio Silence» gespielt und «Mr. Roboto» als erste Zugabe durfte natürlich nicht fehlen. Es bleibt schwer zu hoffen, dass diese Hammer-Band bald wieder auf den alten Kontinent übersetzt, denn dieser Sound ist, wie der von TOTO, einfach zeitlos gut.

Ein stilistisch ganz anderes Kaliber waren anschliessend Saxon, die ihren Auftritt um halb sechs, also auch noch bei vollem Tageslicht, starten mussten oder besser durften. In den vergangenen Jahren lieferten die Briten jeweils auch auf den mittleren Bühnen, wie zum Beispiel der Rock Stage, ausnahmslos gute Shows ab. Dass es nun zu einem Auftritt auf dem ganz grossen Parkett gereichte, war der Heavy Metal Institution echt zu gönnen. In gewohnter Manier präsentierte sich Bühne, die mit massig Marshall-Stacks auf beiden Seiten des Arbeitsgerätes von Nigel Glockler (d) aufgetürmt waren. Was in den folgende neunzig Minuten dann abgefackelt wurde, war eine Lehr- wie Sternstunde des NWOBHM! Mit dem unerwarteten Opener «Wheels Of Steel» (sonst eigentlich immer im Zugaben-Teil gespielt) wurde das Fundament des Feuers clever gelegt und «Strong Arm Of The Law» wirkte gleich nachfolgend wie ein Keulenschlag. Die Band spielte wie immer tight auf, Nibbs Carters Bassläufe hörte man deutlicher als andere Male und Frontsirene Biff Byford, mittlerweile auch 68 Jahre alt (!), war bestens bei Stimme und verhängte rein gar nichts. Die Setliste zeigte sich interessant wie variabel und der Doppelschlag mit «Battering Ram» und «Thunderbolt» hinterliess nur noch verbrannte Erde. Der nicht so häufig gespielte Track «Dogs Of War» haute ebenso voll rein wie der Oldie «Backs To The Wall». Hinten raus machte die bis in die Fingerspitzen motivierte Band ebenso keine Gefangenen, und wer nach «Crusader» noch locker drei hochkarätige Zugaben, darunter das unverwüstliche «Heavy Metal Thunder» und den Hit-Song «Princess Of The Night» aus dem Ärmel schütteln kann, hat sich den Platz auf der Festival Stage redlich verdient.

Als ich Ritchie Blackmore's Rainbow 1995, also vor bald einem unfassbaren Vierteljahrhundert (Kinder, wie die Zeit vergeht...) das letzte Mal voll im Saft live erleben durfte, hätte ich nach der andauernden Phase mit Blackmore's Night nie im Leben daran geglaubt, den ehemaligen Maestro meiner absoluten Lieblings-Combo Deep Purple jemals wieder "Krach" spielen zu hören. 2016 war es dann aber tatsächlich soweit und da musste ich eines insgesamt nur drei angesagten Konzerte in Deutschland besuchen gehen. Die Erwartungen waren allerdings zu hoch, aber die Freude über das unerwartete Ereignis überwogen klar und liessen Milde walten. Dank dem überragenden Ronnie Romero (Ex-Lords Of Black, Core Leoni) geriet das Ganze soweit noch annehmbar. Ritchie Blackmore, den man immer noch als introvertierten Exzentriker wahrnehmen kann, stand mit einer eingestöpselten "Fender Stratocaster" auf der Bühne..., ja..., aber sein Spiel ist nur noch ein feiner Schatten dessen, was diesen einst so explosiv aufspielenden Musiker ausgemacht hat. Die weiteren Mitstreiter Bob Nouveau (b; Ex-Blackmore's Night), David Keith (d; Blackmore's Night) und Jens Johansson (keyb; Ex zig Bands!) wirkten überhaupt nicht wie eine Einheit, wie eine richtige Band. Des Weiteren wurden nicht weniger als fünf Deep Purple Songs gespielt, was der geneigte Rainbow Fan, bei allem Respekt, kaum wirklich goutiert haben dürfte. Trotzdem gab es mit «Spotlight Kid», «Man On The Silver Mountain» oder «All Night Long» einige der erwarteten Classics, die aber vor allem dank oder nur wegen Mr. Romero die Zielflagge überhaupt zu Gesicht bekamen. Nichtsdestotrotz erfreute die ansehnliche Fanmasse vor der Bühne an fast jedem einzelnen Ton, den Ritchie von sich gab. Immerhin musste man attestieren, dass der Kult-Song «Stargazer» unter dem Strich mehr als nur ordentlich zelebriert wurde. Versteckt hinter den Amps durften Blackmore Eheweib Candice Night und eine Kollegin noch ein paar songdienliche Backing Vocals beisteuern. Mit dem unvermeidlichen wie klar zu erwartenden «Smoke On The Water» ging ein gutes, aber nicht begeisterndes Konzert nach rund achtzig Minuten, also zu früh, vorzeitig zu Ende. (rsl)

Rockklassiker Stage
Von beherzt krachen bis beseelt heulen, ein guter Bluesspieler beherrscht die ganze Palette. Am Sonntag Mittag bewies Jared James Nichols auf der Rockklassiker Stage, dass er eben genau dies kann und zwar nicht nur mit der Gitarre, sondern auch mit seiner Stimme. Das Eine wie das Andere schien danach Pete Way verloren zu haben. Seinen Bass hatte der ehemalige UFO-Bassist, der auch schon mal für Ozzy in die Saiten gehauen hatte, gar nicht erst angezogen. Stattdessen presste er mal schlecht, mal recht die Vocals zu «Shoot Shoot» oder «Too Hot To Handle» rau, sodass man gar nicht anders konnte, als dass sich um seinen Gesundheitszustand zu sorgen. Fliegende Tische, Bauchtänzerin und Säbelrassen – ob Myrath die ganzen Zaubertricks wohl auch schon ausgepackt hätten, hätten sie bereits gewusst, dass sie später von Behemoth den Rock Stage-Slot erben würden? Das Publikum goutierte den orientalisch getünchten Melodic Metal der Tunesier euphorisch. Ohne Kinkerlitzchen, dafür mit umso mehr Wut im Bauch ratterten Darkane danach durch ihr Set, bevor The Bones all jenen ein Bettmümpfeli kredenzten, die auf Death Punk und dazu Moshpit standen. (kis)

 
Fazit
Die Premiere der Anreise über Kopenhagen und dem Übernehmen des Campers in Trelleborg lief erfreulich glatt wie geplant zugleich, und der abermalige Standplatz direkt am Strand markierte zum zweiten Mal das Highlight abseits vom Festival-Gelände. Während der Akklimatisations-Phase kamen im bewährten Freundeskreis umgehend wieder heimatliche Gefühle auf. So liesse sich das Leben vor Ort locker für den ganzen Sommer geniessen. Der Hauptgrund der längst zur Tradition gewordenen Reise in den hohen Norden waren aber die rund achtzig Bands, die während dreieinhalb Tagen für gut 35'000 heimische und aus aller Welt angereiste Fans die gemeinsame Zeit zum gewohnten Happening machten. Die jeweiligen Highlights der MF-Crew (Roxx, Rockslave, Tinu und Kissi) unterschieden sich traditionell etwas, aber unter dem Strich passte es auch insgesamt, wie das Wetter, das heuer und zum Glück nicht so heiss wie letztes Jahr ausfiel. Die jeweiligen Präferenzen sind der Einleitung zu entnehmen, aber wenn man sich auf die Top-3 Bands des ganzen Festivals besinnt, dann waren das wohl Def Leppard, Slayer und KISS, wobei mir insbesondere Hällas und das legendäre «The Faith Healer» von Zal Cleminson's Sin Dogs voll einfuhren. Wie immer ging die Woche in Schweden viel zu schnell vorüber, doch wir stehen bereits jetzt schon wieder in den Startlöchern, denn für nächstes Jahr werden auf jeden Fall wieder erlesene Bands auf dem Menüplan stehen. In diesem Sinne und im Geiste des unvergessenen Ronnie James Dio (R.I.P.) ein lautes «Long Live Rock'n'Roll»! (rsl)