Dieses edle Rock-Package war wie geschaffen für das KiFF in
Aarau, auch wenn man langsam darüber stänkern könnte, warum dass The
Vintage Caravan schon wieder bei uns in der Schweiz aufkreuzen. Doch
wer dieses energetisch agierende Trio schon mal auf einer Bühne hat
wüten sehen, kann nicht genug davon bekommen! Zudem kam dazu, dass
der allererste CH-Auftritt 2014 auch hier stattfand und sich nun auf
der Headliner-Tour der Kreis so zu sagen schliessen konnte.
Allerdings galt das nur für die Saitenfraktion, da der Posten hinter
den Kesseln neu besetzt wurde. Das ist bei einem Trio natürlich
schade, aber Stefán Ari macht seine Sache ebenso gut wie sein
Vorgänger Guðjón Reynisson. Mit dabei als Support waren zwei Bands
und zwar Dead Lord sowie Tiebreaker. Während die Schweden in der
Szene mittlerweile schon ein Begriff geworden sind, waren die
jüngeren Kollegen aus Norwegen bisher noch ein völlig
unbeschriebenes Blatt. Daraus ergab sich eine interessante
Ausgangslage, denn vom Headliner wusste ich, was zu erwarten war,
während bei Dead Lord die Frage aufkam, ob sie wirklich so gut sind,
und Tiebreaker spielten als Opener sozusagen einen Joker aus.
Tiebreaker
Normalerweise wird das Time-Schedule im KiFF eingehalten und ist
auch stets, für jedermann und –frau, an mehreren Stellen der
Location gut sichtbar aufgehängt. Somit wäre es eigentlich heute
Abend, sofern man pünktlich angefangen hätte, um 19.45 Uhr zu den
ersten Aktivitäten auf der Bühne gekommen. Da es aber zu der Zeit
noch etwas leer im Raum aussah, hoffte man noch auf ein paar
eintreffende Leute mehr und legte den Start um eine Viertelstunde
nach vorne. Und dann kamen sie, als da wären: Thomas Espeland
Karlsen (v), Eirik Wik Haug (g), Olav Vikingstad (g), Patrick
Andersson (b) und Pål Gunnar Dale (d). Der etwas kleinwüchsige
Frontmann fiel sogleich mit seiner Elvis-Tolle, der entsprechenden
pogoähnlichen Bewegungsart und der überraschend eher tiefen, sprich
kratzig-rauchigen Gesangsstimme auf. Was Tiebreaker da bei ihrem
ersten Auftritt auf Schweizer Boden hinlegten, war eine tolle
Rock-Show, die tief in die 70er hinein reichte und trotzdem etwas
Frisches an sich hatte. Das lag vor allem an der exzellenten
Gitarrenarbeit der beiden Saitenakrobaten, wobei sich da Eirik Wik
Haug besonders hervor tat. Er lieferte nicht nur obergeile Soli ab,
sondern
warf sich dabei auch in sattes Posing rein. Bis auf den neuen Song
«Panamerican Grindstone» stammte der Rest ab dem im letzten November
erschienenen Debüt «We Come From The Mountains». Das Paket
Tiebreaker überzeugte mich total, weil man merkte, dass diese Band
eine absolute Einheit bildet. Darüber hinaus besitzt Sänger Thomas
Espeland Karlsen genau die Qualitäten, die man als Frontmann einfach
braucht, um die entsprechende Wirkung zu erzielen. Diese erste halbe
Stunde war überraschend gut, aber Tiebreaker holten das noch etwas
zögerlich reagierende Publikum leider erst gegen Ende wirklich ab.
Nichtsdestotrotz eine coole neue Band aus Norwegen, und mit Freude
krallte ich mir nach der Show das Vinyl am Merchstand.
Setliste: «Nicotine» - «Early Morning Love Affair» - «Panamerican
Grindstone» - «Walk Away» - «Trembling Son» - «The Getaway».
Dead Lord
Wer sich etwas näher mit der noch nicht so ausufernden Geschichte
der Band aus Stockholm auseinander setzt, stösst über Frontmann und
Gitarrist Hakim Krim auf eine andere Combo, die dem einen oder
anderen Rockfan durchaus geläufiger sein könnte: The Scams! Dort
spielte unser Hakim nämlich vor der Gründung von Dead Lord anfangs
2012. Soweit so gut, aber während The Scams mehr auf punkigen
Rotzrock machen, gehen Dead Lord nicht so heftig ran. Dennoch hat
sich das Quartett mittlerweile einen Namen geschaffen und taucht
auch entsprechend in der Major-Presse der Hartwurst-Szene auf.
Bisher sind zwei Alben erschienen, nämlich «Goodbye Repentance»
(2013) und «Heads Held High» im vergangenen Jahr. Die somit aktuelle
Scheibe bekam einige gute Kritiken, und damit war das Interesse
natürlich entsprechend geweckt. Erste Soundhappen, die mir vor dem
Konzert aus verschiedenen Quellen zu Ohren gekommen sind, hauten
mich jetzt zwar nicht gerade aus den Latschen. Das hatte vor allem
damit zu tun, dass die Reminiszenzen an Thin Lizzy (und etwas AC/DC)
für meinen Geschmack einfach too much sind. Natürlich wird das Ganze
in eine sehr agile Performance verpackt, und Mister Krim ist ohne
Zweifel die geborene Rampensau.
Vielleicht
auch etwas gar hibbelig, denn man bekam den guten Mann, mindestens
zu Beginn, kaum vor die Linse. Der Opener «Because Of Spite» (vom
ersten Album) rockte erstmal mit spürbaren Aussie-Vibes drauf los
und brachte sogleich das erste coole Twin-Solo von Hakim Krim und
Olle Hedenström hervor. Dies ist übrigens ein unüberhörbares
Markenzeichen, das klar für Dead Lord spricht, zumal Angus & Co.
ebenso nicht nur plump nachgeäfft werden. Bei «Don’t Give A Damn»
lassen dann Thin Lizzy erstmals grüssen, und der Gesang von Hakim,
der sich wie ein Bastard aus Paul Stanley (KISS) und Phil Lynott
(Thin Lizzy) anhört, ist sicherlich ok, spricht aber meine
musikalischen Rezeptoren nicht wirklich an. Und das ist genau der
Sound, der auf der neuen Langrille vorherrscht und heute mitunter
durch «Strained Fools» oder «No Regrets» vertreten ist. Dass sich
mein persönlicher Geschmack nicht zwingend mit dem des anwesenden
Publikums decken muss, war offensichtlich, denn die Stimmung
entwickelte sich im Gegensatz zu Tiebreaker von Anfang an prächtig
und beflügelte die Jungs auf der Bühne sichtlich. Mir war es trotz,
oder eben wegen den auftrumpfenden Twin-Guitars zu nah am
unerreichbaren Original. Scheltet mich einen Ignoranten, aber Dead
Lord habe ich persönlich bereits abgehakt…, live und audiomässig.
Setliste: «Because Of Spite» - «Don't Give A Damn» - «Strained
Fools» - «No Regrets» - «Onkalo» - «Hammer To The Heart» - «When
History Repeats Itself» - «Ruins».
The Vintage
Caravan
Nach einer kurzen Umbaupause stieg der Headliner um 21.45 Uhr mit
dem Opener «Babylon» und sogleich mit voller Feuerkraft in den Set
rein. Die Laut-/Leise-Parts gingen dabei fliessend in die rumpelnden
Passagen über. Schon zu Beginn des zweiten Songs «Craving» waren
alle drei Musiker bereits schweissgebadet. Allen voran Bassist
Alexander Örn Númason, der zwar seine Haare und den Bart (!) etwas
gestutzt hatte, nichtsdestotrotz aber wie ein Irrer abschädelte.
Kollege Óskar Logi Ágústsson tat es ihm gleich, und was der Knabe da
jeweils seiner Klampfe entlockt, ist einfach nur Weltklasse. Mit
massig Vibes von Altmeister Hendrix wurden die griffigen Songs mit
Inbrunst vorgetragen. Die Auswahl der Songs stammte ab den
bisherigen zwei Alben «Voyage» (2014) und «Arrival» (2015), wobei
Ersteres ja schon zwei Jahre zuvor in Heimat veröffentlicht wurde.
Es ist klar wie ein Bergsee und das schleckt auch keine Geiss weg,
dass der Deal mit Nuclear Blast dieses Vorankommen entsprechend
unterstützt hat. Aus Erfahrung weiss man allerdings, dass so ein
Vertrag immer wieder nach Bestätigung seitens der Protagonisten
schreit, und The Vintage Caravan
wären
ja nicht die erste Band, die sich eine neue Record Company suchen
muss. Verdammt zum Erfolg heisst das in diesem Umfeld, aber solange
das Trio aus dem hohen Norden solche Perlen wie «Let Me Be», «Last
Day Of Light» oder den Longrunner «Expand Your Mind» am Start hat,
kann eigentlich nichts schief gehen. Selbst wenn es einen weiteren
Wechsel, diesmal jedoch am Bass geben sollte, was wir aber nicht
hoffen, dann würde die Gruppe wohl weiterhin bestehen, denn Óskar
ist als Leadsänger und Gitarrist der unumstrittene Chef auf Platz.
Wenn es The Vintage Caravan zudem gelingt, die Energie und die
Spielfreude glaubhaft aufrecht zu erhalten, werden es die Jungs
womöglich noch weit bringen. Heute Abend war das mit Bestimmtheit
so, denn das Publikum war ziemlich gut drauf und antizipierte
vorzüglich. Dieses Hin und Her der Energie beflügelte den Headliner
sichtlich und man kann davon ausgehen, dass wenn Óskar unentwegt
seine Grimassen zieht und die Augen schon fast diabolisch verdreht,
er dabei in anderen Sphären schwebt. Diesem Zustand wurde dann
allerdings nach gerade mal einer Stunde Spielzeit ein harter
Aufschlag auf dem Boden der Realität versetzt. Der kritische Blick
auf die Uhr bestätigte diese
unerfreuliche Sachlage, und so hiess es dann erstmal warten, bis
sich die Herrschaften wieder auf der Bühne zurück meldeten. Mit dem
deutlich in der Ursuppe von Black Sabbath getränkten «Midnight
Meditation» gab es nochmals die volle Dröhnung auf Nacken und
Lauschklappen. Danach war leider aus die Maus, das heisst nach total
nur siebzig Minuten! Bei drei Bands an einem Abend entwickelt sich
das zunehmend zu einer lästigen Unart, die man offenbar hinnehmen
muss. Unter dem Strich gehen jedoch beide Daumen nach oben und das
nicht zuletzt auch, oder besser gesagt wegen Tiebreaker!
Setliste: «Babylon» - «Craving» - «Shaken Beliefs» - «Let Me Be» -
«Innerverse» - «Crazy Horses» - «Cocaine Sally» - «Carousel» - «Last
Day of Light» - «Expand Your Mind» -- «Midnight Meditation».
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