Eigentlich wäre die Ausgangslage klar gewesen: Testament kommen
mit ihrem grandiosen neuen Album «Dark Roots Of Earth» nach Luzern!
"Hell yeah" dachte sich der geneigte Fan und freute sich zu Recht
auf eine geile Show mit einer der geilsten Thrash-Combos der Szene.
Soweit so gut, aber im Vorfeld des Konzerts wurde bekannt, dass die
Amis am Tag darauf in Wacken aufkreuzen müssen und sich deshalb eine
frühere Abfahrt aus Luzern aufdränge. Darum würden sie ausnahmsweise
als erste Gruppe des Abends auftreten und die Schweizer
Hardcore-Groover GurD so zu einem unverhofften Headliner-Gig
gelangen. Das "Gute" an der an sich ungewöhnlichen Situation war
jedoch bloss, dass man damit soweit rechtzeitig an die
Öffentlichkeit gegangen ist und man erwarten konnte, dass diese
Nachricht im heutigen multimedialen Zeitalter die Runde machen
würde. Was aber verschwiegen wurde, wiegte im Nachhinein schwerer,
doch davon mehr im unten stehenden Livebericht. GurD nutzten auf
jeden Fall die Gunst der Stunde, was ihnen letztlich trotz allem
ganz sicher niemand übel nahm.
Testament
Sollte es Leute gegeben haben, die erst in Luzern erfuhren, dass die
Reihenfolge des Billings gedreht hatte, könnte es dazu geführt
haben, dass eine spätere Anreise (warum auch immer) zur
schmerzlichen Erfahrung führte, dass der Headliner bereits mitten
drin im Set oder gar schon durch war. Hoffen wir mal, dass dies
möglichst wenigen Besuchern widerfahren ist. So zeigte die Uhr
tatsächlich erst 20.30 Uhr an, als Testament auf die Bühne der
Schüür stiegen und sich der Outdoor Bar-Bereich schlagartig
entvölkerte. Als Opener wählten Chuck Billy & Co. mit «Rise Up»
gleich den ersten Song vom aktuellen Album «Dark Roots Of Earth».
Das zeugte von Selbstsicherheit, was aber bei so einem Killer-Track
jedoch eh kein Thema war. Was auch gleich von Anfang an killermässig
daher kam, war der vergleichsweise höllenlaute und
trommelfellzerfetzende Sound, der mich im Fotograben vorne
regelrecht malträtierte. Die Bass-Drum Schläge kamen sowas von
brutal hart, dass es sich anfühlte, als würde einer einem ständig
mit dem Fuss eins in die Plauze schlagen! Dem Vernehmen nach soll
weiter hinten aber leider nur ein kruder Soundbrei geherrscht haben.
Das kümmerte die Musiker aber keinen Deut und so powerten sie sich
schlagkräftig durch ihre gestutzte (Festival-) Setliste hindurch.
Dies wusste zu dem Zeitpunkt aber noch keiner im Innenraum der Schüür und darum entwickelte sich das Ganze erst mal zu einer
ziemlich schweisstreibenden Angelegenheit. Dass vom eigentlich nach
wie vor
sträflich unterbewerteten 92er-Hammeralbum «The Ritual»
nichts gespielt würde, war zu erwarten. Die abfeiernde Meute und
meine Wenigkeit erfreuten sich derweil an all den alten geilen
Schoten, die auf dem Götter Re-Release-Album «First Strike - Still
Deadly» (2001) unverzichtbar sind und durch nichts zu toppen sind.
Leider war das Konzert nach knappen 65 Minuten überraschend schon zu
Ende und das Versprechen der Band, nebst der "Entschuldigung" bald
wieder mit der vollen Show zurück zu kehren, gefiel nicht allen. Bei
einem Ticketpreis in der Nähe von 50 Franken darf so etwas
eigentlich nicht passieren, zumal der Tourbus dann erst gegen 23.30
Uhr abfuhr. Bei allem Verständnis blieb ein etwas schaler
Nachgeschmack übrig, der wenigstens etwas durch die sehr preiswerte
Merchandise abgefedert wurde.
Setliste: «Rise Up» - «The New Order» - «The Preacher» - «Native
Blood» - «True American Hate» - «Into The Pit» - «More Than Meets
The Eye» - «Dark Roots Of Earth» - «Practice What You Preach» - «Over
The Wall» -- «D.N.R. (Do Not Resuscitate)» - «3 Days In Darkness».
GurD
Erstens konnten sie nichts dafür und zweitens wird ihnen das
ziemlich schnuppe gewesen sein! V.O. Pulver und seine Jungs nahmen
die sich ihnen bietende Steilvorlage natürlich dankend an und
bereiteten sich entsprechend auf ihren Auftritt vor. Wobei es da
eigentlich ausser dem Austauschen der Setliste wohl nicht mehr viel
anderes vorzunehmen gab. Kurz nach 22.30 Uhr und vor nicht mehr ganz
so vielen Leuten wie zuvor, legten auch GurD ohne Scheuklappen
gleich volle Pulle los. Persönlich habe ich sowieso ein gewichtiges
Nachholbedürfnis für die Baselbieter Kult-Band, da ich erst spät so
richtig auf GurD aufmerksam wurde. Das zuletzt erlebte Konzert
anlässlich der 25-Jahr Feier für den "Outsider Shop" in Olten
(27.08.11) war auf jeden Fall (auch meinem bemitleidenswerten
Nacken) noch in bester Erinnerung! Es gibt mit Verlaub kaum eine
andere Band, die so ein Brett im Schmelztiegel von Hardcore, Thrash
und vor allem Groove ohne Ende auffährt. Dies tun sie eigentlich
schon seit Jahren und sind dennoch immer noch sowas wie ein
Geheimtipp. Mainman und Sänger V.O. Pulver ist nebst dem
Musikerdasein auch als national bekannter Producer ein Ass und hat
schon vielen aufstrebenden einheimischen Combos unter die Arme
gegriffen. Als Ausgleich zum Job im Studio müssen Auftritte wieder
dieser reinster Balsam für die Seele sein.
Die jetzige Besetzung mit
Pat (g/v), Franky (b/v) und Steve (d) unterstützen wie ergänzen den
Bandleader bestens und legen regelmässig alles in Schutt und Asche.
Nicht selten werde ich beim Sound von GurD an die alten Merauder
erinnert, dessen erste zwei Alben («Master Killer», 1995 und «Five
Deadly Venoms», 1999) ich damals heiss geliebt habe. Die bis vor
Kurzem einzige CD von GurD in meiner Sammlung war «D-fect» von 1997,
die aber selten gespielt wurde, dabei ist doch «What Do You Live
For»
einer der geilsten Stampf-Songs überhaupt. Genau das, also wenn
das Gebolze abgebremst wird und der gnadenlos nach vorne treibende
Rhythmus das Zepter übernimmt, sind die Baselbieter schlicht
unschlagbar. Dazu kommt, dass die ganze Band und vor allem V.O.
Pulver als sehr bodenständig gilt. Deshalb wird er auch als Mensch
sehr geschätzt und übt sich lieber in Dankbarkeit und Demut als den
abgehobenen Rockstar raus zu hängen. Nach «Skin Up» war dann ein
kurzer Break angesagt, ehe es dann noch drei Zugaben gab, wovon
diesmal «United Forces» (Cover von S.O.D.) auf Nachfrage beim vor
Schweiss durchnässten Publikum mehr Zuspruch als das Kiss-Cover «Warmachine»
erhielt. Dieser Klassiker wird sonst auch immer wieder mal, wie in
Olten, als Reminiszenz an die eine Lieblingsband von V.O. und Steve
mit lavamässig zähen Riffs zum Besten gegeben und stellt das
Original in Sachen Heavyness eigentlich in den Schatten. Zeitlich
stand der heutige Headliner mit 85 Minuten Bühnenpräsenz
schliesslich weitaus besser als die berühmteren Kollegen aus Übersee
da. Dennoch wurden einige Stimmen laut, die sich insgesamt mehr für
ihr Eintrittsgeld erhofft hatten. Mal sehen, wie nachtragend
diejenigen Leute dann sein werden, wenn sich Testament für das
nächste Schweizer Konzert, wo auch immer das stattfinden wird,
wieder ankündigen.
Setliste: «Never Fail» - «Your Drug Of Choice» - «What Do You Live
For» - «The Grand Deception» - «Learn» - «Down The Drain» - «Rule
The Pit» - «A New War» - «I.O.U. Nothing» - «Bang!» - «Seven Starz»
- «We Will Resist» - «Terminate» - «Skin Up» -- «Get Up» - « H.H.H.»
- «United Forces».
|
|