Nach ihrem uneleganten Rauswurf bei Nightwish schien Tarja
Turunen sich recht unsicher darüber zu sein, wie die Fans zu ihr
stehen. Der Zeitpunkt für das Erscheinen ihres Albums "My Winter
Storm" wurde aber perfekt gewählt. Erstens ist es die ideale Musik
für kalte Wintertage, zweitens hatte der ganze Skandal genug Zeit,
um sich zu legen. So stand die Finnin also an einem kühlen
Dezembertag auf der Bühne, um ihren Fans einen eindrücklichen Abend
zu bescheren. Vorher waren aber The Dogma dafür zuständig, das
Publikum aufzuwärmen, was ihnen sehr leicht von der Hand ging, denn
die Songs ihres aktuellen Albums "A Good Day To Die" gehen ab wie
Pfeile!
The Dogma
So mancher Leser hat The Dogma wahrscheinlich noch als Support Act
von Lordi in Erinnerung. Im Oktober 2006 standen die Italiener zum
ersten Mal auf einer Schweizer Bühne und vermochten damals schon ihr
Publikum zu überzeugen. Für alle anderen ein Anhaltspunkt, was man
sich unter dieser Band vorstellen muss: Man nehme Edguy, vermische
sie optisch mit The 69 Eyes und füge einen Sänger mit charmantem
italienischem Akzent hinzu, et voilà: das sind The Dogma! Ein Demo
und
zwei Alben hat das Quintett bereits auf dem Buckel, ausserdem
verzeichnen sie seit der Gründung anno 2001 erst einen Memberwechsel,
und zwar am Bass. Der aktuelle Basser hört auf den Namen Masso und
sorgte während der überzeugenden Show dafür, dass einem der Boden
unter den Füssen vibrierte. Sämtliche Songs verfügten über ein
enormes Potential, allen voran der Hit "In The Name Of Rock", der
von einer Lehrerin erzählt, die ihrem von Bühnenruhm träumenden
Schüler seine Zukunftspläne ausreden will. Dieser antwortet sehr
richtig mit "In the name of rock, would you please fuck off?". Den
Zuschauern gefiel es sehr gut, denn die Italiener wurden begeistert
abgefeiert. Auch Song wie "A Good Day To Die" oder "Black Roses"
fanden ihren Weg auf die Setliste. Musikalisch gab es absolut nichts
zu stänkern, The Dogma hatten es wirklich drauf! Vor allem Sänger
Daniele Santori wusste aussergewöhnlich gut mit dem Publikum
umzugehen. Aber bei seinem Charisma und dem vorhin erwähnten
charmanten italienischen Akzent ist es kein Wunder, dass er die
Meute perfekt im Griff hatte. The Dogma haben einen bemerkenswerten
Start hinter sich: Die Demo "Symphonies Of Love And Hate" verkaufte
sich per Mailorder besonders in Deutschland sehr gut. Daraufhin
kriegte man einen Deal bei Drakkar Entertainment, ging im Sommer
2005 ins Woodhouse Studio nach Hagen und nahm unter dem wachsamen
Auge von Siggi Bemm das erste Album "Black Roses" auf. Die Jungs
haben also ganz recht: In the name of rock, would you please fuck
off? Fazit: The Dogma live? - Immer wieder gerne!
Tarja Turunen
Ein weisser Vorhang verdeckte den Blick auf die Bühne, ein
spannender Beginn also! Beinahe zaghaft ertönten die ersten Klänge
von "Ite, missa est". Der Vorhang fiel mit einer anmutigen Bewegung
herunter und enthüllte den Blick auf eine schwarz gekleidete Tarja
und ihre hochkarätigen Musiker. Die Frau weiss wirklich, was gut
ist, denn die Namen in ihrer Band lassen einen nur noch
ehrfurchtsvoll staunen. Doug Wimbish als Bassist ist ja schon mal
eine superbe Besetzung, ein hervorragender Musiker, der während des
gesamten Konzertes für schier unfassbar geniale Action sorgte und
sogar ein Bass-Solo mit der Zunge spielte. Und dann erst Mike
Terrana, der Master an den beiden Drumkits! Nein, das ist kein
Schreibfehler, da oben standen wirklich zwei Drumkits! Und dann erst
sein Tribal-Drumming! Es verschlug einem einfach den Atem, wenn man
diesem Mann bei der Arbeit zuschaute! Für überwältigende
Gitarrenklänge sorgte Alex Scholpp, den der eine oder andere Leser
womöglich noch von den Farmer Boys kennt. Stimmgewaltige
Unterstützung erhielt Tarja von ihrem Bruder Toni Turunen, der als
Multitalent gleich noch Gitarre, Electronic Drums und Keyboard
spielte. Auch Celloklänge durften nicht fehlen, daher war Max Silja
(ex Apocalyptica) mit von der Partie. Natürlich stellt sich die
berechtigte Frage, ob auch Songs
von
Nightwish gespielt wurden. Allerdings wurden sie das! "Passion And
The Opera" beispielsweise, und auch der Oberhit "Nemo", bei dem die
Fans nun völlig aus dem Häuschen waren! Tarja wechselte mehrmals ihr
Outfit, welches stets zu den gespielten Songs passte, wie etwa das
Winterstorm-Kleid aus dem Videoclip. Während dieser Umzieh-Pausen
konnte man sich durch instrumentale Parts von der Qualität der Band
überzeugen. Eines der Highlights fand sich im Turunen-Duett, als die
Geschwister "Phantom Of The Opera" zum besten gaben. Genauso
umwerfend brachten sie die Coverversion von Alice Cooper's "Poison"
rüber, welches durch ein Cello-Solo glänzte. Selten passiert es,
dass Musik live gespielt besser als ab CD klingt, doch Tarja und
ihre Band haben es geschafft! Wirkte die Gute zu Beginn der
Konzertes noch etwas verkrampft und unsicher, so taute sie durch die
Sympathie-Bekundungen seitens des Publikums mehr und mehr auf, bis
sie irgendwann nur noch mit gerührtem Gesicht auf der Bühne stand
und sich immer wieder bei ihren Fans für deren Treue bedankte. Die
sympathische Finnin hat es wirklich geschafft, trotz aller
Hetztiraden nach dem Nightwish-Skandal. Die Zuschauer brachen
nämlich in frenetischen Jubel aus, als Tarja versprach, bald wieder
in die Schweiz zu kommen. Selten habe ich erlebt, dass beim
Verlassen einer Event-Location dermassen enthusiastisch über die
eben gesehene Show diskutiert wurde, und eine junge Zuschauerin
sagte mit glänzenden Augen zu ihrer Begleiterin "Das war ja wie eine
moderne Märchenstunde!" Das war es wirklich! Tarja, wir freuen uns
schon auf das nächste Konzert!
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