Livereview: Tarja - Kings Of Modesty - Aspera
29. September 2009, Pratteln Z7
By Rockslave
Der Entscheid zum Besuch dieses Konzertes bezüglich des Headliners war eher eine spontane Angelegenheit. Eigentlich war der Rezensent zuerst gar nicht gewillt, den Weg nach Pratteln überhaupt anzutreten. Der Grund dafür liegt eine Weile zurück und ist so um 2002 herum datiert. Dort nahm ich erst langsam Notiz von einer finnischen Band namens Nightwish. Während mich die Musik auf Dauer immer mehr ansprach, tat ich mich hingegen sehr schwer mit dem opernhaften Gesang von dessen charismatischer Frontfrau Tarja Turunen. Bald darauf wurde die Band und der Stil medienmässig entsprechend fett gepusht und die Welle der "female fronted gothic bands" nahm so richtig Schwung auf. Nennt es Hype oder sonst was, aber Tatsache war, dass zumindest die Finnen mit ihrem exzentrischen Mainman Tuomas Holopainen einen hervorragenden Songwriter in ihren Reihen hatten. Der Rest ist schnell erzählt und fand 2005 bezüglich Tarja ein bekanntlich unrühmliches Ende. Während die ehemaligen "Kollegen" bald darauf mit der Schwedin Anette Olzon noch erfolgreicher wurden, buk ihre Vorgängerin eine Zeit lang deutlich kleinere Brötchen, aber dank einer überaus loyalen Fanbase kehrte sie wieder auf die Bühne zurück. Die beiden Support-Bands kannte ich zuvor noch nicht.

Aspera

Da an diesem Abend etwas knapp angebunden, machte sich Euer Slave etwas verspätet auf den Weg, sodass die erste Band, nämlich Aspera, bereits voll am Lärmen waren. Was da an meine Lauscher drang, war lupenreiner Prog Metal mit Keyboards, der mich unweigerlich an Pagan's Mind und/oder Circus Maximus erinnerte, die folgerichtig auf der MySpace Seite als musika-lische Einflüsse aufgeführt sind. Die dem Anschein nach recht jungen Musiker legten sich gekonnt ins Zeug, wobei die Songs, zumindest die paar, die ich in der verbleibenden Viertel-stunde noch mitbekam, eher wenig Tiefgang aufwiesen und ziemlich austauschbar klangen. Handwerklich gab es hingegen rein gar nix auszusetzen, denn was Atle Pettersen (v), Robin Ognedal (g), Rein Blomquist (b), Nickolas Henriksen (keys) und Joachim Strøm (d) auf der Bühne des Z7 boten, wies ohne Zweifel die nötige Qualität auf. Auffällig waren auch die guten und passenden Backing Vocals der Hintermannschaft, die zwischendurch gar an Queen zu erinnern vermochten. Das Hauptproblem war aber die Nähe der gespielten Mucke zu den oben genannten beiden Bands, von Symphony X und Dream Theater ganz zu schweigen. Und wenn ich schon die öffentlich einsehbaren Paten zitiere, dann sollen auch Pain Of Salvation nicht unerwähnt bleiben. Somit haben Aspera das Pech oder die Bürde, trotz unbestrittenen Fähigkeiten in der mittlerweile total überfluteten Szene wirklich Fuss fassen zu können. Sicherlich kann man mit einem guten Package wie diesem neue Fans erreichen und womöglich die gleich alte Generation irgendwie ansprechen, aber das wird nicht reichen, um längerfristig bestehen zu können..., leider. Gerne lasse ich mich in den kommenden Jahren vom Gegenteil überzeugen, denn eine Chance hat man immer und die steht den Nordländern (zur Zeit noch ohne Deal und erst einer veröffentlichten Single mit dem Titel «Ripples») bei diesen technischen Fähigkeiten und dem Willen es zu schaffen, klar zu.

Kings Of Modesty
Die zweite, halbe Support-Stunde gebührte den Landsleuten des Headliners. Obwohl deren Anfänge, respektive die Gründung der Band bis ins Jahr 1994 zurück reicht, hatte ich bisher noch überhaupt keine Notiz von den Finnen genommen. Die beiden Protagonisten der ersten Stunde sind Samuel Hjelt (g/v) und Rane Simoinen (d). Sänger Jason Flinck (v) arbeitete derweil mal zusammen mit Emppu Vuorinen, seines Zeichens Sixstringer bei Nightwish. Zudem nannte sich die Band zuvor noch Face Of Modesty. Was den Wechsel vom Gesicht zu den Königen der Bescheidenheit bewirkt hat, ist nicht bekannt. Wie dem auch sei, auf jeden Fall stand instrumental gesehen das gleiche Lineup wie vorher bei Aspera auf der Bühne. Der Sound bewegte sich dabei in ähnlichen Gefilden, ausser dass die Gitarrenarbeit mehr nach Nightwish klang. Dazu gehören die Ausfransungen à la Emppu, wie sie zum Beispiel zu Beginn bei «Master Passion Greed» zu hören sind. Nichtsdestotrotz zeigten die Finnen, dass sie es auch drauf haben, allen voran Gitarrist Samuel Hjelt, der als einzelner Gitarrist der Band ordentlich vom Leder zog und auch gute Backing Vocals beisteuerte. Weniger gefiel mir hingegen Sänger Jason Flinck, der zwar sehr aktiv war und mindestens etwas Bewegung oder Regung ins bis anhin ziemlich passive Publikum brachte. Immer wieder stand er auf den Monitor vorne am Bühnenrand und mehr als einmal beschlich mich das ungute Gefühl, dass der Knabe sich womöglich überschätzt und dann die schmerzliche Bekanntschaft mit dem Boden des Fotograbens machen würde. Er wäre ja nicht der Erste, dem sowas passiert ist! Ich erinnere da nur an den zum Glück glimpflich abgelaufenen Sturz (mit Gehirnerschütterung und Prellungen) von Iron Maiden Zappel-Philipp Janick Gers, der im Juli 2000 beim Konzert in Mannheim von der Stage runter segelte. In Pratteln wurden jedoch keine solchen Schlagzeilen erzeugt. Vielmehr nervte der Sänger gegen Ende des Sets mit wiederholten "yeah yeah yeah" Rufen, die völlig daneben waren. Dies traf dann ebenso auf einige, zum Teil recht giftige Keyboard-Passagen zu, die ohnehin unter dem höhenlastigen Mix litten. Als Facette wurde beim Gesang einmal mit hohen Leads (von Jason) und einer Art Growls (von Samuel) ein musikalischer Farbtupfer gesetzt. Insgesamt war es aber nicht viel mehr als eintöniges Prog-Gepolter und das abrupte Ende des Konzertes hinterliess ein weiteres Fragezeichen auf meiner Stirn.

Tarja
Nach den beiden eher mittelprächtigen Support-Bands hoffte ich nun auf eine klare Steigerung. Dabei wusste ich allerdings nicht genau, was mich jetzt erwartete, denn schliesslich sah ich die ehemalige Nightwish Frontfrau das allererste Mal als Solo-Künstlerin. Das letzte Konzert im Zürcher X-Tra (18.12.07) soll dem Vernehmen nach ganz gut geraten sein und nicht nur, weil in der Tourband ein gewisser Mike Terrana mit von der Partie war. Das Drum-Tier vom Dienst hatte ich schon mit Rage sowie Axel Rudi Pell gesehen und darum nahm es mich noch Wunder, wie wild (oder auch nicht) er sich heute Abend gebärden würde. Überhaupt war die Tourband von Tarja ein ziemlich zusammengewürfelter Haufen, bestehend aus Alex Scholpp (g, Ex- Farmer Boys), Oliver Holzwarth (b, Blind Guardian, Ex-Sieges Even), Christian Kretschmar (keys, Schiller) und am Cello schliesslich noch Max Lilja (Hevein, Ex-Apocalyptica). Als das Konzert fast pünktlich um 22.00 Uhr seinen Anfang nahm, war primär klar, dass es hier um Frau Turunen ging. Warum aber die Herren Scholpp und Holzwarth zu Beginn (toll zum Fotographieren bei dem schwachen Licht!) und auch danach wie angewurzelt hinten stehen blieben, löste bei mir nur spontanes Kopfschütteln (nicht zu verwechseln mit Bangen!) aus. Während Cellist Lilja erhöht auf der linken Seite der Bühne postiert war, thronte Mike Terrana entsprechend auf der anderen, sprich rechten der Seite und brachte in der Tat ziemlich fette Beats in den Sound ein. Eigentlich spielte man ja eine fortgesetzte «My Winter Storm» Tour, obwohl das Album ja bereits 2007 rauskam. Deshalb wurde auch die aktuelle Bezeichnung «Final Storm Tour 2009» verwendet. Tarja wurde vom Z7-Publikum sehr herzlich begrüsst und man merkte sofort, dass sich die schöne, aparte und edel gekleidete Finnin ebenso darüber freute. Als Opener wurde «Enough», die neue Single gespielt und schon hier wurden meine Sinne bezüglich des eigentümlichen Gesangs strapaziert! Ich hatte schon fast damit gerechnet, dass mir die Sache wieder quer im Rachen liegen wird. «My Little Phoenix» vom aktuellen Longplayer war dann bereits erträglicher und an dritter Stelle folgte mit «Wishmaster» der erste Nightwish Song des Sets, der auf der Tour stets geändert wurde.

Um nicht missverstanden zu werden, sei nachgereicht, dass es an der Qualität der Stimme natürlich rein gar nichts auszusetzen gab, aber ich habe nun mal meine liebe Mühe mit opernhaftem Gesang. Von wegen Aussetzen schlug bei «I Walk Alone» plötzlich der Defekt-Teufel zu und liess den Gesang vollends verstummen. Tarja unterbrach kurzerhand das Konzert und liess sich ein neues/anderes Mic geben. Von da an klappte alles bis am Schluss. Die Band spielte als Ganzes routiniert auf und liess nie das Gefühl aufkommen, dass hier einzelne Musiker einfach vor sich hin spielen. Da bei Songs, wie zum Beispiel «Minor Heaven», auch diverse ruhigere Passagen kamen, konnte ich die unbestritten fantastische Gesangsstimme von Tarja mehr geniessen und sah zudem einen ziemlich zahm wirkenden Mike Terrana, der aber stets voll konzentriert spielte. Mein persönliches Highlight war aber klar «Tired Of Being Alone», ein langsamer, sphärischer Song, der in Zusammenarbeit mit Schiller entstanden ist und klar dessen ambientmässige Handschrift trägt. Besonders hier spielte Tarja ihre stimmlichen Stärken natürlich voll aus, einfach genial! Nebst weiteren Songs von «My Winter Storm», zu denen auch die ziemlich gewöhn-ungsbedürftige Version des Alice Cooper Klassikers «Poison» gehörte, erzeugten zwei weitere Nightwish Tracks, nämlich «Over The Hills And Far Away» (auf der Tour abwechselnd mit unter anderem «Nemo») und bei den Zugaben stets «Deep Silent Complete» für wahre Begeisterungsstürme. Etwas gedämpfter war die Anteilnahme beim verkürzten Drum-Solo von Schlag-Derwisch Mike, aber insgesamt war die Stimmung der mehreren hundert Z7 Besucher erfreulich gut. Geradezu andächtig lauschte man hingegen den überraschenderweise mitten im Publikum (!) abgehaltenen Akustik-Versionen von «Wisdom Of Wind/Boy And The Ghost/Damned And Divine/Calling Grace» und «If You Believe» (beim allerersten Mal auf der Tour spielte Tarja den Titel gar selber auf dem Keyboard!). «Die Alive» beendete nach 100 Minuten schliesslich ein insgesamt mehr als überzeugendes Konzert, das mir persönlich zwar nicht immer gleich gut gefiel. Dazu gehörte zudem die mit der Zeit ziemlich aufgesetzt wirkende "Pommes-Gabel", die sehr oft gezeigt und dadurch fast ins Lächerliche gezogen wurde. Was da wohl "Erfinder" Ronnie James Dio dazu sagen würde? Egal, denn der Auftritt lebte klar von der ungeheuren und charismatischen Präsenz von Tarja Turunen, die sich überdies noch zweimal umzog und dabei immer blendend aussah.

Setlist: «Enough» - «My Little Phoenix» - «Wishmaster» - «Damned And Divine» - «Minor Heaven - «I Walk Alone - «Ciarán's Well - «Tired Of Being Alone - «Lost Northern Star - «Poison - «Oasis - «Over The Hills And Far Away - «Song For Me -- «Wisdom Of Wind/Boy And The Ghost/Damned And Divine/Calling Grace» - «If You Believe» - «Deep Silent Complete» - «Die Alive».