Livereview: Testament - Death Angel - Sacred Reich - Iron Reagan - Dust Bolt

13. August 2019, Pratteln – Z7
By Rockslave and Tinu - Pics by Rockslave and Tinu
Fünf Bands gemeinsam auf Tour und folglich alle an einem Abend? Das gibt es, kleinere Festivals mal ausgenommen, eigentlich eher selten. Der Hauptunterschied zu den eben erwähnten Events liegt mitunter aber darin, dass die Support-Bands nicht nur eine halbe Stunde auf der Bühne kriegen, denn das hat sich bei Dreier-Packages als ärgerliche Unsitte längst eingebürgert. Des Weiteren bringen es solche Konzerte mit sich, dass sie ordentlich früh beginnen (in diesem Fall bereits um 18:00 Uhr), damit es hinten raus nicht zu spät wird. Ist ja schliesslich ein Dienstag heute und nicht Freitag oder ein Wochenende! Nichtsdestotrotz fand sich letztlich eine ordentliche, wenn auch überschaubare Anzahl an Metalheads im Z7 ein. Die Mischung aus Newcomern wie Dust Bolt und Iron Reagan (was für ein behämmerter Bandname!), einem Comeback namens Sacred Reich und zwei Szenegrössen der Marke Death Angel sowie Testament wäre an sich Grund genug gewesen, in Scharen aufzumarschieren. Wäre, da insgesamt tiefere Konzertbesucherzahlen schon länger dem klaren Überangebot geschuldet sind, ausser man heisst Iron Maiden, Rammstein oder Sabaton. (rsl)

Dust Bolt

Die deutschen Thrasher aus Bayern machen die Welt seit 2007 unsicher und haben in der Zeit immerhin vier full lenght Alben veröffentlicht. Die Metal Battle Winner durften mitunter schon 2011 in Wacken aufspielen. Heuer stand das Quartett zum ersten Mal am BYH!!!-Festival in Balingen auf der Bühne, was mich eigentlich noch gewundert hat. Doch das nächste grosse Szene-Ding sind sie bislang nicht geworden, obwohl vor allem das diesjährig erschienene neue Werk «Trapped In Chaos» etwas mehr Staub als das ältere Material aufgewirbelt hat. Das versuchte die Truppe auch heute Abend und bereits der heftige Beginn liess erahnen, was da noch kommen mag. Dust Bolt legten sprichwörtlich los wie die Feuerwehr! Frontmann und Gitarrist Lenny B. legte sich dabei besonders ins Zeug, sodass sich seine langen Haare bald einmal am Gitarrenhals verhedderten und kurz darauf, wie gleichzeitig gut sichtbar, ein ganzes Haarbüschel daran hing. Davon liess er sich aber nicht beirren und legte, zusammen mit seinen Bandmates, einen ziemlichen Kraftakt auf die Bühne. Diese unbändig freigesetzte Energie verpuffte jedoch relativ rasch, verlor sich in etwas uninspiriertem Einerlei, und nach der erwähnten halben Stunde fand ich eigentlich nur Drummer Nico R. effektiv herausragend. Was der Kerl da ablieferte, verdiente das Prädikat "weltklasse". Insgesamt fiel der Auftritt von Dust Bolt als Opener jedoch ordentlich aus, sprich ich habe schon deutlich schlechtere Combos an dieser Stelle erlebt. (rsl)

Setliste: «The Fourth Strike» - «Mind The Gap» - «Dead Inside» - «Killing Time» - «Sick X Brain» - «Rhythm To My Madness».

Iron Reagan
Eine Band mit diesem doch eher seltsam anmutenden Namen kann ja nur aus den Staaten kommen, zumindest wenn das Allgemeinwissen noch her gibt, wer ein gewisser und hier wohl namensgebender Mann namens Ronald Reagan (R.I.P.) war. Der Fünfer aus Richmond, sprich Virginia, hat sich stilistisch einem Stil verschrieben, der an anderer Stelle mit "Crossover Hardcore Punk" bezeichnet wird. Und genau so hörte sich die Chose an, die überaus rumplig rüber kam und die Mucke teils noch schneller als zuvor bei Dust Bolt gezockt wurde. Dennoch wirkten die Songs zum saumässig bollernden Basssound von Rob Skotis variabler als zuvor, da es mehr Breaks und Midtempo-Parts gab. Zudem wurden die Lieder ziemlich kurz gehalten und dauerten oftmals nicht mal zwei Minuten! Kein Wunder kommt bei achtzehn Songs (!) auf dem letzten Studioalbum «Crossover Ministry» nicht mal eine halbe Stunde zusammen!! Dies erzeugte einen überaus kompakten Eindruck und war letztlich eine typische Reminiszenz an den Punk. Erst 2012 wurde die Combo aus der Taufe gehoben und hat inzwischen insgesamt drei Langeisen am Start. Aktuell wurde eine Split-Single, zusammen mit Sacred Reich, veröffentlicht, was nun erklärt, warum diese beiden Bands mitunter im Billing stehen. Die Stimmung unter der mittlerweile gestiegenen Anzahl Fans vor der Bühne gedieh prächtig, und so wurde bereits der erste Moshpit des Abends angezettelt. Iron Reagan fanden dies ebenso cool, und der Refrain des Songs «Fuck The Neighbors» eignete sich prächtig zum Mitsingen. Da auch hier nur dreissig Minuten veranschlagt waren, ging der energetisch beseelte Gig der Amis abrupt zu Ende, aber das Beste kam ja erst noch. (rsl)

Setliste: «Eat Shit And Live» - «Insanity Please» - «Bleed The Fifth» - «Conditioned Evolution» - «Tyranny Of Will» - «I Won't Go» - «Rock Block» - «They Scream» - «Instrumental» - «Cycle Of Violence» - «Paycheck» - «Fuck The Neighbours» - «Eyeball Gore» - «Miserable Failure» - «Exit The Game» - «Your Kid's An Asshole / Mini Lights».

Sacred Reich
Die Truppe um Knuddelbär Phil Rind ist in meinen Augen immer ein Geheimtipp geblieben, die, wie viele andere talentierte Truppen, kaum den Erfolg erhielt, den sie eigentlich verdiente. Zwischen 2000 und 2006 löste sich die Band zwecks Erfolgslosigkeit auf, um dann wieder auf der Bühne Vollgas zu geben. Dabei konnte der Vierer immer von seiner musikalischen Vergangenheit zehren und spielte die Fans mit seinen Hits schwindlig. Nun stand das neue Werk «The Awakening» in den Startlöchern. Mit diesem zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten Album im Gepäck und den alten Krachern wie «The American Way», «Death Squad», «Who’s The Blame» oder «Independent» trumpften Phil und seine Jung gross auf und liessen mit «Awakening», «Divide & Conquer» sowie «Manifest Reality» gleich drei neue Lieder in das Set einfliessen. Speziell der zurückgekehrte Sohn Dave McClain (ehemals Machine Head) sorgte für einen ordentlichen Druck, auf dem sich die beiden Gitarristen Wiley Arnett und Neuzugang Joey Radziwill austoben konnten. Genau gleich wie bei Death Angel, war es der Mix aus fetten Thrash-Attacken und auch tollen Metal-Parts, welche die Arizona-Jungs nach wie vor perfekt beherrschen. Wenn ich ehrlich bin, waren Sacred Reich für mich der grosse Gewinner, da Death Angel viel zu kurz auf der Bühne standen und Testament einmal mehr unter einem schlechten Sound litten. Phil grinste sich den Wolf in die Backen, sprach viel, mit noch mehr Humor zum Publikum. Es war eine Meisterleistung der Herren, die trotz neuer Besetzung tight im Sekundentakt Arschtritte versetzten und beste Werbung in eigener Sache machten. (tin)

Setliste: «The American Way» - «Death Squad» - «Awakening» - «Love… Hate» - «Divide & Conquer» - «Who's The Blame» - «Independent» - «Manifest Reality» - «Surf Nicaragua».

Death Angel
Wie Kollege Tinu untenstehend richtig erwähnt, wären Testament als Headliner schon fähig gewesen, den qualitativ eh schon hochstehenden Abend zum vollständigen Triumpf werden zu lassen, wurden aber einmal mehr durch das schon mehrfach erlebte Problem ausgebremst. Nach der gewaltigen Steilvorlage von Sacred Reich waren Death Angel zuvor natürlich die einzig richtige Antwort. Die Thrash-Icons aus Kalifornien sind längstens bekannt für ihre schweisstreibenden Live-Shows, und seit sich den beiden Ur-Members Rob Cavestany (g) und Mark Osegueda (v) mit Ted Aguilar (g), Damien Sisson (b) sowie Will Carroll (d) verstärkt haben (letztere drei spielten ja mal alle zusammen bei Scarecrow und letztere zwei gehören jetzt auch schon eine Dekade zu Death Angel), ist eine unschlagbare Einheit zusammen gewachsen, die in dieser Besetzung schon vier full lenght Alben eingespielt hat. Heuer kam mit «Humanicide» das neunte Studioalbum heraus, das mehrheitlich für gute Resonanzen sorgte und Unsereiner im Frühsommer schon am "Sweden Rock" Festival geniessen konnte. Auch heute Abend brauchten die Amis und ihre Fans nicht lange, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Dabei bewies Frontmann Mark einmal mehr, dass er einer der charismatischsten Sänger seiner Zunft ist und nebst seinen gnadenlosen Vocals mit den teils fast mahnenden Ansprachen stets das gleiche Ziel verfolgt, nämlich eine lupenreine Ode an den Heavy Metal. Mittel dazu waren mitunter ein neuer Song («Humanicide») und «Voracious Souls» vom legendären Debüt «The Ultra-Violence». Aufgrund der (viel zu) kurzen Spielzeit von gerade mal vierzig Minuten fehlte leider eine ganze Latte an Klassikern, und ohne «Seemingly Endless Time» lässt man die Todesengel eigentlich fast bis gar nie von der Bühne runter. Nichtsdestotrotz mundeten die sechs gespielten Songs (jeder einzelne von einem anderen Album) wie ein exquisiter Hauptgang. Death Angel hinterliessen am Vorabend des Auftrittes am "Summer Breeze Festival» die grosse Erwartung, dass sie an dieser Stelle baldmöglichst wieder selbst als Headliner auflaufen. (rsl)

Setliste: «Thrown To The Wolves» - «Claws In So Deep» - «Voracious Souls» - «The Moth» - «The Dream Calls For Blood» - «Humanicide».

Testament
Die heutigen Headliner hätten der grosse Gewinner werden können, scheiterten aber einmal mehr an einem eher undifferenzierten Sound. Das Negative vorweg, der Rest war wie immer erste Sahne. Die Jungs um Frontmann Chuck Billy sind für mich in drei Phasen einzuordnen. Die Frühphase im Original-Line-up, dann die Zeit ohne Alex Skolnick und die Wiedervereinigung mit Alex. Testament ohne Alex waren für mich immer wie Iron Maiden ohne Eddie. Das geht einfach nicht, denn der Virtuose an den sechs Saiten zaubert einerseits harte Riffs und andererseits filigrane Melodien wie kein Zweiter. Hört man sich die Solos bei «Over The Wall», «Practice What You Preach» oder «Electric Crown» an, weiss man, dass Testament ohne ihn unmöglich sind. Die Doublebass Drum von Gene Hoglan donnerte und trat mächtig Arsch, während Eric Peterson seine Riffs mit viel Druck aus seinem Instrument hämmerte. Dank Steve DiGiorgio wurde der Groove mit den vier Saiten stetig aufrecht gehalten und in der Mitte stand wie immer der Zeremonienmeister Chuck Billy. Seine beachtliche Statur und seine Stimme reissen jedes Publikum mit, und die Crowdsurfer flogen fast im Minutentakt über die Köpfe der vordersten Reihen. Musikalisch bot der Fünfer alles, was das Metalherz begehrt!

Vom neusten Werk «Brotherhood Of The Snake» bis zum Debütalbum «The Legacy» war vieles vertreten und trotzdem fehlten einige Hits. Zum Beispiel auch «Rise Up» oder die Ultra-Hits «Apocalyptic City», «First Strike Is Deadly» und «Trial By Fire». Trotzdem verging die Zeit wie im Fluge, und die Stimmung im Z7 wurde grösser und grösser. Die Jungs hatten ihren Spass auf der Bühne und überliessen nichts dem Zufall. Mit den schon erwähnten «Electric Crown» (das Riffmonster!) und «Over The Wall» (die Thrash-Abreissbrine!!) hatte die Show ihre Höhepunkte und bei «Disciple Of The Watch» kannte der Applaus wie der Jubel im Publikum keine Grenzen mehr. Testament sind noch immer eine Macht, auch wenn gewisse Leute die Band als Headliner-Unwürdig ansahen und einen Shitstorm im Internet initiierten. Jungs, dann bleibt doch zu Hause, es ist nun mal so, dass Testament verkaufstechnisch besser dastehen als Sacred Reich oder Death Angel. Ob das nun dem persönlichen Geschmack einspricht oder nicht. Aber so langsam finde ich es echt erbärmlich, dass jeder seinen unnötigen Senf zu allem abgeben muss. Fazit: Wenn es Testament jeweils hinbekommen, einen für sie differenzierteren Sound hin zu zaubern, dann sind sie kaum zu schlagen und können sich sogar mit der Brachialität, trotz Virtuosität, von Overkill messen. (tin)

Setliste: «Brotherhood Of The Snake» - «The Pale King» - «More Than Meets The Eye» - «D.N.R. (Do Not Resuscitate) » - «Eyes Of Wrath» - «Legions Of The Dead» - «Low» - «The Preacher» - «Into The Pit» - «Electric Crown» - «Over The Wall» - «Disciple Of The Watch» - «Practice What You Preach» - «The New Order» - «The Formation Of Damnation».