Livereview: The Sweet

19. April 2014, Solothurn – Kofmehl
By Rockslave
 
Brian Connolly (R.I.P.), Andy Scott, Steve Priest und Mick Tucker (R.I.P.) bildeten in den 70ern die Glamrock-Gruppe schlechthin! Unzählige ihrer weltweit insgesamt 34 (!!) Nr. 1 Hits wurden danach bekanntlich von vielen Bands gecovert. «Action», Teenage Rampage» oder «Hell Raiser» plus viele mehr waren echte Strassenfeger. Dazu kam der eigentümliche Gesang von Brian und die nicht minder fast unnachahmlichen Backing-Vocals von Andy, die in ihrer Weise die gleiche Bedeutung inne hatten wie das, was Queen oder die Bee Gees ausgemacht hatte. Als die The Sweet (ab 1974 nur noch Sweet) trotz der Erfolge, die ja zumeist auf das Konto der Songschreiber-Ikonen Mike Chapman und Nicky Chinn gingen, mehr Eigenes einbringen wollten, liess der Erfolg nach. Meine Wenigkeit nahm von den frühen Sweet kaum Notiz, da war ich noch zu jung und darum erklärt sich auch, dass ich lange dachte, dass zum Beispiel «Ballroom Blitz» ein Song von Krokus sei, zumal ja das Album «The Blitz» von 1984 darüber hinaus auch noch fast denselben Titel trug! Der discokompatible Evergreen «Love Is Like Oxygen» vom unterbewerteten Album «Level Headed» (1978) ebnete mir schliesslich den Zugang zu den Briten und dieses eine wie prägende Album meiner Jugendzeit würde ich mitunter auf eine einsame Insel mitnehmen! In diesem Sinne sorry für die Redundanzen zur Live-Rezi von 2011.

Sweet

Leider war es mir nicht vergönnt, die Ur-Formation wenigstens einmal live zu sehen. Spätestens 1997, als Frontmann Brian starb, war aus die Maus. Fünf Jahre später folgte ihm Drummer Mick leider nach. Die verbliebenen zwei Bandmembers machten nach der Bandauflösung von 1981 aber weiter. Andy ab 1985 und Steve jedoch erst ab 2008. Dies legt nahe, dass die Beiden nicht gemeinsame Sache mach(t)en und so sind heute folglich zwei Combos mit je einem Original-Mitglied unterwegs. Dass sich so eine Konstellation beisst, kennt man ja von Supertramp, Barclay James Harvest oder, um besser in metallische Gefilde zu wechseln, aktuell bei Queensrÿche. Während Letztere sich endlich einigen konnten (Ihr wisst, wovon ich spreche), ist die Situation bei den Briten immer noch verfahren. Allerdings steht Andy Scott aktuell eindeutig mehr für die „richtige“ Band Sweet, was diverse internationale Auftritte, wie zum Beispiel beim letztjährigen „Sweden Rock“-Festival in Sölvesborg belegen. Vorher, nebst in Schweden, sah ich Sweet drei Jahre zuvor im Club „GoEasy“ in Untersiggenthal und damals legte man schon eine Hammer-Show hin! Für den ausgestiegenen Steve Grant (g/keys/v) kehrte in der gleichen Funktion Tony O’Hara zurück, der von 2003 bis 2006 bereits mal im Line-Up stand. Das zahlreich erschienene Publikum im Solothurner „Kofmehl“ war altersmässig eher älteren Datums, doch es war nicht zu übersehen, dass es auch eine ganze Menge junger Fans hatte, die vornehmlich in der vorderen Region, also nahe der Bühne, standen. Sowas ist natürlich Balsam für die Musikerseele und zeigt erfreulicherweise auf, dass die nachwachsende Generation offenbar weiss, was Hand und Fuss hat. Dabei ist es natürlich völlig egal, dass Andy Scotts Haarpracht immer gleich aussieht.

Was zählt, ist die Musik und von der gab es reichlich heute Abend. Eine Vorgruppe spielte allerdings nicht, aber es wurde vorher bereits auf der Homepage darauf hingewiesen, dass das Konzert pünktlich um 20.00 Uhr beginnen würde, und so war es dann auch. Wer also, aus welchem Grund auch immer, verspätet eintraf, verpasste den Beginn der Show. Das passierte mir nicht und ich nahm von Anfang an den Platz direkt am Bühnenrand auf der Höhe von Andy Scotts Amps ein. Dem Teleobjektiv sei Dank konnte ich auch noch das eine oder andere gute Bild von der anderen Seite schiessen, also dem Standort von Tony O’Hara. Somit kriegte ich für Dauer des ganzen Konzertes immer die volle Dröhnung von Andys Gitarre vor den Latz geknallt. Nach dem Intro folgte zunächst mal der Russ Ballard Cover-Song «New York Groove», der auch auf dem letzten Studio-Album «New York Connection» als Opener fungiert. «Hellraiser» bratzte anschliessend herrlich rotzig daher und das sollte bis zum Schluss so bleiben. Frontmann Peter Lincoln liess als gewiefter Performer derweil nichts anbrennen und kommunizierte alsbald mit dem Publikum, das sich mit jedem Song mehr besser eingroovte. Es war eine musikalische Zeitreise, die überwiegend ganze Dekaden der Karriere von Sweet umfasste. Eingestreut waren auch einzelne neuere Songs wie «Gold On The Ceiling» oder das bereits in Schweden gespielte Cover-Stück «You Spin Me Round» von der einstigen Disco-Combo Dead Or Alive. Es gibt mehrere Bands, die sich schon an diesem Hit versucht haben und weil ich das Original auch gut kenne und mag, war ich überrascht, wie gut die verrockte Version klang. Eine Premiere für Europa stand mit «Peppermint Twist» an, denn dieser Song (in Australien ein grosser Hit) wurde bislang auf unserem Kontinent nie (!) live performt. Man höre und staune.

Nicht fehlen durfte an diesem Abend im „House Of Rust“ das Epos «Love Is Like Oxygen», das Andy seinen beiden verstorbenen Kollegen widmete. Hierbei wurde, wenn auch anders arrangiert, das Kult- Stück in seiner ganzen Länge, wie auf der Studio-Scheibe, gespielt. Das war dann einer der Momente, wo ich als Altfan zum besonderen Geniesser wurde, 36 Jahre nach dem Erscheinen von «Level Headed». Doch das war natürlich noch längst nicht alles! In bester Spiellaune setzten Andy, Peter, Tony und Bruce (inklusive Drum-Solo) zur Schlussoffensive an, die nur noch aus Monster-Hits bestand, einfach herrlich! Bei «Fox On The Run» testete Peter dann die Mitsing-Qualitäten der Fans, die, typisch für die Deutschschweiz halt, eher bescheiden ausfielen. Trotzdem war die Stimmung im Kofmehl ausgelassen und nicht wenige tanzten und hatten sichtlich Spass. Das Ganze war auch für die Musiker eine durchaus schweisstreibende Sache. Das machte den Einsatz von Frottee-Tüchern nötig und Durst gab es ebenso. Andy Scott liess sich vor der Show zwei mächtige Gläser Jacky-Cola mit viel Eis bereit stellen. Diese wurden ihm dann jeweils vom Roadie hingehalten und so wie er davon trank, darf davon ausgegangen werden, dass da bestimmt nicht nur Coca Cola drin war! Am Ende der Show waren dann beide Gläser auf jeden Fall leer. Vor der ersten Zugabe, dem wunderbaren akustisch gespielten «Starlight», erzählte Andy kurz von seiner Prostata-Krebs Erkrankung (von der er offenbar soweit genesen ist) und erwähnte in dem Zusammenhang eine Stiftung, die sich zum Thema Krebs engagiert. Nach den ruhigen Tönen wurde es noch zweimal laut(er) und mit «Ballroom Blitz» beendeten Sweet nach über 100 Minuten ein wirklich tolles Konzert. Schön, dass man sowas noch erleben darf!

Setliste: «Intro» - «New York Groove (Russ Ballard Cover)» - «Hellraiser» - «Turn It Down» - «The Six Teens» - «Gold On The Ceiling» - «Peppermint Twist» - «Into The Night» - «AC/DC» - «Wig Wam Bam/Little Willy» - «Teenage Rampage» - «You Spin Me Round (Dead Or Alive Cover)» - «Love Is Like Oxygen» - «Set Me Free» - «Blockbuster» - «Fox On The Run» -- «Starlight» - «Action» - «Ballroom Blitz».