Wann genau ich über The Night Flight Orchestra im Facebook
und danach im Youtube gestolpert bin, weiss ich nicht mehr so genau,
aber es dürfte relativ nahe um den Release des dritten Albums «Amber
Galactic» am 19. Mai 2017 herum gewesen sein. Was da an mein Ohr
drang, konnte ich kaum glauben, und dies, obwohl der bewusst auf die
80er-Jahre getrimmte Classic Rock Sound umgehend an Asia, Deep
Purple, Toto, Foreigner und sogar einmal an ABBA erinnerte. Das
alleine muss allerdings nichts heissen, haben viele andere Bands mit
meist bescheidenem Erfolg auch gemacht, aber hier war von Anfang an
das gewisse Etwas mit im Spiel, was zu einem guten Teil der
Besetzung geschuldet ist. Mit Björn Strid (Vocals), Sebastian
Forslund (Guitar), Sharlee D' Angelo (Bass), David Andersson
(Guitar), Richard Larsson (Keyboards) und Jonas Källsbäck (Drums)
haben sich Musiker zusammen gefunden, die sonst bei Bands wie
Soilwork, Arch Enemy oder Mean Streak für mehrheitlich anderen
„Lärm“ besorgt sind. Zehn Jahre nach der ersten Schnapsidee treffen
The Night Flight Orchestra den Genre-Nerv der Zeit wie kaum eine
andere Combo und spielten so erstmals in der Schweiz auf!
The
Night Flight Orchestra
Man muss sich das zuerst mal vorstellen…, da kommt also eine Truppe
im Rahmen einer Mini-Tour angereist, bestehend aus sechs Musikern
und zwei Background-Sängerinnen. In diesem Line-Up zum ersten Mal in
Helvetien. Auftrittsort war das Werk 21 in Zürich, wo maximal etwa
200 plus noch ein paar Zerquetschte rein passen. Vor zwölf Jahren
waren es beim legendären Gig von Candlemass ja gegen 250 gewesen,
aber das ist eine andere Geschichte. Heute Abend standen also total
acht Leute auf der kleinen Bühne in der Gruft unten und zelebrierten
Classic Rock mit Pop-Sprengseln der goldenen 80er-Jahre. Das heisst
mitunter, dass dem Keyboard-, respektive Synthie-Einsatz eine
zentrale Bedeutung zukommt. Und sowas soll dann „da unten“ auch noch
differenziert klingen?! Eigentlich kaum bis gar nicht möglich in
dieser Location, doch denkste! Ohne den Namen des Mischers zu
kennen, muss ich voraus schicken, dass der Typ an diesem Abend ein
wahres Wunder vollbracht hat. Dieser wahnsinnige Meister der Regler
liess die Band vor gut 150 Fans (!!!) an diesem gewöhnlichen
Montagabend und eine Woche vor Heiligabend sowas von abrocken, dass
sich der Mörtel im Gewölbe aufzulösen begann! Bereits mit dem
knalligen Opener «Midnight Flyer» waren die Fans Feuer und Flamme
und lechzten nach jedem weiteren Song! Die präsentierte Mischung aus
allen drei Alben war, mit leichter Bevorzugung
des
neuen Drehers, sehr ausgewogen. Frontmann Björn Strid brauchte
allerdings etwas Anwärmzeit für seine zu Beginn hörbar kratzigen
Stimmbänder, doch spätestens bei «Stiletto» war davon kaum mehr was
übrig. Unterstützt durch die in dieser Form zwingend bereichernden
Backing Vocals der beiden „Stewardessen“ Anna Brygärd und Anna-Mia
Bonde schossen The Night Flight Orchestra buchstäblich den Vogel ab
und spielten ohne Support-Act nicht nur nicht in meinen Augen und
Ohren schlichtweg das Konzert des Jahres!
Getragen vom für
diese Verhältnisse hammermässigen Sound folgte ein Highlight nach
dem anderen, inklusive fluffigen Perkussions-Einlagen. Obwohl die
Saitenfraktion von der Beweglichkeit her platzbedingt ziemlich
eingeschränkt war, performte und poste man dennoch mit allem, was
eben ging. Ein besonderer Leckerbissen war dabei die coole
Disco-Nummer «Domino», die live noch geiler als auf dem Album rüber
kam. Die beiden Vorgänger-Alben «Skyline Whispers» (2015) und
«Internal Affairs» (2012) wurden mit je vier Songs bedacht, die
ziemlich schlüssig aufzeigten, auf welcher musikalischen, respektive
kompositorischen Reise die begeisternde Güte von «Amber Galactic»
erreicht wurde. Besonders zu
erwähnen ist ausserdem noch das zu Beginn leicht jazzig inspirierte
«The Heather Reports», das sich während der zehn Minuten Spielzeit
(!) erst mit unüberhörbaren Vibes von Deep Purple der 80er/90er
schmückt, um hinten raus, nochmals jazzig verspielt, an den
grandiosen, schon fast epischen Schluss des Songs zu gelangen, was
für ein Meisterwerk! Damit war der Hauptset leider schon zu Ende,
aber das laustarke Publikum sorgte innert Kürze für insgesamt drei
Zugaben, wovon «Josephine» ursprünglich nicht auf der Setliste
stand. Mit «West Ruth Ave» endete das persönliche Konzert des Jahres
überaus stimmig, und nachdem der letzte Ton verklungen war,
gelangten eigentlich fast alle Fans, inklusive einzelner Black
Metaller (!) zum gleichen Fazit: The Night Flight Orchestra?
Schlicht Weltklasse! Die darob sichtlich erfreuten MusikerInnen
mischten sich anschliessend locker unter die Fans und mussten einige
Tonträger, darunter jede Menge Vinyl, visieren. Im lockeren Gespräch
mit allen Bandmembers war unter anderem zu erfahren, dass Gitarrist
David Andersson, wenn er nicht auf der Bühne steht oder Songs
schreibt, beruflich praktizierender Arzt in einem Spital ist! Soll
einer noch sagen, dass Akademiker unmusikalisch seien.
Setliste: «Midnight Flyer» - «California Morning» - «Stiletto» -
«Star Of Rio» - «Domino» - «Transatlantic Blues» - «Montreal
Midnight Supply» - «Something Mysterious» - «Sail On» - «Gemini» -
«The Heather Reports» -- «Living For The Nighttime» - «Josephine» -
«West Ruth Ave».
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