Der Entscheid zum Besuch dieses Konzertes bezüglich des
Headliners war eher eine spontane Angelegenheit. Eigentlich war der
Rezensent zuerst gar nicht gewillt, den Weg nach Pratteln überhaupt
anzutreten. Der Grund dafür liegt eine Weile zurück und ist so um
2002 herum datiert. Dort nahm ich erst langsam Notiz von einer
finnischen Band namens Nightwish. Während mich die Musik auf Dauer
immer mehr ansprach, tat ich mich hingegen sehr schwer mit dem
opernhaften Gesang von dessen charismatischer Frontfrau Tarja
Turunen. Bald darauf wurde die Band und der Stil medienmässig
entsprechend fett gepusht und die Welle der "female fronted gothic
bands" nahm so richtig Schwung auf. Nennt es Hype oder sonst was,
aber Tatsache war, dass zumindest die Finnen mit ihrem exzentrischen
Mainman Tuomas Holopainen einen hervorragenden Songwriter in ihren
Reihen hatten. Der Rest ist schnell erzählt und fand 2005 bezüglich
Tarja ein bekanntlich unrühmliches Ende. Während die ehemaligen
"Kollegen" bald darauf mit der Schwedin Anette Olzon noch
erfolgreicher wurden, buk ihre Vorgängerin eine Zeit lang deutlich
kleinere Brötchen, aber dank einer überaus loyalen Fanbase kehrte
sie wieder auf die Bühne zurück. Die beiden Support-Bands kannte ich
zuvor noch nicht.
Aspera
Da an diesem Abend etwas knapp angebunden, machte sich Euer Slave
etwas verspätet auf den Weg, sodass die erste Band, nämlich Aspera,
bereits voll am Lärmen waren. Was da an meine Lauscher drang, war
lupenreiner Prog Metal mit Keyboards, der mich unweigerlich an
Pagan's Mind und/oder Circus Maximus erinnerte, die folgerichtig auf
der MySpace Seite als musika-lische Einflüsse aufgeführt sind. Die
dem Anschein nach recht jungen Musiker legten sich gekonnt ins Zeug,
wobei die Songs, zumindest die paar, die ich in der verbleibenden
Viertel-stunde noch mitbekam, eher wenig Tiefgang aufwiesen und
ziemlich austauschbar klangen. Handwerklich gab es hingegen rein gar
nix auszusetzen, denn was Atle Pettersen (v), Robin Ognedal (g),
Rein Blomquist (b), Nickolas Henriksen (keys) und Joachim Strøm (d)
auf der Bühne des Z7 boten, wies ohne Zweifel die nötige Qualität
auf. Auffällig waren auch die guten und passenden Backing Vocals der
Hintermannschaft, die zwischendurch gar an Queen zu erinnern
vermochten. Das Hauptproblem war aber die Nähe der gespielten Mucke
zu den oben genannten beiden Bands, von Symphony X
und Dream Theater
ganz zu schweigen. Und wenn ich schon die öffentlich einsehbaren
Paten zitiere, dann sollen auch Pain Of Salvation nicht unerwähnt
bleiben. Somit haben Aspera das Pech oder die Bürde, trotz
unbestrittenen Fähigkeiten in der mittlerweile total überfluteten
Szene wirklich Fuss fassen zu können. Sicherlich kann man mit einem
guten Package wie diesem neue Fans erreichen und womöglich die
gleich alte Generation irgendwie ansprechen, aber das wird nicht
reichen, um längerfristig bestehen zu können..., leider. Gerne lasse
ich mich in den kommenden Jahren vom Gegenteil überzeugen, denn eine
Chance hat man immer und die steht den Nordländern (zur Zeit noch
ohne Deal und erst einer veröffentlichten Single mit dem Titel «Ripples»)
bei diesen technischen Fähigkeiten und dem Willen es zu schaffen,
klar zu.
Kings Of Modesty
Die zweite, halbe Support-Stunde gebührte den Landsleuten des
Headliners. Obwohl deren Anfänge, respektive die Gründung der Band
bis ins Jahr 1994 zurück reicht, hatte ich bisher noch überhaupt
keine Notiz von den Finnen genommen. Die beiden Protagonisten der
ersten Stunde sind Samuel Hjelt (g/v) und Rane Simoinen (d). Sänger
Jason Flinck (v) arbeitete derweil mal zusammen mit Emppu Vuorinen,
seines Zeichens Sixstringer bei Nightwish. Zudem nannte sich die
Band zuvor noch Face Of Modesty. Was den Wechsel vom Gesicht zu den
Königen der Bescheidenheit bewirkt hat, ist nicht bekannt. Wie dem
auch sei, auf jeden Fall stand instrumental gesehen das gleiche
Lineup wie vorher bei Aspera auf der Bühne. Der Sound bewegte sich
dabei in ähnlichen Gefilden, ausser dass die Gitarrenarbeit mehr
nach Nightwish klang. Dazu gehören die Ausfransungen à la Emppu, wie
sie zum Beispiel zu Beginn bei «Master Passion Greed» zu hören sind.
Nichtsdestotrotz zeigten die Finnen, dass sie es auch drauf haben,
allen voran Gitarrist Samuel Hjelt, der als einzelner Gitarrist der
Band ordentlich vom Leder zog und auch gute Backing Vocals
beisteuerte. Weniger gefiel mir hingegen Sänger Jason Flinck, der
zwar sehr aktiv war und mindestens etwas Bewegung oder Regung ins
bis anhin ziemlich passive Publikum brachte. Immer wieder stand er
auf den Monitor vorne am Bühnenrand und mehr als einmal beschlich
mich das ungute Gefühl, dass der Knabe sich
womöglich überschätzt
und dann die schmerzliche Bekanntschaft mit dem Boden des
Fotograbens machen würde. Er wäre ja nicht der Erste, dem sowas
passiert ist! Ich erinnere da nur an den zum Glück glimpflich
abgelaufenen Sturz (mit Gehirnerschütterung und Prellungen) von Iron
Maiden Zappel-Philipp Janick Gers, der im Juli 2000 beim Konzert in
Mannheim von der Stage runter segelte. In Pratteln wurden jedoch
keine solchen Schlagzeilen erzeugt. Vielmehr nervte der Sänger gegen
Ende des Sets mit wiederholten "yeah yeah yeah" Rufen, die völlig
daneben waren. Dies traf dann ebenso auf einige, zum Teil recht
giftige Keyboard-Passagen zu, die ohnehin unter dem höhenlastigen
Mix litten. Als Facette wurde beim Gesang einmal mit hohen Leads
(von Jason) und einer Art Growls (von Samuel) ein musikalischer
Farbtupfer gesetzt. Insgesamt war es aber nicht viel mehr als
eintöniges Prog-Gepolter und das abrupte Ende des Konzertes
hinterliess ein weiteres Fragezeichen auf meiner Stirn.
Tarja
Nach den beiden eher mittelprächtigen Support-Bands hoffte ich nun
auf eine klare Steigerung. Dabei wusste ich allerdings nicht genau,
was mich jetzt erwartete, denn schliesslich sah ich die ehemalige
Nightwish Frontfrau das allererste Mal als Solo-Künstlerin. Das
letzte Konzert im Zürcher X-Tra (18.12.07) soll dem Vernehmen nach
ganz gut geraten sein und nicht nur, weil in der Tourband ein
gewisser Mike Terrana mit von der Partie war. Das Drum-Tier vom
Dienst hatte ich schon mit Rage sowie Axel Rudi Pell gesehen und
darum nahm es mich noch Wunder, wie wild (oder auch nicht) er sich
heute Abend gebärden würde. Überhaupt war die Tourband von Tarja ein
ziemlich zusammengewürfelter Haufen, bestehend aus Alex Scholpp (g,
Ex- Farmer Boys), Oliver Holzwarth (b, Blind Guardian, Ex-Sieges Even),
Christian Kretschmar (keys, Schiller) und am Cello schliesslich noch
Max Lilja (Hevein, Ex-Apocalyptica). Als das Konzert fast pünktlich
um 22.00 Uhr seinen Anfang nahm, war primär klar, dass es hier um
Frau Turunen ging. Warum aber die Herren Scholpp und Holzwarth zu
Beginn (toll zum Fotographieren bei dem schwachen Licht!) und auch
danach wie angewurzelt hinten stehen blieben, löste bei mir nur
spontanes Kopfschütteln (nicht zu verwechseln mit Bangen!) aus.
Während Cellist Lilja erhöht auf der linken Seite der Bühne postiert
war, thronte Mike Terrana entsprechend auf der anderen, sprich
rechten der Seite und brachte in der Tat ziemlich fette Beats in den
Sound ein. Eigentlich spielte man ja
eine fortgesetzte «My Winter
Storm» Tour, obwohl das Album ja bereits 2007 rauskam. Deshalb wurde
auch die aktuelle Bezeichnung «Final Storm Tour 2009» verwendet.
Tarja wurde vom Z7-Publikum sehr herzlich begrüsst und man merkte
sofort, dass sich die schöne, aparte und edel gekleidete Finnin
ebenso darüber freute. Als Opener wurde «Enough», die neue Single
gespielt und schon hier wurden meine Sinne bezüglich des
eigentümlichen Gesangs strapaziert! Ich hatte schon fast damit
gerechnet, dass mir die Sache wieder quer im Rachen liegen wird. «My
Little Phoenix» vom aktuellen Longplayer war dann bereits
erträglicher und an dritter Stelle folgte mit «Wishmaster» der erste
Nightwish Song des Sets, der auf der Tour stets geändert wurde.
Um nicht missverstanden zu werden, sei nachgereicht, dass es an der
Qualität der Stimme natürlich rein gar nichts auszusetzen gab, aber
ich habe nun mal meine liebe Mühe mit opernhaftem Gesang. Von wegen
Aussetzen schlug bei «I Walk Alone» plötzlich der Defekt-Teufel zu
und liess den Gesang vollends verstummen. Tarja unterbrach
kurzerhand das Konzert und liess sich ein neues/anderes Mic geben.
Von da an klappte alles bis am Schluss. Die Band spielte als Ganzes
routiniert auf und liess nie das Gefühl aufkommen, dass hier
einzelne Musiker einfach vor sich hin spielen. Da bei Songs, wie zum
Beispiel «Minor Heaven», auch diverse ruhigere Passagen kamen,
konnte ich die unbestritten fantastische Gesangsstimme von Tarja
mehr geniessen und sah zudem einen ziemlich zahm wirkenden Mike
Terrana, der aber stets voll konzentriert spielte. Mein persönliches
Highlight war aber klar «Tired Of Being Alone», ein langsamer,
sphärischer Song, der in Zusammenarbeit mit Schiller entstanden ist
und klar dessen ambientmässige Handschrift trägt. Besonders hier
spielte Tarja ihre stimmlichen Stärken natürlich voll aus, einfach
genial! Nebst weiteren Songs von «My Winter Storm», zu denen auch
die ziemlich gewöhn-ungsbedürftige Version des Alice Cooper
Klassikers «Poison» gehörte, erzeugten zwei weitere Nightwish
Tracks, nämlich «Over The Hills And Far Away» (auf der Tour
abwechselnd mit unter anderem «Nemo») und bei den Zugaben stets «Deep
Silent Complete» für wahre Begeisterungsstürme. Etwas gedämpfter war
die Anteilnahme beim verkürzten Drum-Solo von Schlag-Derwisch Mike,
aber insgesamt war die Stimmung der mehreren hundert Z7
Besucher
erfreulich gut. Geradezu andächtig lauschte man hingegen den
überraschenderweise mitten im Publikum (!) abgehaltenen
Akustik-Versionen von «Wisdom Of Wind/Boy And The Ghost/Damned And
Divine/Calling Grace» und «If You Believe» (beim allerersten Mal auf
der Tour spielte Tarja den Titel gar selber auf dem Keyboard!). «Die
Alive» beendete nach 100 Minuten schliesslich ein insgesamt mehr als
überzeugendes Konzert, das mir persönlich zwar nicht immer gleich
gut gefiel. Dazu gehörte zudem die mit der Zeit ziemlich aufgesetzt
wirkende "Pommes-Gabel", die sehr oft gezeigt und dadurch fast
ins Lächerliche gezogen wurde. Was da wohl "Erfinder" Ronnie James
Dio dazu sagen würde? Egal, denn der Auftritt lebte klar von der
ungeheuren und charismatischen Präsenz von Tarja Turunen, die sich
überdies noch zweimal umzog und dabei immer blendend aussah.
Setlist: «Enough» - «My Little Phoenix» - «Wishmaster» - «Damned And
Divine» - «Minor Heaven - «I Walk Alone - «Ciarán's Well - «Tired Of
Being Alone - «Lost Northern Star - «Poison - «Oasis - «Over The
Hills And Far Away - «Song For Me -- «Wisdom Of Wind/Boy And The
Ghost/Damned And Divine/Calling Grace» - «If You Believe» - «Deep
Silent Complete» - «Die Alive».
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