Brian Connolly (R.I.P.), Andy Scott, Steve Priest und Mick Tucker
(R.I.P.) bildeten in den 70ern die Glamrock-Gruppe schlechthin!
Unzählige ihrer weltweit insgesamt 34 (!!) Nr. 1 Hits wurden danach
bekanntlich von vielen Bands gecovert. «Action», Teenage Rampage»
oder «Hell Raiser» plus viele mehr waren echte Strassenfeger. Dazu
kam der eigentümliche Gesang von Brian und die nicht minder fast
unnachahmlichen Backing-Vocals von Andy, die in ihrer Weise die
gleiche Bedeutung inne hatten wie das, was Queen oder die Bee Gees
ausgemacht hatte. Als die The Sweet (ab 1974 nur noch Sweet) trotz
der Erfolge, die ja zumeist auf das Konto der Songschreiber-Ikonen
Mike Chapman und Nicky Chinn gingen, mehr Eigenes einbringen
wollten, liess der Erfolg nach. Meine Wenigkeit nahm von den frühen
Sweet kaum Notiz, da war ich noch zu jung und darum erklärt sich
auch, dass ich lange dachte, dass zum Beispiel «Ballroom Blitz» ein
Song von Krokus sei, zumal ja das Album «The Blitz» von 1984 darüber
hinaus auch noch fast denselben Titel trug! Der discokompatible
Evergreen «Love Is Like Oxygen» vom unterbewerteten Album «Level
Headed» (1978) ebnete mir schliesslich den Zugang zu den Briten und
dieses eine wie prägende Album meiner Jugendzeit würde ich mitunter
auf eine einsame Insel mitnehmen! In diesem Sinne sorry für die
Redundanzen zur Live-Rezi von 2011.
Sweet
Leider war es mir nicht vergönnt, die Ur-Formation wenigstens einmal
live zu sehen. Spätestens 1997, als Frontmann Brian starb, war aus
die Maus. Fünf Jahre später folgte ihm Drummer Mick leider nach. Die
verbliebenen zwei Bandmembers machten nach der Bandauflösung von
1981 aber weiter. Andy ab 1985 und Steve jedoch erst ab 2008. Dies
legt nahe, dass die Beiden nicht gemeinsame Sache mach(t)en und so
sind heute folglich zwei Combos mit je einem Original-Mitglied
unterwegs. Dass sich so eine Konstellation beisst, kennt man ja von
Supertramp, Barclay James Harvest oder, um besser in metallische
Gefilde zu wechseln, aktuell bei Queensrÿche. Während Letztere sich
endlich einigen konnten (Ihr wisst, wovon ich spreche), ist die
Situation bei den Briten immer noch verfahren. Allerdings steht Andy
Scott aktuell eindeutig mehr für die „richtige“ Band Sweet, was
diverse internationale Auftritte, wie zum Beispiel beim
letztjährigen „Sweden Rock“-Festival in Sölvesborg belegen. Vorher,
nebst in Schweden, sah ich Sweet drei Jahre zuvor im Club „GoEasy“
in Untersiggenthal und damals legte man schon eine Hammer-Show hin!
Für den ausgestiegenen Steve Grant (g/keys/v) kehrte in der gleichen
Funktion Tony O’Hara zurück, der von 2003 bis 2006 bereits mal im Line-Up stand. Das zahlreich erschienene Publikum im Solothurner „Kofmehl“
war altersmässig eher älteren Datums, doch es war nicht zu
übersehen, dass es auch eine ganze Menge junger Fans hatte, die
vornehmlich in der vorderen Region, also nahe der Bühne, standen.
Sowas ist natürlich Balsam für die
Musikerseele und zeigt
erfreulicherweise auf, dass die nachwachsende Generation offenbar
weiss, was Hand und Fuss hat. Dabei ist es natürlich völlig egal,
dass Andy Scotts Haarpracht immer gleich aussieht.
Was zählt, ist die Musik und von der gab es reichlich heute Abend.
Eine Vorgruppe spielte allerdings nicht, aber es wurde vorher
bereits auf der Homepage darauf hingewiesen, dass das Konzert
pünktlich um 20.00 Uhr beginnen würde, und so war es dann auch. Wer
also, aus welchem Grund auch immer, verspätet eintraf, verpasste den
Beginn der Show. Das passierte mir nicht und ich nahm von Anfang an
den Platz direkt am Bühnenrand auf der Höhe von Andy Scotts Amps
ein. Dem Teleobjektiv sei Dank konnte ich auch noch das eine oder
andere gute Bild von der anderen Seite schiessen, also dem Standort
von Tony O’Hara. Somit kriegte ich für Dauer des ganzen Konzertes
immer die volle Dröhnung von Andys Gitarre vor den Latz geknallt.
Nach dem Intro folgte zunächst mal der Russ Ballard Cover-Song «New
York Groove», der auch auf dem letzten Studio-Album «New York
Connection» als Opener fungiert. «Hellraiser» bratzte anschliessend
herrlich rotzig daher und das sollte bis zum Schluss so bleiben.
Frontmann Peter Lincoln liess als gewiefter Performer derweil nichts
anbrennen und kommunizierte alsbald mit dem Publikum, das sich mit
jedem Song mehr besser eingroovte. Es war eine musikalische
Zeitreise, die überwiegend ganze Dekaden der Karriere von Sweet
umfasste. Eingestreut waren auch einzelne neuere Songs wie «Gold On
The Ceiling» oder das bereits in Schweden gespielte Cover-Stück «You
Spin Me Round» von der einstigen Disco-Combo Dead Or Alive. Es gibt
mehrere Bands, die sich schon an diesem Hit versucht haben und weil
ich das Original auch gut kenne und mag, war ich überrascht, wie gut
die verrockte Version klang. Eine Premiere für Europa stand mit «Peppermint
Twist» an, denn dieser Song (in Australien ein grosser Hit) wurde
bislang auf unserem Kontinent nie (!) live performt. Man höre und
staune.
Nicht fehlen durfte an diesem Abend im „House Of Rust“ das Epos
«Love Is Like Oxygen», das Andy seinen beiden verstorbenen Kollegen
widmete. Hierbei wurde, wenn auch anders arrangiert, das Kult- Stück
in seiner ganzen Länge, wie auf der Studio-Scheibe, gespielt. Das
war dann einer der Momente, wo ich als Altfan zum besonderen
Geniesser wurde, 36 Jahre nach dem Erscheinen von «Level Headed».
Doch das war natürlich noch längst nicht alles! In bester Spiellaune
setzten Andy, Peter, Tony und Bruce (inklusive Drum-Solo) zur
Schlussoffensive an, die nur noch aus Monster-Hits bestand, einfach
herrlich! Bei «Fox On The Run» testete Peter dann die
Mitsing-Qualitäten der Fans, die, typisch für die Deutschschweiz
halt, eher bescheiden ausfielen. Trotzdem war die Stimmung im
Kofmehl ausgelassen und nicht wenige tanzten und hatten sichtlich
Spass. Das Ganze war auch für die Musiker eine durchaus
schweisstreibende Sache. Das machte den Einsatz von Frottee-Tüchern
nötig und Durst gab es ebenso. Andy Scott liess sich vor der Show
zwei mächtige Gläser Jacky-Cola mit viel Eis bereit stellen. Diese
wurden ihm dann jeweils vom Roadie hingehalten und so wie er davon
trank, darf davon ausgegangen werden, dass da bestimmt nicht nur
Coca Cola drin war! Am Ende der Show waren dann beide Gläser auf
jeden Fall leer. Vor der ersten Zugabe, dem wunderbaren akustisch
gespielten «Starlight», erzählte Andy kurz von seiner Prostata-Krebs
Erkrankung (von der er offenbar soweit genesen ist) und erwähnte in
dem Zusammenhang eine Stiftung, die sich zum Thema Krebs engagiert.
Nach den ruhigen Tönen wurde es noch zweimal laut(er) und mit «Ballroom
Blitz» beendeten Sweet nach über 100 Minuten ein wirklich tolles
Konzert. Schön, dass man sowas noch erleben darf!
Setliste: «Intro» - «New York Groove (Russ Ballard Cover)» - «Hellraiser»
- «Turn It Down» - «The Six Teens» - «Gold On The Ceiling» - «Peppermint
Twist» - «Into The Night» - «AC/DC» - «Wig Wam Bam/Little Willy» - «Teenage
Rampage» - «You Spin Me Round (Dead Or Alive Cover)» - «Love Is Like
Oxygen» - «Set Me Free» - «Blockbuster» - «Fox On The Run» -- «Starlight»
- «Action» - «Ballroom Blitz».
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