Das Francomanias-Festival in Bulle (FR) zählt nun schon seit
geraumer Zeit zu den Höhepunkten des Festival-Jahres für die
Französisch sprechenden Musik-Liebhaber der Schweiz. Der Event mit
der Dauer von etwa vier Tagen findet in einem eher gemütlichen
Rahmen statt, die Schauplätze sind dabei unter anderem extra
errichtete Festzelte, sowie der alte Ratshaus-Saal und etliche
kleine im ganzen Städchen verteilte Openairbühnen. Das
Francomanias-Festival konzentriert sich ausschliesslich auf
Französisch-Sprechende Bands, aber gerade vor allem der Abend vom
29. April zeugte von der Dehnbarkeit dieses Begriffes - Während
Underschool Element dreisprachig unterwegs sind (Fr/En/Es),
konzentriert sich der grösste Teil des Young Gods-Schaffens eher auf
die englische Sprache, und nur ein vernichtend kleiner Prozentsatz
ihrer Werke bedient sich des Französisch. Doch gerade eben weil der
Event einen überaus hohen Wichtigkeitsgrad geniesst, arbeiteten
beide Bands für diesen Abend spezielle Programme aus…
Als Underschool Element knapp nach 20 Uhr die Bühne des Ratshaus
betraten, war der Saal bereits beträchtlich gefüllt - gegen 900
Nasen werden es wohl gewesen sein. Die Band legte sich nach einem
kurzen Intro mit «Funabmbule» vom aktuellen Release «Tango» bereits
voll ins Zeug, und sorgte bei den wegen ausschliesslich den Young
Gods angereisten Fans zugleich für ordentlich Unbehagen - Immerhin
war der grösste Teil des Publikums bedrohlich Nahe an der 40-Jahre
Grenze, und hatte nicht zwingend mit verzerrten Gitarren und
geschrienen Vocals gerechnet. Der Band schien das anfänglich
herzlich egal zu sein, «Acariâtre», «Sirènes», «Les Tournesols», und
die aktuelle Single «Real Stinky» wurden schnell nachgeschoben,
Gefangene keine gemacht. Underschool Element hatten offensichtlich
seit der Plattentaufe vor knapp einem Jahr noch mal ordentlich Druck
dazugewonnen, und präsentierten sich wirklich von ihrer aller besten
Seite – Das Publikum lenkte darauf überraschend schnell ein, der
Applaus und die Zurufe schienen sich mit jedem Song zu steigern.
Sänger Greg entledigte sich bereits nach dem dritten Song seines
Oberteils (Was für einige spitze Kommentare aus dem Publikum
sorgte), und gab sich desweiteren als klarer Mittelpunkt des
Geschehens - Obwohl die Band (David/Gitarre, Romain/Bass &
Backing-Vocals, Yvan/Drums & Backing-Vocals) in sämtlichen Sparten
ihrer Darbietung alle Register zogen (Mörder-Groove, ultra fette
Basslinien, und präzise Gitarrenriffe), konnte Greg durch seine
offensichtliche Dankbarkeit gegenüber dem Publikum beinahe sämtliche
Sympathiepunkte im Alleingang einfahren. Nach «El Dragón Negro»
verabschiedete sich die Band kurz, um Sekunden darauf eine echte
Überraschung aus dem Ärmel zu schütteln: Die Jungs setzten sich mit
akkustischen Gitarren und Perkussions-Instrumenten zum kleinen
Halbkreis zusammen, und präsentierten zum Abschluss drei Songs
unplugged, «Tango», «Autour & Partout» und «Jamais à l'abris» - Beim
Intro zum ersten Stück hatte das Publikum offensichtlich noch Mühe,
mit dem Stimmungswechsel klar zu kommen, doch bereits im
Zwischenteil lauschte es beinahe andächtig der mehrstimmig und mit
Inbrunst gesungenen Zeilen. Als sich Greg nach dem letzten Song
erneut beim Publikum bedankte, wurde offensichtlich, dass
Underschool Element dank ihres starken Auftritts viele anwesende
positiv überraschen konnten, und nicht wenige als Fans dazugewonnen
hatten - Auch von meiner Seite zwei fette Daumen nach oben –
Hoffentlich kapiert auch bald die Deutschschweiz (Und der Rest der
Welt gleich mit), dass Underschool Element mittlerweile
internationales Niveau erreicht haben…
Setlist: Funambule, Acariâtre, Sirènes, Les Tournesols, Real Stinky,
Ego, El Dragón Negro / Tango, Autour & Partout, Jamais à l'Abris
The Young Gods indes müssen sich längst nicht mehr um solche
Probleme kümmern - Die Band hat seit über zwanzig Jahren Kultstatus,
und wird rund um den Globus fanatisch verehrt. Musiker wie Al
Jourgenson (Ministry), Trent Reznor (Nine Inch Nails), und sein
Schützling Marilyn Manson zählen The Young Gods zu ihren Einflüssen,
und die Band überrascht seit Jahren immer wieder mit neuen Konzepten
& Überraschungsgigs. Optimale Voraussetzungen also für einen
Auftritt auf dem Francomanias-Festival, zumal die Band erst vor
kurzem ein Akkustik-Album veröffentlicht hat. Im Vorfeld sickerte
bereits durch, dass sich die drei Masterminds hinter der Band für
den Event mit einem Streicher-Quartett zusammen getan hatten, das
Publikum trat deswegen dem länger als geplant andauernden
Umbau zwar
etwas missmutig, aber mit entsprechend Respekt entgegen - Gut Ding
will Weile haben. Als gegen 21.30 Uhr die Lichter erneut erloschen
und sämtliche Musiker miteinander die Bühne betraten, brach im Saal
bereits tosender Applaus los - Mittlerweile war das Ratshaus mehr
als gefüllt, zum Prädikat «Ausverkauft» fehlten nur noch etwa eine
Handvoll Nasen. Ein simpel reduziertes Intro eröffnete den
zweistündigen Gig, und die Band führte mit «Gardez Les Esprits» in
die lange Setlist ein. Der Song setzte zugleich die Marschrichtung
des Abends fest, auf dem Programm standen nebst diversen Klassikern
auch einige aktuellere Nummern, aber immer gekonnt reduziert, und
mit simplen Perkussions-, Gitarren- und Elektro-Sounds versetzt -
Über allem thronte letztlich nur noch die Stimme von Franz Treichler.
Auch das Streicherquartett wurde dem Thema unterworfen: Wo andere
Bands normalerweise vor allem auf klassische Melodieführung setzen,
agierten hier die Streicher ebenfalls rudimentär mit ihren
Instrumenten, und fügten dem dichten Klangteppich etliche
geräuschvolle Details hinzu (Arrangiert wurde das ganze übrigens von
einem freien Mitarbeiter des Festivals!). Mittlerweile waren gut 40
Minuten des Konzertes verstrichen, und The Young Gods waren noch
nicht mal beim vierten Song angekommen - Mir begann aber langsam der
Rücken zu Schmerzen, und die Abfahrt des letzten Nachtbusses
richtung Fribourg rückte auch immer näher. Obwohl die Band sichtlich
ein überzeugendes und nicht minder intensives Konzert ablieferte,
begann
spätestens an diesem Zeitpunkt meine Aufmerksamkeit abzuschweifen…
die Krux der ruhigen Musik schlechthin, bei einem hyperaktiven
Sesselpupser wie mir brennen ohne dynamischen Input schnell mal die
Sicherungen durch. So verliess ich dann knapp eine Stunde nach dem
Showbeginn mit nicht ganz so schwerem Herzen den Schauplatz, und
machte mich auf die Reise zurück nach Fribourg…
Wie sich später herausstellte, hatte aber nicht nur ich Mühe mit der
dargebotenen Schwere des Geschehens: Obwohl viele Besucher über
«Eines der besten Konzerte» ihres Lebens schwärmten, wurden nicht
wenige Stimmen in die andere Richtung laut. Generell kann aber ganz
sicher gesagt werden, dass The Young Gods mit ihrem Auftritt am
Francomanias für einen thematischen und stilistischen Höhepunkt
sorgen, und damit auch ihren Geist als kreative Köpfe und
Wegbereiter bewahren konnten. Aber glücklicherweise tun wir hier bei
der Metal Factory für Live-Shows keine Punkte verteilen, ansonsten
würde ich mir von einigen unbeirrbaren Fans wohl nicht so
freundliche Mails einfangen. The Young Gods hatten übrigens mobiles
Recording-Equipment dabei, es bleibt abzuwarten, was mit dem
Material geschehen wird…
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