Vor fast einem Jahr, genau am 18. Dezember 2017 lieferten
The Night Flight Orchestra ihr umjubeltes erstes Schweizer Konzert
im Keller-Gewölbe der gleichen Liegenschaft ab. Das dritte Album
«Amber Galactic», erschienen im Mai 2017, verzauberte Anhänger
unterschiedlicher Rock- und Metal-Genres gleichermassen. Für meine
Wenigkeit traf dieser Sound voll ins Schwarze, und nach dem
hammermässigen Auftritt schnellten die Erwartungen in entsprechende
Höhen. So überraschte es indes nicht, dass Nuclear Blast als
renommiertes Label dafür sorgte, dass ihr neues Rösslein im Stall
bald die nächsten neuen Songs abliefern möge. So dauerte es etwas
mehr als zwölf Monate, als Ende Juni mit «Sometimes The World Ain't
Enough» der vierte Wurf auf die Menschheit losgelassen wurde. Das
Verdikt fiel grundsätzlich durchaus positiv aus, auch wenn der
Vorgänger insgesamt die zwingenderen Ohrwürmer am Start hatte. Die
grosse Frage war nun, ob der heutige Auftritt an die letztjährige
Heldentat anzuknüpfen vermochte oder nicht. Das erste
Überraschungsmoment gehörte jedoch der jungen belgischen
Support-Band Black Mirrors, die mit ihrem schweren 70ies-Sound
brillierten. (rsl)
Black Mirrors Die Vorgruppe
von The Night Flight Orchestra auf deren 2018er Indoor-Tour?! Black
Mirrors aus Belgien?! Nie gehört zuvor, und das erstaunte zum einen
gar nicht, aber zum anderen fragt man sich zuweilen schon, wie einem
solche Perlen erst nach einer Weile auf- oder wie heute Abend quasi
in den Schoss fallen. Die lasziv wirkende und attraktive Frontfrau
Marcella di Troia (die in der Tat einen italienischstämmigen Vater
hat) war Dreh- und Angelpunkt dieser aufstrebenden Combo. Zusammen
mit ihren Sidekicks Pierre Lateur (g) und Loïc Videtta (d) lieferte
sie eine ziemlich energetische Performance ab. Die Klassifizierung
ihrer Mucke lautet offiziell auf "Indie / Alternative / Blues Rock",
wobei mir die ersten zwei Begriffe normalerweise nicht wirklich
munden. Hier wars aber anders, denn es wurde ein überaus mächtiger
Groove freigesetzt, der zwischendurch auch von feineren Klängen
durchsetzt war. Mit indianisch anmutender Schminke im Gesicht hängte
Marcella all ihre Emotionen mit hoher Energie in ihren
ausdrucksstarken Gesang hinein, und das Resultat war schlicht
verblüffend! Das Publikum schien ebenso angetan von dieser frischen
Brise, die da von der Bühne runter wehte. Auch seinen spürbaren
Anteil daran hatte natürlich Schlagzeuger Paul Moreau, der seine
Jugendlichkeit in pure Energie umwandelte. Der Grossteil der
gespielten Songs ist auf der Debüt-Scheibe «Look Into The Black
Mirror» zu finden, ergänzt um die schmissige Cover-Version des
MC5-Songs «Kick Out The Jam», der auf der letztjährigen EP «Funky
Queen» glänzt. Ich selber war letztlich so angetan vom Gesamtpaket
Black Mirrors, dass unmittelbar nach dem Auftritt sogleich der
Merchandise-Stand aufgesucht wurde. Die Hoffnung auf Vinyl erfüllte
sich zur grossen Freude, und so liess ich gleich ein paar Scheinchen
für die Erweiterung meiner Tonträger-Kollektion springen. Sowas
bereitet eh die grösste Freude, wenn einem ein Auftritt so gefällt
wie dieser hier und die Band folglich direkt unterstützt wird. Die
Überraschung war letztlich mehr als nur geglückt, und nun stand der
Headliner in der herausfordernden Pflicht, die eigenhändig sehr hoch
angesetzte Messlatte vom Vorjahr ins Auge zu fassen! (rsl)
Setliste: «Intro» - «Shoes For Booze» - «Günther Kimmich» - «Funky
Queen» - «The Mess» - «Inner Reality» - «Moonstone» - «Mind Shape» -
«Lay My Burden Down» - «Kick Out The Jams (MC5 Cover)» - «Burning
Warriors».
The Night Flight Orchestra
Irgendwie hatte ich eine Vorahnung, obwohl die Vorfreude auf das
Konzert gross war. Das letztjährige Gastspiel, unten im Werk 21, war
dermassen geil und dazu noch der allererste Auftritt in der Schweiz.
Das sind Momente, die sich allermeistens nicht reproduzieren lassen,
und so kam das heute Abend leider ebenso. Doch drehen wir das Rad
der Zeit zunächst zurück an den Anfang der Show, als erstmal wie
erfreulicherweise das gleiche Line-Up, inklusive der beiden
"Stewardessen" Anna-Mia Bonde und Anna Brygärd, die Bühne des
Dynamo-Saals betrat. Sofort danach stellte sich dem geneigten Fan
die Frage nach der Setliste, und hier war natürlich schon klar, dass
das neue Album «Sometimes The World Ain't Enough» im Fokus stand,
aber dass just der Titeltrack nach dem Intro als Opener folgte,
entpuppte sich nicht wirklich als Glücksgriff. «This Time» hätte da
freilich besser gepasst, und wo man auf dem Studioalbum mit etwas
"Highway Star" Flair gleich mit der Tür ins Haus fällt, liess der
Live-Sound erstaunlicherweise einiges an Druck vermissen. Vor allem
die Gitarren von David Andersson und Sebastian Forslund klangen
schwachbrüstig, und dem Ganzen fehlte es irgendwie an Esprit.
Dennoch wurde immerhin von allen vier bisherigen Alben mindestens
ein Song in den diesjährigen Tour-Set aufgenommen. Spürbare, sprich
songwriterische Höhepunkte waren nicht unerwartet die insgesamt fünf
performten Tracks von «Amber Galactic». Leider fehlte hier
mindestens noch der Disco-Groover «Domino». Der grundsätzlich guten
Stimmung tat dies allerdings keinen Abbruch und Björn Strid war
zumindest stimmlich auf der Höhe, wie auch das "Anna-Doppelpack".
Die beiden Ladies bewiesen erneut, wie wichtig sie für die
Authentizität der Band sind. Kämen ihre kraftvollen Stimmen ab Band,
würde die Magie vollends flöten gehen. Die Showeinlage mit dem
Überreichen von Sekt und Schweiss abtupfen bei Frontmann Björn
sorgte derweil für ein paar Schmunzler.
«Speedwagon» und
«Turn To Miami», zwei der neuen Songs, standen kompositorisch jedoch
klar auf dem Niveau des brillanten Vorgängers, aber es fehlte ein
spürbares Mass an Spritzigkeit. Warum das so war, ist noch schwierig
zu erklären, und alles nur dem ungenügenden Sound anzulasten wäre zu
einfach. Je länger das Konzert andauerte, desto mehr wurde klar,
dass der Exploit des Vorjahres nicht mal annähernd wiederholt werden
konnte. Gerade so ein Groove-Track wie «Paralyzed» muss einen
einfach (wie bei «Domino») mit der Wucht von Mother's Finest
wegblasen. «1998» vom Debüt «Internal Affairs» empfahl sich derweil
mit töftem Guitar Twin-Solo als gute Wahl und beendete den
offiziellen Set nach knapp etwas mehr als gerade mal sechzig
Minuten! Der unweigerliche Blick auf die Uhr verhiess dabei
Unerfreuliches, aber The Night Flight Orchestra legten dann dennoch
drei Zugaben hin, wovon der schmissige Album-Opener einige Kohlen
aus dem Feuer holte, am Anfang aber eine bessere Figur abgegeben
hätte. Nach «West Ruth Ave» war dann, wie letztes Jahr schon,
definitiv Schicht im Schacht. Leider wurde bei uns in Zürich auf
«Stiletto» verzichtet, das ein paar Tage später zumindest in
München, Prag und Nürnberg kredenzt wurde. Härter erwischte es
offenbar Saarbrücken, wo nebst «Stiletto» auch «This Time» als erste
Zugabe auf der Strecke blieb, und ja, ich war natürlich etwas
enttäuscht darüber, dass «The Heather Reports» als Longtrack nicht
erneut zum Handkuss kam. Bei all der Rummoserei hier muss The Night
Flight Orchestra jedoch attestiert werden, dass sie es generell
schon drauf haben. Der heutige Abend als Ganzes verdiente, nicht
zuletzt wegen den tollen Black Mirrors, die übrigens einen deutlich
besseren Sound hatten (!) so oder so viel Lob. Schon bald, nämlich
am 10. Januar 2019, kann das schwedische Ensemble am "ICE
ROCK"-Festival im Emmental dann zeigen, wie man es besser macht. Die
Chance dazu ist real und einmalig zugleich! (rsl)
Zweitmeinung von Roger W. Neben Begeisterung und
Euphorie lösten The Night Flight Orchestra bei ihrem Auftritt in
Zürich auch bei wenigen Besuchern Kopfschütteln aus. So erging es
zumindest mir. Riesig hatte ich mich auf den Auftritt gefreut,
nachdem mich das neue Album «Sometimes The World Is Not Enough»
richtiggehend geflasht hatte. Diese Mischung aus Foreigner, Toto und
anderen AOR und Hard Rock-Bands ist songwriterisch und
musikalisch
schlicht umwerfend – leider nur auf CD. Dass es sich bei den
Urhebern um Death Metal Musiker handelt, macht die Sache umso
spannender. Live offenbarte sich dann aber etwas, was auch passiert,
wenn man den Vanille-Rum Captain Morgan einmal pur, also ohne Cola,
versucht: In der Nase top, im Gaumen ein Flop, weil sich da der
billige Alkohol bemerkbar macht. Oder auf The Night Flight Orchestra
bezogen: Auf CD top, live ein Flop, weil sich da die Death Metal
Band bemerkbar macht. Was also auf dem Tonträger nach rhythmischem
Hard Pop (oder wie auch immer man das nennen will) klingt, wurde in
Zürich viel zu stark auf den Punkt gespielt. Dass die Band Probleme
hat, wurde gleich mit dem Eröffnungslied klar. «Sometimes The World
Is Not Enough» war schlicht ein musikalisches Chaos. Jedes
Bandmitglied schien dabei etwas anderes zu spielen. Danach wurde es
zwar ein wenig besser, aber den Rhythmus, der die AOR-Bands
ausmacht, wurde wenn, dann jeweils nur kurz gehalten. Dazu kam, dass
die Band innerhalb der Lieder immer wieder unabsichtlich die Tempi
wechselte. Wären auf der Bühne Anfänger gestanden, hätte mich das
auch nicht gestört. Bei den langjährigen Erfahrungen dieser Musiker
löste das bei mir aber anstelle von headbangen nur trauriges
Kopfschütteln aus. Erstaunlich war aber auch, dass dieses Manko von
verschiedenen Musikern in Publikum nicht wahrgenommen wurde. Mein
persönliches Fazit: Ich werde der Band in zwei bis drei Jahren
nochmals eine Chance geben. Falls sie da auch „versagen“, bleiben
mir wenigstens noch die CDs mit dem genialen Songwriting. (rog)
Setliste: «Intro» - «Sometimes The World Ain't Enough» - «Living
Tor The Nighttime» - «Speedwagon» - «Midnight Flyer» - «Turn To
Miami» - «Star Of Rio» - «Gemini» - «Something Mysterious» -
«Josephine» - «Paralyzed» - «Can't Be That Bad» - «1998» -- «This
Time» - «Lovers In The Rain» - «West Ruth Ave».
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