Livereview: The Vintage Caravan - Dead Lord - Tiebreaker

25. Februar 2016, Aarau – KiFF
By Rockslave
Dieses edle Rock-Package war wie geschaffen für das KiFF in Aarau, auch wenn man langsam darüber stänkern könnte, warum dass The Vintage Caravan schon wieder bei uns in der Schweiz aufkreuzen. Doch wer dieses energetisch agierende Trio schon mal auf einer Bühne hat wüten sehen, kann nicht genug davon bekommen! Zudem kam dazu, dass der allererste CH-Auftritt 2014 auch hier stattfand und sich nun auf der Headliner-Tour der Kreis so zu sagen schliessen konnte. Allerdings galt das nur für die Saitenfraktion, da der Posten hinter den Kesseln neu besetzt wurde. Das ist bei einem Trio natürlich schade, aber Stefán Ari macht seine Sache ebenso gut wie sein Vorgänger Guðjón Reynisson. Mit dabei als Support waren zwei Bands und zwar Dead Lord sowie Tiebreaker. Während die Schweden in der Szene mittlerweile schon ein Begriff geworden sind, waren die jüngeren Kollegen aus Norwegen bisher noch ein völlig unbeschriebenes Blatt. Daraus ergab sich eine interessante Ausgangslage, denn vom Headliner wusste ich, was zu erwarten war, während bei Dead Lord die Frage aufkam, ob sie wirklich so gut sind, und Tiebreaker spielten als Opener sozusagen einen Joker aus.

Tiebreaker

Normalerweise wird das Time-Schedule im KiFF eingehalten und ist auch stets, für jedermann und –frau, an mehreren Stellen der Location gut sichtbar aufgehängt. Somit wäre es eigentlich heute Abend, sofern man pünktlich angefangen hätte, um 19.45 Uhr zu den ersten Aktivitäten auf der Bühne gekommen. Da es aber zu der Zeit noch etwas leer im Raum aussah, hoffte man noch auf ein paar eintreffende Leute mehr und legte den Start um eine Viertelstunde nach vorne. Und dann kamen sie, als da wären: Thomas Espeland Karlsen (v), Eirik Wik Haug (g), Olav Vikingstad (g), Patrick Andersson (b) und Pål Gunnar Dale (d). Der etwas kleinwüchsige Frontmann fiel sogleich mit seiner Elvis-Tolle, der entsprechenden pogoähnlichen Bewegungsart und der überraschend eher tiefen, sprich kratzig-rauchigen Gesangsstimme auf. Was Tiebreaker da bei ihrem ersten Auftritt auf Schweizer Boden hinlegten, war eine tolle Rock-Show, die tief in die 70er hinein reichte und trotzdem etwas Frisches an sich hatte. Das lag vor allem an der exzellenten Gitarrenarbeit der beiden Saitenakrobaten, wobei sich da Eirik Wik Haug besonders hervor tat. Er lieferte nicht nur obergeile Soli ab, sondern warf sich dabei auch in sattes Posing rein. Bis auf den neuen Song «Panamerican Grindstone» stammte der Rest ab dem im letzten November erschienenen Debüt «We Come From The Mountains». Das Paket Tiebreaker überzeugte mich total, weil man merkte, dass diese Band eine absolute Einheit bildet. Darüber hinaus besitzt Sänger Thomas Espeland Karlsen genau die Qualitäten, die man als Frontmann einfach braucht, um die entsprechende Wirkung zu erzielen. Diese erste halbe Stunde war überraschend gut, aber Tiebreaker holten das noch etwas zögerlich reagierende Publikum leider erst gegen Ende wirklich ab. Nichtsdestotrotz eine coole neue Band aus Norwegen, und mit Freude krallte ich mir nach der Show das Vinyl am Merchstand.

Setliste: «Nicotine» - «Early Morning Love Affair» - «Panamerican Grindstone» - «Walk Away» - «Trembling Son» - «The Getaway».


Dead Lord
Wer sich etwas näher mit der noch nicht so ausufernden Geschichte der Band aus Stockholm auseinander setzt, stösst über Frontmann und Gitarrist Hakim Krim auf eine andere Combo, die dem einen oder anderen Rockfan durchaus geläufiger sein könnte: The Scams! Dort spielte unser Hakim nämlich vor der Gründung von Dead Lord anfangs 2012. Soweit so gut, aber während The Scams mehr auf punkigen Rotzrock machen, gehen Dead Lord nicht so heftig ran. Dennoch hat sich das Quartett mittlerweile einen Namen geschaffen und taucht auch entsprechend in der Major-Presse der Hartwurst-Szene auf. Bisher sind zwei Alben erschienen, nämlich «Goodbye Repentance» (2013) und «Heads Held High» im vergangenen Jahr. Die somit aktuelle Scheibe bekam einige gute Kritiken, und damit war das Interesse natürlich entsprechend geweckt. Erste Soundhappen, die mir vor dem Konzert aus verschiedenen Quellen zu Ohren gekommen sind, hauten mich jetzt zwar nicht gerade aus den Latschen. Das hatte vor allem damit zu tun, dass die Reminiszenzen an Thin Lizzy (und etwas AC/DC) für meinen Geschmack einfach too much sind. Natürlich wird das Ganze in eine sehr agile Performance verpackt, und Mister Krim ist ohne Zweifel die geborene Rampensau. Vielleicht auch etwas gar hibbelig, denn man bekam den guten Mann, mindestens zu Beginn, kaum vor die Linse. Der Opener «Because Of Spite» (vom ersten Album) rockte erstmal mit spürbaren Aussie-Vibes drauf los und brachte sogleich das erste coole Twin-Solo von Hakim Krim und Olle Hedenström hervor. Dies ist übrigens ein unüberhörbares Markenzeichen, das klar für Dead Lord spricht, zumal Angus & Co. ebenso nicht nur plump nachgeäfft werden. Bei «Don’t Give A Damn» lassen dann Thin Lizzy erstmals grüssen, und der Gesang von Hakim, der sich wie ein Bastard aus Paul Stanley (KISS) und Phil Lynott (Thin Lizzy) anhört, ist sicherlich ok, spricht aber meine musikalischen Rezeptoren nicht wirklich an. Und das ist genau der Sound, der auf der neuen Langrille vorherrscht und heute mitunter durch «Strained Fools» oder «No Regrets» vertreten ist. Dass sich mein persönlicher Geschmack nicht zwingend mit dem des anwesenden Publikums decken muss, war offensichtlich, denn die Stimmung entwickelte sich im Gegensatz zu Tiebreaker von Anfang an prächtig und beflügelte die Jungs auf der Bühne sichtlich. Mir war es trotz, oder eben wegen den auftrumpfenden Twin-Guitars zu nah am unerreichbaren Original. Scheltet mich einen Ignoranten, aber Dead Lord habe ich persönlich bereits abgehakt…, live und audiomässig.

Setliste: «Because Of Spite» - «Don't Give A Damn» - «Strained Fools» - «No Regrets» - «Onkalo» - «Hammer To The Heart» - «When History Repeats Itself» - «Ruins».


The Vintage Caravan
Nach einer kurzen Umbaupause stieg der Headliner um 21.45 Uhr mit dem Opener «Babylon» und sogleich mit voller Feuerkraft in den Set rein. Die Laut-/Leise-Parts gingen dabei fliessend in die rumpelnden Passagen über. Schon zu Beginn des zweiten Songs «Craving» waren alle drei Musiker bereits schweissgebadet. Allen voran Bassist Alexander Örn Númason, der zwar seine Haare und den Bart (!) etwas gestutzt hatte, nichtsdestotrotz aber wie ein Irrer abschädelte. Kollege Óskar Logi Ágústsson tat es ihm gleich, und was der Knabe da jeweils seiner Klampfe entlockt, ist einfach nur Weltklasse. Mit massig Vibes von Altmeister Hendrix wurden die griffigen Songs mit Inbrunst vorgetragen. Die Auswahl der Songs stammte ab den bisherigen zwei Alben «Voyage» (2014) und «Arrival» (2015), wobei Ersteres ja schon zwei Jahre zuvor in Heimat veröffentlicht wurde. Es ist klar wie ein Bergsee und das schleckt auch keine Geiss weg, dass der Deal mit Nuclear Blast dieses Vorankommen entsprechend unterstützt hat. Aus Erfahrung weiss man allerdings, dass so ein Vertrag immer wieder nach Bestätigung seitens der Protagonisten schreit, und The Vintage Caravan wären ja nicht die erste Band, die sich eine neue Record Company suchen muss. Verdammt zum Erfolg heisst das in diesem Umfeld, aber solange das Trio aus dem hohen Norden solche Perlen wie «Let Me Be», «Last Day Of Light» oder den Longrunner «Expand Your Mind» am Start hat, kann eigentlich nichts schief gehen. Selbst wenn es einen weiteren Wechsel, diesmal jedoch am Bass geben sollte, was wir aber nicht hoffen, dann würde die Gruppe wohl weiterhin bestehen, denn Óskar ist als Leadsänger und Gitarrist der unumstrittene Chef auf Platz. Wenn es The Vintage Caravan zudem gelingt, die Energie und die Spielfreude glaubhaft aufrecht zu erhalten, werden es die Jungs womöglich noch weit bringen. Heute Abend war das mit Bestimmtheit so, denn das Publikum war ziemlich gut drauf und antizipierte vorzüglich. Dieses Hin und Her der Energie beflügelte den Headliner sichtlich und man kann davon ausgehen, dass wenn Óskar unentwegt seine Grimassen zieht und die Augen schon fast diabolisch verdreht, er dabei in anderen Sphären schwebt. Diesem Zustand wurde dann allerdings nach gerade mal einer Stunde Spielzeit ein harter Aufschlag auf dem Boden der Realität versetzt. Der kritische Blick auf die Uhr bestätigte diese unerfreuliche Sachlage, und so hiess es dann erstmal warten, bis sich die Herrschaften wieder auf der Bühne zurück meldeten. Mit dem deutlich in der Ursuppe von Black Sabbath getränkten «Midnight Meditation» gab es nochmals die volle Dröhnung auf Nacken und Lauschklappen. Danach war leider aus die Maus, das heisst nach total nur siebzig Minuten! Bei drei Bands an einem Abend entwickelt sich das zunehmend zu einer lästigen Unart, die man offenbar hinnehmen muss. Unter dem Strich gehen jedoch beide Daumen nach oben und das nicht zuletzt auch, oder besser gesagt wegen Tiebreaker!

Setliste: «Babylon» - «Craving» - «Shaken Beliefs» - «Let Me Be» - «Innerverse» - «Crazy Horses» - «Cocaine Sally» - «Carousel» - «Last Day of Light» - «Expand Your Mind» -- «Midnight Meditation».