Jahrelang machten sich Testament rar, sowohl auf Bühnen wie in
den Verkaufsregalen der Plattenläden. Mit dem übermächtigen «The
Formation Of Damnation» (Platz 33 der Schweizer Albumcharts) jedoch
kehrte die Thrash-Institution aus der Bay-Area 2008 mit einem Schlag
zurück in die erste Liga des Metals. Seither beackterte das Quintett
auch brav die Bühnen dieser Welt. Nach dem gefeierten Gig im
Transilvania vor etwas mehr als einem Jahr und dem viel zu kurzen
Eröffnungs-Slot auf der diesjährigen Rundreise von Judas Priest
kehrten Chuck Billy und seine Mannen nun ein weiteres Mal zu uns
zurück und zwar ins Sounddock 14 in Dietikon. Mutete die Location am
Nachmittag, als Metal Factory Bandgründer Eric Peterson zum
Interview traf, noch eher wie ein x-beliebiger Schuppen mit
Wellblechdach an, verwandelte sich der Laden abends in einen wahren
Thrash-Hexenkessel. Vor praktisch ausverkauftem Haus geriet der
Auftritt der Erschaffer von Metal-Meilensteinen wie «The Legacy»
(1987) oder «The New Order» (1988) so zu nichts anderem als einem
Sieg auf ganzer Linie und so auch zu einem weiteren Beweis für die
von mir seit Monaten vertretenen These: Thrash is back!
Noch bevor die Lichter im Sounddock gedimmt wurden und «For The
Glory Of...», das Intro der Formation der Verdammnis erschall, war
es im kleinen aber feinen Schuppen vor allem eines: heiss! Mit den
ersten Akkorden des Nackenbrechers «The Preacher» jedoch schien das
Barometer auf einen Schlag weitere gefühlte 10 Punkte in die Höhe zu
klettern, denn auch ohne Anheizer in Form eines Support-Acts war das
Publikum vom ersten Riff an bereit, in die Vollen zu gehen. Und
Testament gab ihnen das richtige Futter dazu: das bombastische «The
New Order», «Over The Wall» und der Stampfer «Practice What You
Preach», ein Stück soliden Stahls jagte das nächste, wobei auch die
Band sichtlich Spass an der Sache hatte. Auf der eher kleinen Bühne,
welche mit den Verstärkerwänden, dem Schlagzeug und den fünf
Musikern mehr als ausgefüllt war, herrschte zwar wenig
Bewegungsfreiheit, dennoch grinsten und bangten die Amis mit dem
Publikum im Takt, allen voran Fronter Chuck Billy, welcher wie
gewohnt und geliebt seinen Mikroständer als Gitarrenersatz benutzte
und die Griffbrettakrobatik des ihn flankierenden Klampfenduos Eric
Peterson & Alex Skolnick nachvollzog. Ein Lernbeispiel in Sachen
«Mach das, was du predigst»! Beim rockigen «Electric Crown» indes
zeigte sich das Publikum textsicher und sang den Refrain in
beeindruckender Lautstärke mit, genau so wie die «Ohohoh»-Stellen
beim aktuellen «More Than Meets The Eye» von «The Formation Of
Damnation». Insbesondere die jüngere Garde an Thrash-Fans gab sich
keine Blösse, sodass der vordere Teil des Sounddocks in einem
permanenten Moshpit verharrte. Das galt auch für das pfeilschnelle,
ebenfalls neue «The Persecuted Won't Forget», wie für das darauf
folgende «Burnt Offerings».
Hatten Testament in der Vergangenheit des Öfteren mal mit
Soundproblemen zu kämpfen, kreischten die Gitarrenlicks an diesem
Abend glasklar und, man verzeihe mir die Ausdrucksweise, scheisse
laut aus den Boxen (einzig Mr. Billy verursachte das eine oder
andere Mal für die Ohren schmerzhafte Rückkopplungen, hielt er sein
Mikro Richtung Publikum). Das schien vor allem Alex Skolnick massig
Spass zu machen, stellte er sich doch, während seine Flitzefinger
die Saiten bearbeiteten, immer wieder an den Bühnenrand, und
begleitete seine Solos mit den dazu passenden Gesichtsverziehungen.
Einzig Basser Greg Christian wirkte da im Vergleich zum nicht minder
fröhlichen Eric Peterson oder dem unermüdlichen Paul Bostaph (welch
eine Krachmaschine!) etwas bleich, stand der schlacksige Herr doch
meist nur da, machte aber alles in allem einen souveränen, wenn auch
nicht prickelnden Job. Umso beeindruckender wirkte der
abwechslungsreiche Gesang Chuck Billys. Fand der Hühne in den
letzten Jahren immer mehr Gefallen an tiefen Tönen, bewies er
während «The Haunting», dass er auch immer noch hoch keifen kann und
so wirkten die Lyrics während der viel zu wenig live gezockten
Nummer von «The Legacy» wie ein akustisches Maschinengewehr. Dass
danach alle eine gefühlvolle Verschnaufspause gebrauchen können,
liegt auf der Hand und so wird «The Legacy» eher zum Durchatmen als
zum Mitfühlen genutzt.
Diese Energie braucht man aber auch, denn mit «Into The Pit» gibt es
für das Sounddock wirklich kein Halten mehr, vor der Bühne herrscht
das Chaos, was sich auch bei «Souls Of Black» ond dem vorerst
letzten Song, «Disciples Of The Watch», nicht ändert. Die dann
folgende Pause dauerte nur kurz an und mit dem furiosen «D.N.R.»
machten Testament an derselben Stelle weiter und liessen Köpfe
ungesund kreisen. Beim Übersong «3 Days In Darkness» kamen dann
nochmal die typischen «Ohohoh»-Chöre zum Einsatz, bevor mit «The
Formation Of Damnation» endgültig die Reissleine gezogen wurde. Auch
wenn Testament nach wie vor zeitweise auf der Bühne nicht so tight
und präzsie agieren, wie sie es in Scheibenform tun, so bewiesen die
fünf Herren aus der Bay Area doch ein weiteres Mal, dass Testament
anno 2009 nichts anderes ist als eine der führenden Kapellen im
Thrash-Zirkus, welche einen Part auf der gerüchteweise
zustandekommenden Gigatour von Metallica, Slayer und Megadeth
verdient hätten als etwa die unbeständigen Anthrax. So war der
tosende Applaus, unter welchem sich Chuck Billy, Alex Skolnick und
Co. Verabschiedeten mehr als verdient, genauso wie die unzähligen
T-Shirts und Longsleeves, welche danach den Besitzer wechselten.
Setlist: «For The Glory Of...» - «The Preacher» - «The New Order» -
«Over The Wall» - «Practice What You Preach» - «Electric Crown» - «More
Than Meets The Eye» - «The Persecuted Won't Forget» - «Burnt
Offerings» - «The Haunting» - «The Legacy» - «Into The Pit» - «Souls
Of Black» - «Disciples Of The Watch»
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«D.N.R.» - «3 Days In Darkness» - «The Formation Of Damnation»
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